Karnataka I

Eine Südindien-Reise
durch die ländlichen Regionen Karnatakas

Abseits der üblichen Touristenrouten im Nov. 2015

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Eine Bhuta-Schutzpuppe beschützt Haus und Kinder.

Wieder einmal machen wir eine Reise durch das ländliche Südindien. Es ist unsere 25. Indien-Reise. Diesmal haben wir den südindischen Bundesstaat Karnataka ausgewählt, den wir bereits vor 20 Jahren bereist haben. Jetzt steht nicht die hinduistische und islamische Hochkultur mit ihren großartigen Steindenkmälern im Mittelpunkt unserer Reise, sondern uns interessieren die Veränderungen im bäuerlichen Leben, die obskuren religiösen Traditionen und vor allem Imkerei und die Seidenraupenzucht.

Seidenraupen, Honigbienen, Imkerei, Honigjäger, Tieropfer-Tempel
und andere Sehenswürdigkeiten in den ländlichen Regionen Südindiens

Wir starten mit Vincent, einem dunkelhäutigen Fahrer, der Christ ist und die Sprachen Hindi und Marathi spricht, und unserem Hindu-Guide Mahesh, der die einheimische Sprache Kannada beherrscht. Vincent zeigt demonstrativ seinen christlichen Glauben durch eine in Blau gekleidete Madonnenfigur mit Kind, die er auf der vorderen Ablage des Autos befestigt hat, so wie die Hindus meist den elefantenköpfigen Ganesh als Schutzpatron im Auto zeigen. Vincent und der ungläubige Mahesh verstehen sich ausgezeichnet und diskutieren immer wieder die Stellung der Kastenlosen in den verschiedenen Glaubensgemeinschaften.

Von der Großstadt Bangalore aus fahren wir in Richtung Westen in die grünen, meist 900 m hohen Ghats von Coorg an der Grenze zum Nachbarstaat Kerala. Zunächst kommen wir durch Dörfer, in denen die Bauern Seidenraupen füttern und Seidenkokons ernten. Ähnlich wie die Imkerei mit einfachen Mitteln und ohne großen Landbesitz zu betreiben ist, nutzen die Bauern die Seidenraupenzucht als Nebenverdienst. Auch im Europa des 19. Jahrhunderts sah man die Bienenhaltung und die Zucht von Seidenraupen als möglichen Zuverdienst an und viele Vereine waren für beide Tierarten zuständig.

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In den Hallen des größten Seidenkokonmarktes von Karnataka

Die Seidenraupenzucht

Im Ort Ramanagara besuchen wir den größten Seidenkokonmarkt Karnatakas, wo Großhändler weiße und gelbe Kokons ersteigern. Die Produktion von Kokons erfolgt arbeitsteilig. Die Entwicklung der von Forschungsinstituten bereitgestellten Seidenraupeneier findet in privaten Betrieben statt, die dann 10 tägige Seidenraupen an die Bauern verkaufen. Die Seidenraupen werden von den Bauern im Wohnbereich der Häuser in einem Nebenraum oder gleich neben der Küche in Gestellen gehalten und drei Wochen mit Maulbeerblättern gefüttert, bis sie dann in großen Rädern oder „Igeln“ ihre Seidenkokons spinnen.


Gestelle mit Raupen im Wohnbereich eines Hauses

Ein Problem dabei sei, sagt uns ein Bauer, dass die Raupen für eine optimale Entwicklung eine gleichbleibende Temperatur von 27° Celsius und 70-80% Luftfeuchtigkeit brauchen, in den Wohnbereichen könne auch keine Desinfektion vorgenommen werden. Deshalb entwickelten sich viele Raupen nicht gut. Solche gelben und braunen Raupen wirft eine Bäuerin zu unserer Überraschung den Hühnern und den Hunden als Futter hin.

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Ausgewachsene Raupen, die bald mit dem Einspinnen beginnen.

Insgesamt leben die Raupen etwa 50 Tage; dann beginnen sie mit dem Einspinnen. Während der Regenzeit dauere die Entwicklung der Raupen etwas länger.

In den nördlichen Regionen Indiens werden auch Kokons mit anderen Raupen (von Tassar-, Erie- und Mugaspinnern) produziert, deren Kokonfaden aber nicht so fein ist wie der von Maulbeerspinnenn (Bombyx Mori).


Der Bauer hat einige Raupenräder am Straßenrand aufgestellt.

