Nagaland II


Großmutter aus Changlangshu mit Kind.
Auch Männer, aber vor allem ältere Geschwister,
tragen die Kleinen auf dem Rücken.

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Konyak-Naga mit der Gesichtstätowierung
eines erfolgreichen Kopfjägers

Informationen zum Nagaland: (- Naga-Nationalismus, - Geschichte des Nagalandes,- Schulen, Sprachen, - alte Kultur, Tänze und Lieder, - Verdienst-, Erinnerungs- und Friedenssteine der Naga, - Symbole des Fortschritts, - Probleme heute (Geld, Drogen und Alkohol, fremde Einwanderer, Abholzungen, Korruption), - wirtschaftliche Entwicklung, - Verwestlichung der Nagakultur, Wandel in den alten Stammeskulturen - Verbindung von christlichen Inhalten mit alten Naga-Symbolen, - Äußerungen der Baptistenkirchen zur Gewalt, - Bienenhaltung und Honiggewinnung)

Gesang zweier Konyakkrieger (Mini-Video)
Gesang zweier Konyak-Naga aus Shangnyu (als Google-Video)
Tänze einer Frauengruppe (Sangtam-Naga) (als Youtube-Video)

Die Rundreise 2008/2009

Fotos von Christa Neuenhofer

Ankunft in Calcutta um 1 Uhr nachts. Geldumtausch 2050 € (123 000 Rs). Mit einem uralten Prepaid-Taxi zum Hotel. Diese Taxis sind wohl die schäbigsten Pkws. Man muss immer damit rechnen, nicht zum Ziel zu kommen. Auch diesmal sollen wir einen Fahrgast aus einem anderen Taxi, das mit Motorschaden liegen geblieben ist, mitnehmen. Es ist ruhig um diese Zeit, und der Blick fällt ungehindert auf herunter gekommene Häuser, vor denen weiße Plastiktüten einen Schmuckkranz bilden, Vorgärten aus stinkendem Schlamm mit Blumen des zivilisatorischen Mülls. Indien zeigt sich unverändert schmutzig und unfertig.

Hinter den hohen Gittertoren des Hyatt Regency liegt der angestrahlte, weiße Hotelpalast. Eine Sicherheitsmannschaft macht sich über das Auto her. Auch der Autoboden wird mit Spiegeln untersucht, bevor wir vorfahren dürfen. Nach den Anschlägen auf das Taj Mahal in Mumbai hat man bei Luxushotels starke Sicherheitsvorkehrungen eingeführt. Nach dem 8 1/2stündigen Flug und vor dem Start in die unwirtlichen Bergregionen gönnen wir uns noch einmal etwas Luxus.


Ein typisches, selbst gebautes Fahrzeug in den Naga-Dörfern
(hier in Wanching)

1.Tag (Mo, 22.12.)

Kurze Nacht im Hotel in Calcutta. 6.00 Uhr aufstehen, Frühstück beim dezenten Klang von Jingle Bells, der uns an die Weihnachtszeit erinnert. Auf den Flughäfen gab es keinerlei weihnachtliche Dekoration. Um 09:40 Uhr fliegen wir in zwei Stunden weiter nach Dimapur. Dort erwarten uns statt des erwarteten Apatani Koj Mama sein Bruder und der Chakesang-Naga Azo.Immerhin haben wir ein Permit für alle Dörfer des Nagalandes erhalten. Nach dem Mittagessen in Dimapur fahren wir in südlicher Richtung nach Peren. Zunächst auf guter Asphaltstraße durch flache Landschaft mit Reisterrassen, dann Urwald. Hier ist der Bambus ähnlich abgestorben, wie wir es im März in den Nachbarstaaten gesehen haben. An der Grenze des Nagalandes erinnert uns der Segensgruß "God Bless You" daran, dass wir in ein christliches Land fahren. Aber andere Schilder weisen auf Aids und Lepra hin. Die christlichen Symbole, wie Weihnachtssterne vor den Häusern und farbige Beleuchtungsketten vor den Kirchen, werden in diesem Jahr von roten, lebensgroßen, ausgestopften Weihnachtsmännern bewacht. Kurz vor der Dunkelheit erreichen wir gegen 17 Uhr das Circuit House in Peren.

Wir müssen uns gleich auf die uns bekannten Zustände in den Unterkünften einstellen. Das Zimmer riecht widerlich nach Mottenkugeln, die Bettwäsche ist verschmutzt, es gibt kein fließendes Wasser und nach kurzer Zeit fällt der Strom aus. Die Temperaturen sind sehr niedrig, so dass Christa mit Hose und Jacke in den Schlafsack kriecht.

2. Tag (Die, 23.12.)

Am nächsten Morgen werden wir für alle Unbill entschädigt. Ab jetzt begrüßt uns jeden Morgen von einem blauen Himmel herunter eine Sonne, die während des Morgens mehr und mehr an Kraft gewinnt und Wärme spendet.


Sitzkreise, die in Peren vor vielen Häusern stehen.

Das Dorf Peren liegt 1445 m hoch und wird von Zeliangrong-Naga und Kuki bewohnt. Es hat ein altes Stadttor, durch das alle die Stadt betreten mussten. Die beiden christlichen Kirchen liegen nebeneinander vor dem Tor, während das Morung innerhalb des kleinen Dorfes liegt. Er ist das einzige Gebäude, dessen bis zur Erde reichendes Dach noch mit Schilf bedeckt ist. Die übrigen Häuser haben Holzwände und Wellblechdächer. Vor vielen Häusern befindet sich ein erhöhter, runder Sitzkreis mit einem Erinnerungsstein. Hier werden wohl die Toten der Familie beigesetzt. Auf dem Markt liegen neben großen Mengen gebrauchter Kleider auch Gemüse und ein getöteter Affe auf der Straße. Der Gestank verbrannter Haare, der von den toten Schweinen stammt, die daneben abgeflämmt werden, vertreibt uns bald. Die hier siedelnden Zeliangrong haben sich aus drei Stämmen zusammen geschlossen und sich einen Kunstnamen gegeben aus den Namen Zemei, Liangmei und Rongmei.

In dieser Region liegen auch die Höhlen der Naga-Queen Gaidinliu, die von hier aus den Widerstand gegen die britische Kolonialmacht organisierte. Allerdings haben wir hier nirgendwo Erinnerungen an sie, Jadonang und die Heraka-Bewegung gefunden wie bei den Zeme-Naga in den N.C.Hills. Nach einem Artikel in der Assam -Times von August 2008 haben die christlichen Missionare diese Bewegung zu einem Teufelskult erklärt, so dass sich viele Zeliangrong von ihr abgewendet hätten.


