1. Halbjahr 2003
Programme der Schreibwerkstatt 1 mit Beispielen
(20.2.03 )
Wörter finden und setzen.
Vom Zufall zur fantastischen Aussage
1) Ausgehend von den Vornamen der Teilnehmer, finden wir zu den einzelnen Buchstaben Wörter, die wir zu einem Nonsens-Satz verbinden. Dabei können Ergänzungsworte hinzugefügt werden. ("Gefüllte Vornamen")
Vgl. Akrostichon: ein Gedicht, bei dem die Anfangsbuchstaben der Verse von oben nach unten gelesen einen Namen ergeben.
2) Wir nutzen den Satz zu einer "verrückten"Aussage über eine Person, indem wir den betreffenden Vornamen als Subjekt verwenden.
Kreative Schreibexperimente, um Wörter zu finden
1. Ein Spiel mit gefaltetem Papier zur Herstellung "surrealer" Sätze, das von den surrealistischen Malern und Schriftstellern gespielt wurde: "einen Satz (oder eine Zeichnung) durch mehrere Personen herstellen, ohne dass eine dieser Personen die Möglichkeit hat, sich über die vorherigen Beiträge der anderen Teilnehmer Klarheit zu verschaffen." Z.B. "Die vorzügliche Leiche wird trinken neuen Wein." (Breton/Eluard, Wörterbuch des Surrealismus, 1938)
2. "Automatisches Schreiben", d.h. spontan und ohne das kontrollierende Bewusstsein und die konventionellen Regeln für den Satzbau und den Wortgebrauch schreiben.
Vom Farbwort zur Gedichtform
1. Wir wählen ein Farbwort und schreiben nach bestimmten Regeln ein Elfchen:
d.h. eine Strophe mit elf Wörtern, die nach bestimmten Wortzahlen auf die Zeilen zu verteilen sind.
1. Zeile ein Wort (Farbwort), 2. Zeile zwei Wörter (Bezugsobjekt), 3. Zeile drei Wörter (Ortsangabe oder nähere Bestimmung), 4. Zeile vier Wörter (Ich-Aussage, Kommentar oder Frage), 5. Zeile ein Wort (Gegensatz oder Pointe)
2. Wir erinnern uns an ein Ereignis, wählen dazu Farbwörter und schreiben mehrere Elfchen.
3. Wir verbinden die Verse mit einem Bild und finden eine gute Präsentationsform.
4. Im Haiku wird eine noch stärkere Reduktion und Kontrolle von Sprache gefordert: diese japanische Kurzform besteht aus drei Zeilen, in denen die Wortsilben gezählt werden. 1. Zeile fünf Silben, 2. Zeile sieben Silben, 3. Zeile wieder fünf Silben. Das Haiku geht von einem Gegenstand oder einer konkreten Natursituation aus und sollte möglichst einen Gegensatz enthalten.
Von der Prosa-Beschreibung zu literarischen Formungen: der Wortfilm
1. Halte einen Bewegungsvorgang als zeitliche Abfolge in einem Satz fest und verteile die Wörter mehrmals über beliebig viele Zeilen.
2. Verändere die Wortfolge, so dass das wichtigste Wort als Pointe am Schluss steht.
3. Spiele mit der Wortfolge und setze unterschiedliche Wortfolgen hintereinander.
4. Wähle eine Formulierung aus, die durch mehrfache Wiederholung den Text strukturiert.
5. Überarbeite einen Text und bereite eine optische Präsentation vor.
Schreibwerkstatt 2
Wörter, Sätze und Erzählungen
Vom Satz zu einer Erzählung
Jeder nimmt einen Zettel und schreibt ein Wort auf einen Zettel und lässt den Zettel im Kreis rundgehen. Am Ende hat jeder etwa sechs Wörter, die in seiner Erzählung vorkommen sollen.
Anfang und Struktur einer Erzählung
Kreatives Schreibspiel für eine Gruppe
Im Kreis schreiben wir in jeweils 10-15 Minuten Fortsetzungsteile einer sich entwickelnden Geschichte. Die Struktur wird vorgegeben. (Schreibzeit etwa eine Stunde)
1. Der erste schreibt in wenigen Sätzen den Beginn einer Handlung, in der ein Ort, eine Zeit und eine Person vorkommen (Exposition)
2. Der zweite entwickelt die Situation weiter, indem er über die vorgefundene Person weitere Informationen niederschreibt. (Charaktereigenschaften)
3. Der dritte spitzt die Situation etwas zu, indem er von dem Hinzukommen einer weiteren Person erzählt. (Konflikte werden angedeutet.)