In Modaga, im Norden von Karnataka, besuchen wir den Bauern Tejasvi Naik, der auch Seidenraupen hält. Er erzählt uns, wie er für seine Pflanzen und Seidenraupen ein altes vedisches Feuerritual nutzt:

„1996 begann ich eine Seidenraupenzucht auf 1.5 Morgen Land, das auf meinem Fabrikareal ungenutzt blieb. Im ersten Jahr erzielte ich eine gute Ernte. In den nächsten paar Jahren gab es Verluste auf Grund von Krankheiten unter den Seidenraupen. Alarmiert suchte ich nach den Ursachen. Man sagte mir, dass die Maulbeerbüsche auf dem Hof verholzt wären und dass ich große Mengen FYM (biologischen Dung) einsetzen sollte.“ Als Ergebnis seiner langjährigen Erfahrungen mit der biologischen Landwirtschaft zeigt er uns seine Agnihotra-Hütte bzw. seinen Surya-Sonnentempel und die Räume mit den heranwachsenden Raupen, wo er mit Meßinstrumenten die richtige Atmosphäre kontrolliert. Hinter dem Haus hat er den Garten mit den Maulbeerbüschen. (s.Tejasvi Naik's Story | Homa Farming)


Die winzigen Seidenraupeneier werden mit einer Feder verteilt.

Er erhält von einem Brutbetrieb aus Mysore Seidenraupeneier (je 30 000 Eier in kleinen Papierstreifen), die er auf Tablets verteilt und in eine dunkle Halle bringt, in der die Raupen bei 22,6°C. und 72% Luftfeuchtigkeit nach 10 Tagen schlüpfen und in weiteren 10 Tagen heranwachsen. Um die Wachstumshäutungen der Raupen zu erleichtern werden die Räupchen mit Kalk bestäubt. Die etwa 1 cm großen Raupen werden dann von Bauern der Umgebung abgeholt und weiter gefüttert, bis sie sich einspinnen. Um alle Vorgänge zu optimieren, setzt er das Agnihotra-Feueritual ein. Damit soll die Atmosphäre gereinigt werden, negative Energien neutralisiert und positive verstärkt werden. (s. Details unter "Biene und Mensch, Esoterik in der Bienenzucht")


Nette Kodava-Frauen bekleiden Christa mit der traditionellen Tracht.

Die Kultur der Kodavas in Coorg

Die Landschaft von Coorg ist tief grün und wirkt wie ursprünglicher Regenwald. Zum Schutze der Landschaft wurden hier 39 Schutzgebiete errichtet. Aber der Großteil der ursprünglichen Regenwälder musste inzwischen ausgedehnten Kaffee-Strauchwäldern, Kardamom-, Orangen- und Pfefferanpflanzungen weichen. Trotzdem gilt das Gebiet als das artenreichste ganz Indiens.

In diesem gebirgigen ehemaligen Fürstentum Coorg leben die Kodavas mit eigener Sprache und eigenen Traditionen. Sie tragen Waffen und sie verehren die Ahnen.

Ein Krieger aus Coorg, der einen Tiger getötet hatte, wurde mit einer ‚nari mangala’ ausgezeichnet. Das ist eine Feier, die einer Hochzeit sehr ähnelt, nur dass der tote Tiger die Stelle der Braut einnimmt. Die letzte Tigerhochzeit fand 1873 statt. Ein Mann, der einen Tiger getötet hatte, durfte auch seinen Schnurrbart auf ganz bestimmte Art und Weise zwirbeln. Man nennt das ‚galle meesey’.

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Ein stolzer Kodava-Mann, der wie üblich ein Angehöriger des indischen Miltärs war, und ein Tatoo, das die kriegerische Seite der Kodavas zeigt.

Aus einer Coorg-Hymne:

Die ruhmreiche Trophäe, ein starker Tiger, hängt an Bambusstämmen.
Daneben sitzt jener, der ihn besiegt hat.
Ruhm dem Helden, dem Sieger!...
Die stolze Mutter des Helden,
möge sie als erste Reis auf ihn werfen.
Möge sie als erste ihn mit Milch tränken.
Möge sie als erste ihm die goldene Münze der Ahnen schenken.
Möge der Sohn ihre Füße berühren. Möge er ihren Segen empfangen...

(nach Ljudmila Schaposchnikowa „Meine Freunde, Die Kurg“, S.223)

Bei Kakkabe besuchen wir einen ganz speziellen Kodava-Tempel, wo der Hauptgott der Kodavas „Igguthappa“ verehrt wird. Er ist der „Geber von Korn“, der den hungernden Menschen Getreide gegeben hat. Deshalb bringen sie ihm 10% ihrer Ernte, um im folgenden Jahr den zehnfachen Ertrag ernten zu können. Die im Tempel angesammelten Opfergaben werden später an Bedürftige verteilt. Wie auch viele andere Götter der früher animistischen Kodavas soll dieser Gott, der vierte Bruder einer größeren Götterfamilie von Kerala zu ihnen gekommen sein und ihnen Getreide gebracht haben.

