Chhattisgarh (2006)

2.Reiseteil

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Angehörige der Gond-Bergstämme: eine Dhruva-Frau und eine Abhuj-Maria.Frau

Aus dem Inhalt:

Die exotischen Volksstämme in Chhattisgarh
Die Naxaliten, eine maoistische Guerilla
Die Bronzen der verlorenen Form in der Bastarregion
Die Bauernversammlung im Stammestempel
Die Gedenkpfosten der Gond
Zwei Lieder
(in Realsound, evtl. geblockt, Inhalte zulassen!)

Dieser indische Bundesstaat mit einer Fläche von 135 000 km² und 20 795 956 Einwohnern (Stand 2001) wurde erst 2000 aus den östlichen Teilen des Staates Madhya Pradesh gebildet. Er ist der 26. indische Bundesstaat. Über 70% der Bevölkerung gehören zu verschiedenen Volksstämmen. (http://chhattisgarh.nic.in/)

Chhattisgarh ist einer der wirtschaftlich starken Bundesstaaten Indiens: Viel Wald, Kohle, Eisen, Kalk, Dolomit, Diamanten, Industriezentren für Stahl und Aluminium und viele Zementfabriken. Davon profitiert aber wohl nicht die Bevölkerung, die überwiegend aus 35 großen und kleinen Stämmen der Adivasis besteht, den Nachfahren indischer Ureinwohner, die früher zurückgezogen in unwirtlichen Wald- und Gebirgsregionen lebten. Die Stämme der Adivasis wurden aus ihren Siedlungsgebieten verdrängt und die Ressourcen ihrer Gebiete - Tropenholz, Bodenschätze, Wasservorräte - wurden zur Ausbeutung freigegeben. Während sie in der Zeit der britischen Kolonialherrschaft Wälder, Flüsse und Felder frei nutzen konnten, gehören diese heute hauptsächlich privaten Großgrundbesitzern oder werden von der nationalen Mineraliengesellschaft NMDC kontrolliert. Diese arbeitet eng mit der internationalen Holzmafia zusammen und steht unter der Kontrolle der hinduistisch-nationalistischen Volkspartei BJP.

(s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Chhattisgarh)

Der südliche Teil des Bundesstaates befindet sich seit einiger Zeit unter der Kontrolle maoistischer Rebellen (Naxaliten). Am 28. Februar 2006 starben im Distrikt Dantewada über 50 Menschen bei einem Anschlag durch die Naxaliten. Diese legten eine Landmine, die einen Lastwagenkonvoi in die Luft sprengte, der von einem von der Regionalregierung organisierten Trainingscamp zurückkehrte. Das Lager dient der Ausbildung von Milizen, die den naxalitischen Aufstand niederschlagen sollen.

Naxaliten, eine maoistische Guerilla

Die Naxaliten entstanden in den späten 1960er Jahren und sind nach dem Ort Naxalbari bei Darjeeling in Westbengalen benannt, wo 1967 ein unter der Führung einiger Mitglieder des linken Flügels der Communist Party of India (Marxist) (CPI(M)) stattfindender Bauernaufstand von der Polizei niedergeschlagen wurde. Hauptursachen für diesen und andere im selben Zeitraum ablaufende Bauernaufstände (am wichtigsten war derjenige in Srikakulam (Andhra Pradesh)) waren die Konzentration des Landes in den Händen weniger Großgrundbesitzer, die im Wesentlichen aus der britischen Kolonialzeit herrührte und die gesellschaftliche und ökonomische Diskriminierung der Adivasis durch die hinduistisch geprägte Gesellschaft.

Nicht zu den Naxaliten werden die primär nationalistisch motivierten, maoistisch inspirierten Bewegungen im Nordosten Indiens wie die United Liberation Front of Asom, der National Socialist Council of Nagalim in Nagaland oder die People's Revolutionary Party of Kangleipak in Manipur gezählt.


Verstecktes Walddorf im Naxalitengürtel

Die Situation der Naxaliten in Indien wird von amnesty international in Zusammenhang mit einem Asylverfahren 1996 in folgender Weise geschildert.

Bei der Bewegung der Naxaliten handelt es sich nicht um eine homogene Gruppe oder Partei im eigentlichen Sinne. Als Naxaliten bezeichnet man in Indien Gruppen von maoistischen Untergrundkämpfern, die sich in bestimmten Gebieten des Landes u.a. für die Rechte von unterdrückten und entrechteten Landarbeitern einsetzen.

Die Grundidee der Naxalitenbewegung ist die, daß die ärmsten, am meisten unterdrückten Teile der Landbevölkerung das größte "revolutionäre Potential" bilden. Höhepunkt der Bewegung waren im Jahre 1967 die Bauernaufstände von Naxalbari (West-Bengal) und Srikakulam (Andhra-Pradesh), in deren Verlauf von den Naxaliten aufgehetzte Landarbeiter Großgrundbesitzer ermordeten. Der Aufstand wurde mit Hilfe der Polizei niedergeschlagen, wobei u.a. auch die damalige Regierung von West-Bengal die Sicherheitskräfte unterstützte. Die Regierung von West-Bengal hatte sich nach Ausbruch des Aufstandes zunächst zurückgehalten. Dies lag u.a. daran, daß es sich bei ihr um eine Koalitionsregierung von Kongreß-Partei und der kommunistisch-maoistischen Partei CPI/M handelte und der Innenminister von der CPI/M gestellt wurde. Die CPI/M hatte ähnliche politische Ziele wie die Naxaliten-Bewegung. Erst auf Druck der Unionsregierung in Neu Delhi griff die Polizei auf Weisung von Innenminister Jyoti Basus ein und schlug den Aufstand nieder. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurden mehrere Führer der Naxaliten-Bewegung verhaftet. Mehrere von ihnen blieben jahrelang in Haft, ohne daß Anklage gegen sie erhoben oder ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet worden wäre.