Ein Stein, den das Dorf Peren einem Mann
für das Ausrichten vieler Feste aufgestellt hat.

Nachmittags fahren wir durch unbesiedelte Urwaldlandschaft auf einem schmalen Weg nach Benrue, das auf 1950 m Höhe liegt zu Füßen des 2486 m hohen Mt.Pauna, ein Naturpark, in dem es noch den seltenen fasanenartigen Blyth -Tragopan gibt. Wir sehen keine abgebrannten Wälder. Hier hat die Regierung Bungalows für Touristen gebaut und einen großen Platz für ein Festival geschaffen. Im Dorf treffen wir auf Restspuren einer animistischen Kultur. Vor zwei alten Morungs und auf einem Zugangsweg sehen wir Federn und das Gedärm von Hähnen, an den Giebeln einiger Häuser kleine, tellerähnliche Flechtwerke und aufgesteckte Eierschalen. Wir bringen unseren widerstrebenden Guide, der sich schämt, Fragen zu primitiven, heidnischen Gebräuchen zu stellen, dazu, einen alten Mann nach der Bedeutung der magischen Dinge zu fragen. Über dem Eingangstor seines Hauses baumeln zwei Bambusteller.

Er sitzt im Innern an einer offenen Feuerstelle und erzählt von einer Schlange, die früher in seinem Haus gewohnt habe. Dabei zeigt er auf einen Felsbrocken, hinter dem die Schlange gewohnt habe. Immer, wenn jemand das Haus betreten habe, habe er sagen müssen "Schlange, geh zur Seite, ich betrete das Haus". Aber dann hätte jemand diese Regel vergessen und habe die Schlange ohne Warnung getreten. Darauf sei die Schlange für immer verschwunden. Die Opferstellen mit Federn und Gedärmen habe er zur Abwendung von Unglück gegen die Dämonen angelegt. Genauere Auskünfte über die alten Götter und Rituale können wir nicht von dem Mann bekommen. Als wir ihn fragen, ob sich seine Vorfahren nach seiner Vorstellung an einem bestimmten Ort aufhalten würden, erklärt er, darüber wüssten seine Eltern mehr. Er glaubt, dass sie im Himmel sind. Ob sich der Himmel oben oder unter der Erde befinde, wie viele Bergstämme glauben, weiß er nicht. Sie haben im Dorf keinen Schamanen, der die Rituale weitergibt.


Der Mann, der sich noch als Animist bezeichnet, befolgt noch einige Opferrituale,
aber er weiß nichts mehr über die Religion seiner Ahnen.

Als wir später vor einem Haus im Kreis einer Familie sitzen, die vor dem Essen in jedes Gefäß ein grünes Blatt legten, erklärt uns ein Mann, dass für sie die Verbundenheit mit der beseelten Natur das entscheidende Merkmal sei. Diese Verbundenheit zeige sich jetzt zu Beginn des neuen Jahres, wenn sich alle einer umfassenden Reinigungszeremonie unterziehen. Dazu gehöre, dass Männer und Frauen beim Essen nicht gemeinsam aus einem Gefäß essen und in jedes Gefäß ein grünes Blatt legen, das der "Reinigung" diene. Auch wenn alle Leute westliche Kleider tragen, Elektrizität in den Häusern haben, wir Solarzellen, Fernseher und Lautsprecher sehen, zeigen sich doch an den Hauswänden noch Attribute aus animistischen Glaubensvorstellungen.

Vom Dorf führt durch ein Stadttor ein überaus steiler Fußweg viele 100 Meter tief hinab ins Tal, wo auf vielen Terrassenfeldern Reis angebaut wird. Den Reichtum können wir in riesigen Körben bestaunen. Manche Naga bewahren den Reise viele Jahrzehnte so auf. Er dient dann nur zur Bestätigung des Reichtums. Dieser Reichtum wurde früher bei Verdienstfesten an die Gemeinschaft verteilt und brachte dem Spender besondere Privilegien wie z.B. das Recht, sein Haus oder sich mit besonderen Symbolen zu schmücken und somit seine sozialen Verdienste für alle sichtbar zu machen.

Das besondere Brot aus Klebreis, das über erhitzten Steinen gebacken wird, bekommen wir nicht zu Gesicht.

Von dem „Mt. PAUNA TOURIST VILLAGE“, wo wir übernachten, wandern wir für einen Besuch in das nahe gelegene Dorf (Zeliangrong).


Die Familie der Animisten in Benrue bei der üblichen Reismahlzeit.
Unter dem Reis liegt immer ein frisches Blatt.

3. Tag (Mi, 24.12.)

Nach einer eiskalten Nacht wärmen sich am Morgen drei Mithun, halbwilde Büffel aus dem Urwald, mit zwei jungen Kälbern vor unserer Unterkunft in der Morgensonne.

Nachdem unser Fahrer schon den ersten Reifen gewechselt hat, geht unsere Fahrt weiter zu dem Dorf Poilwa, das wir zum Greifen nah vor uns sehen. Aber es wird eine mehrstündige, teuflische Himmelfahrt, die uns so stark zusetzt, dass wir unterwegs aussteigen und ein Stück zu Fuß gehen. Das aber ist so übel, dass wir alsbald unseren Ausstieg verfluchen, wir werden zwar nicht mehr hin und her und gegen die Decke geworfen, aber dafür waten wir bis zu den Knöcheln in feinstem Staub. Hier oben gibt es noch große Urwaldbäume, die von einer Kolonne von Nepalesen mit Hilfe eines Elefanten an den Weg gebracht werden. um einen LKW zu beladen. Im Schritttempo steuert unser Fahrer das Auto zwischen den tiefen Rinnen hindurch. Mehrmals schlägt unser Auto so hart auf Steine, dass wir aussteigen, um den Schaden zu überprüfen. Inzwischen hat unser assamesischer Fahrer längst das Hupen eingestellt. Zum einen hatten wir den ganzen Tag keinen Gegenverkehr und zum anderen muss er sich voll auf den fast unbefahrbaren Weg konzentrieren.


Durch das Dzükou-Tal ziehen dichte, kalte Nebelbänke.