Eine weitere Gottesvorstellung ist ebenfalls von Kerala gekommen. Ayyappan, der Sohn der in einer Person gedachten Götter Vishnu (in weiblicher Erscheinungsweise) und Shiva (Erhalter und Zerstörer), wird hier neben einem alten Baum in Form eines aufgestellten Steins mit vielen Dreizacken verehrt.


Der Name des Kindes wird in Reis geschrieben und ihm ins Ohr geflüstert.

Im Tempel erleben wir eine Namensgebungszeremonie. Der Priester singt und spricht eine lange Litanei. Dann schreibt der Vater die heilige Ursilbe OM in eine mit Reis gefüllte Schüssel, darauf schreibt die Mutter den Namen des Kindes in den Reis. Der Priester weist sie dabei in die komplizierten Rituale ein. Der Kindesname wird nach den religiösen Anrufungen und Segnungen schließlich von den Eltern in die Ohren des Kindes, das auf der Schwelle des Tempels liegt, geflüstert.

Bienen und Imkerei in Karnataka

Unsere erste Begegnung mit Bienen fand bereits auf dem Blumenmarkt von Mysore statt, wo frische Blütengirlanden aus gelben Tagetes, roten Rosen und weißen Tuberosen angeboten werden. Besonders die Tuberosen, deren Duft fast 14 Tage nach dem Pflücken anhalten soll, sind eine ergiebige Nektar- und Pollenquelle für viele Bienen.


Das tibetische Kloster„Namdroling Nyingmapa“

Am selben Tag erleben wir in einem großen tibetischen Kloster, in der über 1000 Mönche und Nonnen leben (Angehörige der Rotmützen-Sekte) eine riesige Überraschung. Als wir die Tempeldächer bestaunen, trauen wir unseren Augen zunächst nicht, da wir überall zwischen den Giebeln und Figuren große Waben der Riesenhonigbiene (Apis dorsata) entdecken. Wir zählen 13 Waben der Riesenhonigbiene. Die Bienen scheinen sehr friedlich zu sein, und die Mönche können den Honig nach der Wanderung der Bienen in tiefer gelegene Gebiete zu Beginn der Regenzeit ernten und vielleicht als Opfergabe für Buddha nutzen im Andenken an eine Legende, nach der ein Affe bei Buddhas Meditation Honig brachte und später mit einem ewigen Leben belohnt wurde.

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Die riesigen, frei hängenden Waben der Riesenhonigbienen unter den Dachvorsprüngen des Klosters

Der Kaffee als Trachtquelle der Bienen

Hier in Coorg befinden wir uns hier im größten Kaffeeanbaugebiet Indiens. 140 000 Tonnen Kaffee werden in Karnataka produziert. Im Süden Karnatakas wächst der säurearme Robusta und der Arabica. Als Spezialität gibt es den Monsun-Kaffee, der durch Aufquellen der Bohnen einen besonderen Geschmack erhält.

Zur Bestäubung des Kaffees werden während der Blütezeit im März und April viele Bienen benötigt, und die Stadt Virajpet soll das größte Honigzentrum Asiens sein. Aber wir suchen vergeblich nach den Bienen. Die großen Imker haben jetzt im November ihre Bienen in ertragreichere Gebiete gebracht.

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Nicht weit vom Gehöft steht eine Beute im Wald.

In dem Walddorf Majuru lernen wir einen Imker kennen, der in typischen, kleinen indischen Beuten mir der indischen Biene imkert. Die Kästen sind nur 30x30 cm groß, sind mit Rähmchen bestückt und haben 10 cm hohe Aufsätze für Honig. Eine Zarge bringe etwa 2 kg Honig. In den Monaten April und Mai würde er bis zum Beginn des Monsuns 3-4 mal schleudern. So erhalte er etwa 8 kg pro Volk. Für den Waldhonig bekomme er pro Kilo 600 Rupien (8,45 €), für den Gartenhonig 500 Rupien (7 €).

Den meisten Honíg bringe der Kuntala-Blütenbaum, so habe der Name des Bundesstaates Karnataka früher Kuntala-Desha (Kuntala-Land) geheißen.

Von ehemals 30 Völkern habe er jetzt nur noch 12. An dem Verlust seien Kraftwerksabgase und Insektizide schuld. Einen Beute hat er direkt am Haus stehen. Dann zeigt er uns noch einen kleinen Schwarm der Riesenhonigbiene drei Meter weiter in Kopfhöhe an einem Baum. Vor diesen Bienen habe er Respekt. „Wenn die angreifen, stürzen sich alle auf den Störer.“

Unser wißbegieriger Guide hört immer aufmerksam zu, denn von der Imkerei hat er keine Ahnung, aber er erklärt uns gerne die Bezeichnungen in der lokalen Sprache: Honigbiene heiße „Jenu-Hula“. Hula sei die Bezeichnung für viele Insekten, deshalb heiße die Honigbiene „Honig-Insekt“, und in Hindi sage man „madhu makki“. Später gesteht er uns, diese Reise sei für ihn eine ganz besondere Reise, er habe soviel Neues über Bienen und Seidenraupen gelernt. Meist habe er japanische Touristengruppen, die in kürzester Zeit nur touristische Höhepunkte fotografierten.

