Imkerei in Marokko I
1990, 1999, 2012, 2015, 2017, 2019,

Imkerei in Marokko II, 2015


Mit Zweigen abgedeckte Bienenröhren in Marokko bei Sidi R´bat, 1990


Traditioneller Bienenstand bei Sidi R´bat, 2012

Die Bienen von Sidi R`bat

Als ich 1990 in Südmarokko bei dem Dörfchen Sidi R´bat zum ersten Mal Bienenwohnungen aus Röhren sah, die auf dem Boden unter einem Wust von stacheligen Zweigen und Papier lagen, wollte ich nicht glauben, dass man in dieser Weise Bienen halten und Honig ernten könne. Inzwischen habe ich diese traditionelle  Art der Bienenhaltung in Röhren auch in anderen Ländern kennen gelernt. 

Als ich im Oktober 2012 wieder den Ort Sidi R´bat besuchte, dachte ich, dass nach über 20 Jahren hier die moderne Weise der Bienenhaltung in stapelbaren Zargen mit den ertragreichen europäischen Bienen Einzug gehalten hätte. Schließlich hatte Marokko einen riesigen Wirtschaftsboom erlebt, der sich vor allem in den Städten zeigte und in dem landesweiten, wuchernden Wohnungsbau.

Als wir uns dem einsamen Ort über eine neue Asphaltstraße nähern, beginnen wir zu zweifeln, ob wir hier schon einmal gewesen sind. Die 7 km lange Horrorpiste des Jahres 1990 führt zu großen Hotels und Gästehäusern, die direkt in die Dünenlandschaft am Meer gebaut worden sind. Aber das kleine Dorf Sidi R´bat hat sich kaum vergrößert. Nur wenige Häuser scharen sich um eine Moschee. Bevor wir die ersten Häuser passieren, sehen wir schon die mit Dornengestrüpp gesicherten Krale, in denen Vieh und Bienen gehalten werden. In den folgenden Tagen untersuchen wir die Krale etwas genauer und entdecken neben Kamelen, Ziegen und Schafe auch mehrere Bienenkrale mit traditionellen Röhren.


Ein Bienenkral

Während wir versuchen einen Blick in das Areal zu werfen, kommt ein Imker und will seinen Bienen Wasser bringen. Freundlich wie alle Marokkaner lädt er uns ein, in seinen „Bienengarten“ zu kommen und beantwortet alle unsere Fragen. Die Bienenröhren liegen in langen Reihen etwas erhöht auf Steinwällen und sind durch Dornenzweige, Plastik und Stoffreste gegen Sonne und Tiere geschützt. Die meisten Röhren sind leer. Von den etwa 80 Röhren sind nur 7 Röhren mit Bienen besetzt. Diesen Bienen muss er z.Zt. alle drei Tage etwa 10 Liter Wasser bringen. Wir weisen darauf hin, dass im nebenan liegenden Naturpark Süßwasser und blühende Euphorbien und Blumen als Tracht vorhanden sind. Er meint aber, dass das Wasser zu weit entfernt sei und die Blüten auf Grund der Trockenheit keinen Nektar absondern.


Wasserbehälter für die Bienen

Von einem anderen Imker bei Mirleft (etwa 60 km südlicher am Meer) hören wir, dass sein Vater auf Grund einer 10jährigen Trockenheit in den neunziger Jahren alle 300 Bienenvölker verloren hat. Sie seien wahrscheinlich in die Berge abgewandert.

Auf Grund der langen Trockenheit und der Wasserentnahme durch Pumpen sind die meisten Wasser führenden Schichten in dem Gebiet östlich von Agadir bis Taroudant zu einer Tiefe von 270 Metern total oder fast ausgetrocknet, ein Gebiet, in dem man noch vor 20 Jahren in 30 bis 40 Metern ausreichend Wasser abpumpen konnte.

Hier, in Sidi R´bat, neben dem Naturpark Souss-Massa (34 000 ha) finden die Bienen eher Lebensgrundlagen als in den südlichen Strandregionen ohne Süßwasser. Die Honigerträge der kleinen Völker sind recht mäßig. Auf unsere Frage bekommen wir keine klaren Auskünfte. Ein Imker bei Imouzzer spricht von 10-15 kg. Geerntet wird Honig immer, wenn die hinteren Waben in den Röhren mit Honig gefüllt sind, nicht zu fest stehenden Zeiten. Diese Form der Honiggewinnung ist möglich, weil die Bienen in den 1.20 m langen, kreisrunden Beuten ihr Brutnest und den Honigvorrat hintereinander anlegen. Der Imker öffnet also die Röhre hinten und schneidet mit einem langen Messer die Waben heraus, um sie auszupressen.