Die weitere Fahrt führt uns durch eine ungewöhnliche Naturlandschaft, das Dzükou oder Bingle-Tal, das man wohl am besten durchwandern sollte. Fast oberhalb der Baumgrenze entdecken wir hier auf einer hügeligen Hochebene 2438 m hoch ganz neue Pflanzenwelten. Urwaldbäume mit langen Bärten aus Flechten zeigen sich wie Geister zwischen Wolkenfetzen. Riesige Rhododendren, weite Flächen mit Farn, meterhohe Disteln, sprudelnde Wasserquellen zeugen davon, dass hier die Welt der Geister zu finden ist. Rote Lilien, Orchideen, Wolfsmilchgewächse, Eisenhut u.a. Blumenreste lassen vermuten, dass hier im Sommer ein Paradies zu finden ist. Hier steht der größte Rhododendron-Baum der Welt, der sogar ins Guinness-Buch der Rekorde eingetragen wurde.


Blick in den Naturpark von Dzükou bzw. Bingle-Tal.
Rechts Naga-Symbole mit Tragopan und Mithunkopf

Vikram Seth erzählt in seinem Gedicht "The Elephant and the Tragopan" (Beastly Tales From Here And There) von der drohenden Zerstörung dieses Tales durch den Menschen.

Im Bingle-Tal, so weit und grün, wo weder Haus noch Feld zu sehn, wo Bambus wie ein weiter Rasen voll Gold bei Sonnenuntergang und leuchtend hell bei Sonnenaufgang alles begrenzt, wo Rhododendronwälder die Hügel krönen und ihre roten Blüten weit hinunterreichen, wo jedes Jahr scheue, schwarze Bären erscheinen, wo ein kalter Bach, bedeckt mit Eis, erhält ein kleines Paradies, dort diskutierten Elefant und Tragopan den Plan des Menschen.

Die Menschen wollen dieses Paradies für ihre Dörfer nutzen und überfluten. Die Tiere treffen sich mehrmals und diskutieren, wobei der Elephant den erregten Tragopan immer wieder beruhigt, indem er Tee anbietet und ihm mit seinen Ohren Kühlung zufächelt. Viele betroffene Tiere sind gekommen. Die Aufzählung gibt ein gutes Bild von dem Artenreichtum des Tales.

Gibbons und Eichhörnchen, Schlangen, wilde Hunde,
Hirsche und Makaken, drei Froscharten,
Stachelschweine, Adler, Forelle, Bachstelzen,
Zibetkatzen, Spatzen, Bären und Wachteln,
blutsaugende Blutegel, Wassermolche
und Leoparden.

Sie sind zusammen gekommen, ohne dass ein Tier dem anderen ein Leid zufügt oder es auffrisst, und sie beraten, wie sie ihren Kameraden Mensch, der auch ein Teil der Natur ist, davon abbringen können, dieses Paradies zu zerstören.


Morung-Giebel in Kisama

Am Spätnachmittag kommen wir in Khonoma an, wo wir Erinnerungen von unserem Besuch 2003 auffrischen. Neu sind die vielen Volleyballfelder in dem Dorf und der grüne Anstrich der Wellblechdächer. Khonoma hat sich zum "Green Village" erklärt. Dazu passt auch die besondere Pflege alter Erlenbäume (Alder Trees), die wie Kopfweiden jährlich regelmäßig zurückgeschnitten werden. Diese Kultivation ist über 200 Jahre alt und sollte bei der Brandrodung die Erosion des Bodens verhindern und gleichzeitig Feuerholz liefern. Die Einrichtung eines Naturschutzgebietes im Dzükou-Tal soll den Öko-Tourismus fördern.Von den 500 Häusern sind 50 Häuser als Pensionen für Touristen eingerichtet worden.

Unangenehm ist eine Begrüßung, die wir an anderer Stelle im Nagaland ähnlich erlebt haben: "Germany, Kamerad - Heil Hitler!" Die Verbindung der Naga mit Deutschland geht auf die beiden Weltkriege zurück. Im 2.Weltkrieg verhinderten sie mit den Briten den Einmarsch der Japaner in die Assamebene und kämpften auch gegen die indische Nationalarmee unter dem noch vielfach verehrten General Chandra Bose, der mit dem Nationalsozialismus sympathisierte. Schon im 1. Weltkrieg hatten die Briten Naga-Arbeitstruppen eingesetzt, so dass die Naga schon damals mit Deutschen in Berührung kamen.


Moderne Traditonspflege mit angemalten Holzköpfen an einem neuen Morung
in dem Freilichtmuseum von Kisama

4.Tag (Do, 25.12.)

Kohima, 1444 m: Hauptstadt des Nagalandes, Besuch des Festivalgeländes (s. unter Informationen: Verfall der Nagakultur) und der großen Kathedrale von Kohima. (s. unter Informationen: Die Verbindung von christlichen und traditionellen Naga-Symbolen)

Kigwema, das "Dorf der alten Häuser". Die Baptistengemeinden feiern Weihnachten. Die erste Festgemeinschaft schenkt uns in Bananenblätter verpackte Fleischstücke und Reis. Von der zweiten Gemeinde, "Revival Church", bekommen wir Kuchen und Tee und eine große Flasche wunderbaren Honig, der während der weiteren Tage zu unserem Lieblingsessen gehört. Der Sprecher der Gemeinde erklärt auf unsere Fragen, dass es im Dorf noch etwa 40 ältere Animisten gebe, die Reinigungsrituale mit Tieropfern vollziehen, aber keinen Gott anbeten oder Dämonen benennen. Sie glauben nicht an ein Leben nach dem Tode, für sie sei halt nach dem Tode Schluss, sie würden keinen Ort kennen, wo sie ihre Vorfahren wiedertreffen könnten. Die Revivals gebe es in diesem Dorf seit 1969, aber im Nagaland schon seit 1950.


Ein typischer Hauseingang mit Prestigezeichen in Kigwema
(Giebelhörner aus Wellblech, Rinderschädel, Schweineunterkiefer und geschnitzte Mithunhörner)

Kurzer Rundgang durch das Dorf Khonoma, in dem wir bereits 2003 einmal waren. Übernachtung im Hotel Japfü in Kohima.

5. Tag (Fr, 26.12.)

Langer Fahrtag nach Mokokchung, 1325 m, Wohngebiet der Ao-Naga.

Besichtigung des Rengma-Naga-Dorfes Tseminyu, mit vielen Gedenksteinen, die an Friedensverträge aus den 80er Jahren erinnern. Weitere Steininschriften

Vor Wokha platzt ein Reifen, die 2. Reifenpanne.

