Mittelindien 2016
durch die Bundesstaaten Chhattisgarh, Madhya Pradesh und Maharashtra

Teil I: Bei den Adivasi in Chhattisgarh

Teil II: Tradition in indischer Volkskunst, Höhlen- und Wandmalereien und Bilder aus dem Leben der Ureinwohner

Auf unserer 27. Reise nach Indien wollen wir noch einmal die Teile Mittelindiens besuchen, die vorwiegend von verschiedenen Stammesvölkern bewohnt werden, um die Reste ihrer alten Kulturen näher kennen zu lernen. 2003 und 2006 hatten wir auf unseren Reisen durch Mittelindien vorwiegend die buddhistischen und hinduistischen Hochkulturdenkmäler angesehen, waren aber bei der Besichtigung der steinzeitlichen Höhlenmalereien schon auf die Stammeskultur der Gond gestoßen und hatten im Süden vom Bundesstaat Chhattisgarh einige indigene Stämme kennengelernt. Nun wollten wir uns noch einmal mit den Stämmen, ihrer Lebenssituation im modernen Hindu-Indien, ihrer Weltanschauung und ihren künstlerischen Produkten beschäftigen.

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Bei den Adivasi, den Ureinwohnern Indiens. - Die Industrielandschaft bei Korba - Die literarische Bewegung der Dalit -
Das Kanha Tiger-Reservat und der Stamm der Baiga - Erotische Skulpturen in Tempeln - Rudra-Shiva, der wilde Gott

Reisestationen (20.10. - 8.11.2016):

Do. 20.10.: Kalt regnerisch, 9:00 mit dem Auto nach Wesel, katastrophaler Bahnhof, Zug FRA, Flug mit Lufthansa 13:35 nach Mumbai, schmale Sitze, schlechtes Essen, starker Durchzug während des ganzen Fluges, Ankunft nach 7,5 Std um 01:05: 28°, Airporthotel neben Slums, Dusche ohne Wasser.

Fr. 21.10.: Flug mit Indigo (neues Flugzeug, gute Sitze) nach Raipur, Hauptstadt des Bundesstaates Chhattisgarh, 09:25 - 10:20, 120 €; Im Flughafen empfangen uns große Wandbilder im Stil der Tribalart und ein großes, altes Auto, Toyota Nova. Unser Guide Hiva aus Raipur (Spezialgebiet Süd Chhattisgarh) spricht wenig Englisch, unser rasanter Fahrer Ravi stammt aus Jabalpur.

Temperatur bei Ankunft 34°. Die Situation auf den Straßen, der Krach, der Dreck wirken wieder wie ein Kulturschock. Besonders beeindruckt sind wir am ersten Tag von einer Monsterskulptur des Rudra Shiva in den zwei Ruinen-Tempeln Devrani und Jethani in Tala. Auf dem Weg nach Bilaspur sehen wir viele Affen und Kuhherden auf der Straße, auch Industrielandschaft.

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Zwei Töpferfamilien, die für Diwali religiöse Öllämpchen und große Lakshmi-Figuren aus Stroh und Lehm herstellen, arbeiten noch immer in primitiver Weise mit dem Rad eines Töpfers.
Die getöpferten Dinge werden an Ort und Stelle auf einfache Weise gebrannt.

Sa. 22. 10. Bilaspur Courtyard Marriot-Hotel (Super Luxus) Durch grüne Landschaft nach Ratanpur, Mahamaya-Tempel (Nagara Stil), Ram-Tekri-Tempel in Ratanpur – Khuntagunt-Stausee – Shiva-Tempel in Pali, 60 km von Bilaspur, Hotel in Korba, Blu Diamond mit einfachem Zimmer, in dem wir nur eine Nacht bleiben.

Gonddorf Sirki im Kohlegebiet, Kohlewaschanlagen, Besuch zweier Gondfamilien: Die Töpferfamilie: Im Hof ein Jackbaum mit Schutzobjekten (Besen, Tierschädel, Schuhe als Fetische) und ein Altar mit kleinen Objekten (zwei Kuhfiguren, ein Lingam und eine Tulsipflanze) und runde Eisenöfen als Kochstellen, über und neben der Tür eine Kokosnuss als Fetisch. Wohnraum ohne Fenster, aber mit Fernseher. Eine Ziege. Die Gemüsehändlerfamilie: neben dem kleinen Haus des Töpfers, getrennt durch eine Mauer. Zwei schmale Wohnräume, ein Motorfahrzeug, ein Kälbchen. Unser Unterkasten-Guide isst das Essen der armen Töpferfamilie und isst wieder alle Reste in einer primitiven Dhaba (Straßenrestaurant ohne Toilette).

So.23.10. Korba – Bilaspur/Kawardha



In Korba sehen wir übergroße Figurenszenen, die den Kampf der Volksstämme gegen die Briten darstellen, Tanz- und Artistikgruppen und einen symbolischen Berg, dessen Bergrücken mit Nahrungsmittelkörben gespickt ist, gekrönt von einer Muschel. Vielleicht ein Hinweis auf den „Reichtum“ durch die industrielle Entwicklung des Gebietes.
Elektrizitätswerke, trotzdem später im Hotel häufige Unterbrechungen der Stromversorgung.

Schmale Wege die Berge hoch. Die ersten zwei Gonddörfer zeigen geschlossene Lehmbauweisen um einen Hof und Ziegeldächer. Zur Straße hin keine Fenster. Mit dem lokalen Führer Murli, der für die Organisation „Brot für die Welt“ arbeitet, fahren wir über Feldwege nach Danali, einem Dorf des Pando-Stammes.

Dort verkauft uns ein Pando-Mann für 100 Rupien eine Flasche seines Lieblingsgetränks aus vergorenen Mahua-Blüten. Vor der Hütte liegen selbst gefertigte Körbe und für die Reisernte flache Korbschalen zum Worfeln. Dann lassen sie uns bittere, sauerampferähnliche Blätter probieren vom Feld nebenan. Der Pando zeigt uns auch Bogen und Pfeile, die er mitnimmt zum Schutz gegen Bären, Tiger, Leoparden und Füchse, wenn er in die Berge geht.

