I. Die Puppen Teeyoo`s (2012)
Poetisch-literarische Texte zu den Bildern Teeyoo`s von günter neuenhofer
Deine Welt,
wo ist der Eingang,
wer führt, begleitet mich,
wer spricht mit mir, wer verkündet,
wann trittst du hervor hinter der Bilderwand aus der Königstür?
Die tanzenden Puppen
Als du klagtest über dein Witwenlos
„Weh mir! Wem kann ich mich vergleichen?“
erhörte der Herr deine Bitte, der große Tag kam herbei und du hast geboren.
Puppen, männlich oder weiblich.
Dann wurden sie kräftiger Tag um Tag.
Noch hängen sie an den Wänden als Gabe,
stehen nicht auf der Erde.
Wann stellst du sie auf die Erde, ob sie stehen?
Und als sich den Kindern die Monate mehrten,
begannen sie auf den Füßen zu tanzen,
und alle waren voller Staunen,
gewannen sie lieb und…
Wir, die Ausstehenden, aber blicken zu ihnen auf und sprechen:
Segne diese Kinder, gib ihnen einen Namen,
hochberühmt für ewige Zeiten.
Lasst uns drum singen ein Lied,
denn du wurdest gnädig heimgesucht,
von dir genommen der Schimpf deiner Feinde.
Gib ihnen einen Namen.
Mög` es geschehen!
Mög` es geschehen!
Amen!
Himmlische Körper
Selige Puppen,
sie gleiten durch farbige Welten,
liegen mit verschlossenen Augen, als wollten sie ruhen.
Ihre Gesichter gehen nach innen,
verlieren sich tief hinter Lidern,
die unsre Welt nicht mehr zulassen.
Die Welt quillt kosmologisch
Flugobjekte, puppige Drohnen am Abendhimmel,
glatte Körper, auf Tischen erstarrt zu Porzellan,
Transvestiten, Kleider changieren zu Mustertapeten.
Arme schrumpfen zu Stummeln, Beine verkümmern,
glatzenköpfig, abseitig frühes Haar
zerflossen zu dunklen Rändern.
Bodies, dreifach geworfen,
nicht warm, nicht weich, nicht süß.
Glattgestrichene Wesen! einer anderen Zeit.
Farbplaneten, keramisch designt.
Asteroiden astronomisch auf Kollision,
ultrahell.
Lobpreis des Gesehenen/Infrarote Galaxie
O, verneigen wir uns vor ihnen,
Sinnbilder des Menschlichen, ihr werdet vorgestellt, begafft von uns.
Eure Hände, Eure Füße zeigen in viele Richtungen.
Eure Augen, Euer Gesicht, Euer Mund.
Eure Augen sehen in viele Richtungen.
Ihr habt hundert Augen oder keine,
Ihr habt lockiges Haar oder keines,
Ihr habt gesunde Arme oder keine.
Ihr seid Ursache und Wirkung, Sprechende und Schweigende,
Ihr seid Sein und Nichtsein, Schöpfung und Zerstörung,
Ihr seid kosmisch.
Wir verneigen uns vor Euch, die Ihr Puppen genannt werdet.
Ihr seid der Schlaf aller Lebewesen, Ihr seid die Mahnung,
Ihr seid Gewinn und Verlust,
Ihr seid der Ursprung, die Blüten und die Früchte,
Ihr seid das Blau, das Grün, das Weiß,
Ihr seid die Wolkengleichen, die Farblosen und die Farbenschöpfer,
Ihr seid das geschlossene Auge des Glücks.
Die Auserwählte
Du
du bist
du bist frei
du bist frei wie ein Vogel.
Du bist das Erste aller Wesen,
ewigseiend, unveränderlich,
unerschütterlich, die Erschütterung selbst.
Du bist unwiderstehlich.
Du bist unerträglich.
Sei du das Erste aller Wesen in dieser Welt!
So rette und beschütze mich
wie eine Heerschar der Engel.
In blauer Ferne
gewiss
nicht im Himmel
doch himmelwärts
Ich spreche davon, ohne zu wissen, was es eigentlich bedeutet. Ich frage mich, warum ich das tue, mich zu zerstreuen, gesplittert in Worten - sehe ich überhaupt etwas?
Ja, ich habe sie gesehen u. kann nicht unbeteiligt bleiben beim Anblick der fleischfarbenen Puppen. Hilflos. Auch wegen ihrer Stummel - Arme – Beine. Wen ich gesehen habe - unzufrieden wissend, ich würde keine Antwort bekommen. Wissen um Stillstand. Meine Worte - genug.
Verstehen sie nicht, die Dinge zu erfassen - die Sonne den Mond auch nicht die Bäume die Menschen. Schön dahinter bleibt es. Aber der Flug das Schweben ohne Flügelschlag. Bis ins Einzelne - atmen aufsteigen absinken wieder aufsteigen verschwinden atmen aufpumpen leben oder nicht - bejahen oder verneinen usw. - Gut so? - Erneut aufsteigen - immer wieder.
