Ankunft in einem fremden Land

Die hinausströmenden Menschen bringen einen kühlen, muffigen Luftzug mit. Sie drängen sich mit ihren Koffern zwischen den beiden Uniformierten hindurch und stehen in der ungekühlten Luft der Mittagshitze, atmen Staub, Benzin, beginnen zu schwitzen, wollen zum Ausgang . Beißend steigt der Schweißgeruch des drängelnden Vordermannes in die Nase. Nylonhemden speichern die Geruchstoffe. Steffi hält die Luft an und drückt ihr süßlich parfümiertes Taschentuch gegen ihre Nase. Unangenehm dieser Schwarze, der gerade versucht an ihr vorbei zum Ausgang zu gelangen. Sie dreht sich etwas, so dass ihr Rucksack ihn auf Distanz hielt. Benzinschwaden legen sich über die säuerlichen Ausdünstungen der Hinausdrängenden.
Motoren heulen auf, eine sich überschlagende Stimme sagt die Landung einer neuen Maschine an. Your passport please. Taxi, taxi, taxi! Ein Kind plärrt, will auf den Arm der Mutter. Steffi seufzt. Hoffentlich wartet jemand von der Reiseagentur dort draußen. Hallo, hallo, Sunset-Tour.- Hier Studiosus.
Ein Wald von Schildern taucht vor ihr auf. Monsieur und Madame Nkame. Mister Smith. Schwarze Gesichter zwischen den Pappschildern. Die dunklen Augen erwartungsvoll auf die Ankommenden gerichtet. Diese Gesichter in der halbdunklen Halle! Die Schwärze verschluckt alle Einzelheiten. Schön, wenn die weißen Zähne aufleuchteten oder ein goldener Ohrring funkelt oder ein goldenes Halskettchen auf der schwarzen Haut. Besonders die Frauen wissen die dunkle Farbe zu nutzen. Sie tragen weite Stoffe in leuchtenden Farben mit großen Mustern. Später sieht sie, dass sie die dunkle Haut um den Mund herum mit Henna noch dunkler gefärbt haben und kleine Narben seitwärts der Nase tragen, die durch Henna ebenfalls noch dunkler erscheinen. Begeistert ist sie von den vielen Frisuren, von den Antennenköpfen der Kinder, den fein geflochtenen Haarmustern der Mädchen, erstaunt erfährt sie später von einer Frau, dass die zierlichen Zöpfe aus Kunsthaar bestehen, Schwarze haben nur sehr kurze Haare.

Und hier muss sie ihren Reisebegleiter finden. Hier, wo im Halbdunkel jede Individualität verschwindet. Es dauert eine Weile, bis sie im Schatten einer Wand einen winkenden Mann ausgemacht hat. Als sie näherkommt, sieht sie seine leuchtenden Augen, die sie anlachen. " Ich bin Scheriff." Aber dann erschrickt sie, sie glaubt in dem schwarzen Gesicht schreckliche Wundnarben wahrgenommen zu haben. Gleichzeitig merkt sie, dass der Mann humpelt. Sie denkt an die grausamen Stammeskriege der Afrikaner, an das Töten und Verletzen mit Macheten. In Liberia hatten Kindersoldaten den Bewohnern systematisch die Hände abgehackt. In Uganda hatten die Hutus mit Macheten auf die Tutsis eingeschlagen und Tausende getötet und verletzt. War er dem Morden entkommen? Diese lange Narbe, die quer über sein Gesicht von einem Ohr über die Nase zum anderen Ohr führt, eine schreckliche Entstellung. "Das Auto steht draußen auf der anderen Straßenseite, welches Gepäck?" Als sie dann im Auto hinter ihm sitzt, sieht sie, dass er in seinem Gesicht noch weitere Narben hat, von seinem Mundwinkel aus gingen jeweils noch drei lange Narben wie Barthaare einer Katze zum Ohr hin. Immer wieder muss sie sein Gesicht ansehen. Mit diesem Menschen soll sie 14 Tage herumreisen? In der Sonne glaubt sie im Gesicht noch weitere Schnitte zu erkennen. Seitwärts der Augen, an den beiden Schläfen entdeckt sie mehrere Reihen kleiner, zwei Zentimeter großer senkrechter Schnitte.


Irgendwann später auf der Reise erklärt Scheriff seine Narben: Ich bin ein Bobo, die Narben zeigen meine Stammeszugehörigkeit. In seinem Personalausweis stand unter besondere Kennzeichen: ethnique signe, Stammeszeichen. Geburtsdatum: 1949. Geburtsort: Bobo Dioulasso