Umzug in Puno

(Quelle: gekürzter Bericht aus den sehr persönlichen und umfangreichen Seiten der http://www.3wg.ch/Bolivia/catherine18.htm)

In der Zeit bis zum Karneval (der immer Ende Februar oder im März stattfindet) werden jedes Wochenende weitere Rituale, die Veladas, ausgeführt, welche meist einen synkretistischen Charakter haben, d.h. eine Mischung von christlich-katholischen und andin-religiösen Elementen aufweisen. So ist auch die Virgen für die Menschen nur eine andere Verkörperung der Pachamama, der Mutter Erde, und alle Ehrenbezeugungen, die man der Virgen erbringt, gelten auch der Pachamama.

Der Höhepunkt des Karnevals ist die Entrada, welche immer am Samstag vor dem Rosenmontag stattfindet. Aus allen Teilen Boliviens strömen für diesen Tag die verschiedensten Gruppen zusammen, Conjuntos genannt (entspricht in etwa den Basler Cliquen), jede Gruppe hat ihre eigene Banda (Blechmusik), mit ihrer je eigenen Musik, den dazugehörigen Tänzen und traditionellen Gewändern, die aber durchaus an moderne Zeiten angepasst werden, in der Stoffwahl und sogar ein wenig im Schnitt. Die Gruppen beginnen ihre Tänze am Rand des Zentrums und tanzen bis zur Kirche, wo sie sich hinknien und auf den Knien bis vorne zum Altar rutschen, um auf diese Weise der Virgen Ehre zu bezeugen. Danach verlassen sie die Kirche wieder, und diejenigen, die noch die Kraft dazu haben, tanzen weiter durch die Strassen. Die Entrada beginnt um 10 Uhr morgens (bolivianische Zeit, also mit bis zu einer Stunde Verspätung) und dauert oft bis um 04 Uhr morgens des andern Tages. Es tanzen in Oruro um 50 Gruppen insgesamt 18 verschiedene Tänze, die in verschiedenen Regionen Boliviens ihren Ursprung haben.

Die bekanntesten sind: Diablada, Morenada, Tänze der Tinkus, Tobas, Kallawas, Caporales, Negritos

Aus der Gegend von Oruro stammen die Diablos, (Teufel), welche die Diablada tanzen. Mit den Diablada-Gruppen beginnt die Entrada. Luzifer, der Hauptteufel, ist der König des Carnavals und führt die Gruppe an. Sein Gewand und seine Maske wird in schwarzen oder zumindest dunklen Farbtönen gehalten und ist sehr luxuriös gestaltet. In der Hand hält er ein Szepter in Schlangenform. Die weiteren Teufel haben ebenfalls dunkle, furchterregende Masken in Form von Kröten, Echsen und Schlangen, alles Tiere, welche in der Hexenkunst eine Rolle spielen, und auch in der Mythologie um die Entstehung des Ortes Oruro und seiner Umgebung (der Gott Huari schickte diese 3 Tiere in übernatürlicher Grösse, um das in der Region Oruros ansässige Volk der Urus zu bestrafen, weil sie sich einer neuen Religion zugewandt hatten. Aber jedesmal konnte die Pachamama/Virgen das Unheil abwenden).

Zur Seite Luzifers, der den Zug anführt, tanzen zwei Diablas oder Satanaces, weibliche Teufel, und hinter ihm weitere fünf. Als Schlusslicht der Diablada tanzt eine ganz in weiss gekleidete Figur, der Erzengel Michael, er trägt einen glitzernden Helm und hat ein leuchtendes Schwert in der Hand, das ebenfalls eine Schlangenform aufweist. Wenn der Zug vor der Kirche angekommen ist, ändert das Szenarium: Luzifer muss seine Führungsrolle abgeben und sie Michael übergeben, der fortan den Zug der Tänzer anführt, denn in der Nähe der Virgen del Socavón endet das Reich des Bösen.-

Die "Morenos" (die Dunklen) tanzen die auch in La Paz und Umgebung sehr gepflegte Morenada. Die Tänzer tragen schwerste, mit Silberfäden durchwirkte Gewänder und silberne Masken, welche die Gesichtszüge der ehemaligen spanischen Kolonisatoren haben, manchmal mit Schnäuzern und Bärten, aber mit einer Glatze (die Indios sind ja kaum behaart im Gesicht, haben aber auch im Alter keine Glatze), und immer mit einer Peitsche in der Hand. Man sagt, dass früher der Anführer (Rey) der Morenos immer eine Karrikatur des spanischen Konsuls gewesen sei. Die Gruppe symbolisiert die Sucht der ehemaligen Kolonialherren nach Reichtum. Die Männer tanzen vorne im Zug, die Frauen dahinter (Ausdruck von Machismo?). Neben dem Rey tanzt in der Regel eine junge, schöne Indiofrau mit sehr kurzem Röckchen, der glatzköpfige Rey tänzelt und scharwänzelt um sie herum..

Die Tinkus stammen aus der Gegend um Potosí, sie tragen buntgeschmückte Lederhelme und dicksohlige Sandalen. Die Tänzer führen ritualisierte Kriegstänze aus alten Zeiten auf. Die Tänze stellen aber nicht ein reines Imponiergehabe dar, um Feinde abzuschrecken, sondern werden auch zur Ehre der Pachamama getanzt.