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Nest der stachellosen Minibiene in einer Hauswand

In unserer nächsten Unterkunft, einem Homestay in Devanahalli, entdecken wir zum ersten Mal kleine, stachellose Bienen. Die Bienen sitzen in einer Hauswand. Leider kann man nicht an den Honig in der Mauer kommen, erklärt uns der Besitzer. Die stachellose Bienen unterscheiden sich grundlegend von den anderen Apis-Honigbienen. Diese kleinen schwarzen Bienen gehören zur Familie der Apidae (Trigona iridepennis und Melipona mit mehr als 500 Spezies). Sie bauen Nester aus Harz-Propolis, deshalb werden sie auf Englisch „Dammer-Bees“ genannt. Ein Volk umfasst 100 -1000 Mitglieder. Den Honig lagern die Bienen neben dem Brutnest in vielen kleinen Kugeln, die nur 1-2 Teelöffel Honig enthalten. Sie sind zwar stachellos, beißen aber zu ihrer Verteidigung. Der Honig schmeckt etwas säuerlich, wie wir bereits in Nordindien feststellen konnten. Er ist eine Rarität und wird nur für medizinische Zwecke genutzt.

In den Bergen des Siedlungsgebietes der ehemaligen portugiesischen Sklaven, der Siddhi, treffen wir den Areca-Nuss-Farmer Santosh, der von März bis Juni als Honigjäger wilde Bienennester in bestimmten hohen Bäumen erntet, die im Jahresrhythmus immer wieder von den Bienen erneut besetzt werden, aber zu Beginn der Regenzeit verlassen werden, da die Bienen dann in tiefere Ebenen abwandern. Er erzählt, dass er vor der Wanderung der Bienen in der Nacht die Bäume hoch klettert, weil die Bienen dann weniger stechen und er nicht sieht, wie hoch er sich über der Erde befindet. Er klettert ohne Schutzanzug hoch, vertreibt die Bienen mit etwas Rauch, schneidet die Waben von den Zweigen und lässt die Wabenstücke in einem Eimer mit einem Seil hinab. Er erntet pro Volk etwa 25-30 kg Honig. Dabei werde er jeweils von 30 Bienen gestochen. Meist arbeitet er sonst in Zuckerrohrplantagen für ca. 400 Rupies (6,50 €) am Tag. (Honey Collecting with the Jenu Kuruba in Sou)

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Honig in Plastikflaschen und eine stechende indische Biene


Imker und Bauer Gangadara Bhat

Einen weiteren Imker lernen wir im Dorf Mundagamanie kennen. Der Imker Gangadara Bhat ist Bauer, hat ein Stück Land mit Areca-Palmen und zwei Kühen. Daneben hat er vier Bienenvölker. Er gehört zu einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, in der Honigjäger nicht Mitglieder werden können. Er führt uns zu einer Beute unterhalb seines Hauses. Sie hat die typische Größe der indischen Beuten und enthält nur 7 kleine Rähmchen. Auf den Brutraum setze er in der Trachtzeit drei 10 cm hohe Zargen auf. Von Januar bis Mai ernte er so alle 10 bis 15 Tage pro Zarge 1,5 bis 2 kg Honig. Dabei erhalte er pro Volk in jeder Saison 40 bis 45 kg Honig. Den Honig im Brutraum lasse er den Bienen als Nahrung. Zur Völkervermehrung entnehme er drei Rähmchen für einen Ableger. Obwohl die Bienen sehr ruhig sind, würde er bei der Ernte etwa 30 mal gestochen.

Als Feinde der Bienen werden die Wespen (kanaja, kadandu) genannt, die das gesamte Nest zerstören und alles fressen, die Ameisen (kenjiragu, chavali), die in großen Mengen auftreten, eine Marderart (maranaayi), eine klebrige Nacktschneckenart (basavanahula), Wachskäfer (maenachetty), die alles mit einem Kokon überziehen und Spinnen (jedra hula).