Weiter zum abgelegenen Dorf Nagarmuda des Birhor-Stammes. Diese Leute haben keine gewöhnlichen Worte zum Grüßen. Sie sagen „jai jagad“, was bedeutet „Gewaltfreiheit für die Welt“. Diese Worte hätten sie von den Ghandi-Anhängern übernommen. Zum Abschied schenkt Murli uns ein Fläschchen Honig von Wildbienen und ein Heft mit kritischen politischen Cartoons, herausgegeben von Ekta Parishad (Hindi: dt.: „solidarischer Bund“)

Kohlestrecke zurück nach Kawardha, Hotel „Royal Celebration“ (Kein Warmwasser, klemmende Türen, schmutzig, vor dem Hotel große Abfallhaufen.)

Mo.24.10. Hotel Kawardha Palace (heruntergekommenes, altes Hotel mit fürstlichen Einrichtungsgegenständen, historischen Kleidern und Fotos, Übernachtung 230 €)

Besuch von drei Töpferfamilien. Auf schmalen Straßen fahren wir hinauf ins Gebirge.


An den hohen Straßenbäumen hängen häufig große Bienenwaben.

Unser Ziel ist ein Pilgerort mit einem Shiva-Tempel (Bhoramdeo), einer Hochzeitshalle aus dem 14. Jh , einer Sammlung von Sati-Steinen und einer neueren, großen, bunten Shivafigur umgeben von Seen voller Lotosblüten.
Saroda Bavli, ein Wasserspeicher mit Staudamm für Fischaufzucht und Netzfischer.

Hirtenfamilien: Schmuckstäbe der Hirten, mit denen sie einen Tag nach Diwali tanzen.
Im Dorftempel Verehrung von Mahakali und einer heiligen Frau aus dem Dorf, die vor 40 Jahren gestorben ist und seitdem durch ein ewiges Licht verehrt wird. Jeden Donnertag findet eine Puja mit Musik statt.

25.10. Kawardha – Kanha Nationalpark

Wir kommen in den Zuckerrohrgürtel Mittelindiens. Viele kleine Zuckerrohrverarbeitungsfabriken werden gereinigt und instand gesetzt. Zwischen den Zuckerrohrfeldern befinden sich kleine Reisfelder.
Da weder Guide noch Fahrer eine Straßenkarte haben, verfahren wir uns 20 km weit in die falsche Nordrichtung. Erst die immer schlechter werdende Straße macht sie misstrauisch und sie fragen.

 

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Teepause wie immer in einem katastrophalen Straßenrestaurant mit offenem Feuer und einer offenen Klorinne.

Da heute Dienstag ist, darf unser Fahrer, der einer Hanumann-Sekte angehört, nichts essen, was seine Laune erheblich verschlechtert.

Viele Bienenbäume. Viele Rhesus-Affen und Hanumann-Languren auf der Straße. Riesige Spinnen (Riesenwaldspinnen) und Gaur (wilde Bison) im NP.

Mehrere Schlagbaumkontrollen an der Grenze zum Kanha-Nationalpark an der Grenze zu Madhya Pradesh. Wir dürfen das Auto wegen der frei lebenden Tiger nicht verlassen. Nach einiger Zeit kommen wir aus den Bergen wieder in eine Ebene mit weiten Reisfeldern und bewohnten Dörfern.

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Baiga-Häuser im Dorf Palak.

Baiga-Dorf mit Wochenmarkt in Gadhi. Jungle-Lodge Chitwan am Rande des Kanha-NP von Madhya Pradesh (gut eingerichtete Bungalows mit großen Fenstern und Veranda, Frösche, Öko-Garten, See mit Ibissen und Kormoran, Wildkatze)
Puja mit Musik morgens und abends, esoterische Deko, "Einheit aller Religionen".


Mi 26.1. Dörfer der Gond: Bhatgaon, Samnapur. Wir besuchen einen Gond, der malt, musiziert und Schmiedearbeiten verrichtet. Auch in unserer Jungle-Lodge hat er viele Wände mit Szenen aus dem Dorfleben bemalt. In seinem eigenen Haus hat er eine romantische Klischee-Landschaft mit Sonne gemalt. Er spielt hervorragend Tabla, während sein Freund ihn mit einem indischen Harmonium und mit Gesang begleitet. Es werden Lieder der Gond und Lieder aus Chhattisgarh gesungen.
Besuch einer Schule.

Bei den Adivasi – den „ursprünglichen Menschen“, den Ureinwohnern Mittelindiens

Adi bedeutet «ursprünglich», vasi ist der «Mensch». Adivasi sind also die ursprünglichen Menschen Indiens, ein Begriff, der von der indigenen Bevölkerung selbst auch verwendet wird. Rund 82 Millionen Menschen der insgesamt 1,1 Milliarden Inderinnen und Inder zählen zu den Adivasi. Allerdings, die Sachlage ist komplex: Es gibt in ganz Indien rund 600 verschiedene indigene Ethnien.

Zur Situation der Adivasi, der Ureinwohner Indiens.

Walter Fernandes, ein renommierter Sozialforscher in Indien, hat hochgerechnet, dass im Zeitraum von 1951 bis zum Jahr 2000 ungefähr 15 bis 20 Millionen Adivasi aus ihrer Umgebung durch Staudämme, Rohstoffabbau, Infrastrukturausbau oder Industrieansiedlungen vertrieben wurden. Allenfalls ein Viertel erhielt eine Entschädigung. An diesen Verhältnissen hat sich bis heute nichts zum Positiven verändert. Es ist kein Zufall, dass Indien die ILO-Konvention 169 zu Stammesgesellschaften und indigenen Völkern (1989) nicht ratifiziert hat.

We all lived in the Jungle (Kanha NP) earlier, I was even born there. It was almost 9 years ago - Forest officials came and told us, we can’t stay here and should leave the place. Initially he only yelled at us and then he started threatening that if we don’t vacate, they’d bring elephants and demolish our houses. They would come at night and set fire to farm and villages. We were under great pressure and torture. adivasiresurgence.com

Kampf für die Rechte der Landbevölkerung

Ekta Parishad ist eine indische soziale Basisbewegung, die 1991 mit dem Ziel gegründet wurde, nach den Prinzipien der Gewaltlosigkeit Gandhis für die Rechte der unterdrückten Landbevölkerung zu kämpfen. Die wichtigsten Ziele der Bewegung sind Landreformen, die Beendigung von Vertreibungen und funktionierende Konfliktlösungsinstanzen für bestehende Landkonflikte. Nach der Unabhängigkeit Indiens von der britischen Krone war Landbesitz auf wenige Eigentümer (Zamindars) konzentriert. Trotz einiger Landreformen gibt es immer noch viele Subsistenzbauern ohne Land.