4. Der vierte schildert eine Auseinandersetzung und benutzt die wörtliche Rede. (erster Höhepunkt)
5. Der fünfte erzählt von einem neuen Ereignis, das die Situation entspannt. (Wendepunkt)
Schreibsituationen finden
1. Die Teilnehmer schreiben einen Brief zum Thema "Ich habe an der VHS einen Schreibkurs belegt". Der Schreiber schreibt dabei in einer ausgedachten Rolle an eine vorgestellte Person.
2. Wir erzählen von der Teilnahme am Kurs als Ich, als Er oder Sie (personaler Erzähler) und als übergeordneter, allwissender Erzähler, der die Situation kommentiert. (Erzählperspektive)
Erzählstil
1. Wir erzählen einen alltäglichen Vorgang in kurzen Sätzen von zwei bis sechs Wörtern. Beispiel: E. Strittmatter, Ochsenkutscher), (Beispiel 6)
2. Wir erzählen denselben Vorgang in langen verschachtelten Bandwurmsätzen . (Beispiel: H. Kleist, Der Zweikampf), (Beispiel 7)
3. Nach stilistischen Vorbildern schreiben. (Beispiele aus lateinamerikanischen Texten)
Verfremdungen
1. Ein lebenswichtiges Geschehen wird auf schlichte Weise z.B. in einer Kindersprache erzählt, in einer einfachen Form z.B. als Märchen erzählt.
2. Ein banaler Vorgang wird in einer hochtrabenden Sprache z.B. im Amtsdeutsch, in der Bibelsprache oder einer historischen Sprache erzählt.
3. Im Text werden wörtliche Redewendungen aus bestimmten Texten verwendet und häufig wiederholt, z.B. Bibelzitate). (Beispiel 5)
Schreibwerkstatt 3
Wörter, Sätze und Dialoge
Vom Wort zur Szene
1. Geschriebener Dialog zwischen zwei Personen als Kreisspiel: Jeder schreibt einen gesprochenen Satz auf einen Zettel und gibt ihn an den linken Nachbarn weiter, der zu dem Satz einen Antwortsatz schreibt.
Der Dritte schreibt einen Hinweis auf eine Situation (Tonfall der Rede, eine Körperbewegung, eine Aktion, ein Geschehen in der Umgebung u.ä.).
Die folgenden drei Schreiber setzen den Dialog fort.
Der letzte Schreiber rundet die Situation ab, indem er einen Ausgang des Gesprächs formuliert.
2. Wir schreiben, angeregt von dem Bild "Sonne in einem Cafe" von E. Hopper, einen Dialog zwischen zwei Personen, bei dem wir nur ein Wort benutzen. (Beispiel 4)
3. Variation: Wir schreiben, ausgehend von dem Bild, einen szenischen Dialog mit Regieanweisungen. (Beispiel 4)
4. Aufführung: Jeweils zwei Teilnehmer setzen sich zusammen und führen eine Szene vor.
Wir überarbeiten die Dialoge zu Hause.
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Wiederholung und Zusammenfassung aller Textformen:
1. Mini-Erzählung (Handlungsablauf) mit Zeitsprung und Ich: Wir schreiben in wenigen Sätzen über zwei Menschen, schildern ihre Begegnung und schreiben über unsere eigene Begegnung mit ihnen zu einem späteren Zeitpunkt.
2. Szene mit drei Personen: Wir setzen die Mini-Erzählung in Dialoge um.
3. Freie Verse: Wir schreiben den Ablauf als Versfolge auf.
4. Elfchen: Wir schreiben zu diesen Begegnungen ein oder mehrere Elfchen.
Schreibwerkstatt 4 mit Beispielen ( 6.7. 03)
Literarische Kurzformen
Stilistische Übungen zur Konzentration und Reduktion von Aussagen (Kurzgedichte)
1. Übung: Reduktion der Zeilen und der Wörter
Wort-Elfchen in 5 Zeilen: Farbe, Gegenstand mit dieser Farbe, wo oder was, Erweiterung der Aussage oder Ich-Satz, Pointe oder Gegensatz als Abschlusswort
Silben-Elfchen: Personalpronomen, Verb, Gegenstand oder Ort, Erweiterung (Zeit...), Schlusswort (Aufforderung...)
Wort/Silben-Schneeball: die Silben- oder Wortzahl nimmt von Zeile zu Zeile zu.