Moderne Naxalitenverkleidung?

Nach amnesty international vorliegenden Informationen kam es immer wieder zu Übergriffen der Sicherheitsorgane gegen Anhänger der Naxaliten bzw. gegen Menschen, die als Sympathisanten derselben galten. So nahm die Polizei im Jahre 1991 Hunderte von Stammesangehörigen in Haft, die verdächtigt wurden, die Naxaliten zu unterstützen. Diese Stammesangehörigen hatten sich an politischen Kampagnen zugunsten einer Entschädigung für die ihren Gemeinschaften verloren gegangenen Ländereien beteiligt oder Forderungen nach einem Autonomiestatus für die von ihnen bewohnten Regionen unterstützt. Die Tatsache, daß die Naxaliten und andere bewaffnete Oppositionsgruppen sich hinter ihre Forderungen gestellt hatten, führte dazu, daß sie in den Verdacht der Unterstützung der bewaffneten Gruppen gerieten. Diese Menschen wurden während der Dauer des Polizeigewahrsams Folterungen und Mißhandlungen unterworfen.

Bereits die Verwandtschaft mit einem Naxaliten-Anhänger ist ausreichend, um verhaftet und mißhandelt zu werden, wie der Fall von Archana Guha, einer Lehrerin aus Kalkutta zeigt. Sie wurde am 17. Juli 1974 verhaftet, weil ihr Bruder, der verdächtigt wurde, Anhänger einer Naxaliten-Organisation zu sein, nicht auffindbar war. Frau Guha wurde über 27 Tage gefoltert und erst im Mai 1977 wieder freigelassen. Sie leidet noch heute an den Folgen der Mißhandlungen.

Es kann also davon ausgegangen werden, daß durchaus auch "einfache Mitglieder" bzw. Sympathisanten der Naxalitenbewegung mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen.

Andererseits schrecken auch die Anhänger der Naxalitenbewegung vor brutaler Gewalt nicht zurück, wenn es um das Erreichen ihrer Ziele geht. Amnesty international erreichten immer wieder Berichte über die Tötung von Polizeibeamten, Polizeiinformanten und Großgrundbesitzern durch mutmaßliche Anhänger von Naxaliten-Organisationen; insbesondere die Naxalite People's War Group wird in diesem Zusammenhang immer wieder genannt.

Noch in jüngster Zeit sollen Pressemeldungen zufolge Anschläge von der Naxalite People's War Group verübt worden sein. So wurden bei einem Überfall auf ein Polizeirevier im Bundesstaat Andhra Pradesh 16 Polizisten und 2 Zivilisten getötet (vgl. auch FR vom 11.1.97 "18 Menschen bei Überfall getötet").


Typisches Einzelgehöft im Wald

Bernard Imhasly, Indien-Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ schreibt in einem Bericht. "Im zentralindischen Staat Chhattisgarh sollten Stammesbewohner in einer Miliz namens „Salva Judum“ („Jagd nach dem Frieden“) zusammengefasst und bewaffnet werden. Die Reaktion der Naxaliten war massiv: Die Salva-Judum-Mitglieder wurden zum Freiwild erklärt, viele von ihnen entführt und erschossen. Als der Staat in seiner Reaktion noch einen Schritt weiterging und die Salva Judum in befestigten Dörfern entlang der Haupststraßen ansiedelte, war die Folge noch fataler: Nun wurden auch die Familien zum Feind gestempelt, ganze Dörfer abgebrannt und Angehörige entführt. Die Naxaliten breiteten sich in immer mehr Staaten aus. Ihr Einflussgebiet bildet inzwischen einen breiten Gürtel von Tamil Nadu bis an die Grenze zu Nepal, wo sie mit den nepalischen Maoisten Kontakt hergestellt haben. Das hat das Innenministerium in Delhi bewogen, eine gemeinsame Strategie zwischen den Staaten zu entwickeln." (http://www.das-parlament.de/2006/32-33/Thema/002.html)

Weitere Informationen zum Problem der Naxaliten


Ein Abhuj-Maria Mann

Die Bastarregion (http://bastar.gov.in/)

Der Bastardistrikt ist größer als Belgien und wird zu 70 % von den Volksstämmen der Gonds, Abhuj Maria, Darda Maria, Bison Horn Maria, Munia Doria, Dhruva, Bhatra, Halba u.a. bewohnt, die durchweg Animisten sind. Ein Drittel sind Hindus. Von den 1,3 Mill. Einwohnern sind etwa 54 % Analphabeten. Die Hauptsprache ist Hindi. Seit dem Grenzübertritt hat sich die Schrift geändert. Man schreibt hier nicht mehr die runden, käferartigen Buchstaben der Oriyaschrift, sondern die an einem Balken aufgehängten Hindibuchstaben. In der Bastarregion verständigt man sich im Norden in einer Mischung aus Halbi und Oriya und im Süden mit Gondi und Telugu, drawidische Sprachen.

Morgens fahren wir von Kanker aus über Kondagoan 120 km in die abgeschirmte Tribalregion. An einem Schlagbaum sind Sandsäcke aufgetürmt, hinter denen bewaffnete Polizisten die Autos beobachten. Stacheldrahtrollen schützen die Gebäude zusätzlich. Unsere Papiere und das Innere des Autos werden kontrolliert. Auf dem großen Wochenmarkt in Narayanpur ist die Polizeipräsens fast unangenehm. Die Polizeistation ist wie eine Festung gesichert gegen mögliche Angriffe und Anschläge der Naxaliten. Unser übervorsichtiger, ängstlicher Guide meldet uns dort als Besucher an. Prompt werden Aufnahmen mit der Videokamera verboten. Auf dem Markt gibt es aber keine Probleme deswegen.