Von Dezember 1999 bis Juni 2000 fand ein großer Marsch statt, der nach Angaben von Ekta Parishad über 300.000 Menschen mobilisierte und dazu führte, dass ca. 350.000 Landtitel an Landlose vergeben wurden und über 550.000 Anklagen wegen Waldnutzung fallen gelassen wurden.

Der gesetzliche Schutz

Nur in Ausnahmefällen kann de jure Adivasi-Land enteignet werden. Das Gesetz zum Landerwerb von 2013 verlangt die Zustimmung der Gram Sabha (Dorfversammlung) zum Erwerb von Land in für Adivasi registrierten Gebieten. Zusätzlich zur Verfassung hat die indische Regierung per Bundesgesetz die Rechte der Adivasi-Dorfräte, der sogenannten Panchayats gestärkt. Das seit 1996 geltende Gesetz zu den Panchayats legt fest, dass über die Nutzung von Land, Wasser und Wald die Adivasi-Gemeinschaft zu entscheiden hat. Das seit 2008 gültige Forstgesetz ermöglicht den Adivasi und der traditionell im Wald lebenden, lokalen Bevölkerung ausdrücklich die subsistenzwirtschaftliche Nutzung des Waldes auch in Wildreservaten und Naturparks, für die ansonsten strenge Nutzungsverbote herrschen.

Diese im Gesetz fest geschriebenen Rechte werden immer wieder umgangen.

Das Büro des Premierministers mahnte, die Anträge der Großindustrie auf Freigabe von Waldgebieten zu gewähren und erst danach Rechtsansprüche der Adivasi zu überprüfen. Bergbauprojekte, die ihre Kapazitäten um bis zu 25 Prozent ausweiten wollen, sollen die Genehmigung automatisch und ohne öffentliche Anhörung erhalten. Der Forest Rights Act hatte genau die umgekehrte Reihenfolge festgelegt. Auch sonst klaffen große Lücken zwischen rechtlichem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit. Nicht alle Bundesstaaten garantieren die gesetzlichen Vorgaben, nicht alle Adivasi sind rechtswirksam registriert. Das Verbot des Landerwerbs durch Nicht-Adivasi wird durch Hypothekengeschäfte umgangen. Landraub, manipulierte oder gekaufte Entscheidungen der Dorfräte setzen die Rechte faktisch außer Kraft.

»Bevor die Mine den Betrieb aufnahm, ging ich für gewöhnlich in den Wald und nutzte das, was der Wald hergab. Jetzt haben sie um den ganzen Wald Sperren eingerichtet, und keinem Dorfbewohner ist es erlaubt, in den Wald zu gehen. Sie sagen, der Wald gehört jetzt dem Unternehmen. Du kannst da nicht mehr hineingehen.« Angehöriger der Baiga im Bundesstaat Madhya Pradesh, zitiert nach Kalpavriksh/ Greenpeace 2012, s. Adivasi-Koordination in Deutschland e.V. (1993) www.asienhaus.de

Adivasi Aktivist Jai Nandan Porte sagt the mine is taking away their water, and their trees“.

Ein anderer Adivasi, Rameshwar Lakda, 40, der als Koch in der Kohle-Mine arbeitet, sagt, villagers only get low-end jobs at the mine that pay no more than Rs 5,000-6,000. Since mining began, the only school in the village has been shifted to another village. The work of the Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act has also stopped. The poor tribal in this village is surviving on ration rice. We don’t have proper sanitation. I don’t care what happens to the mine, but does the administration think we have stopped living, eating and shitting?(Surguja district)

 

Die Industrielandschaft bei Korba

Steinkohleabbaugebiete im Tagebau,
viele Eisenwerke, die mit den Rohstoffen aus dem südlichen Bastar Draht, Schienen und Stahl herstellen,
Aluminiumschmelzen und Wärmekraftwerke.
(60 Prozent des Stroms wird durch Kohle gewonnen.)

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Frauen transportieren Steinkohlebrocken.

"Korba Coalfield gilt als das am schlimmsten verschmutzte Gebiet in Indien mit Luftverschmutzung durch Partikelemissionen aus verschiedenen Bergbau-Tätigkeiten." Indien importiert zudem große Mengen Kohle, obwohl das Land auf den fünftgrößten Reserven der Welt sitzt. Im August hatte das Oberste Gericht Indiens mehr als 200 Konzessionen für Kohlebergwerke für illegal erklärt, weil bei der Vergabe die notwendige Transparenz und geltende Richtlinien vernachlässigt worden seien.

Das in New Delhi ansässige Wissenschafts- und Umweltzentrum CSE errechnete, dass seit 2007 für Kohleabbau und Infrastruktur rund 26.000 Hektar Wald weichen mussten.

Im Oktober 2012 veröffentlichten die indische Umweltschutzorganisation Kalpavriksh und Greenpeace India den Bericht Countering Coal zu einer exemplarischen Fallstudie in Madhya Pradesh. Dort drohten 13 neu geplante Kohlekraftwerke 1,1 Millionen Hektar Wald zu vernichten und 14.000 Angehörige lokaler Adivasi-Gemeinschaften zu vertreiben. Tagebau in Indien - In der Kohlehölle von Jharkhand (Archiv)

Bei Korba in Chhattisgarh befindet sich die größte Kohle-Mine Indiens mit einer Kapazität von 35 Millionen Tonnen pro Jahr. Indien will seine Kohleförderung bis 2020 auf 1,5 Milliarden Tonnen pro Jahr verdoppeln. Der Schadstoffausstoß wird sich im kommenden Jahrzehnt vervielfachen. Das Land ist heute nach den USA und China der drittgrößte Produzent von Treibhausgasen.

Dann bekommen sie die Hacke in die Hand gedrückt,
und müssen ihre Träume, jemals ein
Pelé, Maradona, Neymar oder Messi
zu werden, fahren lassen,
verraten selbst ihre eigene Mutter Erde,
zerhacken ihren Leib, verdammt zu schuften.

(Jacinta Kerketta: Glut. Gedichte Hindi und Deutsch. 2016)

Die Bemühungen zur Erhaltung der Adivasi-Kulturen

 
Das Badadev- oder Pading-Symbol in einem Gonddorf

Um ihre Identität und ihre traditionelle Kultur zu bewahren, haben Adivasi ein Symbol aufgestellt, das auf ihren gemeinsamen Gott Badadev/Pading/Persapen und damit auf die Einheit der Gondwana-Kultur hinweisen soll. Sonne und Mond sind die traditionellen Symbole in allen Adivasi-Kulturen. Die Zahl 750 soll auf die Clan-Namen der Adivasi in Mittelindien hinweisen, in Odisha, Chhattisgarh, Maharashtra and Jharkhand, Madhya Pradesh, Telangana und Andhra Pradesh.