An der Straße hinter Wokha besichtigen wir eine weitläufige Bienenzucht mit vielen Beuten der kleinen indischen Biene. Die Straße führt abwärts zu einer Brücke über den Yohang-Fluss, 330 m

Ankunft bei Dunkelheit. Übernachtung im Circuit House von Mokokchung.
In der Nacht Sturm und Regen.


Männer beim Tanz in der traditionellen Tracht der Sangtam-Naga

6. Tag (Sa, 27.12.)

Von Mokokchung geht es nach Tsadang (Sangtam Naga). Hier findet heute ein „Students`Day“ statt, an dem die ganze Dorfbevölkerung teilnimmt. Die Männer und Frauen führen in ihren traditionellen Gewändern Tänze auf, als Wettkämpfe führen die Kinder ein traditionelles Kreiselspiel vor und Männer versuchen auf traditionelle Weise ein Feuer zu entzünden. Wir werden gleich als Ehrengäste begrüßt, Christa hält eine lange Rede über unsere Begegnungen mit der alten Nagakultur und zum Abschluss bekommen wir traditionelle Kleidungsstücke als Geschenke. Der Baptistenpfarrer lädt uns ein und führt uns durchs Dorf zu alten Ritualplätzen. Seit 1930 gebe es hier keine Kopfjagden mehr. Die Schädel, die früher im Innern einer Baumtrommel aufbewahrt wurden, habe man vergraben. Die ersten Christen seien zunächst vertrieben worden. Als es aber durch eine Trockenheit zu einer Hungersnot kam, habe man sie zurückgerufen und alle seien zum Christentum übergetreten. Das Wasser sei hier knapp, weil es auf diesem Hügel keine Quellen gebe. Die Kirche steht wie üblich an der höchsten Stelle im Dorf. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick über die weiten Täler und Bergketten.

Dann führt uns der Pastor zu einer Stelle unter einem alten Baum, wo früher die Köpfe gezeigt wurden und die Rituale der Animisten stattfanden. Etwas unterhalb von dieser Stelle hinter zwei neueren Stadttoren zeigt er uns zwei Steine, Symbole für das Weibliche und das Männliche, die früher bei Annäherung von Feinden Töne von sich gegeben hätten, so dass die Feinde die Flucht ergriffen hätten.

Durch den Nachbarort Chungliyimti (Santam-Naga) fahren wir hindurch, um nach Longtrok zu gelangen, wo Ausgrabungen eines alten Siedlungsgebietes stattfinden und wo sechs alte Steine daran erinnern, dass hier vor langer Zeit drei Urväter aus den Steinen hervorkamen, die die Hauptclans der Ao bildeten. Diesen Clans ordnen sich 42 Ao-Dörfer zu. Eine andere Geschichte erzählt, dass sechs Clans entstanden, die in Chungliyimti lebten, bevor sie sich neue Siedlungsgebiete suchten und neue Stämme bildeten. (s.a. 1. Nagalandreise 2003)


Ein Kopfjäger aus Nokyan mit Tätowierungen auf der Brust und an den Armen.
Die kleine Figur auf der Brust weist darauf hin, dass er einen Menschen getötet hat.
Die Gesichtstätowierung fehlt.

Aus sechs Steinen entstanden,
besiegten sie alle Feinde.
Die Menschen vierer Jahrhunderte
verließen Chungliyimti.
Sie schlugen eine Schilfrohrbrücke
über den Dikhu-Fluss und zogen weiter
in Richtung Tubalongla
Dort gründeten sie Aonglenden.
Aonglenden auf seinem Hügel war gesegnet:
in einer Nacht kamen zehn Söhne zur Welt;
deshalb nannten sie den Ort "Suyim".

("Su" bedeutet "gebären", "yim" bedeutet "Dorf", Nachdem das Dorfoberhaupt von einem Tiger getötet worden war, gründeten sie ein neues Dorf und als dieses zu eng wurde, zogen sie zurück nach Suyim und gaben ihm den neuen Namen Ungma, was an den getöteten Häuptling erinnert. "Ung" bedeutet "Häuptling" und "ma" bedeutet "verloren".)

Neben den mythologischen Steinsymbolen der Trennung haben 1941 zwei deutsche Forscher im Felsgrund die Pfostenlöcher von antiken Häusern, Keramikreste und Steinwerkzeuge gefunden. Solche Ursprungsmythen, die von Ureltern und den Herkunftsorten erzählen, sind für die Identität eines Naga-Stammes von großer Bedeutung. Die Archäologen, die die frühen Sammlerexpeditionen der Ethnologen ablösten, haben an 12 verschiedenen Stellen des Nagalandes solche Grabungen durchgeführt.

Der Sinn dieser Grabungen wie auch der folkloristischen Naga-Tanzfeste wird in der Stärkung des Bewusstseins der Naga-Identität gesehen, da infolge der Globalisierung die jüngere Generation viele Teile der traditionellen Kultur vergessen will und sich eine neue Identität sucht, die, wie die vielen Misswahlen zeigen, sich an westlichen Standards misst.

Als wir das Dorf verlassen, versucht ein Lehrer unseren Besuch seiner Schule in einem Nachbardorf zu erzwingen, dem wir nur durch Flucht entkommen können.

Übernachtung im Circuit House in Tuensang,1638 m. Wir erleben wieder eine eiskalte Nacht.


Die Beine der Frauen sind unterschiedlich tätowiert:
links aus Nokyan, rechts aus Wakching

7. Tag (So, 28.12.)

Ganztagesausflug. Wir besuchen das in der Nähe von Noklak gelegene sehr schöne Dorf Nokyan (Khiamniungan Naga). Zunächst will unser Guide nicht so weit fahren, weil die Straße zu schlecht sei. Als er dann überrascht feststellt, dass die Straße repariert wurde, ist er sogar bereit bis Pangsha ( s. 2003) zu fahren. Nach 3 1/2 Stunden sind wir in Nokyan. Hier treffen wir die ersten durch ihre Tätowierung erkennbaren Kopfjäger. Drei Männer mit Brust-, Arm- und Gesichtstätowierungen leben noch im Dorf. Frauen haben unterschiedliche Bein-Tätowierungen. Die Kopfjägerzeit habe hier 1961 geendet. In einem Haus werden gerade gekochte Schweinefleischstücke in Palmblätter gewickelt und über dem Feuer zur Konservierung aufgehängt. Nachdem wir besonders freundlich mit Tee bewirtet worden sind, bekommen wir auch ein Paket mit Fettstücken, die wir später zum Reis essen. Dabei zeigt uns der 80jährige, ehemalige Kopfjäger seine alten Giftpfeile, die in eine Armbrust gelegt wurden und als Selbstschussanlagen Tiere töteten. Dabei brachen sie an Kerbstellen unterhalb der breiten Eisenspitze ab. Seine kleinen Enkel hält er dabei ab und warnt sie, das aus Wurzeln gewonnene Gift sei auch heute noch sehr gefährlich.