Es ist drückend heiß. Kein Luftzug durchzieht das Areal. Alles Mögliche wird angeboten wie auf einem Krammarkt. Ungewöhnlich sind Kampfhähne, die immer wieder aufeinander losgelassen werden, Schweine- und Ziegenköpfe, über deren Kopf immer der Penis hängt, und Alkohol in großen Aluminiumtöpfen. Getrunken wird aus Blätterbechern.

Die Gond

Das Volk der Gond umfasst etwa 6 Mill. Mitglieder. Sie sind das größte Volk, das in früheren Zeiten das sagenhafte Gondwana beherrschte. Sie zerfallen in 50 Untergruppen. Die drei Hauptgruppen sind die Maria, die Muria und die Dorla. Das Wort Gond kommt vom Teluguwort "Konda", was Berg bedeutet. Sie selbst nennen sich "Koytoria".

Bei einer Eheschließung muss der Brautpreis an den Brautvater gezahlt werden, wodurch der Wert einer Frau im Gegensatz zu den Hindus erheblich höher gesehen wird. Die ungewöhnlichste Einrichtung der Gond ist der Ghotul, in dem die unverheirateten Jugendlichen eine soziale Lern- und Probezeit durchmachen. Hier können sie freie sexuelle Kontakte untereinander ausprobieren, machen Musik, lernen tanzen, betrinken sich zusammen und üben sich in den verschiedenen sozialen Aufgaben. Diese Einrichtung, die auf die Gottheit Lingopan zurück geführt wird, findet sich vorwiegend bei den Muria-Gond.


Abhuj-Maria Männer singen ein Lied

Die Abujh-Maria Gond

Die Abujh Maria Dörfer Kheragaon und Khodagaon liegen zwischen Waldstücken und Feldern 750 m hoch und erinnern an die Dharuba-Gond-Dörfer in Orissa. (s. Reise durchs südliche Orissa)

Die Abujh Maria Gond werden zu den primitiven Stämmen gezählt. Sie umfassen etwa 1700 Personen (1993), die in 150 Dörfern leben. In ihrem hügeligen Wohngebiet betreiben sie Brandrodung, so dass die Hügel nur spärlich bewaldet sind. Ihre Dörfer liegen aber im dichten Wald. Abujh bedeutet "die verborgen leben". Sie sind gefürchtet, weil sie Fremde mit ihrem Bogen niederschießen würden. Nach Auskunft unseres Guides heißt Mariya Killer. Das Trinken von Alkohol ist allgemein üblich. Ihr Land ist Gemeineigentum. Sie benutzen keinen Pflug, um der Erde keinen Schmerz zuzufügen, statt dessen nehmen sie hölzerne Grabstöcke, um die Erde zu bearbeiten. Ehebruch ist nicht erlaubt, aber Heirat innerhalb der Blutsverwandtschaft ist erlaubt.

Im Dorf Kheragaon wird eine Hochzeit vorbereitet. Entsprechend angeheitert sind einige Männer. Sie kümmern sich um große Töpfe mit Reis, die auf dem Feuer stehen, während die Frauen aus Blättern Essgeschirre herstellen. Unser Guide hält sich ängstlich zurück und will beim ersten betrunkenen Mann gleich wieder zum Auto. Aber die Männer bleiben sehr freundlich und lassen sich sogar überreden, einen Tanz vorzuführen. An allen Häusern hängen mehrere Trommeln, die zur Verehrung der Erdgöttin (Dharti Mata) und zur Vertreibung böser Geister dienen. Eigentlich wollen die Männer den Tanz in der Festtracht vorführen, aber der Aufbewahrungsort für den Kopfschmuck, Federn und Büffelgehörn, befindet sich zu weit entfernt. Die Männer sind recht eitel, was sie durch ihre Schmuckketten, Ohrringe und Kopftücher zeigen. Nach dem Tanz singen sie noch ein Lied zur Geburt eines Kindes, in dem der Erdgottheit gedankt wird. Als wir ihnen zum Dank einige Rupien geben, drücken sie uns immer wieder die Hände. Jetzt können sie sich Alkohol kaufen und ein Fest feiern.


Beim Kreistanz

Bei dem Versuch, ein weiteres Dorf im Wald zu erreichen, steht unser Auto plötzlich vor einem Fluss. Die Straße ist weggebrochen. Wir fahren zurück nach Kanker

Von dort geht es am nächsten Tag wieder Richtung Süden nach Jagdalpur. Auf dem Weg halten wir zunächst bei zwei Muria-Dörfern.

Die Muria gehören zu den Gond. Ihr Name bedeutet Ureinwohner, abgeleitet von "Mur", d.i. die Wurzel. Die Muria leben in der Ebene. Sie betreiben Landwirtschaft mit Reisanbau. Ihre speziellen Tätigkeiten sind nicht Kasten zugeordnet.

Wir gehen dann auf den Markt von Pharosgaon, zu dem viele Stammesangehörige der Muria kommen. Die Frauen tragen Schmucktätowierungen auf den Armen und auf den Händen.

Mengen von braunen Mohua-Blüten und Früchten werden verkauft.
Sie dienen als Nahrung und zur Herstellung von Alkohol und Öl.

Danach besuchen wir das Dorf der Seildreher und Kondagaon, das Dorf der Schmiede, wo traditionelle Gond-Figuren hergestellt werden.