In einem Gespräch mit den Hauseigentümern bezeichneten die Bewohner des Hauses den Schmuck als traditionelles Gond-Symbol. Auf unseren Fragen deuteten sie den ausgebreiteten Mond als Mutter, den größeren Rundkörper als Vater, den kleineren Kopf als Sohn, die Spitze als Enkel und die Strahlen als die zukünftigen Generationen.

Die unmenschlichen Gräueltaten haben Höhlen in den Fels meines Herzens gegraben.
Ich muss den Wald mit vorsichtigen Schritten behandeln,
die Augen fest auf die sich wandelnden Zeiten gerichtet.
Die Gewichte haben sich verschoben.
Widerstand glimmt auf jetzt hier, jetzt hier.

Ich war die Tage über stumm hörte auf die Stimme von Richtig und Falsch.
Jetzt möchte ich die Flammen anfachen der Menschenrechte.
Wie gelangten wir an diesen Ort, in dieses Land, das für uns nie zur Mutter wurde?
Das uns nicht einmal ein Leben wie Hunde und Katzen erlaubt?
Ich werde zum Zeugen ihrer unverzeihlichen Sünden
und verwandle mich, hier und jetzt, in eine Rebellin.

(Jyoti Lanjewar: Höhlen, Übersetzung aus Marathi ins Englische von Shanta Gokhale.)

Die Museen zur Konservierung der Adivasi-Kulturen auf unserer Reise: Madhya Pradesh Tribal Museum - Tribal Museum in Kanha | Facebook

 

Zur literarischen Bewegung der Dalits
Poets translating Poets - Essays - Goethe-Institut

Dalit-Literatur erhebt die Forderung nach Bürgerrechten und sozialer Gerechtigkeit, die ihnen seit Generationen vorenthalten werden:

Ich bin die Wunde des Volkes, eine Gemeinschaft der Wunden.
Seit Urzeiten, als Sklave in einem freien Land,
der Adressat von Beleidigungen, Gräuel, Vergewaltigung, Folter,
ein jemand, der seinen Kopf für eine Faust voll Selbstachtung erhebt.
Schon meine Existenz allein in diesem Land, betrunken von Kastendenken und Reichtum,
ist ein Widerstand.

(Kalekuri Prasad, Pidikedu Aatma Gourvam Kosam, 1991)

Arglos im Schlaf
verströmt sich
der Blüten Duft.
Da schreckt sie auf, empört,
und die Poren füllen sich
mit dem Gestank von Maschinen,
in den Ohren dröhnen Explosionen.
(Jacinta Kerketta)

Die Bewegung entstand aus den Dalit-Kämpfen gegen die Kasten-Gräueltaten, besonders nach dem Karamchedu-Massaker (1985) und dem Chunduru-Massaker (1991). List of massacres in India - Topics

Die Kritik galt sowohl dem Brahmanismus als auch seinen Gegenspielern, etwa dem Marxismus. Die Kritiker sahen im Kastenwesen die Hauptverantwortung für die soziale Wirklichkeit und setzten sich für eine kastenlose Gesellschaft ein. Bestimmte Symbole (wie beispielsweise das Sambhuka-Saiteninstrument oder die Dappu-Trommel) und Lebensstile (z.B. das Essen von Rindfleisch, die Benutzung von Kasten-Titeln und die Dalit-Sprache) wurden zu Symbolen des Widerstandes umgedeutet.

Ma unnikini nilupu kontam
(Das ist unsere Existenz)

Wir, die Adivasis, sind ein Teil der Natur.Wir sind die Stimmen der Natur,
und wir sind wie die Vögel.
Alle Welt mag uns in dieser Rolle.
Wir sind das Plätschern der Bäche und Flüsse.
Wir erzeugen tausendfachen lebendigen Klang.
Wir sind die wahren Naturwissenschaftler.
Wir sind in der Lage, die Geheimnisse des Universums
zusammenzufügen.
Unsere Mutter, der Wald, streift uns mit ihren geheiligten Pflanzen-
fasern – und wir nehmen Gestalt an und tanzen den Tanz der Natur.
Jetzt sind die Bande, die unser Leben, die Natur und den Wald –
unsere Mutter – zusammengehalten haben, zerrissen.
Unsere Lieder und Tänze sind nicht mehr wie früher.
Überall herrscht Not:Wir sind entfremdet von unserer Mutter, dem Wald.
Unser Anrecht auf den natürlichen Reichtum wirduns streitig gemacht.
Warum nur? Wer hat das verfügt?
Alle, die jetzt über uns bestimmen, kamen einst
und lebten Seite an Seite mit uns.
Wir gaben ihnen Früchte und essbare Knollen.
Unsere Mütter gaben ihnen Milch.
Unsere Väter gaben ihnen Nahrung.
Damals sahen wir sie als Menschen an,
die ums Überleben kämpften.
Aber bald begannen sie, unseren Frieden zu stören.
Als sie ankamen, kamen sie mit leeren Händen.
Aber jetzt stehen sie im Bund mit den multinationalen Firmen.
Sie verlangen unsere Schultern,
um darauf ihre Paläste zu setzen.
Wir würden ihnen sogar das geben,
wenn es für ihr Überleben nötig wäre ...
Aber uns ist auch der Wert eines solchen Opfers bewusst, und
deshalb opfern wir nicht unser Leben für ihre Ausschweifung.
Der Nutzwert des Waldes steigt mit jedem Tag, und gleicher-
maßen steigert sich der Druck auf uns und unser Leben.
Wenn wir unsere Stimme gegen dieses Unrecht erheben,
ertönen die Schritte der Polizeistiefel und rüde Beleidigungen,
und sie jagen uns Angst ein.
Dennoch: so lange wir leben, bis zu unserem letzten
Atemzug, werden wir versuchen, die zerrissenen
Bindungen wiederherzustellen.
So behaupten wir uns in unserem Leben.
Das ist unsere Existenz.

