VHS, Schreibwerkstatt
Programmankündigung für 2004 –II.
Schreiben in literarischen Formen. Einige Menschen schreiben Tagebücher und Briefe.
Der Kurs leitet dazu an, Erlebnisse und Erinnerungen in eine andere, komprimierte Form zu bringen. In gemeinsamen Schreibspielen, in der Nachahmung moderner Kurztexte und bei der gemeinsamen Besprechung der Texte erfährt der Kursteilnehmer die Freude am kreativen Schreibprozess und die sprachliche Qualität eines Textes.
Die Programme der letzten Kurse mit den entstandenen Texten sind im Internet nachzulesen: www.neuenhofer.de/guenter/schreibwerkstatt/2003-II.html
6x, 14tägig , voraussichtliche Termine: 22.9./6.10./3.11./17.11./1.12./15.12.2004
VHS-Kurs 2004 –I, Termine: 10.3. /24.3./28.4./12.5./26.5./9.6.2004.
Schreibwerkstatt 1
Borken, 10.3.04
Verse und Romananfänge
Kurztexte nach vorgegebener Struktur schreiben:
1. Vorgabe: die Wörter gestern – heute – morgen
2. Vorgabe: erst – dann - vielleicht – dann – dann
3. Den ersten Satz eines Romans schreiben, in dem die Ereignisse und der Konflikt angedeutet werden:
Im ....(Zeitangabe),
als ich .....(Aussage über den Erzähler und eine wichtige Bezugsperson),
da ......(Aussage über die Hauptperson des Romans und ein wichtiges Ereignis, das einen Konflikt herauf beschwören könnte.)
Originale Muster
1. (Erich Fried)
Gestern fing ich an
sprechen zu lernen
Heute lerne ich schweigen
Morgen höre ich
Zu lernen auf
2. (Erich Fried)
Totschlagen
Erst die Zeit
Dann eine Fliege
Vielleicht eine Maus
Dann möglichst viele Menschen
Dann wieder die Zeit
3. Richard Ford: Wildlife, 1990
Im Herbst 1960, als ich sechzehn war und mein Vater eine Zeitlang nicht arbeitete, lernte meine Mutter einen Mann namens Warren Miller kennen und verliebte sich in ihn.
Beispiele (G.Neuenhofer):
Vorgabe: gestern-heute-morgen
samstag
gestern blühten schon die krokusse
heute bedeckt schnee die blüten
morgen fahre ich in ein anderes land
sonntag
gestern stand mir der kopf noch woanders
heute lese ich telefonbücher
morgen werde ich silben singen
montag
gestern bin ich angekommen
heute hab ich hände aus moos
morgen hör ich die trommeln des mandirs
Vorgabe: erst-dann-vielleicht-dann-dann
Totschweigen
Erst nein nicht das
Dann ein heiseres Flüstern
Vielleicht ein Aufstöhnen
Dann ein endloses Würgen
Dann wieder ein stummes Atmen
Anfang einer Erzählung mit einem langen Satz:
Im Frühjahr1942, als ich 5 Jahre war und mein Freund Paul mich beim Ringkampf mit einem raffinierten Nackenkneiftrick in den Schwitzkasten nahm, fielen drei schwere Fliegerbomben auf unser Haus, so dass mein Vater, der auf Grund eines Wehrmachteinsatzes nicht mehr richtig gehen und nicht lange stehen konnte, als Haushilfe Frau Matuschak gegen den Willen meiner Mutter ins Haus nahm und sich mehr um sie kümmerte als um seine Familie.
Schreibwerkstatt 2 Borken, 24.3.04
Die Teilnehmer lesen die zu Hause entstandenen Texte vor, drei mögliche erste Sätze einer Erzählung, die neugierig machen auf den weiteren Text und damit einen Spannungsbogen zum Schluss hin aufbauen.
Der erste Satz einer Erzählung
1. Die Personen und den Konflikt in einem einzigen langen Satz vorstellen.
Inhaltliche Vorgaben: Zeitangabe, Aussage über den Erzähler und eine wichtige Bezugsperson, Aussage über die Hauptperson des Romans und ein wichtiges Ereignis, das einen Konflikt herauf beschwören könnte.
