Termine: 22.9. – 29.9.
– 6.10. – 3.11. – 17.11. – 8.12.
VHS Schreibwerkstatt 1 Borken,
22.9.04
Schreiben wie….
1. Automatisches
Schreiben“, d.h. spontan und ohne das kontrollierende Bewusstsein und die konventionellen
Regeln für den Satzbau und den Wortgebrauch 10 Minuten schreiben.
2. Aus dem Geschriebenen
greifen wir ein Thema oder eine Formulierung heraus und schreiben einen kurzen Text.
3. Wir wählen ein Farbwort
und schreiben nach bestimmten Regeln ein
Elfchen,
d.h. eine Strophe mit elf
Wörtern, die nach bestimmten Wortzahlen auf die Zeilen zu verteilen sind.
1. Zeile ein Wort
(Farbwort),
2. Zeile zwei Wörter
(Bezugsobjekt),
3. Zeile drei Wörter
(Ortsangabe oder nähere Bestimmung),
4. Zeile vier Wörter
(Ich-Aussage, Kommentar oder Frage),
5. Zeile ein Wort (Gegensatz
oder Pointe)
Braun
die Felder
nach der Hitze
Ich atme tief durch
Endlich
Grau
ein Blick
in den Regen
Er verwischt die Wörter
erneut
Blau
Meine Wünsche
In die Ferne
Ich schreibe einen Brief
Vorsicht
4. Wir schreiben ein Haiku
Im Haiku wird eine noch
stärkere Reduktion und Kontrolle von Sprache gefordert: diese japanische
Kurzform besteht aus drei Zeilen, in denen die Wortsilben gezählt werden.
1. Zeile fünf Silben,
2. Zeile sieben Silben,
3. Zeile wieder fünf Silben.
Das Haiku
geht von einem Gegenstand oder einer konkreten Natursituation aus und sollte
möglichst einen Gegensatz enthalten.
Wind durch die Straßen
Treibt den Regen vor sich
her
Nebelfiguren
Beispieltexte zu Elfchen und Haiku von G. Neuenhofer
5. Möglichkeiten. Beginne mit einer der drei Formulierungen: Ich
könnte… Wenn doch… Wenn man…
Bei der 3. Formulierung
schreibe entsprechend der Struktur von W.H.Fritz:
Wenn man bloß
noch Kuchen isst
und ….
Wenn man
…
Wenn man
…
Wenn man
…
Wenn man (achtmal)
…
Dann,
vielleicht
dann
versteht man
etwas.
Ein Geräusch
wie von
trockenem Gras am Meer. (Wähle ebenfalls ein Bild als Schlusszeile.)
6. Variation zu Günter Kunert
In den Dünen
sitzen. Nichts sehen
Als Sonne.
Nichts fühlen als
Wärme. Nichts
hören
Als Brandung.
Zwischen zwei
Herzschlägen
glauben: Nun
Ist Frieden.
Beispieltexte von G. Neuenhofer
Zwischen den Seiten vieler Tage
Vor den Bildern sitzen. Nichts
vermuten
Als Schwarz auf Weiß. Nichts
erkennen als
Tod. Nichts akzeptieren
Als Gewalt. Zwischen zwei
Raketeneinschlägen wissen:
Nie
Ist Frieden
Einige Verse aus dem Buch,
das Leon gerade las, gingen ihm nicht aus dem Sinn. Auf der ersten Seite standen
sie als Motto zu der Geschichte. Eine Liebesgeschichte sollte es sein und dann
diese Zeilen von Günter Kunert!
Auf der Schwelle des Hauses
In den Dünen
sitzen. Nichts sehen
Als Sonne. Nichts
fühlen als
Wärme. Nichts
hören
Als Brandung.
Zwischen zwei
Herzschlägen
glauben: Nun
Ist Frieden.
Leon hatte sich vorgenommen,
etwas für Lara zu schreiben. Auf einer Bank an der Aa
begann er mit Schreibversuchen.
Im dreifachen
Traum vorbei schauen
Nichts sehen
als die Reflexion von Sonne in dem Mundspülglas.
Nichts
entdecken als die zerzausten Haare im Spiegel.
Nichts denken
als das Gelb an der gegenüber liegenden Wand
Nur die Lippen
spitzen beim Spiel der Reflexionen und
wissen
von geheimer
Botschaft
Verheißung
Bei einem zweiten Versuch veränderte
er nur wenig, er setzte die Sätze so wie in dem Gedicht von Kunert. So gefielen
ihm die Zeilen besser, es kamen ganz neue Bedeutungen hinein.
Im dreifachen
Traum vorbei schauen. Nichts sehen
als die
Reflexion von Sonne in dem Mundspülglas. Nichts entdecken als
die zerzausten
Haare im Spiegel. Nichts denken
als an das
Gelb der gegenüber liegenden Wand. Nur
die Lippen
spitzen beim Spiel
der
Reflexionen.
wissen
geheimer Botschaft
Verheißung
Leon las noch einmal das
Gedicht von Kunert durch und dachte, jetzt will ich mal ernsthaft schreiben.