Einer der Seildreher hat wohl wieder zuviel Alkohol getrunken und unterhält seine ganze Nachbarschaft mit seinen großspurigen Reden, vor allem zum Amüsement der Frauen. Er singt uns das Lied an den Waldgott vor, in dem der Gott gebeten wird, dafür zu sorgen, dass der Wald nicht ganz verschwindet und die neue Zeit die alte nicht gänzlich vertreiben möge. Dann mimt er, unterstützt von einem Nachbarn, einen wilden Sprungtanz mit einer Trommel.

Die Bronzen der Bastarregion

In der Region wohnen in 25 Dörfern etwa 400 Metallgießer, die bei den Festen der Dorfgöttinnen und Clangottheiten auf den Märkten ihre Bronzen anbieten. Die Bronzen stellen sowohl Göttergestalten dar als auch symbolische Formen der Götter, die den Göttern als Geschenk präsentiert werden. Die Bronzen sind in der Wachsausschmelztechnik der verlorenen Form hergestellt. Das Aussehen der Figuren wird weitgehend von den Metallgießern bestimmt, denen die Göttin im Traum ihre Wünsche mitteilt. Dieses Fehlen einer verbindlichen Ikonograhie steht im Gegensatz zur klassischen indischen Kunst und zur Volkskunst in Maharashtra.

Überrascht hat uns, dass alle Göttinnen jeweils zu Paaren auf einer Schaukel sitzen oder auf einem Elefanten reiten. Die Schaukel haben wir auch an einigen Kultplätzen gesehen. Dort war sie wohl für den Schamanen gedacht, der auf ihr die Stelle der Göttin einnimmt. In einem Falle setzt er sich sogar auf ein Nagelbrett, ein Beweis seiner göttlichen Kraft. Die Bronzefiguren der Göttin halten manchmal auch eine Nagelkette in einer Hand. Mit einer solchen Kette schlägt sich ebenfalls der Schamane zum Zeichen, dass die Göttin ihm Unverletzbarkeit verliehen hat.

Auf einem Elefanten dürfen nur die Familiengötter der Raja-Familie dargestellt werden. Die Figuren der Göttinnen unterscheiden sich nicht, zumal alle regionalen Göttinnen mit Danteshvari identifiziert werden und zu einer ihrer 32 Schwestern erklärt wurden. Die symbolische Darstellung der Göttinnen wird durch 32 Punkte auf Silberplaketten dargestellt. Im Hausschrein am Keskalpass finden sich viele dieser symbolischen Platten. Ein weiteres eigenartiges Symbol ist ein Holzgestell aus drei Rundhölzern mit zwei Querbalken, das den Clangott der Muria darstellt. Auch Bronzen zeigen ein solches Gestell, das von zwei Männer getragen wird. Die Bronzen werden bis zu dem entsprechenden Fest meist in einem Bambuskorb aufbewahrt, wenn sie nicht in einem Tempel als dauernd lebendige Gottheiten von Priestern umsorgt werden.


Hier werrden große Masken und Figuren aus Eisenblechen geschnitten und gehämmert.

Tagesausflug von Jagdalpur in den Kanger Valley Nationalpark.

Im Dhruva-Gond-Dorf Chinda Beda, in dem wieder Trinkgefäße aus Blättern hergestellt werden, präsentieren die Bewohner einer Gehöftgruppe bereitwillig Utensilien aus ihrem Alltag: Pfeil und Bogen und einen riesigen Hut, der beim Hacken auf dem Feld den ganzen Körper gegen Regen und Sonne schützt. Sie zeigen, wie sie Bambus glätten und wie sie dann Matten flechten, sie zeigen ihre Trommeln und einen Tanz mit dieser Trommel.

Wie wir auf unseren Indienreisen im Norden und im Osten immer wieder feststellen, sind die Inder besonders von Wasserfällen begeistert. Deshalb sehen wir auf dieser Rundfahrt ebenfalls drei Wasserfälle. Nach dem ersten kleinen und dem größeren Tirathgarh Wasserfall beeindruckt uns erst der dritte, der Chitrakot Wasserfall.

Anschließend ein Waldmarkt (Pakner) im Bezirk Dantewada mit Angehörigen der Gond und der Maria. Später nach Upala zu einem kleinen Shiva-Tempel aus dem 13. Jahrhundert.

Durch Zufall erfahren wir von einer Versammlung der Bauern bei Chandragiri, wo neue Bananensorten vorgestellt werden. Die Bauern müssen für eine Pflanze 30 Rupien bezahlen, zahlbar in drei Raten, 15 Pflanzen zu 450 Rp. Unser Guide hat zwar größte Bedenken wegen unserer Sicherheit, weil wir uns im Naxalitengebiet befinden, aber wir fahren dann doch mit einem Regierungsvertreter über Feldwege und durch Gebüsch zu einem einsamen Stammes-Tempel, wo bereits eine größere Gruppe Bauern wartet. Dieser Besuch wird der Höhepunkt des Tages, da wir nicht nur die Menschen hautnah erleben, sondern auch eine religiöse Feier für die Dorfgötter hier mitmachen dürfen.


Der Dorfpriester verehrt den Waldgott.

Die Bauernversammlung im Stammestempel

Auf einer Anhöhe liegen drei Gebäude, zwischen denen die Bauern sich auf den Boden gesetzt haben: Ein Versammlungshaus und zwei kleine Tempel aus Lehm, die mit den Eingängen sich gegenüberliegen. Zwischen den einfachen Lehmtempeln liegt noch ein Opferstein für den Waldgott. Der Vorplatz zur Haupthütte, in der Ganga, die Wassergottheit der Fischer, mit einem großen Gefolge verehrt wird, ist überdacht. Bei den Vorbereitungen zur Zeremonie der Anrufung bzw. Verlebendigung der Göttin darf ich im Innern direkt vor der Reihe der Stein- und Lehmfiguren auf einer Holzkiste Platz nehmen. Der Priester legt vor jede Figur ein Häufchen gekochten Reis und unterschiedliche Feldfrüchte, besonders lange Bohnen und Kokosnüsse.