Ein weiterer Höhepunkt bildet in Nokyan die Entdeckung der schwarzen Fliegenbienen. Unter Informationen: Ausführlicher Bericht über die schwarze Biene und Bienenzucht in Indien.

Später gehen wir noch durch das weniger interessante Dorf Chingmei (Chang Naga), bevor wir nach Tuensang zurückfahren. Übernachtung im Circuit House in Tuensang.


Auf der Stirn tragen ältere Frauen aus Tuensang noch eine Tätowierung
zum Schutz gegen Tiger.

8.Tag (Mo, 29.12.)

Morgens Besichtigung des unteren Teils von Tuensang Village (Chang). Das neue Tuensang wirkt trostlos mit seinen hässlichen Hütten an den Steilhängen des Berges. Das alte Tuensang wirkt durch einige palmgedeckte Hausdächer und viele renovierte Morungs etwas anheimelnder.

Unterwegs treffen wir auf eine große Gruppe von etwa 50 Männern, die auf einem Bambusgerüst ein gefesseltes Mithun tragen und mit Anfeuerungsrufen wie beim Transport von schweren Lasten das Tier hinauf in ihr Dorf tragen. Wir treffen auf sie, als sie gerade eine Pause machen. Natürlich müssen wir mit ihnen Tee aus frisch geschnittenen Bambusröhren trinken. Als wir ihr Tragegerüst fotografieren, zückt plötzlich eine Menge Leute aus ihren Taschen Digitalkameras und fotografiert uns von allen Seiten.


Dieses gefesselte Mithun, ein halbwilder Büffel,
wurde viele Kilometer auf den Schultern getragen.

Zwei bis drei Kilometer vor dem Ort Changlangshu im Süden des Mon Distrikts, direkt an der Grenze nach Myanmar, sehen wir, dass ein neues, traditionelles Dorf gebaut wird. Etliche Bewohner von Changlangshu (Upper Konyak) haben eine neue Siedlung gegründet und ein großer Teil der Dorfbevölkerung hilft, neue Häuser aufzubauen. Ihr neues Dorf wird Changsü heißen. Erst vor zwei Monaten haben sie begonnen und sind begeistert dabei, mit Gesang die Grundfläche eines Hauses einzuebnen und das Dach mit Palmblättern zu decken. Ein Mithun ist geschlachtet worden, und das Fleisch wird in kleine Stücke zerhackt und gekocht. An den höchsten Stellen stehen schon die Kirche und ein Morung, in dessen Giebel das Fell einer Wildkatze und ein geschossener Adler hängen. Die Berghänge rundum sind gerodet, abgebrannt und warten auf die Saat.


Changlangshu wurde wegen der Enge von einem Teil der Bevölkerung verlassen.
Die Terrassen stehen auf besonders hohen Stelzen.

Im Ort Changlangshu stehen die traditionellen Häuser dicht gedrängt, die Dachseiten berühren sich oft. Auf Grund von Auseinandersetzungen mit den südlichen Stämmen haben diese die Stromzufuhr unterbrochen, so dass auch wir ohne Strom und fließend Wasser in seinem sehr einfachen Gästezimmer der Gemeinde übernachten. Die Toilette befindet sich 100 m abseits hinter dem Haus. Im Ort halten sich an diesen Feiertagen viele Jugendliche auf, die auswärts wohnen, aber hier ihre Modernität zeigen, indem sie mit Stöckelschuhen und modischen, westlichen Kleidern über die steinigen, staubigen Wege promenieren.

Am Nachmittag fahren wir nach Monyakshu, dem Nachbarort von Changlangshu. Es ist ein sehr traditioneller Ort, in dem auch viele Gedenksteine für verstorbene Bewohner stehen, auf denen u.a. aufgezählt wird, wie viele Köpfe sie früher, bevor sie Christen wurden, erbeutet haben (4, 6, 14, 15...Köpfe). Hier werden wir angestaunt, als ob noch nie Europäer hier gewesen wären. Die Mädchen flüchten mit Geschrei und verbergen sich. Aber das ist nicht Scheu, sondern ein Spiel. Die Kindergruppen sind enorm groß, da die Schulferien begonnen haben und drei Monate dauern werden. Als wir wieder wegfahren, stellen wir fest, dass die Kinder die Türen unseres Autos mit Wörtern verkratzt haben.

Auch in diesem Dorf findet eine Jugendkulturveranstaltung statt, auf der Politiker sprechen. Wir können ihr entkommen. Wir wollen das interessante Dorf sehen. In den Morungs stehen bis zu 11 m lange Baumtrommeln und die hohen Stelzen-Häuser sind beeindruckend. Ein Schmied stellt aus Federn von LKWs große Schlagmesser (Daos) her. Plötzlich tauchen zwei Guerillas mit Schnellfeuergewehr und Waffengürtel auf, verschwinden aber gleich wieder.

Unsere Fragen an den Pastor von Changlangshu zur traditionellen Religion und zu den Unabhängigkeitsbestrebungen im Nagaland führen zu keiner brauchbaren Antwort. Will der Pastor sich nicht äußern oder hat Azo, unser Guide, Hemmungen, so direkt zu fragen?

Der Pastor begleitet uns durch das Dorf und zeigt uns am anderen Ende seines Dorfes ein mehrstöckiges, heruntergekommenes Zementhaus mit zerbrochenen Scheiben, das zu einem Touristenhotel ausgebaut werden soll. Wir erfahren, dass es sich um ein neues Haus handelt, das aber wohl erst in einigen Jahren fertig werden wird, wie der Pastor meint. Der Pastor lebt ebenfalls in einem Raum mit einem offenen Feuer, hat aber als Zeichen des Fortschritts einen niedrigen Tisch, Stühle und ein Kohlebügeleisen, wie wir es auch schon in Nokyan gesehen haben. Unser moderner Guide ist darüber besonders amüsiert.