P. Anjayya, * 1974, vom Stamm der Koya im Godavari-Tal, Andhra Pradesh.

Aus: Stimmen der Adivasis, hrsg. v. sarini, Bonn 2001

 

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Die Baiga

Der Stamm der Baiga gehört zu den Ureinwohnern Mittelindiens, der seit 20 000 Jahren die Wälder bewohnt und die als Nomaden mit Brandrodung für den Lebensunterhalt sorgen. Sie glauben, ihr großer Gott habe sie selbst mit seinen Händen geformt. Ihre Körpergröße liegt zwischen 155 und 160 cm. Auch mit einem durchschnittlichen Gewicht von 47-53 kg gehören sie zu den schmächtigeren Völkern. Man hat insgesamt 90 Hausnamen gezählt, aber etwa 8 Namen sind vor allem anzutreffen.

70% der Baiga sehen ihre Identität in folgenden Kennzeichen: Die älteren Frauen tragen alle Tattoos, aber kein Hindi-bindi (roter Punkt auf der Stirn), kein Kopftuch und kein Nasen-Piercing. Die Männer rollen ihr langes Haar zu einem Knoten. Männer und Frauen tragen kurze Röcke, die oberhalb des Knies enden. Ihre Nahrung besteht meist aus einfachen Hirsesorten. Indigenous Peoples of the World — The Baiga

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Arbeit mit Bambus, das Flechten von Matten und Worfeln, nicht das Pflügen der Erde ist nach der Tradition erlaubt.

Die Tragödie der Baiga – zwischen religiöser Weltanschauung und gesellschaftlichem „Fortschritt“

Die fortschreitende Industrialisierung Indiens und die Nutzung der Ressourcen in den Waldgebieten schränken das Leben der Baiga immer mehr ein und machen es ihnen unmöglich, nach den Regeln ihres Schöpfergottes als nomadisierende Waldmenschen zu leben.

In ihren überlieferten Erzählungen schreibt ihnen ihr Schöpfergott Bhagwan ihr Leben vor: „Alle Königreiche der Welt mögen zerfallen, doch jenes, das aus Erde gebildet wurde und dem Herren der Erde gehört, wird niemals verlassen sein. Du wirst deinen Lebensunterhalt von der Erde gewinnen. Du wirst Holz fällen und auf deinen Schultern davontragen. Du wirst Wurzeln graben und sie essen. Dein Weib wird Blätter sammeln und sie verkaufen. Du sollst jedoch nie die Brust deiner Mutter Erde mit dem Pflug aufreißen wie die Gond und Hindus; - fälle die Bäume, verbrenne sie und säe in die Asche deine Samenkörner (Brandrodungsanbau). Doch du wirst niemals reich werden; denn würdest du reich, dann würdest auch du die Erde verraten und keiner würde da sein, sie zu schützen.“

In einer anderen Erzählung wird das Tabu des Pflügens noch weiter bekräftigt, indem das Pflügen, also das Aufreißen der Brust der Mutter Erde als schwere Sünde bezeichnet wird, die vom Gott bestraft wird durch eine Bestrafung der ganzen Gemeinschaft. Ich habe den Pflug gebraucht, bekennt der Baiga Hothu, darum waren meine Kinder immer schwach und kränklich. Wenn auch nur ein einziger Baiga im Dorfe pflügt, wird ein jeder von uns betroffen. Selbst das Reiten es Pferdes, das Tragen von Schuhen, das Berühren von Pferdemist wird bestraft, weil Bhagwan solches verboten hat. Nun tun wir das alles, und es hat Armut und Krankheit über uns gebracht.“

Die gottgewollte Sozialordnung muss eingehalten werden. Nach der Geburt der ersten beiden Baiga (das Geschwisterpaar Nanga Baiga und Nanga Baigin) aus dem Schoß der Mutter Erde wird die Entstehung der anderen Menschengruppen und ihre Aufgaben wie folgt beschrieben: Als die 36 Familien der Menschheit entstanden, kamen zuerst die Gond; dann kamen die Kasten der Lederverarbeiter (Chamar) und die Brahmanen, dann die Moslems und Engländer und alle anderen Stämme. Schließlich wusch er alle ihre Hintern und machte aus diesem Schmutz die Dorfwächter-Kaste (die Panka). Danach gab er den Kasten aus seinem Laden ihre Aufgaben. Den Gond gab er einen Pflug, den Brahmanen einen Schreibkiel, den Kalar eine Flasche, den Bania eine Waage, den Dhimar ein Fischnetz, den Mahar einen Webstuhl. Alle erhielten Ländereien, aber die Baigas waren nicht erschienen und erhielten nichts.“

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Baiga-Frauen

Auf die Armut der Baiga wird immer wieder hingewiesen. Als alle Stämme vor dem Hauptgott Bhagwan erschienen, kamen die Baiga in einem Blätterschurz mit einer Axt über der Schulter und hockten sich auf den Boden nieder, während alle anderen Stämme sich auf Stühle setzten. Bhagwan aber nahm sie bei der Hand und ließ sie an seiner Seite auf dem Thron sitzen und sagte zu ihnen: „Du sollst der König über die ganze Welt sein. Darauf entgegnete Nanga Baiga, der Urahn: Nicht doch, mache den Gond zum König, da er mein Bruder ist. Nachdem Bhagwan dem zugestimmt hatte und den Gond gesegnet hatte, gab er den Baiga einen größeren Segen, indem er sie zu Beschützern der Erde machte und ihnen zeigte, wie sie Bäume fällen und verbrennen sollten und in die Asche Samen streuen sollten. Bei der Übergabe des Samens ging allerdings ein Großteil verloren. Darüber lachte Bhagwan und sagte: „Da du schon am Anfang soviel verlierst, wirst du für alle Zukunft bis zum Ende der Welt fortfahren, deine Samen und deine Ernte zu verlieren. Es ist sehr gut, dass es so ist, denn die Armen allein werden für immer glücklich sein, wenn sie die Diener der Erdmutter sein können. (nach M. Hermanns, Die religiös-magische Weltanschauung der Primitivstämme Indiens, 1966)

Die Baiga glauben an Schutzgeister und an böse Geister. Sie kennen z.B. 21 böse Schwestern, welche Krankheiten schicken und Opfer verlangen. Z.B. eine bringt Magenschmerzen. Ihr muss man ein schwarzes Schwein, drei Hühner, eine Kokosnuss und Weihrauch geben. Eine andere verursacht Brustschmerzen. Ihr muss man ein schwarzes Küken und Kokosnüsse opfern. Eine andere wiederum bringt Syphilis. Ihr müssen die Ohren eines Büffels gegeben werden. Eine weitere bringt Mumps und Nackenschwellungen. Das kann nur durch das Opfer einer schwarzen weiblichen Ziege geheilt werden, usw. All das weiß ein Medizinmann (Gunia und Dewar, ein vom Geist Besessener), der durch Abmessen von Stroh mit 4 Fingern und aus einem Kürbis mit Reis wahrsagen kann oder aus einer Worfel, in der die 21 Krankheiten tanzen. Das Ritual kann einen ganzen Tag dauern. Dabei kann die Gottheit direkt aus dem besessenen Schamanen, der sich in Trance befindet, sprechen. Dann vertreibt der Schamane den bösen Geist:

Ein zerbrochener Schuh!
Die neun Eisennadeln!
Mit diesem fessle ich die Geister.