Versuche mit und ohne Hoffnung. Gewürfelt puppenartig mit einem Auge bucklig blind schön geschaukelt in den Himmel.
Sie lassen dich nicht spielen mit Lust. Sie lassen dich nicht spielen - jetzt dein Krüppelspiel, ein Kinderspiel, Fleischwerdung im Bild. Wer kann so? Und das noch einmal, Fleischklumpen - selig vergessen auf dem Weg in eine andere Welt - erstarrt vergessen - übersehen. Ein Ding im Himmel, im Blau. Wer hat dich zurück gelassen, dass du es wieder entdeckst, aufdeckst fleischfarben tot. Soll es dir wiedergegeben werden.
Deine einzige Chance, decke zu, ab, schrumpfe weg, die schreienden Puppen.
Ich werde endlich doch gar nicht entschweben als Luftkissen - nicht fallen - werde endlich doch gar nicht meine Puppenseele sehen im Schwemmwasser deiner Bilder.
Es wäre denn in einer Art religiöser Turbulenz. Es kann sein, dass sie nicht eintritt oder sie tritt ein . Aber ich glaube nicht - glaube es zu wissen – mein Gefühl.
Wo? Ich sitze hoch über den Bäumen und den Wiesen - die Ränder der Hügelketten schneiden nicht durchs Bild, der Schnitt geht in Augenhöhe durchs Lebendige.
Was sollte ich hier? Wollte ich, den Blick über so wellige Wiesen, gewisse Dinge zu erfahren. Vielleicht die romanischen Kapellen im Vorbeifahren, wo ich nicht zu Hause. Auch mal Sonne oder Regen, aber meist Wolkenberge. Einen Tag in dieser Gegend, an einem anderen Tag in einer anderen und so geht es weiter mit den Dingen, diesen Dingen wie die weißen Kühe, die weißen Schafe, die gepunkteten Perlhühner schreiend ohne Unterlass. Ich kann sie sehen, hier wollte ich schon sein.
Hier kam mir die Idee. Zwischen den Wolkentürmen - Puppen - luftgefüllt - im Straßentheater in Chalon fleischfarben - keine Dunstgebilde. Wie weiter? Auf gutem Wege nordwärts.
Mit Erinnerungsbildern fällt der Himmel ab ins Nichts.
Ja, leben lassen mit offenen Augen,
fühlen, wie hinter den geschlossenen Augen andere geschlossen sind -
enden ohne Himmelfahrt.
Teeyoos neue Bilderwelt
(2018)
.......Error too.......
gitter gitter gitter
hinter ihnen keine welt
kein sterben kein gebären
nichts hier wie es ist
nicht puppig nicht seelig
bunte bilder bunte kunst
bunt verzogen oben unten
links rechts diagonal
poppig versteckt
eine Welt hinter Farben
häuser entkernt
bauhäusig gerichtet
tektonisch geschichtet
gewinkelt gewischt
punkte gesetzt
im farbspiel verpulvert
weltsicht error too
kunstbunt begraben
farbgrell erhaben
puppentot
sternenpuppenkinder
grüßen
aus dieser gitterwelt
verbittert
vereiste Bilder
seelenlos
gedacht
lügenhaft
gefesselt
unumwunden
formuliert
gekäfig
im früher
bis heute
(g.n.)
Glück im Quadrat!
»Der ganze Mensch gehört abgeschafft in der Literatur. An seine Stelle soll die Materie treten. An die Stelle der erschöpften Psychologie des Menschen wird die lyrische Besessenheit der Materie treten. Zusammen werden wir die DRAHTLOSE PHANTASIE erfinden. Nach dem Reich der Lebewesen beginnt das Reich der Maschinen.« (Aus: Filippo Tommaso Marinetti, Manifest der futuristischen Literatur, 1912)
sterne fallen
querig konkret
unverglüht
jenseits des alltags
farben
jenseits des lebens
formen
dreifach geeckt,
gezirkelt, gerichtet,
gekantet, geschichtet,
präzis collagiert,
seriell geometrisch,
leblos
nicht körper
nicht mensch
hinter formen
kein alltag
hinter farben
kein leben
kunstvoll abstrakt
verbaute welt
von wo woher wohin
(g.n.)
Was denn da
wenn der tisch
droht schwarz
wenn seiten spitzig
seitwärts drohen
fernes licht
uns blendet
rot und röter
im bild von teeyoo
(gn)
Was, wenn die Seite…?
Was, wenn sie dunkel…?
Was, wenn sie eindringt ...?
Was, wenn?
Was, wenn Schnittkanten…?
Was, wenn vom Tisch rollt…?
Was, wenn der Mond klingt...?
...ping, pong.
Katja Perricci, 07/2019