Berggedicht: die Silben- oder Wortzahl nimmt von Zeile zu Zeile zu bis zu einem Scheitelpunkt, von dort reduzieren sich von Zeile zu Zeile die Silben bzw. die Wörter, bis in der letzten Zeile nur noch ein Wort steht.
Ein japanisches Haiku in 3 Zeilen zu 5-7-5 (17) Silben: konkretes Naturbild (Gegenstand-Situation-Gegensatz). Eine Stimmung oder ein flüchtiger Augenblick. Dabei soll nicht die persönliche, subjektive Stimmung ausgesprochen werden. (Beispiel 1)
- Die Wörter in der Betonungsfolge betont-unbetont schreiben (trochäisches Versmaß, das dem japanischen Sprechfluss am nächsten kommt.) (Beispiel 2)
Vorübungen:
- Ein Gedicht in 17 Silben mit beliebiger Aufteilung auf die Zeilen
- Mit einem längeren Wort beginnen, mit einer Rufform (Befehl, Ja.., Wie..)
Erweiterung des Haikus zum Tanka mit 5 Zeilen: 5-7-5-7-7 (31 Silben): die letzten beiden Zeilen enthalten eine Schlussfolgerung oder Stellungnahme zum Naturbild.
2. Übung: Die Wahrnehmung der realen Welt und die Darstellung in einer sprachlichen Welt (Beispiel 3)
Wahrnehmung von Details und direkte Beschreibung: die Farbe eines Gegenstandes
Indirekte Beschreibung: Umwelt, Jahreszeit, Ort, Wetter...
Beschreibung eines alltäglichen Bewegungsvorgangs wie in einem Film
Beschreibung durch Vergleiche: als ein Tier, als eine Pflanze, als ein Gebäude, als ein Buch, als ein Musikinstrument/Musikstück, als ein Kleidungsstück
Wörter und Buchstaben als konkrete Bildelemente
Beispiel 1
Stilübungen zur Entstehung eines neuen Einkaufszentrums an einem ehemals idyllischen Platz an der Borkener Aa
Silbenhaikus
Einschränkungen durch die festlegte Silbenanzahl in jeder Zeile
Wie der Kirchturm grüßt
zwischen Straßen und Dächern
Ohne Glockenklang.
Sommerhügelsand,
Nicht für die Ferienträume,
Laufflächenwege
Unter die Erde
fahren silberne Autos
vom Kaufland träumend.
Die plätschernde Aa
Zwischen den Kauflandmauern
Erinnert Borken.
Beispiel 2
Einschränkungen durch die Betonungsfolge mit regelmäßigem Wechsel von betonter und unbetonter Silbe
Autos kommen. Lauf!
Silbern leuchten Lampen auf.
Traum vom schönen Kauf.
Stumm bleibt jetzt der Klang.
Glockenturm, er grüßt nicht mehr.
Mauern schirmen ab.
Sommerhügelsand
Nicht ein ferner Ferientraum.
Wege für Kommerz.
Sammle wieder Kraft
Zwischen Kauflandmauern Aa.
Borken dankt es dir.
Beispiel 3
Wahrnehmung der realen Welt und die Darstellung in einer sprachlichen Welt
"Dat Städtken so schön."
Wie eine kleine Stadt von einer großen Zukunft träumt
Es war einmal eine kleine, verschlafene Stadt, die lag an einem alten Flussübergang an der Aa. In der Mitte stand eine große, uralte Kirche. Um sie herum hatten die Einwohner ihre Wohnhäuser gebaut und diese hatten sie wieder mit einer hohen Mauer umgeben. Damit sie ihre Feinde schon in der Ferne sehen konnten, hatten sie in fünf Himmelsrichtungen große Schieß- und Beobachtungstürme errichtet. So konnten sie die meiste Zeit ruhig schlafen und kümmerten sich nur um ihr körperliches und seelisches Wohlergehen.
Aber dann kam eine Zeit, wo Mauern und Gebete sie nicht mehr von der übrigen Welt abschirmten. In einer schrecklichen Nacht kamen viele Flugzeuge, flogen über die Mauer und über die Türme und ließen viele Bomben auf die kleine unschuldige Stadt fallen. Da fielen die Häuser zusammen und brannten und viele Menschen mussten sterben. Da war es mit der Gemütlichkeit vorbei und die Einwohner mussten ihre Stadt wieder aufbauen.