Die Vermehrung der Bienen erfolg ausschließlich über das Schwärmen. Unser Imker in Sidi R´bat bringt im Februar seine leeren Röhren in den Busch und wartet, bis Schwärme die Röhren besiedeln. Im Sommer seien dann alle Röhren wieder besetzt, so dass er sie wieder zurück in seinen Kral holt. Diese Bienen werden aber dann im Juli/August wieder schwärmen, so dass im Herbst viele Röhren wieder leer sind. Diese Bienenhaltung ist wohl nur mit der Tellbiene (Apis mellifera intermissa) möglich, die zur Schwarmzeit Hunderte von Weiselzellen ansetzt. Diese alte Rasse ist im nördlichen Marokko und den angrenzenden maghrebinischen Staaten zuhause. Eigentlich handelt es sich um eine schwarze Biene, aber sie ist inzwischen so sehr mit anderen Rassen gemischt, dass sie ihre Farbe und ursprüngliche Sanftheit verloren hat. Der Imker erklärt uns, dass wir vorsichtig sein sollten, weil seine Bienen extrem aggressiv seien. Wenn eine Biene gestochen habe, würden alle anderen Bienen sich sofort auf das Opfer stürzen. Uns gegenüber zeigten sich die Bienen ganz friedlich.


Bienen an einer Tränke beim Agadir Tizourgane

Als besondere Eigenschaften weist die Tellbiene die Fähigkeit auf, auch extreme Temperaturen zu überstehen. Sie duldet oft mehrere Königinnen in einem Volk. Bei Weisellosigkeit beginnen Arbeiterbienen schon nach 5-6 Tagen mit dem Eierlegen. Da die Biene keine fluglosen Tageszeiten kennt, kann sie im winterlichen Europa nicht überleben.

Von Bienenkrankheiten seiner Bienen hören wir nichts. Vielleicht meiden die Varroamilben die kleinen Zellen. In Imkerforen wird schließlich seit Jahren darüber diskutiert, dass Bienen kleinere Zellen häufiger ausräumen und so eine Vermehrung der Milben, die ja meist große Drohnenzellen bevorzugen, verhindern.

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Einflugloch mit Bienen und kleinzelliger Wabe in der traditionellen Röhrenbeute (Sidi R`bat)

Die negativen Eigenschaften der in Marokko gehaltenen Bienen sind bekannt als Eigenschaften der afrikanisierten Biene, der sogenannten „Mörderbiene“, die sich in Brasilien explosionsartig ausgebreitet hat und alle anderen Bienenpopulationen überrollt hat. Hier im Dorf Sidi R´bat befinden sich die Bienenkrale direkt am Rande des Dorfes, sind aber rundum zur Warnung durch Fahnen gekennzeichnet, da diese Krale nicht zu unterscheiden sind von den Kralen mit Ziegen, Schafen und Kamelen.


Langwaben, die vom Einflugloch bis zum hinteren Ende der Röhre gebaut wurden.

Auf den Steinwällen, die als Unterlage für die Bienenröhren dienen, liegen neben ausgeschnittenen Rundwaben, einigen Eselsschädeln, Pappen und Folien auch schwarze Langwaben, die zeigen, dass die Bienen ihre Waben in den Röhren ganz unterschiedlich bauen. Wenn sie Längswaben vom Einflugloch her nach hinten bauen, dann entstehen durchgehende Zwischenräume. Für die Bienen sind das Schnellstraßen, durch die sie schneller von vorne nach hinten gelangen können, während bei Querwaben viele Wabenflächen hintereinander liegen. Die Honigernte ist bei den Längswaben dagegen für den Imker schwieriger. Eine Erklärung für die unterschiedliche Anlage der Waben konnte mir der Imker nicht geben.

Der Imker zeigt uns auch seine Geräte. Zum Einfangen eines Schwarms nimmt er einen langen schlauchförmigen Zierkürbis mit abgeschnittener Spitze, in den er den relativ kleinen Schwarm einschlagen kann, um ihn dann in eine Röhre zu schütten.


Ein Schwarmfanggerät

Als Schmöker wird meist das in Europa gebräuchliche Blasebalggerät verwendet. Aber er zeigt uns auch ein älteres Räucher-Gerät aus Terracotta.


Schmöker zur Beruhigung und Abwehr der Bienen

Neben der Tellbiene findet sich im südlichen Marokko auch die Sahara-Biene (Apis mellifera sahariensis). Im Gegensatz zu ihrer Konkurrentin sammelt die Saharabiene eine große Menge an Honig und Blütenstaub. Um an den Honig der äußerst aggressiven Saharabiene zu kommen, nutzen die Imker den Presssaft einer gelben Opuntia. Er reduziert die Attacken der Saharabiene drastisch. Der Forscher Livingstone beschreibt ihren Geruch als "eine Mischung aus Eukalyptus, faulem Fisch, Katzenkot, verbranntem Horn und Zimt". (Über die sahara-Biene)


Bienenröhren mit Eselsschädel

Vielleicht sollen die vier Eselsschädel die Bienen schützen. Unser Imker streitet das zwar ab, aber die Muslime glauben auch an den bösen Blick, an böse Geister und an die Kraft von verstorbenen "Heiligen" (Marabout). Nicht weit von Sidi R´bat befindet sich ein Marabout-Grab.