Als im Jahr 1992 die Thai-Sackbrut auftrat, kam es zu erheblichen Bienen-Verlusten in Karnataka, Tamil Nadu und Kerala. Es wurde daraufhin die Kampagne „Save Honey Bees“ ausgerufen, die Haltung der indischen Biene gefördert (Apis cerana indica, Apis dorsata, Apis florea und die stachellose Biene Trigona i.) und die eingeführte exotische Apis Mellifera unterdrückt, die zu 90% sich den tropischen Bedingungen nicht anpassen konnte.

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Waben der Riesenhonigbienen vor der Tempelhöhle Karla und in einem geschützten Baum

In den letzten Tagen unserer Rundreise sehen wir nochmal die Riesenhonigbiene am Eingang der Karla-Pilgerhöhle. Karla ist eine buddhistische Tempel- und Klosteranlage, die 100 v. Chr bis 200 n. Chr. aus dem Granit herausgeschlagen worden ist. Die Pilger kommen aber nicht wegen der Höhle, sondern wegen eines häßlichen Hindutempels der lokalen Göttin Ekviradevi, der täglich Tiere geopfert werden.

Meist bevorzugt die Riesenhonigbiene bestimmte hohe Bäume wie Tetrameles nudiflora (Thitpok) für ihre Kolonien. Deshalb hat die indische Regierung Bäume mit mehr als 10 Völkern zu einem geschützten Kulturerbe erklärt.

Eine Wabe liefert etwa 15 kg Honig. (BfDJ87 Honey Trees005.pdf - Bees for Deve. Die Honigbäume der Cholanaiken)

Ein Honigjäger aus Chembakolli, einem kleinen Dorf im Naturschutzgebiet Mudumalai berichtet vom Umgang der Waldmenschen mit den Bienen:

"Zu Beginn der Honigsaison halten wir eine Puja [religiöse Zeremonie] ab, bevor wir in den Wald gehen. Wenn es mehrere Bienenstöcke auf einem Baum gibt oder der Baum in einem heiligen Hain steht, halten wir eine besondere Puja ab. Sie wird von einem der Ältesten geleitet, der für diesen Teil des Waldes zuständig ist. Wir denken an die Vorfahren und die Geister des Waldes, die Clangottheiten. Wir ersuchen sie um ihren Schutz und Segen. Wir bitten die Bienen und den Wald um Verzeihung, da wir ja ihren Honig nehmen werden. Wenn wir mit dem Sammeln fertig sind, sagen wir zu den Bienen: ‚Danke, dass ihr uns soviel Honig gegeben habt, seid bitte nicht böse. Kommt bitte wieder hierher zurück.'" (Honig ist Leben - Südwind Magazin)

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Ein Honigjäger, der am Rand einer Straße Honig verkauft und Teile eines Bienennestes mit lebenden Bienen zeigt.

Auf dem Rückweg von dem buddhistischen Höhlenkloster Bhaja treffen am Straßenrand einen Honigjäger mit Familie, der Wildbienenhonig anbietet, 1 Liter in einer Plastikflasche für 450 Rupien, und große Teile eines abgeschnittenen Wildbienennestes zeigt.

Um uns die viskose Qualität des Honigs zu demonstrieren, lässt er einige Tropfen Honig über seine Jeans laufen, dann nimmt er ein Feuerzeug und zeigt, dass der Honig nicht brennt wie Zucker. Ein anderer Imker hatte uns geraten, den Honig in den Kühlschrank zu stellen, um zu prüfen, ob er gefriert, dann enthielte er zuviel Wasser.


Nicht betroffene Zuschauer

Die Blutopfer-Tempel auf dem Land


Eine enthauptete Ziege, ein Opfer für die Göttin

Unsere Fahrt durch das ländliche Indien zeigt uns auch immer wieder die im Hinduismus noch üblichen blutigen Tieropfer in Tempeln. In Mallinathapura ist es der Feldtempel Hosalu (,,in Kannada „Türschwelle des Hauses“), wo Gläubige Heilung und Abwehr von Krankheiten wie Masern u.a. fiebrige Krankheiten suchen und um Frieden in der Familie bitten. Deshalb sind viele Menschen gekommen und zeigen der Göttin Maramma Hühner und Ziegen, die dann vor dem Tempel getötet werden, dann werden sie gekocht und der Göttin geweiht, indem die Fleischstücke auf Blättern mit Bananen, Kokosnüssen, Reis, Fett, Sauce und Wasser zwischen zwei Steinen präsentiert werden, die mit rotem und gelbem Farbpulver bestreut worden sind. Danach wird das Fleisch von den Gläubigen oder von umherlaufenden Hunden oder Krähen verspeist.


Die geopferten Schweine werden ausgeschlachtet und gekocht.

Am nächsten Morgen müssen wir schon vor vier Uhr aufbrechen, weil wegen eines Generalstreiks sämtliche Straßen gesperrt werden. Es ist eine Protestaktion gegen einen Feiertag zu Ehren des ehemaligen Moslemherrschers Tipu Sultan.