Ich fessle Bhut, Pret, Mua, Massan, Deo, Pangan.
Wer fesselt sie?
Der Guru fesselt sie und ich, des Gurus Schüler.
Unsterblicher Nagel!
Unsterblicher Zauber!

Die magische Heilmethode wird durch den Einsatz von Kräutern unterstützt. (Die Baiga-Magie wir ausführlich vom M. Hermanns beschrieben.)

Die älteste Form ihrer Gesänge und Tänze nennen sie Dadaria. Dabei darf jeder Baiga einen Beitrag geben.

Dadaria-Verse

Eine Lampe brennt, wenn sein Docht eingeölt ist, ein jugendliches Herz schmachtet, sogar wenn es schläft!“
„Als du sagtest, du wünschtest Mangos, besorgte ich die süßesten und größten; als du sagtest, du würdest kommen und sie essen, wartete ich Tag und Nacht, aber du kamst nicht.“
„Das Neugeborene pupst und entwickelt sich zum Knirps. Er hält den Stock und wächst und lässt ihn in den Händen rotieren und macht dieses und jenes, aber ohne Nutzen. Wie kann jemand leben ohne eine Geliebte?“
„Sie steht mitten im Fluss, gebadet in Sesamöl leuchtet ihr Schatten. Wie der Fluss ihre sich kräuselnde Schönheit glättet, und ich verzehre mich, heute Nacht möchte ich sie treffen.!“
„In Gedanken an die Geliebte zieht er Wasser aus dem Brunnen, er verschüttet es und leert den Kessel und verschwendet es. Hier läuft der Liebhaber herunter vom Hügel und die Geliebte ruft von oben: Werde ich ihn je wiedersehen?“

Karma-Lied

Das Karma-Festival findet zum Anfang der Sommerernte mit Rundtänzen und Liedern statt. Dabei werden Bäume mit narkotisierender Wirkung (Nauclea parvifolia or cardiofolia -Karma tree) gepflanzt.

Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht schlafen.“
Die Baiga gehen schlafen und einige schnarchen laut.
Der Trommelschlag und die Karmalieder stören meinen Schlaf.
Ich bin hellwach. Ich bin hellwach.
Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht schlafen.
Ich schubse meinen Mann: „Steh auf und begleite mich zum Karma-Tanz.“
Der Narr schimpft und will schlafen,
aber ich kann nicht schlafen,
besessen vom Trommelrhythmus des Karma-Tanzes.
Ich verlasse das Bett, nehme den Krug und flüstere in sein Ohr
„Ich werde mit dem Krug voller Wasser zurückkommen.“
Das rufe ich auf meinem Weg zum Brunnen.
Ich fülle den Krug und komme langsam zurück,
aber ich finde ihn wieder schlafend und schreie:
„Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht schlafen.“

Die Tattoos der Baiga-Frauen bedecken traditionell ihren ganzen Körper.

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Die Tattoos verweisen auf ihre Umwelt, auf ihre Nahrungsmittel, ihre Tiere, Pflanzen und Bäume, die sie nach ihrem Tod mit in den Himmel nehmen. Die jüngeren Mädchen zeigen an der Gesichtstätowierung immer weniger Interesse, so dass in Dhurkuta (Dindori-Distrikt) von 32 Mädchen der Schulklasse 6-8 nur 3 ein Gesichts-Tattoo haben. Auch ihre Kleidung hat sich geändert. Statt dicker Baumwollröcke tragen sie jetzt auch Synthetik-Saris, wie ein Verkäufer auf einem Wochenmarkt sagte.

Sakru Dhurwey, Baiga-Mann: Früher war alles Dschungel. Wir waren der Dschungel, der Dschungel gab uns alles. Wir waren stark, wir waren gesund. Jetzt ist alles verschlossen und wir bekommen nichts mehr. Wir sind nicht mehr stark. Wir sind nicht mehr gesund. Es ist unser Dschungel. Wir sollten ihn schützen.

Sie sagen, sie pflügen das Land nicht, da es wie Kratzen auf der Brust ihrer Mutter wäre. Auch werde die Erde geschwächt, wenn Sie immer wieder am selben Ort säen und deshalb ziehen sie als Wanderfeldbauer umher. Es wird ihnen von anderen Stämmen nachgesagt, dass sie magische Kräfte haben.

Wie die meisten der Stämme hängen die Baiga in allen ihren Lebensgewohnheiten vom Wald ab. Auch wenn sie zum Teil, zur Sesshaftigkeit gezwungen, etwas konventionelle Landwirtschaft betreiben, sind sie darin nicht geschickt. Sie leben in Gegenden, in denen Landwirtschaft nur regenabhängig betrieben werden kann. Der Monsun erlaubt nur eine Ernte im Jahr. Für ein Drittel des Jahres ist so für Arbeit und Nahrung gesorgt. In den restlichen Monaten leben die Adivasi von den Früchten des Waldes, wenn ihnen das nicht verwehrt wird.