Die Bienenroute im Hohen Atlas (Marokko)


Im Vordergrund links stehen traditionelle Beuten und auf der rechten Seite moderne.

Auf unserem Vorstoß ins Innere des Landes entdecken wir 60 km nordöstlich von Agadir im Minidörfchen Imouzzer den Hinweis, dass man die vielen traditionellen Imkereien touristisch nutzen will, indem man eine Strecke in den Bergen als Honigroute propagiert. Tatsächlich sehen wir immer wieder Flächen mit aufgereihten Bienenröhren und aufgestellten Bienenkästen, immer nur einstöckig, nie mit mehreren Etagen.

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Honig-Verkaufsstand zwischen Tamzargout und Imouzzer - Bienenstände bei Alma (2019)


Der Imker zeigt uns eine Vergrößerungsmöglichkeit des Honigraumes.

In Imouzzer (1250 m) findet Anfang Mai ein Honigfest statt, auf dem Thymian- und Lavendel-Honige verkauft werden, und auch „amlou“, eine Honig-Mischung mit Mandeln und Argan-Öl. Höhepunkt des Festes ist der Umzug mit einer Bienenbeute und das Herausnehmen der Honigwaben.


Historische Imkerei in Inzerki

Etwa am Ende der Route befindet sich in Inzerki (980 m hoch, 82 km nordöstlich von Agadir) eine einzigartige, große Dorfimkerei aus dem 19.Jh., die man restauriert hat und als größte Imkerei der Welt, allerdings jetzt ohne Bienen, zur Besichtigung anpreist. Etwa 300 Bienenröhren waren hier in fünf Stockwerken übereinander gelagert. Diese Röhren gehörten der gesamten Dorfgemeinschaft. Die Röhren sind etwa 120 cm lang und 30 cm im Durchmesser.

Einige Trachtpflanzen in Marokko


 Euphorbia cactus


Euphorbia atlantica

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Blüten des Johannisbrotbaumes

Zu 50% wird in Marokko Eukalyptushonig geerntet, zu 30% Honig von Zitrusblüten. Die weiteren Honige sind - entsprechend den Trachtpflanzen - der etwas bittere Euphorbien-Honig, der Kaktus-Honig, der nur in Marokko gewonnene Argan-Honig, der Klee- und Lavendel-Honig, der Mandelhonig und der Johannisbrot-Honig. Weitere Trachtpflanzen sind Acker-Kratzdistel, Thymian, Agave, Oregano, Sonnenblume, Akazie, Erdbeere, Alfalfa, Färberdistel und Christusdorn.

Der Argan-Baum

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Blüten und Früchte des Argan-Baumes
(rechts: Trockene Früchte, Schalen, innere Kerne für Ölgewinnung)

Der dunkle Honig des Argan-Baumes wird in Südwest-Marokko von den Imkern häufig am Straßenrand angeboten. 500 gr Honig kosten etwa 10 €. Er stellt eine Spezialität dar, da der Baum vorwiegend nur hier wächst (neuerdings wird er auch in Israel angebaut). Er erträgt Temperaturen über 50°, wurzelt 30 m tief im Boden und wird bis zu 200 Jahre alt. Im April ist seine Blütezeit und im Juli die Fruchtreife. Bis dahin dürfen die Ziegen, die gerne in die Bäume klettern, um Früchte und Blätter zu fressen, nicht in die Bäume. Die Frucht enthält bis zu drei haselnussgroße Kerne, aus denen das Argan-Öl hergestellt wird. Das bittere Fleisch der Frucht wird von Ziegen gerne gefressen.
Der Arganbaum liefert den Berbern nahezu alles, was für ihr Leben am Rande der Wüste notwendig ist. Er hält die Wüste auf, spendet Schatten, liefert Brennholz, seine Blätter dienen als Futter für die Ziegen, und seine Früchte enthalten ein Öl, das gegen viele Krankheiten hilft.


Ziegen und Schafe fressen die Blätter und Früchte des Argan-Baumes

Die Biene im Koran

Der Koran spricht über die Biene als ein bedeutendes Tier, und die Interpreten vergleichen sie mit einem guten Menschen. Die Biene wird ebenfalls als ein Symbol für den Koran angesehen. Die Berber deuten einen Traum von Bienen als Zeichen von Glück, das auf Reichtum und Heilung verweist.

„Und dein Herr hat der Biene eingegeben: ,Baue dir Unterkünfte in den Bergen und in den Bäumen und in den (Bienenstöcken, die die Menschen) errichten. Dann hole dir Nahrung von allen Früchten (und Blüten) und fliege dahin auf den Wegen deines Herrn, die dir leicht gemacht sind.’ Aus ihren Leibern kommt ein Trank hervor, verschieden in seinen Farben, und heilsam für die Menschen. Wahrlich, darin ist ein Zeichen für Leute, die nachdenken“.(Koran, Sure 16, Verse 68 und 69)

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Bienenbeuten mit verkleinertem Einflugloch bei Imouzzer, Marokko

Mein Leben mit Bienen

Imkerei in Marokko II, 2015

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