Wir erleben Gottseidank keine gewalttätigen Auseinandersetzungen, treffen aber in der Morgendämmerung auf schockierende, brutale Opferrituale. In einer idyllischen Landschaft strömen Menschen am Ufer eines Sees entlang zu einem kleinen Tempel. Dorthin werden viele Schweine, Ziegen und Hühner mit Fahrrädern und Autos gebracht. Beim Weiheritual werden die Tiere mit dem Kopf zum Bild der Göttin Arasinakatte gelegt, dann umkreisen die Gläubigen die Statue, schlagen eine Kokosnuss auf und tragen ihre Bitten vor. Eine Frau bittet um Heilung für ihren kranken Sohn und eine andere bittet um Unterstützung in einem Rechtsstreit um Land.


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Idyllischer Schlachtplatz: -geopferte und der Göttin präsentierte Hühner

Vor und nach der Tötung werden Kopf und Körper der Tiere immer mit Wasser besprengt. Danach wird den Ziegen mit einem Schwert vor dem Tempel der Kopf abgeschlagen und die Schweine werden mit einem Schwertstich ins Herz getötet. Diese Tötungen und die anschließende Verarbeitung werden von Dalits, Kastenlosen bzw. „Unberührbaren“, ausgeführt. Diese „Opferungen“ sind kaum zu ertragen. Es ist eine grausige Schau mit schreienden und zuckenden Tierkörpern. Die Ziegen werden anschließend an Bäumen aufgehängt, um ihnen das Fell abzuziehen. Die Schweine werden in eingegrabene Wannen mit heißem Wasser geworfen, und die Borsten werden mit einem Stein abgeschrubbt. Bei der Ausweidung und der Zerteilung der Körper auf Holzblöcken und Steinen kämpft ein Rudel Hunde um jedes weggeworfene Stück. Die gekochten Fleischstücke werden zum Schluss der Göttin zusammen mit Bananen, Reis und Weihrauchduft präsentiert. Auch Autos werden mit dem Blut der Opfertiere „gesegnet“.

Wie wir erfahren, sind wir zufällig an einem der Hauptopfertage hier vorbei gekommen. Dienstags und sonntags finden hier wöchentlich die Schlachtfeste statt.

Im Bhuta-Tempel auf einem Berg bei Guddesana lernen wir den neuen lokalen Schutzgott kennen, der sich hinter den blutdürstigen der uns dann in den kleinen Dörfern immer wieder begegnet. Häufig hängt er als schwarze Puppe an den Häusern, seltsamerweise mit dem Kopf nach unten. Oft handelt es sich auch nur um unförmige, geschwärzte Steine. Zum Bhuta können auch verstorbene Menschen werden. Ursprünglich waren die Bhutas Naturgeister, Naturelemente. Scheinbar will sich jede Familie durch die Wahl eines Bhutas vor Unheil schützen. Nach dem Glauben dieser Menschen rühren alles Böse und alle Schwierigkeitent im Leben von dem Wirken böser Geister. Deshalb wählt jedes Dorf oder jede Familie einen Bhuta, der sie vor den Machenschaften der vielen feindlichen Bhutas beschützen soll. Diesen Bhuta verehren sie durch Gebete und Opfergaben. Die Brahmanen haben diesen Dämonen einen Platz im Hindugötterkosmos eingeräumt, indem sie sie als Gefolge Shivas bezeichnen und Shiva als „bhutesia“, den Herrn der Dämonen bezeichnen. Diese Dämonen werden vorwiegend durch blutige Opfer und durch rote Farbe verehrt.





Wir sind froh, in den nächsten Dörfern auf äußerst freundliche Menschen zu treffen. Die Tabakbauern zeigen uns ihre Häuser und die Trocknungsanlagen für die Tabakblätter. Aufgefallen waren uns ihre Häuser, weil sie in der Mitte ein hohes, zweites Stockwerk haben, in dem sich eine Feuerungsanlage für Tabakblätter befindet. Die getrockneten, duftenden Tabakblätter liegen in ihren Schlaf- und Essräumen zu großen Ballen gestapelt.

Es würde zu weit führen, alle ländlichen Tempel, die wir besucht haben, zu beschreiben. Typisch bei diesen kleinen „Amma“ (Mutter) -Tempeln sind immer mit Blumengirlanden umhüllte Gesichtsmasken der Göttin, aufrecht stehende Götter-Steine, Nagasteine (Schlangensteine), OM-Zeichen und ein Tulsistrauch. Die Tempeleingänge weisen meist nach Osten zum Sonnenaufgang. Die Amma-Muttergöttinnen werden häufig um Hilfe bei Kinderkrankheiten und gegen Fieber angerufen.