Leben ist kostbar, wir bekommen es nur einmal. Auch seine Freuden bekommen wir nur einmal, nie bekommen wir sie wieder. Wie viele Tage werden wir noch leben? Das Leben ist kurz und wir haben vielleicht nicht viel. Wie können wir entkommen, wenn der Tod über unsere Köpfe kommt? (Baiga Karma-Lied)

Der Mord an Birju Baiga. Im Februar 2003 wird Birju, ein Aktivist der indischen Landlosenbewegung Ekta Parishad, in seinem Dorf vor den Augen seiner Mitbewohner und seiner Frau erschlagen.  "Der Mord an Birju Baiga" (ca. 27 Min. / 25 MB) ::: alle welt on air ::: Der Mord an Birju Baiga

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Hanuman-Langur im Kanha-Nationalpark
und Riesenwaldspinne

Seit Jahrzehnten leben indigene Gemeinden im Kanha Tiger-Reservat, das bei Touristen sehr beliebt ist, mit der Angst, vertrieben zu werden. Viele Dörfer wurden bereits ausgewiesen; das Leben und die Lebensgrundlage von Dorfbewohnern zerstört. Schon 1865 wurden in dem artenreichen Kanha, das Kipling für seine Dschungelbucherzählungen als Inspiration diente, Wälder unter Schutz gestellt. Den Baiga und den Gond wurde es damals ausdrücklich erlaubt, weiterhin in dem Schutzgebiet zu leben, im Wald ihr Vieh zu weiden und Feuerholz zu sammeln. 2014 wurden sie vertrieben, damit Touristen freie Bahn haben. Kanha besitzt eine große Tigerpopulation und die Wahrscheinlichkeit ist groß, Tiger in freier Wildbahn zu sichten. Das ist perfekt für den boomenden Tigertourismus, der jährlich rund 100.000 Touristen nach Kanha lockt.

Baiga, die das Reservat verlassen mussten, können einige schlecht bezahlte Jobs in der Tourismusindustrie bekommen oder als Reiseführer arbeiten. Viele versuchen mangels Alternativen zu überleben, indem sie im Reservat Feuerholz für die benachbarten Hotels sammeln. Wenn sie dabei erwischt werden, drohen ihnen Schläge und Geldstrafen. In ganz Indien werden indigene Völker im Namen des Tigerschutzes von ihren angestammten Gebieten vertrieben. Ihnen werden Versprechungen gemacht – alternatives Land, Häuser und Geld – doch es sind Lügen. Oft erhalten sie nur einen Bruchteil oder gar nichts. Dann bleibt ihnen nur ein Leben in erniedrigendem Elend an der Grenze ihres Territoriums.


Ein Zaun soll die Bewohner des Baiga-Dorfes Samnapur vor den Tieren des NP schützen
bzw. verhindern, dass die Baiga im NP ihr traditionelles Leben mit Jagd und Brandrodung fortführen.

Besuch einer Schule für 300 Schüler über 10 Jahren mit Internat, 8 reguläre Lehrer und 6 Gastlehrer, die von den Dörfern bezahlt werden. Die Gond- und Baiga-Kinder werden gemeinsam unterrichtet. Sie haben allerdings keine Kenntnisse der englischen Sprache. Der Englischlehrer hat einen schwierigen englischen Text über Teezeremonien in der Welt an die Tafel geschrieben, den die Schülerinnen abschreiben müssen, ohne ihn zu verstehen. Dieser Text würde im Examen verlangt. Später erfahren wir, dass noch kein Schüler das Examen bestanden habe. Die Schüler können weder die Frage nach ihren Namen beantworten noch englische Zahlen aufzählen.

Tantrisch-erotische Skulpturen in Tempeln

Skulptur aus dem Bhoramdeo-Tempel

Sexualität als Symbol göttlicher Energie und Schöpfung -
Verlangen erzeugt die Kette des Seins – und befreit daraus.

Einige der als Tantra Tempel bezeichneten Bauwerke wie der berühmte Lakshmana-Tempel im Tempelkomplex von Khajuraho zeigen unverblümt sexuelle Akte, Flirtereien und Zärtlichkeiten als Ausdruck von Leela, des immerwährenden Göttlichen Spiels. Kama, Verlangen, ist die Ursache alles Seienden (und für Buddhisten die Ursache allen Leidens) – und ohne die Erfüllung dieses Verlangens in der ekstatischen Vereinigung von Shiva und  Shakti gibt es keine Befreiung aus der Kette des  Seins. Shiva erscheint als Linga und Shakti als Yoniund ihre Vereinigung bringt alles Seiende hervor.

Bhoramdeo und Mahal-Tempel Komplex bei Kawardha

Der Bhoramdeo Tempel (Gond-Name für den von ihnen verehrten Shiva) aus dem 12.Jh. Die Tempel liegen am Rande eines Dschungels vor hohen Bergen. Das Gebiet wurde vom 14. bis zum 18. Jh. von Dynastien der Gond beherrscht.
An den äußerenMauern des Madwa Mahal befinden sich 54 Bilder von erotischen Positionen aus dem Kama Sutra, die vielleicht am Hofe der Nagawanshi-Könige praktiziert wurden. Die Tempel entstanden noch vor den berühmten Khajuraho-Tempeln

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Erotische Skulpturen aus dem Mahal Madwa-Tempel - s.erotische Skulpturen von khajuraho – Neuenhofer

Rudra Shiva

Rudra Shiva ist der wilde Jäger, der „Herr der Tiere“ des Waldes. Er selbst haust zwischen Vieh und Pflanzen an gefährlichen Orten und in einsamen Gegenden. Er gilt insbesondere als Personifikation der Wildnis. "The lord who destroys that is called rudrah who is shiva". Shivapurana (6-9-14)

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Rudra ist im Rigveda der Gott der Stürme, des Windes, des Regens, des Todes, der Zerstörung. Durch die Kuh Prishni („die Bunte“) ist er zudem der Vater und Herrscher der untergeordneten Rudras bzw. Maruts, die als seine Teilerscheinungen und Doppelgänger gelten.

Zwei Schlangen bilden einen Turban. Ihre Leiber umwinden mehrfach den dicken Leib, hängen dann seitwärts der Beine herunter. An beiden Seiten des Rudra-Kopfes erscheinen über den Schultern zwei Schlangenköpfe. Die Ohren zeigen sich als Pfauen. Die Nase und die Augenbrauen werden aus einer herabhängenden Eidechse gebildet. Die Augäpfel liegen im offenen Maul eines Frosches. Die Oberlippe bzw. der Schnäuzer zeigen zwei Fische und das Kinn eines Krebses. Aus den Schultern , die jeweils als ein Makara, ein Raubtier mit Rüssel, gestaltet sind, kommen die dicken Arme. Der Daumen und die Finger enden in Schlangenköpfen oder einem Eidechsenkopf. Auf seinem Leib zeigt Rudra sieben menschliche Köpfe. Ein großer Kopf formt den Bauch. Das Bauchgesicht und die beiden Brustgesichter tragen Schnäuzer (Und Glocken als Ohrschmuck?). Die vier Unterleibsgesichter lächeln und tragen keine Schnäuzer – sind es Frauengesichter? Der Penis inmitten der Köpfe hat die Form eines Schildkrötenkopfes und eines Schildkrötenhalses. Aus den glockenförmigen Hoden ragen zwei Krallen oder Vorderfüße. Die Knie sind als Löwenköpfe gestaltet.