Übernachtung im äußerst primitiven Gästehaus des Pastors von Changlangshu.


Die ersten neuen Häuser in Changsü

9.Tag (Die, 30.12.)

Nach einem erneuten Gang durch den Ort Changlangshu mit seinen vielen strohgedeckten Häusern geht es weiter nach Langmeing (Lower Konyak). Auch dieser Ort ist mit seinen auf hohen Bambusstelzen stehenden Terrassen sehenswert. Die in der großen Schlitztrommel des Morungs aufbewahrten Schädel aus Kopfjägerzeiten können wir nicht sehen, da der Angh (Dorfhäuptling) nicht anwesend ist. Nur mit seiner Erlaubnis dürfen die Schädel besichtigt werden. Trotzdem dürfen wir im Haus des Angh unsere Nudeln zubereiten und unter dem verrußten Fell eines Tigers und Körben mit Affenschädeln essen. An den Wänden stehen viele alte Gewehre und noch mehr Lanzen und neben dem Eingang zu Küche hängt ein Korb mit 6 frisch geschossenen Vögeln, darunter auch ein Körper des seltenen Tragopan. Elefantenschädel und viele Tierschädel bezeugen, dass der Angh ein großer Jäger ist. Vor zwei Morungs liegen große Steinplatten, auf denen früher die Köpfe präsentiert wurden. Unterhalb eines Baumes stehen Steinsäulen als Zeichen für tapfere Krieger.

Weiterfahrt nach Mon, wo wir vier Tage bleiben werden. Noch am Abend müssen wir uns bei der Polizei mit einer persönlichen Unterschrift anmelden. Übernachtung dort im „Guest House Hilsa“, dem Gästehaus eines Politikers ohne fließend Wasser.


Das Morung von Wakching mit Symbolen des Glücks und der Stärke,
in dem gerade eine Beratung über einen Landstreit stattfindet.
Wie es Brauch ist, ist vorher ein Rind geschlachtet worden,
das anschließend von der Versammlung verspeist wird.

10.Tag (Mi, 31.12.)

Fahrt Richtung Norden nach Wanching und Wakching (ab hier treffen wir nur noch auf Lower Konyak). Die beiden Dörfer, die durch Gestank, Schmutz, Zement und Blech auffallen, haben auffallend viele Morungs, die ähnliche Stilmerkmale aufweisen. Vor der Frontseite stehen "gedrechselte" Säulen und der Mittelbalken zeigt einen Tiger, einen Elefanten und viele Nashornvögel. Jeder Gemeindeteil hat ein eigenes Männerversammlungshaus, wo Streitfälle diskutiert werden. Quer zum Eingang liegen riesige, hohle Trittflächen. Innen befinden sich ovale Durchgänge, die rot-weiß bemalt wie große Mäuler wirken. Viele dieser Morungs wurden in den 70er Jahren erneuert und zeigen als moderne Motive auch Flugzeuge.

In Wanching wird oberhalb des Angh-Hauses eine neue Kirche gebaut, aber dominierend ist der große Fußballplatz zwischen zwei Dorfteilen, wo gerade unter starker Teilnahme des ganzen Dorfes ein Spiel zweier Dorfclubs stattfindet. Interessant sind auch die schweren Türen mit Mithunhornsymbolen vor den Reisspeichern. In dieser Gegend kauen die Menschen wieder ausgiebig Betelnüsse. Vor den Dörfern erstrecken sich Teegärten und weite abgebrannte Felder.

Übernachtung im „Guest House Hilsa“ in Mon. In der Nacht explodieren immer wieder Silvester-Bomben, während im Hintergrund aus einer Baptistenkirche frommer Gesang ertönt.


Ein ehemaliger Kopfjäger mit allen Zeichen seines Erfolges:
Gesichtstätowierung, Ohrhörner, Wildschweinhauer und Bärenfellkappe mit einem Menschenhaarbüschel. Die Hörner sind die vorderen Teile eines Geweihs vom "brow antlered deer", auch Sangai oder cervus eldi eldi,

11.Tag (Do, 1.1.)

Wir fahren nach Shangnyu , wo wir vor fünf Jahren bereits einmal waren. In dem schön gelegenen Dorf gibt es viele strohgedeckte Häuser und noch eine ganze Reihe ehemaliger Kopfjäger, die an ihrer Tätowierung und den Ohrhörnern zu erkennen sind. Aus dem Grunde kommen wohl auch viele Touristen, und die Dorfbevölkerung hat sich darauf eingestellt. Fast jeder, inklusive der alten Kopfjäger, möchte den Touristen etwas verkaufen (meist Schmuck, Figuren und Spazierstöcke, oft minderwertige Schnitzarbeiten). Das gab es vor fünf Jahren noch nicht.


Ausschnitte aus der riesigen Baumscheibe im Museum von Shangnyu

Nachdem der Angh - Azo redet ihn mit "His Majesty" an - zurück aus der Kirche ist, wo er mit einem Naga-Schrei empfangen worden ist, sitzen wir mit ihm an der Feuerstelle. Später gibt er uns die Erlaubnis, den Kopfbaum und die zwischen den Wurzeln liegenden Schädel und Krüge zu besichtigen. Gefolgt von einer wilden Kinderschar, die sich wie Naga auf einem Kriegszug gebärden, betreten wir beklommen den riesigen, uralten, hohlen Baum, wo zwischen den Luftwurzeln die Schädel aus Kopfjägerzeiten liegen. Früher wurden die Schädel in den herum liegenden, zerbrochenen Krügen aufbewahrt, die mit einem Email-Schüsselchen verschlossen waren, in das man auch Opfergaben legen konnte. (s. 1. Nagalandreise: Exkurse zur Bedeutung der Kopfjagden und zu den Beerdigungsriten). Die letzte Kopfjagd fand 1972 statt. Aber beinahe wären wir das letzte Opfer geworden. Als wir das Dorf verlassen, entgehen wir nur mit Not einem bewaffneten Wegelagerer, der uns zum Kauf von Objekten zwingen will.

Anschließend kurzer Besuch in Chui. Wir sehen das Innere des Häuptlingshauses, das wie ein Museum eingerichtet ist, und gehen durch das Dorf zum alten Morung. Vor dem Angh-Haus hat sich vieles verändert seit unserem letzten Besuch. Ein großes Fußballfeld wird gerade eingeebnet. Im Dorf sind viele Wege und Treppen betoniert worden. In einem Haus sehen wir große, runde Steine, die, im Feuer erhitzt, zur Trocknung von Reis verwendet werden.