Die Tobas kommen aus den östlichen, tropischen Teilen Boliviens. Den Tobas, die nur leicht, oft mit Tierfellen, bekleidet sind, auf dem Kopf einen Kranz von Nandufedern tragen und lange Speere mit sich führen, gehen als Affen und Pumas verkleidete Tänzer mit Papageien auf den Schultern voraus. Einzelne Tänzer tragen Masken, welche Hexer und Zauberer darstellen. Die Tanz"schritte" sind hohe Sprünge. Auch dieser Tanz ist ein symbolisierter Kriegstanz.

Die Kullawas gehören zu den wenigen Gruppen, wo paarweise (immer ein Mann mit einer Frau) getanzt wird. Die ziemlich engen, mit vielen kleinen Spiegeln übersähten Kostüme erlauben keine grosse Bewegungen, dafür viele Drehungen. Die Hüte der Frauen sind sehr speziell, haben lange Perlenfransen, die bei dem Herumwirbeln in der Sonne aufblitzen und ein wenig an Jugendstil-Lampenschirme erinnern.

Sehr beliebt besonders unter den Studenten sind die Caporales. Dies ist der Tanz, der sexistisch ist Die Männer tragen die Kleidung der ehemaligen spanischen Eroberer und "Edel"männer, eine Art Reitstiefel mit klirrenden Sporen, haben immer Peitschen dabei, die Frauen tragen extrem kurze Röckchen. Der Caporal ist ein typischer Tanz der Städter und der Mittelschicht: in keiner andern Tanzgruppe gibt es so viele grossgewachsene, hellhäutige, europäisch aussehende Tänzer wie eben bei den Caporales.

Die Negritos stammen aus den Yungas, eine subtropische Zone östlich von La Paz und erinnert an die Zeit, in welchen die dortigen Farmbesitzer schwarze Sklaven auf ihren Gütern beschäftigten. Noch heute gibt es in den Yungas Dörfer, wo viele Afrobolivianer leben. Die einen Tänzer stellen die reichen Gutsbesitzer dar mit üppigen Jacken, weiten Pluderhosen und breitrandigen Hüten, auch sie mit Peitschen in den Händen. An einer eisernen Kette führen sie ihre nur mit einem Hüfttuch bekleideten schwarzen Sklaven mit sich. Pantomimisch stellen sie die mit der Peitsche züchtigenden Herren und die sich unter den Schlägen krümmenden Sklaven dar. Diese Tanzgruppen werden im Gegensatz zu allen andern nicht von einer Blechmusik, sondern von einer reinen Perkussionsgruppe mit afrikanischen Rhythmen begleitet.

Neben all diesen traditionellen Gruppen gibt es natürlich auch modernere; ich möchte von diesen nur die doctorcitos (Doktörchen) als Beispiel erwähnen: alle Tänzer tragen schwarze Anzüge, Brillen und Zylinder und haben kleine, elegante Spazierstöckchen in der Hand, gebähren sich sehr wichtigtuerisch, führen zierliche und schon etwas zimperlich anmutende Tanzschritte aus. Diese Gruppen machen sich über die Juristen und andere städtische Studierte lustig.

Der Karnevals-Dienstag ist dann nochmals ein spezieller Tag: der Martes de la Ch'alla. Auch die "Ch'alla" ist ein der Pachamama gewidmetes Ritual: man gießt in jede Ecke eines Zimmers, eines Büros oder Geschäftsraumes, eines Kiosks oder was auch immer ein wenig reinen Alkohol auf den Boden. Damit nährt man die Pachamama, die dafür dann sorgt, dass einem im kommenden Jahr die Dinge gut von der Hand laufen und man vor bösen Geistern geschützt ist. Es handelt sich auch um ein Reinigungsritual: man verjagt die sich im Laufe eines Jahres angesammelten bösen Geister. Die "Ch'alla" ist in Bolivien ein sehr beliebter und bis in die Oberschicht hinein gepflegter Brauch, und natürlich auch ein Anlass zum festen und feiern (und saufen).

http://de.wikipedia.org/wiki/Bolivianische_T%C3%A4nze

Dieser Zeitraum, in den auch die Gründung von Institutionen wie der Gran Tradicional y Auténtica Diablada Oruro (1904) fallen, ist der wichtigste für die Wiederbelebung einiger bolivianischer Tänze, die schon fast am Verschwinden waren. Nach dem Chaco-Krieg entstanden weitere wichtige Diablada-Vereinigungen: die Tradicional Folklórica Diablada Oruro (1943), die Diablada Círculo de Artes y Letras (1943) und die Fraternidad Artística y Cultural "La Diablada" (1944). Die Mitglieder dieser Vereinigungen kommen aus der arrivierten Mittelschicht und werden "pijes" oder "kharas" genannt. Ab diesem Zeitpunkt nehmen höhere Gesellschaftsschichten an der Diablada teil und der einstige Tanz der Minenarbeiter beginnt, sich in ein Folkloreballett zu verwandeln.

Weitere Informationen unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Bolivianische_T%C3%A4nze
http://www.3wg.ch/Bolivia/catherine18.htm