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Steinskulpturen aus den Tempeln von Halebid und Belur


Eine farbige, dörfliche Durga-Figur

Weitere Hindu-Dorftempel, die wir besichtigt haben:

- Eine Überraschung erwartet uns im Doddamma-Tempel ("große Mutter"), der für 48 Dörfer zuständig sei, wie der Priester uns stolz erzählt. Vor der mit prächtigen Blumengirlanden eingefassten Metallmaske der Göttin liegt ein großer, gelber Stein, ein Symbol für die Göttin. Dieser Stein werde an normalen Tagen mit Butter überzogen, die an Freitagen zu Ehren der Göttin jeweils rot eingestäubt würde.

- Noch am selben Tag finden wir abseits aller Straßen im Wald einen weiteren Blutopfertempel in der Nähe des Ortes Yalagunda. Hier wird Puradamma, die „Mutter der Stadt“ verehrt. Das weitläufige Waldgelände erinnert an eine Müllkippe, da hier die Menschen ihr Opferfleisch innerhalb einer Gruppe aus weißen Plastikteller essen und die Teller dann einfach wegwerfen.

- Im Waldtempel der Bauern von Hagara werden nur den untergeordneten Göttern Blutopfer dagebracht. Die Hauptgöttin ist Vegetarierin, ihre Verwandten aber akzeptieren Blutopfer.

-Auch die „Siegergöttin“ des Guhe Kallama-Tempels ist eine Vegetarierin, während ihre Wächter auch Blutopfer annehmen. Das Schlachtmesser verwahrt der Brahmanenpriester zur Ausleihe. Die Göttin liegt wie eine Puppe mit ausgestreckten Armen, bedeckt mit einer Butterschicht.

Bhutas - Die Verehrung böser schwarzer Geister

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Bilder mit Schutzdämonen an einer Hauswand (zwischen Durga und Shiva die schwarzköpfige Kabbal-Amma) und Bhuta als Auto-Schutz


Ein Brahmanenpriester zelebriert eine "Puja".

- Im “Nandikeshwara“ in Mekkekattu finden sich große, farbige Holzfiguren, zu Szenen zusammengestellt, in unterschiedlichster Kleidung.

- Im Yana Höhlen-Tempel-Komplex „Bhairaveshwara“ zwischen zwei Felstürmen, die 120 und 90 m hoch in den Himmel ragen, finden sich auch Felsenbienenwaben.

- Einen ganz besonderen Tempel besuchen wir in Saundatti. Hier werden noch immer junge Mädchen trotz Verbotes der Regierung mit der Göttin verheiratet, d.h. sie sind dadurch zu einem Leben als Prostituierte bestimmt, die in jedem Freier den Mann sehen, der die getötete Göttin nach einer Legende wieder belebt hat. Sie sind dann Dienerinnen ("Devadasis") der Göttin Yellamma, der "Mutter der Welt" (Yella heißt "Alles" und Amma "Mutter"). Sie tragen meist einen verfilzten Zopf, eine Kauri- oder weiß-rote Kette und gelbe Farbe. Der Göttin werden vor allem grüne Saris und grüne Armreifen verehrt.

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Pilger mit einem Stock und Neem-Blatt in der Hand umkreisen den Tempel, indem sie sich immer wieder niederwerfen. (s. Christas Fotoserie Yellamma Temple at Saundatti, Karnataka, India - PBase.com

Wie meist auf unseren Reisen interessieren uns Wahrsager und Zauberer. So landen wir bei einem Astrologen. Ich frage ihn, wie lange meine Armschmerzen noch andauern würden und was ich dagegen tun könnte. Er fragt zunächst nach meinem Vornamen. Darauf muss ich dreimal eine Hand voll Kauris auf den Tisch werfen. Er notiert sich die Lage der Kauris entsprechend ihrer Öffnung nach oben oder nach unten. Dann sucht er dann in einem Buch mit vielen Zahlen und diagnostiziert, dass die Ursache der Schmerzen durch eine Trübung des Planeten Ketu und des Mondes hervor gerufen wurde. Schließlich sei auch ich betrübt. Aber er könne eine Mischung aus fünf Metallen als Medizin anbieten, die ich in den folgenden drei Monaten ständig mit mir tragen müsse. Zur Herstellung brauche er 15-30 Minuten. Wir danken darauf, verzichten auf das Zaubermittel und geben ihm die verlangten Rupien.


Ein Landmarkt

Nach der Überquerung des Gebirges fahren wir etwa 100 km immer bergab Richtung Küste. Auf dieser Strecke sehen wir zunächst viele katholische Kirchen Unser christlicher Fahrer lädt uns sogar zu einem Tee in einem christlichen Imbiss ein. Später dominieren Moscheen und schwarz verschleierte Moslemfrauen mit Hijab.