Beispiel: Richard Ford: Wildlife, 1990
Im Herbst 1960, als ich sechzehn war und mein Vater eine Zeitlang nicht arbeitete, lernte meine Mutter einen Mann namens Warren Miller kennen und verliebte sich in ihn.
2. Eine Eingangssituation in kurzen Sätzen darstellen, die einen Konflikt und das Verhältnis der Hauptpersonen zueinander andeutet.
Inhaltliche Vorgaben: ein Geräusch, Reaktion der Hauptperson, zweite Person, neues Geräusch, Erklärung der Situation aus der Sicht einer Person.
Beispiel: Erwin Strittmatter;
Der Ochsenkutscher, 1996
Es klatscht. Lope fährt aus seinem Traum in die Wirklichkeit. Seine rechte Wange brennt. Er ist hellwach und setzt sich im Bett auf. Mutters wehende Rockfahne verschwindet bei der Tür. Das Türschloss schnappt knallend ein. – Eine Ohrfeige. Er hat eine Ohrfeige erhalten, weiter nichts. Lope kennt das. Mutter hatte ihn geweckt, er schlief wieder ein, sie wurde ärgerlich.
Ergebnisse: In einem langen Satz schreiben, eigenes Beispiel.
Im Frühjahr1942, als ich 5 Jahre war und mein Freund Paul mich beim Ringkampf mit einem raffinierten Nackenkneiftrick in den Schwitzkasten nahm, fielen drei schwere Fliegerbomben auf unser Haus, so dass mein Vater, der auf Grund eines Wehrmachteinsatzes nicht mehr richtig gehen und nicht lange stehen konnte, als Haushilfe Frau Matuschak gegen den Willen meiner Mutter ins Haus nahm und sich mehr um sie kümmerte als um seine Familie.
In kurzen Sätzen schreiben.
Wieder ein Schlag. Von der Decke rieselte der Staub. Die hölzerne Stützsäule zitterte. Der Boden bebte. Grete presste ihre Hände gegen die Ohren und ihr Gesicht auf die Brust. Sie rang nach Luft. Eine Hand zog ihr die Decke weg, die sie über den Kopf gezogen hatte. Der nächste Schlag schleuderte sie gegen eine Wand. Ihr Atem stockte. Sie hörte die heulenden Sirenen, die einen Luftangriff ankündigten nur in der Ferne.
Es war der erste Luftangriff der Engländer im Jahr 1942, den sie mit ihrem Mann, der wegen einer Beinverletzung aus der Wehrmacht entlassen worden war, und ihren beiden kleinen Kindern erlebte. Es war schrecklich. Sie war keine tapfere Frau mit starken Nerven. Und ihr Mann verlangte ihr manches ab in dieser Zeit.
Stiländerungen, Beginn einer Erzählung durch dramatische Schilderung der Situation in kurzen Sätzen
Au! Heinz öffnet den Arm. Paul befreit sich schnell. Sein Nackenkneiftrick hatte wieder funktioniert. Heinz reibt sich das Genick. Auf der anderen Straßenseite hört er noch das Klirren der Eisen von den Ledersohlen Pauls. Paul ist ein hinterlistiges Schwein. – Er sieht die Schmutzflecken an seiner Hose. Zwei Knöpfe fehlen an seinem Hemd. So kann er nicht nach Hause. Seine Mutter, na ja, aber vor seinem Vater hat er Angst. Der ist jähzornig, besonders seit er wegen seiner Kriegsverletzung Schmerzen im Bein hat. Nur in Gegenwart der Frau Matuschak hat er bessere Laune. Heinz klopft den Dreck von der Hose. Er wird noch etwas in den Trümmern der Kirche bleiben, den richtigen Zeitpunkt abwarten.
Kreatives Kreisschreibspiel :Zufällige Sätze
Jeder Teilnehmer schreibt einen Satz auf einen Zettel, der im Kreis weitergegeben wird.
Die Sätze dienen als Vorgaben für Texte. Beispiel:
Aufrecht sitzt er und nichts sieht er, der Paul.
