Deutsche Mennoniten in Bolivien
Einwanderung von ca. 7000 Familien Mennoniten aus Kanada, Mexiko und Belize und Ansiedlung im Nordosten und Süden von Santa Cruz. Die Mennoniten bekommen in Übereinstimmung mit der staatlichen Ansiedlungspolitik vom Instituto Nacional de Colonicación zu einem sehr günstigen Preis ca. 200.000 Hektar Land. Sie erhalten auch rechtliche Privilegien, um ihre Lebensweise beibehalten zu können, vor allem das Recht auf eigene Schulen mit Mennonitendeutsch als Unterrichtssprache. Bis 1990 (neue Umweltgestzgebung) treiben die Mennoniten Raubbau mit dem Land (rücksichtslose Abholzung und extensive Landwirtschaft). Die Mennoniten entwickeln sich bald zu den wichtigsten Sojabauern und Exporteuren.
Die Mennoniten Lateinamerikas im Vergleich
Was ist aus uns geworden? - Diese poetische Frage überkommt wohl jeden Mennoniten, der über den Ursprung des Täufertums zu Beginn des 16. Jahrhunderts und die Vielfalt des heutigen weltweiten Mennonitentums mit sehr unterschiedlichen. Gemeindekonzepten, Glaubensrichtungen und Lebensführungen nachdenkt.
Eine der Strömungen, die sich in den Jahrhunderten besonders ausgeprägt hat, ist das Kolonisationsmennonitentum, das vor allem aus der Flucht und Wanderung der verfolgten und versprengten Mennoniten aus Holland und den Frieslanden nach Osten hervorgegangen ist. Die Einwanderung der Mennoniten in Lateinamerika geschah durchaus nicht nach einem Muster und den gleichen Motiven. Trotzdem gilt für alle das gleiche. Kaum in einem andern Kontinent waren die Gegebenheiten so günstig, das Kolonisationsmennonitentum weiterzuführen, wie gerade in Lateinamerika. Hier waren es dann noch wieder einzelne Länder, die sich für eine mennonitische Kolonisation als besonders günstig erwiesen.
Der Historiker C. Henry Smith sagte das auf dem "Allgemeinen Kongress der Mennoniten in Amsterdam 1936" unverblümt. Nur Länder mit einer autokratischen Regierungsform und in wirtschaftlicher Rückständigkeit, wie etwa Mexiko und Paraguay, wären bereit, Ausnahmestellungen zu gewähren. Sie seien von der öffentlichen Meinung nicht abhängig und zur Aufnahme bereit, wenn sie sich Vorteile durch die Besiedlung und Urbarmachung gewisser Ländereien versprächen.
Mit wenigen Ausnahmen kommen alle Mennoniten, die in Lateinamerika gesiedelt haben, aus Russland, wenn auch auf verschiedenen Wander- und Umwegen. Nur die Mennoniten in Uruguay, die direkt aus der westpreußischen Stammheimat kommen, gehören nicht dazu und noch einige kleine Splittergruppen in Paraguay. Der Hintergrund für die erste Einwanderung in Lateinamerika liegt in jenem Aufbruch aus Russland 1874. Die ganze Siedlung Bergthal zusammen mit Gruppen aus der Altkolonie und dem Fürstenland verließen damals Russland und zogen nach Kanada. Sie hofften hier das erhalten zu können, was ihnen in Russland bedroht schien. Sie sahen nicht nur in der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eine Bedrohung. Auch in der vom Staat geförderten Modernisierung des Schulwesen und auch in dem durch die Entstehung der Brüdergemeinde verursachten geistlichen Aufbruch sahen sie eine Gefährdung ihres Glaubens- und Lebenskonzeptes. Kanada hat diesen Einwanderern nur bedingt das gebracht, was sie sich erhofft hatten. Vor allem kollidierte sehr bald das von Russland her bekannte Siedlungssystem mit dem kanadischen "home-steading", wo jeder Besitzer seines Landes und seiner Farm sein sollte. Nur mit Mühe war es möglich, auf den zugeteilten Ländereien in der Ost- und Westreserve des Red River Dorfschaften zu gründen. Doch sie hielten den durch das Gesetz bedingten Auflösungserscheinungen nicht stand. Die Dorfgemeinschaften, die ideale Form auch für die geistliche Kontrolle durch die Gemeinde, zerbröckelten. Das schon bereitete den Boden für die spätere Auswanderung vor.