Rudra, (Sanskrit, wörtl. „der Heulende oder Brüllende, der Rote“) ist ein vedischer Gott und wahrscheinlich der Vorläufer von Shiva, dessen Name („der Freundliche“) ursprünglich wohl eine euphemistische Anrede des schrecklichen Gottes Rudra war.

Zu seinem unzivilisierten Wesen passt auch, dass der Gott ein „Rohesser“ ist. Man opfert ihm auch die Speisen, die nicht der Dorfwirtschaft zugehörig sind, die Speisen der Wildnis, wie wilder Sesam, wilder Weizen und Milch der Rehe. Ebenso wurden ihm sogenannte Balis (Blut- und Tieropfer) dargebracht.

Viele von Shivas Anhängern und Yogis tragen sogenannte Rudraksha-Perlen („Tränen des Rudra“) als Rosenkränze um den Hals oder ums Handgelenk. Die Samenkapsel hat eine raue Oberfläche, die von durchlaufenden Linien in Segmente geteilt wird. Rudraksha kommt in vielen Grössen und Facetten vor, die auch "mukhi" genannt werden, was bedeutet: "die Ritzen oder Furchen oder Gesichter auf der Oberfläche". Rudraksha von 1 bis 14 mukhi sind am häufigsten. 95% aller gefundenen Rudraksha sind pancha-mukhi (5 Gesichter). Den Vedischen Schriften zufolge sind es bis zu 38 mukhi.

Rudraksha kommt in vier Grund-Farbnuancen: Die verschiedenen Farben werden auf die vier Gesellschaftsklassen der vedischen Sozialordnung bezogen. Weiss = für brahmana, rot = für kshatriya, braun = für vaisya, schwarz = für shudra. Ein Beispiel für die Symbolik der Rudraksha: Fünfmukhi-Rudraksha kontrolliert die fünf Elemente im Körper des Trägers, vernichtet deshalb alle Krankheiten verbunden mit diesen Elementen. Diese Rudraksha gibt allen Befreiung und erfüllt alle Wünsche. Sie ist geeignet für Sadhus (heilige Asketen) und Grihastas (Familienvorstand). Sie gibt auch ein friedliches und langes Leben und hilft, Wohlstand zu erlangen. Trägt man eine Kette von kleinen Fünfmukhi oder legt man sie ins Trinkwasser, ist das hochwirksam gegen Herzkrankheiten, Bluthochdruck oder mentales Ungleichgewicht. Rudraksha - Die Tränen von Lord Shiva - Interessantes AT

Do. 27.10. Kanha – Beda. Auf sehr schlechten Straßen fahren wir durch Waldgebiete am Rand des NP nach Norden zu Gondhäusern und einem Baiga-Dorf, dessen Bewohner sich nicht zeigen, weil vor einigen Tagen ein Mann vom Tiger getötet worden ist. Wir fahren zurück und kommen durch idyllische Flusstäler mit Fischsperren, fahren vorbei an kleinen Reisfeldern und finden einen Wald-Ritualplatz für eine Durga-Waldgöttin.

Unser Ziel, die Stadt Jabalpur, schockiert uns durch den Dreck, den Smog, den chaotischen Verkehr und die Menschenmassen.

Das indische Lichterfest Diwali/Deepavali

Diwali bedeutet übersetzt Lichterkette und wird in Indien traditionellerweise mit lauten Feuerwerksexplosionen gefeiert. Das Fest dauert insgesamt 5 Tage. Das Thema ist die Vernichtung des Bösen, das als Dunkelheit gesehen wird. Mit den vielen Lichtern wird der Sieg des Guten über das Böse gefeiert.

Das Fest hat nicht überall in Indien den gleichen Ursprung.

In Nordindien feiert man die Rückkehr von Gott Rama, der nach 14 Jahren im Exil endlich wieder in die Hauptstadt Ayodhya zurückkehrte, nachdem er den Dämonen Ravana besiegt hatte. In der Legende heißt es, die Menschen stellten entlang des Weges für Rama Öllampen auf, damit er den Pfad in der Dunkelheit sehen konnte. So steht es im großen indischen Nationalepos Ramayana. Andere Quellen behaupten, die Lichter wurden aus Freude über den Sieg des Guten über das Böse angezündet.

In Südindien glauben die Menschen, dass Krishna an Diwali einen Dämonen besiegte, der Tausende von Frauen in Gefangenschaft gehalten hatte. In Karnataka dagegen werden die Eingänge der Häuser mit einem Rahmen aus Kuhdung und Sandelholz geschmückt, um die Göttin (die hier Bali genannt wird) willkommen zu heißen. Die heiligen Kühe werden in den Dörfern mit Blumen geschmückt und überall finden Feste statt.

In Goa werden aus Papier gebastelte Figuren des bösen Narakasura verbrannt und Feuerwerke gezündet.

In Bengalen (Ostindien) verehrt man zu Diwali die schwarze Göttin Kali, die sowohl den Tod als auch die Überwindung des Todes versinnbildlicht. Das zeigt man, indem man zum Ende des Festes Figuren von Kali in einem Wasser versenkt, Knallfrösche krachen lässt und Feuerwerke entzündet.

In vielen Regionen Indiens beginnt nach Diwali ein neues Geschäftsjahr. So huldigt man Lakshmi, der Göttin des Wohlstands, z. B. indem man auf seine Bankunterlagen ein Bild von Lakshmi legt und für gute Einnahmen im kommenden Jahr betet. Auch hier ist Licht wieder ein wichtiges Element der Zeremonie. Es heißt, nur gut beleuchtete Häuser werden von Lakshmi besucht.

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Der Boden vor und in den Häusern wird mit verdünntem Dung der "heiligen" Kühe geglättet (und damit auch desinfiziert) und die Tiere werden geschmückt und angemalt.

 

Teil II :Tradition in indischer Volkskunst in Madhya Pradesh und Maharashtra, 2016

s. unsere Berichte zu früheren Reisen durch Mittelindien: Bei den drawidischen Volksstämmen im westlichen Indien, 1996, 2003, 2005, 2006 - Nördliches Orissa - Chhattisgarh - Südliches Orissa - Ins Innere Indiens: vorgeschichtliche Höhlenmalereien..., 2006

s. Unsere Homepage: Völker u. Kulturen