Die Wassergöttin Ganga

Er steckt rauchende Weihrauchstäbchen vor Ganga und die vielen Begleitpferde und entzündet dann in einer Schale ein Weihrauchfeuer, in dem das Harz des Teakbaumes verbrannt wird. Ähnliche Vorbereitungen werden in der gegenüberliegenden Tempelhütte für die Erdgöttin Baram getroffen. Sie steht in der Hierarchie der Göttinnen wohl nicht so hoch, weil sie von weniger Begleitpersonen umgeben ist und auch nicht so reichlich mit Weihegaben bedacht wird. Auffällig ist in dem engen Raum ein Holzgestell, das baumartige bis zur Decke reicht. Die schwarz-weißen "Zweige" bestehen aus Pferde- und Vogelkörpern, und dazwischen steckt ein Holzgewehr. Der Waldgott draußen, ein Stein, hat neben sich nur wenige Tonpferde und wird ähnlich geehrt. Nach diesen Zeremonien drängen die Bauern in den Haupttempel, entzünden Weihrauchstäbchen und bekommen vom Priester einen roten Stirnpunkt. Danach kann die Beratung beginnen, ohne dass man mit dem Unwillen der Göttinnen rechnen muss. Unser Führer aber rechnet mit der Gefahr durch Naxaliten und drängt auf Rückkehr zur Hauptstraße. Zu unserer Sicherheit muss uns der Regierungsbeauftragte als Beschützer begleiten.

Zu seiner Rechtfertigung erzählt uns Sanat, dass erst vor zwei Wochen in Dantewara von den Naxaliten eine Familie ermordet worden sei.

Der nächste Tag ist wieder sehr heiß, als wir zu den Maria Dörfern Dilmili und Tirtum fahren. Im Auto messe ich 34° C. Unser Guide spricht von zwei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, den Maria und den Madia, die äußerlich nicht zu unterscheiden seien. Darüber hinaus gibt es viele Namen und unser Guide spricht in seinem Oriya-Englisch beide Wörter gleich aus.

Einige Laute gibt es wohl nicht in Oriya, z.B. das "W", und das "Sch" und das "S" wird verwechselt, das "C" wie "k" ausgesprochen. Der Inhalt vieler Sätze lässt sich oft nur aus dem Zusammenhang erahnen. Was heißt z.B. They yuge ooden soosh? und the dickist? Lösung des Rätsels: They use wooden shoes und the deceased - die Verstorbenen.

Die Kinder flüchten immer wieder, wenn sie uns sehen, und die Kleinen geraten in Panik und schreien fürchterlich, auch wenn die Erwachsenen sie zu beruhigen versuchen. Wir sind die fremden,weißen Dämonen. Selbst die Schulkinder rennen weg. Wie so häufig treffen wir auch hier in Dorfschulen meist nur die Kinder an. Die Lehrer sind nicht anwesend. Nur manchmal käme ein Lehrer, erfahren wir. Trotzdem bleiben die Kinder bis nachmittags um 16 Uhr in der Schule, spielen und bringen sich das Schreiben bei. Solche lernwilligen Schüler sucht man in Deutschland wohl vergebens. Christa singt ihnen das englische Alphabet vor und fragt, ob sie uns ein Lied vorsingen können. Es reicht zu einem kurzen englischen Begrüßungssong. Traditionelle Volkslieder scheinen sie nicht zu kennen. Erst als wir abfahren, hören wir eine Melodie, und als wir auf der Rückfahrt wieder an der Schule vorbeikommen, laufen sie hinter dem Auto her und begrüßen uns mit Winken und Geschrei.

Anschließend zu Hindu-Tempeln. Der archaisch-klotzige Batisha-Tempel aus dem 9. Jh., ist ein Doppeltempel für Shiva mit einer niedrigen Vorhalle von 32 Säulen. Zwei sehr schön ausgearbeitete Nandi-Bullen liegen vor jeder Cella mit dem Lingam. Hier sind südindische Einflüsse im Tempelbau erkennbar.

Nicht weit davon entfernt stehen zwischen Steinblöcken, den Resten eines großen Tempels aus dem 11. Jahrhundert, zwei riesige Figuren des elefantenköpfigen Gottes Ganesh.

Ein weiterer Tempel aus dem 11. Jh. in der Nähe neben einem See, der gerade renoviert wird, weist auf die frühere Bedeutung der Region Basrur als Regierungszentrum hin. Dieser Tempel zeichnet sich durch wunderschöne Figurengruppen an den Außenseiten aus. Dreimal registrieren wir den Nandi-Bullen in meditierender Sitzhaltung und viele erotische Mithuna-Liebespaare, die ein Vorbild für die berühmten erotischen Tempel von Khajuraho gewesen sein sollen.

Zum Sonnenuntergang fahren wir über einen 920 m hohen Pass zum spektakulären Chitrakot Wasserfall, dem kleinen indischen Niagarafall.

Die Malereien auf den Gedenktafeln der Gond

Am Straßenrand entdecken wir immer wieder bemalte Totemtafeln und Erinnerungspfähle. Auf ihnen weisen die Gond-Muria in Malereien und Schnitzereien auf das Leben eines Verstorbenen hin. Szenen aus dem Leben, Tiere, Götter, Dämonen, immer Schlangen zeigen die diesseitige und die unsichtbare Welt der Gonds. Manchmal stehen neben den Stein- oder Holzplatten auch weiße Grabpyramiden. Die Denkmäler können in Gruppen stehen, bei christlichen Friedhöfen Tausende auf riesigen Arealen, bei den Gonds in kleinen Gruppen 3-6 oder als Einzelstelen.