Wo war er nur?
Er war in der Strohscheune am
Musizieren.
Genau weiß er nicht, wie er mit
seiner Geige hierher gekommen ist.
Er erinnert sich nur noch an
Bruchstücke: Das Fest und der schwere Wein...dann der wilde Tanz...und dann
Filmriss.
„Das kommt davon!“ dachte er.
Dem Wunsch, die Geige des
Musikanten selbstdarstellerisch zu spielen, hatte er in der Nacht zügellos
nachgegeben.
Aufgabe: ausgehend von den Sätzen Verse schreiben. Beispiel:
Scheunenklagen
Aufrecht sitzt er und nichts sieht er,
Unser Paul der Schwerenöter
Weiß nicht wie und was und wo
Zwischen vielen Ballen Stroh
In der Hand die Violine
In dem Kopf das Bild von Fine
Ja, das war es, Fines Hochzeit
Wein auf Bier und Bier auf Wein
Und ein wildes Spiel mit Hein
Ach, wie tut es jetzt ihm leid,
brummt im Kopf die Melodei
von der Nacht mit Hein und Fine
die auf Reisen in der Ferne.
Darum schreibt er auf das Lied
von der Not nach Suff und Streit
und von seinem großen Leid.
Schreibt von schönen Jugendtagen
Ohne Streit und ohne Schlagen.
Ach, hört meine Scheunen-Klagen.
Schreibwerkstatt 3
Borken, 28.4.04
„Welt“ einfangen oder erschaffen.
Die Angelhaken, mit denen du eine Welt einfängst oder
erschaffst, können z.B. die Personalpronomen ich-du-er-sie-es-wir-ihr-sie sein.
Schreibe ein Gedicht.
Beispiele:
Ich bin Pazifist
Du kannst keiner Fliege etwas zu Leide tun
Er ist nicht zimperlich
Wir garantieren den Frieden
Ihr seid das alte Europa
Sie werden uns noch kennen lernen
(Claudia Wiemer)
wer spricht hier
hat gesprochen
ich glaub nicht an ihn
du hoffst auf ihn
er sagt soll sie es besser machen
wir streiten nicht mit
ihr besserwisser
sie haben nichts zu lachen
wer hat hier was
verbrochen
(Günter Neuenhofer)
Die anderen und Du
Schreibe 4 Aussagen über bestimmte Menschen in Form von dass-Sätzen und füge als Abschluss einen Ich-Satz hinzu, in dem du eine gegenteilige Haltung ausdrückst.
Beispiel:
Nicht mutig ( Marie Luise Kaschnitz)
Die Mutigen wissen
Dass sie nicht auferstehen
Dass kein Fleisch um sie wächst
Am jüngsten Morgen
Dass sie nichts mehr erinnern
Niemandem wiederbegegnen
Dass nichts ihrer wartet
Keine Seligkeit
Keine Folter
Ich
Bin nicht mutig
Die
arbeitslosen wissen
Daß es für sie keine
Arbeit gibt,
Daß sie
herumsitzen werden
Auch
im nächsten Jahr
Daß niemand sie
braucht
Daß ihnen die
Hoffnung stirbt
Kein
Fortschritt
Nur
Rückschritt
Ich
arbeite noch
Der
Muntermacher
Der
Muntere weiß
Daß er Elan hat
Daß er
erfolgreich ist
An
jedem Tag
Daß er das
Ergebnis steigert
Daß er gelobt
wird
Von
vielen
Die
ihn beneiden
Ich
aber nicht
Immer müde
Der
Müde weiß
Daß er ins Bett müßte
Daß er sich
dorthin sehnt
Auch
an diesem Abend
Daß er noch eine
Aufgabe hat
Daß er sie
abliefern muß
Die
Zeit weitergeht
Unerbittlich
Wie
die Müdigkeit
Ich
gehe in`s Bett
Stilübungen: Erzählperspektiven.
Schreiben als Ich, im Gespräch als Du und als Er.
Schreibspiel: Jeder schreibt 10 Minuten. Der Nächste im Kreis wechselt jeweils die Erzählperspektive.