Das Einsprachengesetz in Kanada während des Ersten Weltkrieges und die Einschränkungen auf dem Gebiet des Privatschulwesens waren dann die Auslöser für den Aufbruch nach Lateinamerika. In den zwanziger Jahren waren es großangelegte Wanderungen: die nach Mexiko von 1922-1926 und die nach Paraguay 1927. In beiden Fällen war die Einwanderung in diese Staaten durch Freibrief (Mexiko) und Privilegium (Paraguay) begünstigt worden. Neben den Freiheiten, die das Glaubensleben und die kulturelle Eigenart garantierten, war es besonders auch die Aussicht, hier wieder in geschlossenen Dörfern und Kolonien siedeln zu können. Auf einer Predigerberatung in Saskatchewan war im Blick auf die Ansiedlung in Paraguay am 17. Januar 1923 beschlossen worden, "nur in Dörfern anzusiedeln, und zwar mit je 30 Wirtschaften von je 190 Acker auf 3 Meilen im Quadrat." Das bedeutete, und so war es beabsichtigt, dass das Dorf als kommunale Gemeinschaft die Grundlage auch für den neuen Gemeindebau bot, wobei die Geschlossenheit der Kolonien die Garantie für das Gemeindekonzept lieferte.
In Mexiko entstanden so im Lauf der Jahre 15 Kolonien mit einer Unzahl von Dörfern, in Paraguay zunächst die Kolonie Menno. Alle Widerwärtigkeiten und alles Leid, das die in beiden Ländern sehr schlecht vorbereitete Einwanderung mit sich brachte, war dadurch gerechtfertigt, dass Gemeinde und Kolonie - wie Leonhard Sawatzky urteilt - nun wieder sozusagen eine Einheit waren. "In dem Bewusstsein," schreibt er, "dass Kirche und Staat getrennt sein müssen, gab es eine kirchliche und eine weltliche Verwaltung, damals noch meist mit starkem Weisungsrecht der Ältesten."
Die weiteren Einwanderungen in Paraguay erfolgten in mehreren Schüben unter ganz anderen Voraussetzungen, ausgelöst durch die Folgen der beiden Weltkriege. Von 1930 bis 1932 gründeten Flüchtlinge aus Russland die Kolonie Fernheim, deren Ableger 1937 die Kolonie Friesland wurde. 1947 und 1948 waren es wieder Flüchtlinge aus Russland, die die Kolonien Neuland und Volendam gründeten.
Das Merkwürdige an diesem Vorgang ist, dass nicht Gemeinden geflüchtet waren und in Paraguay einwanderten, sondern schlechtweg Mennoniten. Erstes Ziel war es auch, Dörfer und Kolonien zu gründen und eine bürgerliche Verwaltung zu organisieren, nach dem Modell aus Russland. Dann erst fanden sich die Glieder der verschiedenen Gemeinderichtungen zusammen und gründeten ihre Gemeinden. Die Kolonien waren primär, die Gemeinden sekundär. Weitere Einwanderungen in Paraguay erfolgten 1948 durch Nachzügler der konservativen Gruppen aus Kanada mit den Kolonien Sommerfeld und Bergthal und ab 1969 der Gruppen aus Mexiko mit Rio Verde und Nueva Durango. Alle waren in erster Linie bestrebt, geschlossene Landkomplexe zu erwerben, um dort Dörfer und Kolonien nach dem bekannten System anzulegen.
Der gemeinsame Landbesitz als Schutz gegen "Überfremdung", die siedlungsgeographische Struktur und eine de-facto-Selbstverwaltung, obwohl rechtlich nicht abgesichert, ist allen Siedlergruppen eigen. Die Einwanderung der Mennoniten in Brasilien verlief parallel zu jenem Schub, der 1930-1932 nach Paraguay kam. Es war der Teil der so genannten Moskauflüchtlinge von 1929, der sich in den Flüchtlingslagern Deutschlands für Brasilien entschied. Ebenso wie nach Paraguay, kam 1934 eine Gruppe der Amurflüchtlinge nach Brasilien. Die Vorzeichen für die Einwanderung nach Brasilien waren in manchem anders als in Paraguay. Der Staat gewährte keine Privilegien, und es gab keinen gemeinsamen Landbesitz.
Einen besonderen Lauf der Entwicklung nahm das Stadtmennonitentum in Curitiba, dessen Entwicklung parallel mit der Eingliederung der anfangs noch ländlichen Vorortsiedlungen Boqueirao, Xaxim und Vila Guaira in die Grosstadt verlief. Bleibt noch die Siedlergruppe in Bolivien. Es ist wohl nicht falsch, die nun 25 Siedlungen um Santa Cruz als ein Rückzugsgebiet zu bezeichnen. Tatsache ist, dass hier Gemeinden und Gemeindesplitter Zuflucht gesucht haben, die sich sogar in Mexiko von Modernisierungserscheinungen bedroht fühlten, obwohl das nicht der einzige Grund der Auswanderung war.