Gedenktafeln mit Ereignissen aus dem Leben des Verstorbenen

Der Brauch, Menschen nach dem Tod ein Denkmal zu setzen ist wohl in der ganzen Welt zu finden. Die christlichen Kreuze mit wenigen schriftlichen Daten finden sich z.B. in der Schweiz szenisch malerisch ausgeweitet durch Darstellung des Hobbys als Angler oder Jäger, in Mexiko durch Gestaltung von Straßenmodellen in Zement, auf denen der Verstorbene im Auto fährt. In Mittelindien haben wir bei Pachmari eine Gedenkstelle unter einem Baum gesehen, wo Holzbretter u.a. mit Schnitzereien von Pferden, Regenschirmen und Bäumen liegen. Oder im Nagaland in NO-Indien und in Orissa werden seit altersher hohe, schmale Steine für die Ahnen gesetzt, vor denen Opfergaben abgelegt werden.

Unter den Bäumen finden sich bis 2.40 m hohe Ameisenhügel, in denen die Kobra, die Schlangengöttin, wohnt.

Zum Essen halten wir bei einer Dhaba am Straßenrand neben einem offenen Abwassergraben. Selbst den Tee schütte ich voller Ekel weg. Auf dem Land ist es unmöglich, für uns etwas Essbares zu bekommen, dass auch nur in etwa unseren hygienischen und geschmacklichen Bedürfnissen entspricht.

Im Hotel Rainbow in Jagdalpur bekommen wir meine indische Lieblingskost Kaschmiri Pulao, Tandoori Chicken, Butter-Nan und Dicke Milch. Eine Bierflasche wird eingewickelt in Papier heimlich herbeigebracht. Die Nans, eine Art Pfannkuchen, packen wir für den nächsten Tag ein, wenn wir wieder in den Dörfern sind.

In Jagdalpur steht der Palast des ehemaligen Raja von Bastar, der von der Bevölkerung als Gott verehrt wurde. Nachdem seine Vorfahren 1425 auf der Flucht vor den siegreichen Muslimen das Königreich Warangel aufgeben mussten, soll die Familiengöttin Danteshvari in Form eines Schwertes erschienen sein und ihnen den Weg nach Bastar gewiesen haben. Das Schwert wird noch heute im Palasttempel verehrt. Nachdem sie sich als Hindus gegen die Stammeshäuptlinge durchgesetzt hatten, ließ sich der Raja als Gott verehren. Er galt als eine Erscheinung der Familiengöttin Danteshvari, die wiederum als eine Erscheinungsform der Muttergottheit Durga gilt, die den Büffeldämon mit einem Schwert getötet hat.

In einem Buch mit dem Titel "Ich, Pavir, der Adivasi-Gott" wandte sich 1947 der letzte des Geschlechts gegen das Parlament. Darauf ließ die indische Regierung den letzten Raja wegen Widerstandes gegen den Staat und die Demokratie verhaften. Große Unruhen waren die Folge. 1966 wurde er schließlich bei einer Polizeiaktion in seinem Palast erschossen. Der in den Farben weiß-blau gestrichene Palast enthält jetzt ein medizinisches Institut.

Besuch des anthropologischen Museums in Jagdalpur, das etwas außerhalb ganz neu z.T. als Freilichtmuseum errichtet worden ist. Warum ist dort das Fotografieren verboten? In vielen Themenräumen werden dort Gegenstände aus dem Leben der Volksstämme präsentiert. Vor dem Museum stehen Gedenkpfähle, eine Ritualschaukel mit Nagelbrett, wie wir sie bei den Juang gesehen haben, und einige Lehmhütten.

Wieder in Orissa

Nach einem guten Mittagessen in dem Hotel fahren wir in den Nachbarstaat Orissa nach Jeypore. Diesmal kommen wir problemlos, ohne Kontrolle und ohne einen Geldbetrag zu entrichten, über die Grenze. Eine weite Ebene mit Reisfeldern begleitet uns. Im Wasser zwischen den Feldern sitzen auf kleinen, schattenlosen Podesten Fischer, die mit Hilfe eines Senknetzes einzelne, kleine Fische zu fangen versuchen. Immer wieder heben sie nach wenigen Minuten das Netz, um zu kontrollieren, ob Fische ins Netz geschwommen sind.


Fischer mit einem Senknetz

Zwischenstopp im Weberdorf Kotapad. Fahrer und Guide sind glücklich, wieder in ihrem Heimatstaat zu sein und sich wieder mit Oriya verständigen zu können. Die Weber stürzen bei unserer Ankunft aus den Häusern und hängen Webstücke auf darauf vorgesehene Leinen. In den Häusern sitzen die Weber in Gruben vor ihren Webstühlen und verweben ein Gemisch aus Baumwolle und Wildseide zu traditionellen Mustern.

Die idyllische Lage des Dorfes Nuagada unter Bäumen, das von Dharua und Hindus bewohnt wird, verleitet Christa zur Begeisterung der Einwohner zu einem exzessiven Fotoshooting.

Im Dorf Sariguda werden wir von einem ehemaligen Postboten, der etwas Englisch spricht, in sein Haus eingeladen, bekommen einen Stuhl und trinken draußen Tee, während das halbe Dorf um uns herumsteht.

Nach der wunderschönen, waldreichen Landschaft in Chhattisgarh wirkt die Landschaft vor Jeypore wie leergeräumt. Alle Bäume sind abgeholzt bzw. der Brandrodung der Volksstämme zum Opfer gefallen. Jeypore selbst wirkt heruntergekommen. Der alte Raja-Palast verfällt und wird als Schule genutzt. Nur der alte, ehedem zum Palast gehörige Tempel wird noch gepflegt. Während die alten Rajas abdanken mussten, haben die Götter ihre Machtposition behalten und werden weiterhin verehrt.