Die alten, engen Gässchen und die Reste der alten Häuser wurden beseitigt und Straßen für die neuen Autos angelegt. In den folgenden Jahren wurden die Straßen immer wieder neu gepflastert; mal für die Autos, mal gegen die Autos; mal gegen die Anwohner, mal für die Anwohner. Das brachte viel Unruhe in die kleine Stadt. Die Parteien stritten im Gemeinderat für und gegen eine neue, moderne Zukunft. Einige Leute schrieben in der einzigen Zeitung der Stadt böse Leserbriefe. Aber schließlich ging das Leben weiter. Der Heimatverein wollte ein Stadtmuseum und unter den Eiergehängen auf der Straße die alten Lieder und Tänze der Maitremse aufführen. Die ganz Fortschrittlichen nannten sich Kulturgemeinde und holten die Sänger und Tänzer von anderen, fremden Städten her.
Einige Jahre später erreichte der kulturelle Aufschwung seinen Höhepunkt. Man baute ganz fortschrittlich ein großes Gebäude, in dem es einen Bühnenraum gab und viele Geschäfte und viele Parkplätze für die Autos. Der Männergesangsverein, die Blaskapellen, die Schützenkönige und viele andere Volksvereine hatten hier einen Versammlungsort. In einem Nebentrakt wurde sogar eine Bibliothek mit frommen und anständigen Büchern eingerichtet. Die kleine Stadt hatte jetzt neben der großen Kirche und dem großen Marktplatz noch einen großen Mittelpunkt. Das Selbst-
bewusstsein der Politiker und Einwohner stieg ins Unermessliche. Welcher Ort hatte so viele Mittelpunkte. Dazu kam, dass die kleine Stadt selbst zum Mittelpunkt einer weiten Landschaft mit vielen Städten und Dörfern auserwählt wurde. Sie wurde Verwaltungszentrum eines neuen großen Kreises. Jetzt mussten viele Menschen von weit her fahren, wenn sie zur Kreisverwaltung und zum Finanzamt mussten. Die Geschäftsleute, Politiker und Einwohner meinten, dass es nunmehr nichts zu verbessern gäbe. Aus voller Seele sangen sie bei jeder Gelegenheit ihr Lied "es giv man nur een Borken..."
Um der kleinen Stadt auch einen Platz in der großen Welt zu geben, suchten die Stadtväter überall im europäischen Ausland nach anderen kleinen Städten, um mit ihnen eine Partnerschaftsehe zu schließen. Dann stellten sie an allen Straßen Schilder mit den neuen Verwandten auf, die verkündeten, dass die Borkener jetzt in eine europäische Zukunft eingetreten seien. Als dann von den anderen Städten Abgesandte eintrafen und dem Bürgermeister im Rathaus die Hand schüttelten, glaubten alle, jetzt sei die kleine Stadt an der Aa zum Mittelpunkt einer europäischen Region geworden und die Stadtväter träumten davon, sich um den Status einer Großstadt zu bewerben mit einem Oberstadtdirektor.
Das aber war dem lieben Gott zuviel des Hochmutes. Er ließ den Stadtrat wissen, jetzt sei das Maß voll. Der hielt sich an die drei bekannten chinesischen Affen. Er verschloss die Ohren, hielt die Augen bedeckt und verschloss den Mund. So kam es denn, wie es kommt, wenn sich der Herrgott um die Sünden der Menschen kümmert. War es eine Strafe für den Hochmut oder war es ein Wink mit dem Himmels- schlüssel? Die weiteren Jahre jedenfalls entwickelten sich nicht mehr zufrieden- stellend. Immer weniger Einwohner kamen mit ihren Autos in die Stadt, immer weniger Leute kauften in den Geschäften. Vorübergehend füllte man die leeren Geschäfte mit Kunstbildern und Skulpturen, dann setzen sich Kneipenwirte hinein und luden Musiker ein. Auf dem Marktplatz wurde ein großes weißes Segel aufgespannt, unter dem sich im Sommer die Leute versammeln sollten.