Zurück nach Mon und Übernachtung dort im „Guest House Hilsa“.

12. Tag (Fr, 2.1.)

Wir machen einen Tagesausflug zum Dorf Longwa, das insofern eine Besonderheit ist, als dass die Grenze zu Myanmar mitten durch das Dorf, ja, mitten durch das Häuptlingshaus geht. Auch hier gibt es tätowierte Kopfjäger und auch hier versuchen die Dorfbewohner mit Hilfe der Touristen Geld zu verdienen. Die hier angebotenen Objekte, Opiumpfeifen aus Knochen, Gürtel, Affenschädel, Daohalterungen neben Schmuck sind allerdings hochwertiger als die in Shangnyu. In zwei Häusern sehen wir auch private Skulpturensammlungen, die auf die Schnitztraditionen der Konyak hinweisen. Dass die Opiumpfeifen einen direkten Bezug zum Dorf haben, zeigt sich im Angh-Haus, wo eine Runde Männer über dem Feuer ihre Opiumportionen erwärmt. Zwischen Angh-Haus und Kirche befindet sich ein großes Fußballfeld, auf dem viele Dorfbewohner lagern, um das Ende eines Fastentages abzuwarten. Als wir an den Häusern auf myanmarischer Seite vorbeigehen, wollen wir testen, wie hier die Schulbildung ist. Christa hat ihr T-Shirt mit entsprechendem Alphabet angezogen. Aber die Kinder können keine Buchstaben in myanmarischer Schrift lesen.


Jedes Morung hat einen Namen.
Häufig wird der Wandel der Zeiten in Bildern und Symbolen ausgedrückt.

Nach einem Mittagspicknick an einem Fluss machen wir Stopp in dem nicht so vom Tourismus beeinflussten Dorf Sheanghah Chingyu (S/ Chingyu). Der Angh ist mit mehreren Frauen verheiratet und lebt mit ihnen in einem riesigen traditionellen Haus, in dem viele Tierschädel, Gongs und Gewehre neben einem Fernsehapparat von seiner Bedeutung zeugen. Er führt uns zu einem großen Stein, auf dem früher die erbeuteten Köpfe zur Schau gestellt wurden, jetzt aber sein Sohn mit anderen Kindern spielt. Unter diesem Stein liegt eine große Anzahl von Schädeln, die man uns gerne zeigt.



Die Schädel liegen ungeschützt in einer Grube und
nicht in Regalen wie bei den Wancho im Tirap

Besuch des Dorfes und anschließend zurück nach Mon. Auf dem Weg kommen uns wie oft abends um 17 Uhr lange Reihen von Frauen mit hoch beladenen Körben von den Feldern entgegen. Am Straßenrand ein Schild der Straßenbauer:

BRO brings the remote people
to the mainstream.

Übernachtung im „Guest House Hilsa“ in Mon.

13.Tag (Sa, 3.1.)

In Mon melden wir uns wieder persönlich bei der Polizei ab und fahren dann Richtung Assam. Bei dem Grenzort Naganimora sehen wir das einzige Kohleabbaugebiet Nagalands. Nach einer Mittagspause in Sibsagar erreichen wir am Nachmittag Dibrugarh. Übernachtung im Hotel Natraj.


Zierköpfe über dem Giebel eines Morungs in Kisama

Ein letzter Tag, letzte Eindrücke

Ein normaler Tag. Nachdem wir die fast unbefahrbaren Wege durch das Kohleabbaugebiet des Nagalandes hinter uns haben, ist nach zwei Wochen die dritte Reifenpanne fällig, da nutzen auch die drei Einlagenstücke im Mantel des glatten Reifens nichts.

Vor einer Bahnschranke wartet eine lange Schlange Autos. Fußgänger und Fahrradfahrer überqueren trotzdem die Schienen. Wir warten. Endlich kommt der Zug und hält vor dem Straßenübergang am Bahnhof. Er überquert nicht die Straße. Jetzt heben sich die Schranken und wir dürfen die Schienen überqueren. Der Zug wartet. Überrascht schauen wir zum Bahnhof. Warum mussten wir warten? Eine indische Logik, die wir nicht verstehen. Nicht zum ersten Mal.

In Dibrugarh, der Hauptstadt des assamesischen Tees, sitzen wir nach unserer Fahrt durch die Berge wieder im Krach, Lärm, Dreck und Gestank einer typischen indischen Mittelstadt. Verfall und Verwüstung allenthalben. Wie kann man hier leben? Es fehlt die Luft zum Atmen. Säuerlich stinkender Abfall, Abgaswolken der Autos, Urin, Kot der Kühe, trockener Staub. Lärm schlägt uns nieder wie eine Welle. Eingepfercht zwischen dem Menschenstrom, den klingelnden Rikschas, den hupenden Autos und vorbei preschenden Motorrädern erreichen wir den Eingang zur Post.

Wir wollen noch einige Briefe nach Deutschland aufgeben. Das aber ist in Dibrugarh nicht möglich. Es geht nicht. Der Wert der notwendigen Briefmarke ist nicht eindeutig festzustellen. Ein Angestellter läuft zum nächsten, der PC wird mehrmals befragt. Immer wieder Kopfschütteln. Wir sollen später wiederkommen, wenn der jetzt abwesende Fachmann für Postwertzeichen wieder da sei. Das ist Indien, es passiert uns nicht zum ersten Mal.

Vorbei an Steinhaufen und Löchern im Fußweg, durch Gestank, Lärm und Dreck, erreichen wir das Hotel. Hinter der Tür hat jemand eine Tasse Kaffee verschüttet, eine große, braune Pfütze auf dem weißen Marmorboden. Schon kommt ein Bediensteter mit einem Eimer zum Löschen von Bränden. Er schüttet hellen Sand auf die braune Flüssigkeit. Die Eingangstür ist blockiert. Wir nehmen den Seiteneingang, während der Sand über die gesamte Fläche verteilt wird. Ein Reinigungsvorgang. Wir sind sprachlos. Eine indische Logik, die wir nicht verstehen. (s. „Indien oder die Verwüstung der Welt“ von Daniele Sallenave, 1996)


Schweine werden auf der Straße in Peren geschlachtet,
abgeflämmt und mit einer Hacke entborstet.