Bevor wir am Schluss unserer Reise noch einmal in ein abgelegenes Gebiet der Poroja aufbrechen, übernachten wir im sehr schlichten Hotel Apsala in Jeypore.


Mit zwei Führern auf dem Weg zu abgelegenen Dörfern der Poroja

Am nächsten Tag fahren wir zum kleinen Poroja Dorf Peta. Von hier aus unternehmen wir eine 5stündige Rundwanderung zu mehreren Dörfern (Litiput, Litimaliguda, Buraja und Pupaguda.) Ebenfalls wandern zwei Schrottsammler von Dorf zu Dorf. Für alte Eisen- und Plastikteile gibt es eine Handvoll Erbsen. Immer wieder werden wir angesprochen auf leere Wasserflaschen aus Plastik, die die Leute für Öl und Kerosin benötigen. Zweimal müssen wir unsere Schuhe ausziehen, um eine Strecke durchs Wasser zu waten, während die Einheimischen sowieso keine Schuhe tragen. Der Boden ist sehr glitschig, aber über einen Damm klettern wir wieder auf höher gelegenes Land und wandern durch Wasserhirse, Reisfelder und Wald in die Dörfer.

Unsere erste Rast machen wir vor dem Dorfladen von Litiput. Unsere beiden Führer, Sanatan und ein lokaler Führer, kaufen zur Freude der Inhaberin Bonbons und Kekse für die vielen nackten Dorfkinder ein. Die Kinder tragen alle mehrere Schmuckbänder bzw. Amulette um Hals und Hüfte und Ohrringe und Armbänder, einige sogar Blumen im Haar.

Für die Dorfgötter hat man neben dem ursprünglichen Ritualplatz unter einem beeindruckenden Banjanbaum ein hässliches Betonhäuschen mit Wellblechdach gebaut. Viele zerbrochene Tonfiguren zwischen den Wurzeln des Baumes zeigen aber, dass die Götter auch hier noch ihre Gaben entgegen nehmen.

Im Schulgebäude ist, wie häufig in indischen Landschulen, kein Lehrer anwesend, nur lernbegierige Schüler.


Unser Schlafzelt im Dorf

Im Dorf Peta bauen wir unser Zelt neben einem Lehmhaus so auf, dass die neugierigen Einwohner nicht direkt in den Eingang sehen können. Außerhalb des Dorfes sei es zu gefährlich, meint Sanat. Schlangen, Moskitos und vielleicht "Räuber" seien dort. Auf unserer Wanderung hatten wir eine tote 1 m lange Schlange gefunden. Wir sind einsichtig und bleiben im sicheren Dorf, bewacht von Hunden und den Bewohnern. Unser Fahrer kocht bei Kerzenschein auf einer Flamme ein wunderbares Menü. Ich wasche mich am Dorfbrunnen, während Christa sich hinter dem Zelt aus einem Wassertopf wäscht.

Bis spät in die Nacht hinein sitzen die Kinder neben uns, starren uns aus dem Dunkeln heraus an und beobachten, wie wir beim Schein einer Kerze unser Abendessen mit einem eisernen Besteck aufspießen und zum Mund befördern. Vor unserem "Tisch", eine Bank, von der wir essen und auf der ich mein Tagebuch schreibe, liegt ein Hund. Vor den Hütten glimmen manchmal kleine Öllämpchen. Es ist hier ab 18 Uhr stockdunkel. Mit einer Taschenlampe finden wir zwischen den Tieren und Wurzeln unseren Weg zum Zelt. Zur Toilette tasten wir uns etwas abseits ins Dunkel und erwarten im Zelt, geschützt gegen Mücken und umgeben von Stimmen aus dem Zelt unserer Begleiter und aus dem Gebüsch, den Schlaf. Der Boden ist steinhart und die Unterlage hauchdünn. Nur auf dem Rücken liegend ist es erträglich. Eine sehr harte Nacht, im wörtlichen Sinne. Bald schon krähen die Hähne vor unserem Zelt.

Bevor wir am nächsten Tag unseren Abflugort Vizag (Vishakhapatnam) im Bundesstaat Andhra Pradesh ansteuern, besuchen ein Töpferdorf in der Nähe von Peta und in Andhra Pradesh einen riesigen Bauernmarkt. Der Markt ist gleichzeitig auch ein Viehmarkt, auf dem neben landwirtschaftlichen Produkten auch kalbende Kühe, Büffel und Kleinvieh angeboten werden. Zwei blinde Sänger suchen vergeblich die Hupkonzerte der Lastwagen zu übertönen.


Zwei blinde Sänger auf einem Markt in Andhra Pradesh

Auf eine großangelegte staatliche Hygiene-Aktion weisen an den Straßenrändern in Chhattisgarh immer wieder große Plakate hin, die für die Anlage einer ordentlichen Toilette werben. Wir erinnern uns an die in vielen Dörfern herumliegenden Toilettenböden, die nicht oder zweckentfremdet genutzt werden.


Das Plakat fordert auf, den Toilettenraum rechts zu benutzen und nicht den Garten.

Die urigen Hütten der Einwohner mit tief heruntergezogenen Dächern aus Palmblättern an der Straße locken uns sehr, aber leider spricht unser Führer nicht die offizielle Sprache Telugu, und so fahren wir an den malerischen Dörfern vorbei.