In dieser Zeit des wirtschaftlichen Niederganges kamen die Stadtväter und der Stadtdirektor zusammen und verkündeten, wir haben den Schlüssel (den Himmelsschlüssel?) für einen wirtschaftlichen Aufschwung, für eine positive Zukunft unserer Stadt, wir werden unsere wunderschöne Stadt wieder zum Mittelpunkt der Region machen. Sie schauten in die Stadtkasse, ließen sich von einer süddeutschen Stiftung einen Zukunftsschlüssel anfertigen und begannen zusammen mit der Stiftung ein Schlaraffenland zu bauen. Aber sie wollten es nicht Schlaraffenland, Fantasialand, Land der Schildbürger, Land des Stadtdirektors, Land der regierenden CDU nennen, nein, Kaufland sollte der Name sein. Nicht nur diejenigen, die an der Kreisbehörde ihr Auto anmelden wollten oder im Finanzamt ihre Steuererklärung abgeben mussten, sollten hier ihr Glück einkaufen, sondern alle sollten kommen. Deshalb suchten sie einen wunderschönen Platz an der Aa aus. Fast im Schatten der altehrwürdigen Pfarrkirche, fast im Zentrum der Stadt sollte so ein neuer, zeitgemäßer Mittelpunkt entstehen. In einer Zeit des allgemeinen wirtschaftlichen Abschwungs wollten sie den Bürgern und der Stadt zu einem gewaltigen Auf- schwung verhelfen. Gegen diese Richtung himmelwärts konnte auch der liebe Gott nichts einwenden, und schließlich überragte der Kirchturm ja immer noch die Kaufpaläste.
Eines Tages werde ich unten in den Betonhallen des Kauflandes stehen, einen Aufgang ins Licht suchen, dem Klang der Glocken vom Kirchturm folgen und dann draußen vor den riesigen Metall- und Betonwänden stehen, auf das kleine Wasser der Aa hinunter schauen und zwischen den Motoren der ankommenden Autos ein Lied aus einer anderen Zeit hören:
"Gemütlick is Borken, pläseerig dat Volk....et giw mehr een Borken,
.....dat Städtken so schön." (G.N. April 2003)
Beispiel 4
Dialog mit nur einem Sprechwort
Kurzszene nach einem Bild von E.Hopper 1
Beziehungen
Mann in Anzug mit Krawatte, mit geschlossenen Augen, verzieht schmerzvoll das Gesicht.
Frau: Sie !
Pause. Mann atmet schwer
Frau: He !
Pause. Der Mann stützt seinen Kopf in seine Hände.
Frau: Wasser ?
Frau ruft: Bedienung !
Die Frau geht mit ihrem Wasserglas an seinen Tisch.
Er reagiert nicht. Sie zuckt mit den Schultern und geht wieder an ihren Tisch.
Mann: Ja
Er öffnet die Augen und sieht sie an.
Mann: Sie !
Er schiebt den Tisch zu Seite, öffnet seine Krawatte.
Mann laut: He !
Er zieht seine Jacke aus und wirft sie auf den Tisch.
Er zeigt auf ihr Wasserglas.
Mann schreiend: Wasser !
Er steht auf und stolpert.
Sie reicht ihm das Wasserglas und schaut ängstlich zur Tür.
Frau: Bedienung !
Der Mann nimmt das Glas, trinkt es aus, lässt sich auf einen Stuhl neben der Frau fallen, reißt die Augen auf, hebt eine Faust hoch zum Schlag.
Eine weitere Frau mit Polizisten erscheint in der Tür, zeigt auf ihn.
Frau: Ja !
Der Mann weicht zurück an seinen Tisch, fällt auf seinen Stuhl und bedeckt sein Gesicht mit den Händen, während alle ihn anschauen.
Beispiel 5
Dialog mit Bibelzitaten
Kurzszene nach einem Bild von E.Hopper 2
Mann und Frau
Cafe.
Ein Mann in schwarzem Anzug und Krawatte sitzt mit geschlossenen Augen an einem Tisch.
Eine Frau sitzt ihm gegenüber an einem anderen Tisch in einem Sommerkleid vor einem Glas Wasser.
Beide blicken sich nicht an. Er atmet schwer und bewegt mehrmals die Lippen.
Schließlich versteht man einige Worte.
Mann: Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Wer bei mir bleibt....
Sie schaut Hilfe suchend zur Tür.
Mann: Wer bei mir bleibt...
Sie: Ist Dir nicht wohl?
Mann: Wer nicht für mich ist. Er dreht sich zu der Frau hin. Wer nicht für mich ist, wird weggeworfen.
Sie steht auf und geht an seinen Tisch.
Frau: Willst Du ein Glas Wasser?
Der Mann schaut sie mit weit aufgerissenen Augen an und hebt kurz die Schultern: Wird weggeworfen und verdorrt.
Er reißt ihr das Glas Wasser aus der Hand und leert es in einem Zug.
Als er aufsteht, nimmt die Frau ihre Jacke und verlässt den Raum.
Sie schaut von draußen durch das Fenster herein.