1954 - 1968 Einwanderung Deutsch sprechender Mennoniten aus dem paraguayanischen Chaco , aus Ostparaguay, aus den kanadischen Provinzen Sakatchewan, Manitoba und Alberta und aus Mexiko.
Die erste Einwanderung in das Siedlungsgebiet bei Santa Cruz erfolgte 1954 aus Fernheim, als eine kleine Gruppe dort das Dorf Tres Palmas anlegte. Die Mennoniten waren in Bolivien keine Unbekannten, denn in La Paz lag seit 1930, also noch vor dem Chacokrieg, ein Privilegium für Mennoniten vor, das etwa dem in Paraguay entsprach. Ein "Kontra-Privilegium" könnte man es nennen, weil es im Blick auf die Eroberung des Chaco erlassen worden war. 1957 folgten weitere 48 Familien aus der Kolonie Menno und 1963 noch einmal 20.
Doch die große Einwanderung begann 1966. Hunderte von Familien kamen zunächst aus Kanada. Sie hatten sich dort in fast hundert Jahren nicht damit abfinden können, dass ihre Geschlossenheit nicht gesichert war. Hier in den Landsiedlungen der bolivianischen Abgelegenheit, wollten sie das Ideal der Einheit von Siedlung und Gemeinde noch einmal verwirklichen. Auf diese Bewegung aufmerksam gemacht, kam nun auch ein Schub nach dem andern aus Mexiko. Die Siedlungen heißen Rosenort, Reinland und Bergthal, wie in Russland und Preussen, Swift Current, wie in Kanada und Santa Rita, wie in Mexiko.
Gründung folgender Kolonien im Umkreis von Santa Cruz de la Sierra (mit Gründungsjahr und Einwohnerzahl 1972):
Tres Palmas (1954, 12 Einwohner, Chaco-Mennoniten)
Canadiense (1957, 4 Dörfer, 380 Einwohner, Chaco-Mennoniten)
Bergthal (1963; 4 Dörfer, 350 Einwohner, kanadische Mennoniten)
Reinland (1964; 5 Dörfer, 300 Einwohner, Chaco-Mennoniten, kanadische Mennoniten)
Riva Palacio (1967; 27 Dörfer, 2400 Einwohner, mexikanische Mennoniten)
Swift (1968, 6 Dörfer, 800 Einwohner, mexikanische Mennoniten)
Sommerfeld (1968; 2 Dörfer, 270 Einwohner, mexikanische Mennoniten)
Paurito (1968; 4 Dörfer, 500 Einwohner, mexikanische Mennoniten)
Las Piedras (1968,; 4 Dörfer, 600 Einwohner, kanadische Mennoniten).
200 japanische Einwanderer roden 24000 Hektar Urwald uns gründen die erste Colonia Okinawa. Bis 1962 folgen noch weitere solche Siedlungen. 1998 sind die japanischen Bauern die viertgrößten Sojaproduzenten Boliviens.
Die Nazis
In der Zeit nach 1945 kam noch mal eine Welle von Nazis nach Bolivien?
Die haben sich anfangs versteckt. Der eine, der Altmann (Klaus Barbie, der ehemalige,, Gestapo-Chef von Lyon - die Red.), hat sich sogar als Jude ausgegeben. Dann sind sie langsam entdeckt worden. Es gab in den Yungas eine Siedlung von Deutschen, von Nazis. Die waren sehr ordentlich, diese Deutschen, saubere Menschen, und Geld hatten sie, sie haben gebaut, und die Einwohner haben sie gern gehabt. Eines Tages hat einer der Deutschen eingeladen, bei einer Taufe dabeizusein. Da wurden zwei Kinder getauft. Einer hieß Hitler Mamani und der andere hieß Eichmann Mamani. Die werden heute wahrscheinlich anders heißen... Die haben mit den Diktatoren zusammengearbeitet. Der Altmann hat Italiener und Deutsche hergebracht, die dann hier wüste Cowboys waren. Das Irrsinnige war, dass der sogar einen Ausweis vom bolivianischen Militär hatte. Der war Coronel in bolivianischer Uniform! Die waren Hilfsträger und haben den Geheimdienst für Banzer und die ganzen Diktatoren aufgebaut.