Romananfang: ein Heranführen durch allmähliche Annäherung vom Äußeren zum verborgenen Inneren. Blickpunkt von der Straße aus.
Erzählteile: Handlungsort: Wo, wann, was, wie. Personen: 1. Person: wann (Jahreszeit, Tageszeit), wo, wie, was, (bestimmte Situation, Art der Tätigkeit), 2. Person: wer, wörtliche Rede, Andeutung eines Konflikts. Beschreibung der Person.
Beispiel: Theodor Fontane, Irrungen Wirrungen
An dem Schnittpunkte von
Kurfürstendamm und Kurfürstenstraße, schräg gegenüber dem „Zoologischen“ befand
sich in der Mitte der 70er Jahre noch eine große, feldeinwärts
sich erstreckende Gärtnerei, deren kleines, dreifenstriges, in einem
Vorgärtchen um etwa hundert Schritte zurückgelegenes Wohnhaus, trotz aller
Kleinheit und Zurückgezogenheit, von der vorübergehenden Straße her sehr wohl
erkannt werden konnte. Was aber sonst noch….war versteckt….ließ vermuten…, ihre
Bestätigung fand. Wo…, das entzog sich freilich der Wahrnehmung, obwohl….
Überhaupt schien sich nichts mit Absicht verbergen zu wollen, und doch musste
jeder…
Es war die Woche. Heut aber… Frau
N. selbst aber saß wie gewöhnlich…. Dabei hielt die Alte beide Hände…und war so
versunken in…dass sie nicht hörte, wie die nach dem Flur hinausführende Tür
aufging und eine robuste Frauensperson ziemlich geräuschvoll eintrat.
Schreiben in Bildform
Schreibe eines deiner alten Gedichte in Bildform, indem du die Buchstaben und Worte als Zeichenstift benutzt. Schreibe z.B. in Herz-, Haus- oder Baumform.
Du du du du
du dud uud uud dudu du
Du du du du du
dud uud uud
dudu du
Du du du
du du dud uud uud
dudu du
Du du du du du
dud uud uud
dudu du
Du du du du du
dud uud uud dudu du ich
Du du du
du du dud uud uud
dudu du Du du du du du
dud uud uud dudu du
Unter Verwendung der Erzählteile aus der Übung drei Erzählperspektiven und der vorgegebenen Gedichtstruktur ist das folgende Gedicht entstanden:
Er weiß
Dass es so nicht weitergehen kann
Dass er mit ihm sprechen muss
Über die Schlüsselerlebnisse der
letzten Jahre
Dass er nicht immer alles im
Griff hat
Obwohl alle den Eindruck haben
Er sei ruhig und besonnen
Dass das tägliche Chaos im
Betrieb und in der Familie
Ihn nicht aus der Fassung bringen
Ich weiß
Er wird es nicht tun
Nicht um seinetwillen
Nicht um meinetwillen
Ich kann ihm nicht helfen
Dort, wo die Hindenburgstraße auf
die Steinstraße trifft, von der Post her kommend, nur 20 m seitwärts der
Pfarrkirche, schaut man auf den runden Balkon und das helle Eckhaus, das in den
30er Jahren des 20 Jhs vor ein älteres Wohnhaus in
dunklem, rheinischem Klinker gebaut worden ist, und in früherer Zeit sozusagen
den modernen Mittelpunkt des Dorfes bildete neben dem älteren Mittelpunkt auf
der anderen Seite Kirche, wo die Brauerei Hannen Alt und einige Kneipen, in
denen sich die Schützenvereine St. Hubertus und St Andreas und der
Männergesangverein trafen, sich um einen Marktplatz gruppierten. Seitwärta zur Kirche hin fällt der Blick auf eine dunkle
Mauer, die den Einblick in einen Innenhof verbirgt, aber nicht die grellen Töne
einer sich überschlagenden, hellen Stimme und die manchmal heraus gebellten
Worte einer Mannes. Vielleicht war die Mauer, die eher auf einen Gefängnishof
hinzuweisen schien als auf einen erholsamen Garten oder einen Kinderspielplatz,
wie ein gnädiger Vorhang, der die intime Seite des Familienlebens den Blicken
der Vorübergehenden entzog.