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Moslem-Touristin in Belur, kath. St.Stefan-Kirche

Auf der Fahrt ins nördliche, ländliche Karnataka ändert sich die Landschaft. Auf den trockenen Feldern werden Baumwolle, weiße Hirse, Zwiebeln und Chili angebaut. Auf den Straßen fahren noch Ochsenkarren mit Holzrädern, auf den Feldern ziehen noch Ochsen den Pflug. Ziegen, Schafe, Schweine und Kühe laufen durch die Dörfer. Überall werden wir freundlich begrüßt und oft zu einem Tee eingeladen.Die Hauseingänge sind noch vom Lichterfest Diwali mit kleinen Dunghaufen geschmückt. Der lokale Gott, dargestellt durch aufrecht stehende Steine, heißt Budala. In den Dalithäusern hängt das Bild von Ambedkar an der Wand, der gegen die Diskriminierung der Dalits kämpfte und mit tausenden Dalits zum Buddhismus konvertierte.

Das Zuckerrohr


Zuckerrohrtransporte zur Fabrik

Zur Grenze nach Maharashtra hin kommen wir ein Gebiet, in dem vorwiegend Zuckerrohr angebaut wird. Da wir in der Zeit der Ernte durch die Region fahren, sehen überall auf den Straßen, sogar auf der Autobahn lange Reihen von Ochsenkarren, hoch beladen mit Zuckerrohr.

Ein sehr kritischer Bericht über Überproduktion, Vetternwirtschaft und Korruption in der Zuckerwirtschaft dieser Region steht im Südwindmagazin. Ein Bauer aus Kolhapur, sagt nicht ohne Bitterkeit: „Wir sind an der Zuckerfabrik beteiligt. Wir bauen das Zuckerrohr an. Aber unser Leben ist alles andere als ein Zuckerlecken.“(Bitteres Los - Südwind Magazin)

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Rast einer Pilgergruppe mit Götterbildern und kleine Yellamma-Figur mit grünen Geschenken

Nicht nur Ochsenkarren mit Zuckerrohr sind unterwegs, sondern auch Pilgergruppen mit ganzen Familien, die aus einem Dorf bei Aurangabad mit bemalten Ochsenkarren und Götterbildern nach Pandarpur ziehen. Als Geschenk für den Tempel haben sie einen Büffel dabei, der auf dem Rücken ein fünftes Bein trägt. An Jain-Tempeln und Schlangentempeln vorbei fahren wir durch endlose Zuckerrohrfelder und dann durch eine baumlose, trockene Landschaft mit Soja- und Gelbwurzfeldern, bis sich vor Pune wieder Bäume in einer grünen Landschaft zeigen.

Die Stadt Pune hatten wir vor 20 Jahren noch als überschaubare Mittelstadt erlebt. Es ist jetzt nicht mehr wiederzuerkennen. Eine neue Großstadt mit modernen, interessanten Hochhäusern ist entstanden, die sich viele Kilometer Richtung Gebirge ausgedehnt hat und Lebensraum für 5 Millionen Menschen geworden ist. Viele deutsche Firmen haben sich hier niedergelassen, und ein Zentrum der IT-Industrie ist entstanden.

Khandala, in den Bergen ist unsere nächste Station. Unsere Begleiter fahren noch 15 km weiter, bis sie eine preiswerte Unterkunft finden.

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Unsere Begleiter Mahesh und Vincent und die kath.Schutzfetische unseres Fahrers Vincent

Am letzten Tag in der 20 Mill. Metropole Mumbai sehen wir uns zum Abschluss unserer überaus gelungenen Reise durch die Dörfer die klassischen Hindu-Kunstwerke des Prinz of Wales Museum an und nicht die Slums.


Unser Abschied aus Indien im Museum

s. Christas Fotogalerie "Hochzeitszeremonie in Karnataka"und Yellamma Temple at Saundatti, Karnataka, India - PBase.com

Karnataka II: Der Renuka-Yellamma-Kult, die Verehrung schwarzer Geister/der Bhuta-Kult, die Lingayats/ der Linga-Kult, die Verehrung des Schlangengottes Nagnath durch Hindu und Muslim

Weitere Reiseberichte zu Südindien:

Südindien I, 2009/2010: Eine Reise durch Tamil Nadu auf den Spuren der Muttergottheiten
Südindien II, 2011: Ritualplätze, Trancetänze und Begegnungen mit Heilern und Wahrsagern

Tamil Nadu : Der südindische Hinduismus

Christas Buch über dravidische Schutzgottheiten: ayyanar und mariamman, dravidische sc... - Blurb

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