Auf dem Weg zum Flugplatz läuft ein kleiner niedlicher Hund schwanzwedelnd über die Straße. Christa: „Lecker!“ Unser Apataniführer Koj: „Die kleinen sind besonders lecker, man kann sogar die Knochen kauen. Sie schmecken ähnlich wie Ratten. “ Schallendes Gelächter. Das ist nicht indisch, sondern ein Teil der archaischen Randkulturen der Bergstämme.

Christa: „Esst ihr auch Kakerlaken?“ Unser Nagaführer Azo: „Nein, aber ähnliche Tiere aus dem Wasser.“ Wir denken an den Markt in Kohima, wo neben Hunden und Fröschen auch verschiedene braune und weiße Raupen angeboten wurden. „Auf dem Markt in Kohima wurden auch Bienenwaben angeboten, esst ihr auch Bienen?“ Azo unter zustimmendem Kopfnicken von Koj: „Wir lieben die weißen Maden, die schmecken köstlich. Wir suchen auch die Nester von Hornissen, indem wir Honig mit einem Baumwollbüschel an einen Baum kleben, um dann die Hornissen bis zu ihrem Nest verfolgen zu können.“

Christa erzählt, dass sie einer Bekannten in Deutschland vom Töten der Schweine beim Myokofest erzählt habe, denen bei lebendigem Leibe das Herz herausgerissen wird. Diese habe darauf empört gefragt, warum wir nicht gegen die grausame Tötungsart eingeschritten seien. Schallendes Gelächter von Seiten der beiden einheimischen Führer. Das ist nicht indisch, trotz der blutigen Tieropfer für die Hindugöttin Kali, sondern ein gefühllos archaisches Verhalten.


Ein LKW im Naga-Dorf Kigwema:
Zeichen des Wohlstandes und des Fortschritts

Im Wartesaal des Flugplatzes sitzen wir auf rotkarierten Sitzen, ein süßlich-schwerer Geruch von Seifen und Parfüms betäubt mich fast. Ich kann nicht einfach den Geruch abweisen, die Luft anhalten. Mein Blick geht durch die schmutzigen Scheiben aufs Flugfeld. Kleckse weißer Farbe und ein Riss durch das Glas verhindern den klaren Blick, abgerissene Klebfolien filtern das Licht zusätzlich bläulich und rötlich. Ein Gitter vor dem Fenster teilt die Welt in kleine, schmutzige Felder. Ein Putzen des Glases wurde durch das Gitter von vornherein ausgeschlossen. Die Schäbigkeit der indischen Welt wurde von den Planern in Kauf genommen oder sogar eingeplant. Ein indisches Bild, immer wieder, fremd und abstoßend.

Noch ein Gang zur Toilette. Der weiße Putz zeigt Reste einer darunter liegenden blauen Farbe, wirft Blasen, zeigt schwarzen Schimmel, die Klodeckel sind dunkel schmierig, nie geputzt, neben dem Klo undefinierbare Häufchen, Löcher im Zementboden, der Türriegel abgebrochen. Aus dem Bodenloch steigt intensiver, scharfer Uringeruch. Mücken schwärmen hoch. Ein Wasserstrahl spritzt seitwärts aus dem Kran. Nur nichts anfassen. Ein indisches Bild, nicht ungewöhnlich, widerlich.

In dem Buch „Die Inder“ von Sudhir u. Katharina Kakar (2006) wird dargelegt, dass die Bedeutung der Reinheit entscheidend das Verhältnis der Inder untereinander bestimme, ja die Kasten auf Grund ihrer Reinheit zu definieren seien. Ein Brahmane werde schon durch den Schatten eines Unberührbaren beschmutzt, empfinde eventuell sogar Ekel und müsse dann bestimmte Reinigungszeremonien vornehmen. Die Kasten der „Unreinen“ hätten deshalb in manchen Dörfern eigene Brunnen. Der Inder achte sehr auf seine Körperpflege und Erscheinung, ignoriere aber den Dreck im öffentlichen Raum und behandle ihn wie eine Müllgrube.

Ich verlasse die Toilette, den Wartesaal mit dem Gefühl, in meiner Heimat bald allen Schmutz und alle Gerüche abwaschen zu können.

Aber schon in Kalkutta erfahre ich nach einer neuerlichen Fahrt durch widerliche Abfallmassen längs der Straßen, dass im Fünf-Sterne-Hotel Hyatt Regency Sauberkeit und Luxus auch in Indien zu finden sind, aber nur in diesem Hotel-Ghetto, wohl abgeschirmt vom normalen indischen Alltag. Wie können alle Menschen in einer indischen Stadt, in der sie zu einem Teil von Verfall und Verwüstung werden, ein lebenswertes Leben verwirklichen?

Das ist die eine Frage, die wir uns immer wieder stellen. Die zweite ist, warum stößt uns Indien ab und zieht uns doch immer wieder an?

Ist es der Mensch in seiner unglaublichen Vielfältigkeit, dem wir in Indien begegnen, in seiner Herzlichkeit und seiner Gefühllosigkeit, in seinem Lebenskampf und seinem Elend, in seinen künstlerischen und geistigen Fähigkeiten und seiner Unzulänglichkeit? Sind wir wie Kinder, die erstmals die Welt sehen und erleben? Staunend in Indien immer wieder Neues, Unglaubliches entdecken, mehr als in anderen Teilen der Welt?!

"Incredible India !"


Zeichen verschiedener Zeiten an einem Morung:
die traditionellen Nashornvögel als Glücksbringer,
das christliche Kreuz als Friedensbringer
und die Uhr als Zeichen des Fortschritts

14.Tag/15.Tag (So/Mo, 4./5.1.)

Morgens Transfer zum Flughafen. Abflug von Dibrugarh um 11:50 Uhr. Ankunft in Calcutta um 13:15 Uhr. Aufenthalt im Hotel Hyatt Regency, Calcutta, bis 23:00 Uhr.

Abflug von Calcutta um 02:45 Uhr (Direktflug). Ankunft in Frankfurt um 09:50 Uhr. (Weil das Flugzeug überbucht ist, erhalten wir Plätze in der Businessclass, so dass uns die 12 Stunden Flug im bequemen Liegesessel nicht so lang werden.)

weiter:

weitere Fotos von Christa Neuenhofer

Erste Reise durchs Nagaland 2003

Informationen zum Nagaland

Weitere Steininschriften

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Die Autoren neben dem Tigerkopf einer Schlitztrommel
mit dem Glück bringenden Trommelschlegel in Gestalt eines Nashornvogels.