Es war im Sommer 1941. Während
die menschenleere Straße in ein helles Licht getaucht war, lag die Vorderfront
des weißen Hauses im Schatten des Abends. Seltsamerweise befand sich niemand
heute auf der Straße.
Schreibwerkstatt 4
Borken, 12.5.04
1. Vorlesen und Besprechen der Hausaufgaben
2. Thema: Die Zeit vergeht.
Aufgabe: Stelle den zeitlichen Vorgang auf zweierlei Art dar. Einmal durch eine Reihung von Wie-Vergleichen und durch eine Aneinanderreihung von einfachsten Kurzsätzen.
Nimm für die Vergleiche Zufallswörter aus einem Wörterbuch.
Gedichtmuster
I. Ernesto Cardenal:
Wie leere
Bierdosen und die Stummel
erkalteter Zigaretten gingen meine Tage vorbei.
Wie Gestalten, die über den Fernsehschirm huschen
und verschwinden, so zog mein Leben vorüber.
Wie die Autos, die auf den Landstraßen dahinglitten,
voll Mädchenlachen und Radiomusik…
Und auch das Schöne verschwand rasch wie Automodelle
und wie aus der Mode gekommene Schlager.
Von all jenen Tagen blieb nichts, nichts
als leere Dosen, erkaltete Kippen,
Lachen aus vergilbten Fotos, abgerissene Billets und
das Sägemehl, mit dem man im Morgengrauen die Bars ausfegte.
II. Fernando Silva:
La Llena
(Regen in den Tropen)
Der Fluss ist voll Regenwasser
Die Landschaft ist undurchsichtig.
Der Fluss ist schmutzig.
Der Regen hört nicht auf.
Das Flussbett wird breiter.
Große Pfützen bilden sich.
Die Boote kommen bis an die Bürgersteige.
Die Hühner sterben.
Die Kühe scharen sich im Gebirge zusammen.
Es gibt wilde Ameisen.
In den Tortillas sammelt sich Schimmel an.
Zucker und Salz werden einfach zu Wasser.
Die Zigarren weichen auf.
Die Kleidung hängt an Bindfäden über den Bürgersteigen.
Der Nachmittag bleibt im Gewölk verborgen,
und es dunkelt rasch.
H.Bruning
Am Meer
Wie ein unverhofftes Geschenk ist der Spaziergang am menschenleeren Strand.
Wie Gold glänzt die Abendsonne am Horizont und verwebt sich mit dem Blau des Meeres.
Wie Spitzen an Omas Sonntagsbluse kräuseln sich die Schaumkronen in der Ferne.
Wie auf Zuckerwatte versinken meine Füße im Sand und hinterlassen eine Spur, die gleich vom Wasser überspült wird.
Wie Sand, der durch meine Hände rieselt, verrinnen die Jahre.
Wie ein eitler Gockel versucht der junge Mann, den kichernden Mädchen im Strandkorb mit seinen Surfkünsten zu imponieren.
Wie eine Möwe gleitet er auf seinem Brett dahin, ehe ihn die große Welle wie eine ausgequetschte Zahnpastatube hin und her schleudert.
Die Zeit vergeht
Der Himmel ist verhangen. Wolken sind wie Berge aufgetürmt.
Plötzliche Windstille. Die Luft wirkt explosiv. Es ist unbehaglich.
In der Ferne ein Blitz. Danach dumpfes Donnergrollen.
Rundum jagen sich Blitz und Donner.
Die Einschläge kommen näher. Angst steigt hoch.
Regen platscht heftig nieder. Dachrinnen quillen über.
Scheibenwischer kämpfen mit Wassermassen. Nasse Wäsche schlabbert lustlos auf der Leine.
Felder schwimmen in großen Pfützen. Kurze Zeit später ist der Spuk verschwunden.
Der Himmel leuchtet wieder klar. Die Sonne kommt hervor.