Am Abend erreichen wir das Meer. Unsere Vorstellung, am nächsten Vormittag noch erholsame Stunden am Strand des Meeres zu verbringen, scheitert an der unerträglichen Hitze und an den widerlichen Zuständen am Spülsaum des Wassers. Er ist übersät mit Fäkalien, die nicht mit Sand bedeckt werden. Die Einheimischen nutzen ihn allgemein als Toilette. So haben wir es in Südindien und in Nordorissa ebenfalls erlebt. Ein toter Hund liegt auf der Straße. Der Gestank einer überfüllten Kläranlage verfolgt uns. Im groben Dünensand finden sich Reste von Gräbern. Der Schweiß tropft von der Stirn. Nichts wie zurück in die Kühle des Hotels, das neben einer Abfallhalde steht, wo Menschen nach brauchbaren Abfällen suchen und Frauen ihre Notdurft verrichten. Ein unangenehmer, abschreckender Abschiede von Indien diesmal.

Indien ist noch weit von westlichen Standards entfernt. Die Ankündigungen vom Wirtschaftswunderland Indien sind für uns nicht nachvollziehbar und scheinen uns in ländlich orientierten Regionen noch in weiter Ferne zu liegen. Verwundert lesen wir in Deutschland die Schlagzeilen von der Weltmacht Indien, die den Westen herausfordere, ja bedrohe.

Dass der kulturelle indische Kosmos durch die Frankfurter Buchmesse und durch Thementage in arte und 3sat in Deutschland bekannt gemacht wird, ist wunderbar und zeigt den westlichen Lebensformen eine unerschöpfliche Vielfalt menschlicher Daseinsmöglichkeiten im Positiven wie im Negativen, eine Geschichte der Menschheit, erlebbar in Indien, für uns nur erträglich im Zeitraffer und für wenige Wochen..

Über Hyderabad geht es am Nachmittag nach Delhi und dann nach längeren Wartestunden nach Deutschland.


Poroja-Kind

Sieh, entlang des Weges,
wie anders die Farbe meines Leibs,
des Wiedehopfs Schnabel zerhackte
mein versteinertes Herz.....
Hilf! Es trägt mich davon, dieser Fluss
.

Lal Ded (Dichterin aus Kaschmir, 14.Jh.)

1. Reiseteil: Durchs nördliche Orissa

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Ergänzungen/neue Berichte über Hexen und Menschenopfer by Agence France-Presse, Updated: 11/25/2010

Second Indian 'child sacrifice' murder claim

Police in central India reported a second case of suspected child sacrifice on Thursday, casting a spotlight on witchcraft and occult beliefs that persist in some impoverished areas.


Police in the central state of Chhattisgarh said they had arrested 11 people including a "witchdoctor" and his wife after the body of a two-year-old boy was discovered in their house on Wednesday.


Further searches of the property in the industrial town of Bhilai, about 45 kilometres (30 miles) from state capital Raipur, revealed the skeletal remains of a second victim, a six-year-old girl.

The accused man had confessed to killing both children to acquire "occult power and good fortune," police told AFP on Thursday, adding that there was a "worship room" in the home.

"The witchdoctor, his family and six other people have been arrested on suspicion of holding human sacrifices," district police chief Amit Kumar told AFP.

Parents of the two-year-old had alerted authorities after he went missing while playing on the street earlier this week.


The girl is believed to have been abducted nearby in March. Her body was found buried inside the house beneath a trident symbol.

Human sacrifices occasionally make headlines in deeply religious and superstitious India, and usually occur in poor areas where some people revere practitioners of black magic.

The victims are ritually killed by witchdoctors to please or appease gods, spirits or deities.


Unusually, the latest cases were in a city, Bhilai, which is one of the more modern and urban areas of the otherwise under-developed state of Chhattisgarh.

The heavily forested and resource-rich region is a stronghold of the rebel Maoist movement, which has successfully tapped into disaffection in local tribal groups about economic development, police brutality and corruption.


A.K. Saikia, a senior police officer who has investigated numerous cases of child sacrifices, says the methods employed by witchdoctors who target children are usually similar.

They befriend them, lure them to their houses by offering sweets or toys, and then kill them, sometimes after drugging them.

"The witchdoctors believe that the act of killing a child will make them immortal," Saikia told AFP from his state Assam, in India's far north east.

The other deadly side of witchcraft in India is when women are accused of dabbling in the dark arts and are then driven from their villages and murdered.


At least four women have been killed in the last three years in Assam on suspicion of being witches or witch doctors, Saikia said

The Science and Rationalists' Association of India, which fights against superstition in India, says women accused of being witches are sometimes stripped in public and some are gagged and burnt to death.

"Villagers believe in witchcraft often due to helplessness. Absence of medical facilities forces them to rely on quacks," said Prabir Ghosh, the association's general secretary.


In March, a married couple in rural western India were arrested for allegedly killing five young boys because a mystic told them it would help the woman conceive.

"The government has to take education to remote villages to end these inhuman acts," said Indian author Akhilesh Kumar, who wrote "Kala Insaaf" (Black Justice), a Hindi-language book on black magic.


In April, in another widely publicised case of suspected human sacrifice, a decapitated body of a factory worker was found in a temple in the eastern state of West Bengal.


Raipur, March 7


Four people, including two women, were arrested in a Chhattisgarh village for allegedly killing a six-year-old boy to obtain spiritual powers, a police officer said Sunday.

Shobharam Sahu was arrested along with his wife Sonkunwar, son Visheshwar and daughter-in-law Kewra Bai, late Saturday from Banjari village in Dhamtari district, some 80 km from here, on charges of sacrificing their neighbour's child.

"Shobharam kidnapped the boy, Nohar, on the night of Feb 1 and the family kept the child in captivity till Feb 12 when Shobharam cut Nohar into pieces on Mahashivratri to obtain spiritual powers," Inspector General Mukesh Gupta told reporters Sunday.

He said Shobharam was arrested for murdering the child while his wife, son and daughter-in-law were held for being part of the criminal conspiracy.

Gupta said the main accused had confessed to the killing during interrogation.