Mann zum Fenster hin: Sind wir nicht Frau und Mann? Gehören wir nicht zusammen?
Das Gesicht der Frau verschwindet.
Er dreht sich zum Publikum.
Mann: Wissen Sie, ich bin mit ihr verheiratet.
Er hält den Atem an und starrt ins Leere.
Die Kellnerin betritt den Raum und stellt einen Kaffee auf den Tisch der Frau und fragt ihn: Sie bezahlen?
Er dreht sich um und geht wortlos zum Stuhl seiner Frau, setzt sich und lächelt: Ich bezahle alles. Die Welt ist mein Feld. Als Sieger hebe ich hoch mein Haupt.
Er nimmt Zucker und Milch.
Er hebt seinen Kopf, schaut zum Publikum und trinkt lächelnd seinen Kaffee.
Mann: Ich bezahle.
Beispiel 6
In kurzen Sätzen erzählen
Bagdad1
Eine Nacht im März 2003
Es ist Abend. Die Bäume haben Gesichter. Die Häuser sind schwarze Klötze mit weißen Rändern. Die fünfjährige Karla sitzt im dunklen Zimmer. Sie fürchtet sich allein. Die Kälte kriecht an ihren Beinen hoch. Ihre Eltern sind ausgegangen. Karla nimmt eine Streichholzschachtel. Sie streicht den Schwefelkopf, bis er glüht. Sie hält die Flamme an einen Docht. Die Osterkerze brennt.
Es ist Nacht. Der Vater öffnet die Tür. Die Schränke haben keine Gesichter. Sie haben Ecken. Au, ruft der Vater. Er horcht, ob Karla schläft. In seine Nase dringt der Rauch. Der Schrecken kriecht über seinen Rücken. Er schnippt mit dem Daumen. Das Feuerzeug flammt auf. Der Teppich hat ein schwarzes Loch.
Es ist Mitternacht. Karla liegt in ihrem Bett. Der Vater liegt mit der Mutter im Bett. O weh, denkt der Vater. O je, denkt die Mutter. Hinter dem Fenster ziehen Wolken. Der Brandgeruch kriecht in die Betten. Die Eltern können nicht schlafen. Die Mutter drückt auf den Knopf. Die Lampe leuchtet. Im Zimmer wandern die Schatten.
Es ist früher Morgen in Washington. Der Präsident sieht keine Schatten. Er fühlt sich gut: Ich bin mit mir im Frieden. Dann nimmt er seine Superbomben. Er wirft sie hoch ohne Furcht. Die Häuser werden zu Särgen. Der Tod kriecht durch die Straßen. Die Landkarte hat ein schwarzes Loch.
Beispiel 7
In einem langen Satz erzählen.
Bagdad 2
In der Nacht, als die ersten Superbomben auf Befehl des amerikanischen Präsidenten auf Bagdad fallen, wälzen sich die Eltern der fünfjährigen Karla schlaflos im Bett und denken voll Schrecken an die Todesgefahr für ihre kleine Tochter und für die Nachbarn durch das Feuer im Zimmer, das Ihre Tochter in ihrer Abwesenheit entfacht hat, indem sie mit einem Streichholz eine Kerze entzünden wollte, um ihre Angst vor den schwarzen Schatten zu vertreiben, die der amerikanische Präsident nicht kennt, obwohl er weiß, dass sein Befehl viele Menschen in den Tod schicken wird.
Mit sich im Frieden sein
"Wie nur irgendjemand mit sich im Frieden sein kann, bin ich mit mir über diese Sache im Frieden.", sagte Bush wenige Tage vor dem Angriffsbefehl und ging wie immer früh ins Bett, nachdem er Gott um Beistand und Segen gebeten hatte.
Beispiel 8
Einen Text zu einem Bild schreiben, auf verschiedene Weise gruppieren und auf die Zeilen verteilen.
Bush1 - 3
ein mann im dunklen anzug wie er mit weiten schritten
herankommt quer durch die weißen kreuze
mit den füßen zwischen den kreuzen
im dunklen anzug
mit blitzenden augen
Mr. President
Ein Mann
Im dunklen Anzug
Stramm wie
Er
Herankommt
Sein Schatten
Zwischen
den weißen Kreuzen
Sein Schatten
zwischen
den schwarzen Soldaten
Stramm wie
Er
Vorbeigeht
Mit strahlenden Augen
Im dunklen Anzug
Verkündet
Krieg
Texte: G. Neuenhofer
s. weitere Texte aus Schreibkursen : www.neuenhofer.de/guenter