Claudia Wiemer
Kalter Kaffee
Wie ein nie gefasster Plan
wie kalt gewordener Kaffee
und unbeschriebenes Papier
verging bisher mein Leben
Warum nur
habe ich nie
den Plan gefasst
wenigstens den Kaffee
zu trinken
solange er noch heiß war
Viele Blätter
hätten dann nicht
unbeschrieben
bleiben müssen
Unbequem
Manchmal denke ich ...
...wie ein Dorn im Auge
wie ein Stachel im Fleisch
und der Stein des Anstoßes
im Schuh der anderen
gehe ich durchs Leben
Aber besser so
als unbemerkt
zu bleiben..
Günter Neuenhofer:
ToiToiToi
Wie jemand, der mich braucht, kam sie angedackelt,
bauchpinselte mich mit ihren Veilchenaugen
wie die Venus vom Niederrhein.
O Aphrodite,
du hast mich süß gelöchert
wie die Sonne nach Westen hin.
Jetzt bade ich aus deine Suppe
wie abgestandenes Bier.
Auftanken wollte ich Traumwelt
wie ein unbedarfter Zögling.
Macht einen Schnack zum Abschied
wie ein linker Kumpan,
du Chromschnauze aus alter Zeit.
Bodensatz
Der Brief steckt im seidenen Umschlag.
Der Bogen klebt fest vom Gewusstwo.
Die Anrede spricht von Liebe.
Die Buchstaben schwimmen in blau.
Die Träume sinken zu Boden.
Zwischen Worten hängt Gespinst.
Es gibt zu viele Blasen.
Die Zeilen spülen sich quer.
Der Abschied hängt am Faden.
Das Schlusswort bleibt.
Schreibwerkstatt 5
Borken, 9. 6. 04
Benutze die aufgelesenen Sätze, um nach dem formalen Muster der beiden Beispiele eine ungewöhnliche Szene zu schreiben. Denke an Regieanweisungen und Kulissen.
Musterbeispiele
1. Zwei Personen, vorwiegend Selbstgespräche
Glückliche Tage von Samuel Beckett, 2.Akt.
(Winnie, eine Frau um die Fünfzig, Willie, ein Mann um die Sechzig)
……..
Winnie:……..Leise: Manchmal höre ich Geräusche. Lauschender Gesichtsausdruck. Normale Stimme: Aber nicht oft. Pause. Sie sind ein Segen, Geräusche sind ein Segen, sie helfen mir…durch den Tag. Lächeln. Der alte Stil! Lächeln verschwindet. Ja, das sind glückliche Tage, wenn es Geräusche gibt. Pause. Wenn ich Geräusche höre. Pause. Früher dachte ich…Pause…ich sage, früher dachte ich, sie wären in meinem Kopf. Lächeln. Aber nein. Lächeln wird breiter. Nein, nein. Lächeln verschwindet. Das war nur Logik. Pause. Nicht restlos. Pause. Etwas bleibt übrig. Pause. Geräusche. Pause. Wie leises Knistern, leises Bersten…Zusammenbrechen. Pause. Leiser: Es sind Dinge, Willie….
….
Willie gerade noch hörbar: Win.
Pause. Winnies Augen geradeaus. Ein glücklicher Ausdruck tritt in ihr Gesicht und wird stärker.
Winnie: Win! Pause. Oh, dies ist ein glücklicher Tag, dies wird wieder ein glücklicher Tag gewesen sein! Pause. Trotz allem. Pause. Bislang.
Pause. Sie summt versuchsweise den Anfang ihres Gesangs, die Spieldosenmelodie, und singt dann sanft:
Lippen schweigen,
`s flüstern Geigen:
Hab mich lieb!
….
Pause. Glücklicher Gesichtsausdruck verschwindet. Sie schließt die Augen…Sie richtet ihre Augen lächelnd auf Willie, der immer noch, auf Hände und Knie gestützt, zu ihr hinaufbllickt. Lächeln verschwindet. Sie sehen sich an. Lange Pause
Eine Szene kann „verrückt“ erscheinen durch die zusammengeführten Personen, durch den Ort, durch die Zeit und durch eine „neue Sprache“, die bestimmte Floskeln verändert.
