Warum besiegten die spanischen Konquistadoren das Inkareich?


Die typischen Festungsmauern der Inkas in Zichzackform (hier Saqsaywaman/Cuzco)

Juan José de Vega führt in seinem Buch Incas contra Espanoles (1980) folgende Hauptgründe an: der Bürgerkrieg zwischen dem Inka Huaskar und dem Prinzen Atahualpa und die Folgen einer Pockenepidemie. Entgegen unserem Eindruck von einer aufgezwungenen Einheit im Inkastaat schreibt de Vega von dem fehlenden Gefühl der Gemeinsamkeit der Völker, die verschiedene Sprachen hatten, verschiedene Götter, Bräuche und Entwicklungen. Noch heute finden wir neben den Sprachen der Quechua und Aymara im Hochland etwa 36 gesprochene Sprachen im östlichen Tiefland Perus.

Die unterworfenen Häuptlinge liefen zu den vermeintlichen „Befreiern“, den Spaniern, über. Die rivalisierenden Inka-Parteien lieferten sich Schlachten, während die Spanier vorrückten. In Cuzco wurden vom General Atahualpas Tausende der adeligen Anhänger des Gegen-Inka-Königs Huaskar getötet, schließlich er selbst mit seiner ganzen Verwandtschaft, inkl. seiner 50 Kinder. Es kam zu einem Aufstand der Diener und Sklaven der Privilegierten, der von den Spaniern genutzt wurde. Als Atahualpa von den Spaniern trotz des immensen Lösegeldes ermordet wurde, freute sich ein Teil des Reiches und die Oppositionspartei veranstaltete religiöse Feiern.

Aus dieser Partei wurde dann der neue Inka gekrönt. Nach seiner Vergiftung (?) vereinigte sich der Anführer der alten Aristokratie, Manco, mit den Spaniern, um nach der Eroberung Cuzcos mit 5000 Inkakriegern den alten General Atahualpas zu vernichten. Auf Grund des Zerfalls der Einheit in der Inka-Aristokratie fielen weitere Häuptlinge ab. Allmählich erkannte Manco die tragische Entwicklung des Inkareiches. 1532 änderte er seinen Kurs und rief auf, alle Spanier, Neger und kollaborierenden Indianer zu töten oder ins Meer zu werfen.

Viele der spanisch-indianischen Heeresteile wurden in den Anden vernichtet. Nach einem Bericht aus dem Jahr 1539 war die Festung Ollantaytambo mit „zweihundert christlichen Köpfen und hundertfünfzig Pferdefellen geschmückt“. Inzwischen hatten die Indianer auch Kavallerie- und Arkebuseneinheiten. Als sich die rivalisierenden spanischen Einheiten schließlich zu einer Gruppe von tausend Kriegern zusammenschlossen, gelang ihnen 1537 die Überrumpelung Mancos während eines Festes.

Aber in der Folge konnten sich die Spanier, deren Anführer sich auch gegenseitig bekämpften, nur mit Hilfe der 7000 indianischen Krieger gegen die Guerillatechnik von Manco halten, bis dieser von einer verräterischen spanischen Partei ermordet wurde. Die Eroberung des Inkareiches durch die Spanier gelang somit nur mit Hilfe anderer Indianerstämme und einer Portion Glück und auf Grund der bereits auseinanderstrebenden Teile der Inka-Aristokratie.

In Spanien wurde diskutiert, wie ein Krieg gegen die Indios zu rechtfertigen sei. 1548 protokollierte der Kaplan Karls V., Sepulvedra, eine Argumentation. Die Indios seien "Zwerge, in denen kaum eine Spur von Menschsein vorhanden ist", "gleich Schweinen, die unablässig auf den Boden starren." Ihr animalisches Verhalten, das Fehlen jedweder erkennbaren Kultur, ihre Feigheit, ihr angeblicher Kannibalismus und ihr Heidentum: all dies weise deutlich darauf hin, dass sie von Gott bestimmt seien, die Sklaven derjenigen zu sein, deren "Großmut, maßvolle Haltung, Menschlichkeit und Religion" sie zu ihren natürlichen Herren machten. Gottseidank wurde diese Schrift als Arbeit eines schwachen Logikers und noch schlechteren Theologen von der zuständigen Kommission abgelehnt und durfte nicht erscheinen.

Auf der anderen Seite predigte der Dominikaner Antonio de Montesinos 1511 auf den Antillen: (in Las Casas "Historia de las Indias"): Alle seid ihr im Stand der schweren Sünde. Ihr lebt und sterbt darin aufgrund der Grausamkeit und Tyrannei, die ihr über diese unschuldigen Menschen ausübt. Sagt: Mit welchem Recht und im Namen welcher Gerechtigkeit haltet ihr diese Indios in solch grausamer und schrecklicher Knechtschaft? Kraft welcher Autorität habt ihr solch verabscheuungswürdige Kriege gegen diese Leute unternommen, die in ihren ruhigen und friedlichen Ländern lebten, in denen ihr unendliches Leid durch Tod und unerhörte Verwüstungen verbreitet habt? Wieso haltet ihr sie in Unterdrückung und Erschöpfung, ohne ihnen zu essen zu geben und ohne ihre Krankheiten zu behandeln, denen sie durch die übermäßige Arbeit verfallen und erliegen, oder, um es genauer zu sagen, wieso tötet ihr sie, um jeden Tag Gold zu scheffeln? Und was tut ihr, damit sie ihren Gott und Schöpfer kennenlernen, getauft werden, die Messe mitfeiern, die Feste und Sonntage halten?.....Sind sie nicht Menschen? Haben sie nicht Geistesleben? Habt ihr nicht die Pflicht, sie zu lieben wie euch selbst? Versteht ihr das nicht?

aus: Eine Geschichte der Heilsversprechungen, Zur Religionsgeschichte Lateinamerikas, J.I Saranyana, Köln 1991

Der große Verbündete der spanischen Eroberer sind die Pocken, die sie -- ungewollt -- eingeschleppt haben:

"So zogen die Pocken überall vor den Konquistadoren her und halfen ihnen, mit einer Handvoll verwegener Gesellen die 'tierra nuova' zu erobern. Die erstaunliche Tatsache, dass es den Spaniern nach ihren geradezu märchenhaft erscheinenden Siegen in relativ kurzer Zeit gelang, den Eingeborenen von Mexiko und Peru auch ihre Religion und Kultur aufzuzwingen, lässt sich durch die psychologische Wirkung der mörderischen Seuche erklären, die nur Indianer tötete und Spanier verschonte. Die Indianer konnten nicht wissen, dass die Spanier in ihrer Heimat als Kinder die Krankheit überstanden hatten und daher immun waren. Da die Indianer das Seuchengeschehen ebenso wie die meisten Spanier für eine Strafe Gottes hielten, konnten sie sich die einseitige göttliche Gunst ihrer Besieger nur so erklären, dass deren Götter mächtiger seien. Das Ergebnis war ihre Bekehrung und fassungslose Ergebenheit in die spanische Überlegenheit, was einer widerstandslosen Unterwerfung gleichkam."

[Winkle, Stefan: Kulturgeschichte der Seuchen. -- Düsseldorf [u.a.] : Winkler, ©1997.