2. Zwei Personen, stilisierte Sprechform, ähnlich wie in einem Gedicht, veränderte neue Wörter
szenen aus dem wirklichen leben von Ernst Jandl, 4. Szene
4. aufforderung und ablehnung (f = frau, m1 = erster mann)
m1 :kommen sie mit mühe
kommen sie mit mühe
kommen sie mit mühe
f (während das licht auf sie stärker wird)
: viel leucht
m1 : kommen sie mit mühe
kommen sie mit mühe
kommen sie mit mühe
f (während das licht auf sie schwächer wird….)
: acht neun
(…allmählich verlöscht und wieder aufleuchtet)
m1 : kommen sie mit mühe
kommen sie mit mühe
f (während das licht auf sie wieder stärker wird)
: ffffffleucht
m1 : kommen sie mit mühe
kommen sie mit mühe
f (während das licht auf sie schwächer wird….)
: c----hneun
(…allmählich verlöscht und wieder aufleuchtet)
m1 : kommen sie mit mühe
f (während das licht auf sie stärker wird)
: LEUCHT
m1 : kommen sie mit mühe
f (während das licht auf sie verlöscht)
: NEUN
Ergebnisse - Beispiele
Vorgegebene Sätze
Ich bin zuversichtlich, dass das Gute (Freiheit und Demokratie) die Oberhand behalten wird.
- weil heute so ein schöner Tag ist.
Deshalb werden wir die Feinde bekämpfen, wo immer sie sich auf der Welt verbergen.
Das ist die große Herausforderung unserer Zeit, der Sturm, in dem wir fliegen.
Der beste Weg sich zu verteidigen, ist, in der Offensive zu bleiben.
Sie sitzen schon wieder mit im Boot.
Was uns unterscheidet, ist der Stil
.
Ich werde sie abdrücken, sagt der Imker.
Sie wird gekillt.
Sie macht die Grätsche.
Die große Herausforderung unserer Zeit oder Was uns unterscheidet
Eine Frau betritt die Bühne und geht zur Rampe und steht eine Weile mit dem Gesicht zu den Zuschauern.
F mit fester Stimme: Ich bin zuversichtlich
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
F: Ich bin ganz zuversichtlich
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
F flüstert: weil heute so ein schöner Tag ist
F fröhlich: Ich bin zuversichtlich
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
F: Ich bin ganz zuversichtlich
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
F summt die Melodie: So ein Tag, so wunderschön wie heute
Ein Mann betritt die Bühne, in der Hand eine qualmende Imkerpfeife, geht zur Rampe, stellt sich neben die Frau und steht eine Weile mit dem Gesicht zu den Zuschauern.
M kurzatmig: Wir werden die Oberhand behalten
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
M: Wir werden sicher die Oberhand behalten
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
M schreit: weil heute unser Tag ist
M mit Hustenanfällen: Wir werden die Oberhand behalten
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
M: Wir werden sicher die Oberhand behalten
Angestrengtes Atmen aus einem Lautsprecher
M. grölt die Melodie: We are the champions
F zum Mann: Ich bin zuversichtlich, dass das Gute die Oberhand behalten wird.
M zur Frau, sie in eine süße Wolke hüllend: Du Gutmütige
F zum Mann: Ich bin ganz zuversichtlich, dass das Gute die Oberhand behalten wird.
M zur Frau, sie in eine süße Wolke hüllend: Du Grundgütige
F zum Mann: weil heute so ein schöner Tag ist
M und F abwechselnd, im gemeinsamen Spiel die Handflächen gegeneinander schlagend
M: Wir werden sie abdrücken
F mit fester Stimme: Ich bin zuversichtlich
M: Wir werden sie killen
F mit fester Stimme: Ich bin zuversichtlich
M: Sie werden die Grätsche machen.
Beide tanzen eng umschlungen zur Melodie: So ein Tag, so wunderschön wie heute.
Dabei halten sie einmal an und rufen: Das ist der Sturm, in dem wir fliegen.
Wiederholung der 1.Strophe.
Die Frau summt eine selige Melodie und der Mann hüllt sie in eine Wolke. Plötzlich erstarren beide und atmen nicht mehr. Das Licht geht aus.
(Günter Neuenhofer)
Schreibwerkstatt 6
Borken, .04