Wie ist denn das mit der Idylle in den Dünen, ich werde jetzt meine eigene
Meinung schreiben.
Oben drüber schrieb er 3.
Variation zu G. Kunert „Auf der Schwelle des Hauses“. Das Ergebnis beunruhigte
ihn sehr.
Zwischen den Seiten vieler Tage
Vor den
Bildern sitzen. Nichts vermuten
Als Schwarz
auf Weiß. Nichts erkennen als
Tod. Nichts
akzeptieren
Als Gewalt.
Zwischen zwei
Raketeneinschlägen
wissen: Nie
Ist Frieden
Während er die letzten Worte
schrieb, fiel ein Regentropfen auf das Papier. O, sch…..Er nahm den Zettel und
zerknüllte ihn. „Das kann ich Lara nicht geben. Und überhaupt, ein
Liebesgedicht ist nicht entstanden.“ Er zog seine Kapuze über und rannte den
schmalen Weg entlang. Es war höchste Zeit fürs Mittagessen. „Mal sehen, was es
heute Schönes gibt.“
VHS Schreibwerkstatt 2
Borken, 29.9.04
Einen Ort beschreiben
I. Reihumtexte : jeder schreibt einen Satz auf einen Zettel und gibt
ihn an den linken Nachbarn weiter.
1. Runde: Sinnliche
Wahrnehmungen in diesem Raum (was siehst du, was hörst du, was riechst du, was
spürst du?),
2. Runde: Ich-Wertungen
(gefühlsmäßige Einstellung zum Raum),
3. Runde: indirekte
Beschreibung und Wertung durch Metaphern,
II. Schreiben wie Franz Kafka
1. Einen Lieblingsplatz oder einen Phantasieplatz beschreiben in kurzen,
aneinander gereihten Sätzen.
Schreibmuster
(Franz Kafka, Der
Kübelreiter, 1917)
Verbraucht alle Kohle; leer
der Kübel; sinnlos die Schaufel; Kälte atmend der Ofen; das Zimmer vollgeblasen von Frost; vor dem Fenster Bäume starr im
Reif; der Himmel, ein silberner Schild gegen den, der von ihm Hilfe will. Ich muß Kohle haben; ich darf doch nicht erfrieren; hinter mir
der erbarmungslose Ofen, vor mir der
Himmel ebenso, infolgedessen muß ich scharf zwischendurch reiten und in der Mitte beim Kohlenhändler Hilfe suchen.
2.
Übertreibende Beschreibung
Schreibmuster (Stil durch
Vergleiche)
(Franz Kafka, Großer Lärm,
1912)
Ich sitze in meinem Zimmer
im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung. Alle Türen höre ich schlagen,
durch ihren Lärm bleiben mir nur die Schritte der zwischen ihnen Laufenden
erspart, noch das Zuklappen der Herdtüre in der Küche höre ich. Der Vater
durchbricht die Türen meines Zimmers und zieht im nachschleppenden Schlafrock
durch, aus dem Ofen im Nebenzimmer wird die Asche gekratzt, Valli
fragt, durch das Vorzimmer Wort für Wort
rufend, ob des Vaters Hut schon geputzt sei, ein Zischen, das mir
befreundet sein will, erhebt noch das Geschrei einer antwortenden Stimme. Die
Wohnungstür wird aufgeklinkt und lärmt, wie aus katarrhalischem
Hals, öffnet sich dann weiterhin mit dem Singen einer Frauenstimme und schließt
sich endlich mit einem dumpfen, männlichen Ruck, der sich am rücksichtslosesten
anhört. Der Vater ist weg, jetzt beginnt der zartere, zerstreutere,
hoffnungslosere Lärm, von den Stimmen der zwei Kanarienvögel angeführt. Schon
früher dachte ich daran, bei den Kanarienvögeln fällt es mir von neuem ein, ob
ich nicht die Tür bis zu einer kleinen Spalte öffnen, schlangengleich ins
Nebenzimmer kriechen und so auf dem Boden meine Schwestern und ihr Fräulein um
Ruhe bitten sollte.
3. Das fremde Haus. Eine Raumbeschreibung mit
einem ungewöhnlichen Ereignis verbinden.
Schreibmuster
(Franz Kafka, Die
Verwandlung, 1912)
….
„Was ist mit mir
geschehen?“, dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur
etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten
Wänden. Über dem Tisch, auf dem eine auseinander gepackte Musterkollektion von
Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender -, hing das Bild, das er vor
kurzem aus seiner illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem
hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar…..
Gregors Blick richtete sich
dann zum Fenster, und das trübe Wetter – man hörte Regentropfen auf das
Fensterblech aufschlagen – machte ihn ganz melancholisch. „Wie wäre es, wenn
ich…“
Und er sah zur Weckuhr
hinüber, die auf dem Kasten tickte. „Himmlischer Vater!“, dachte er. Es war
halb sieben Uhr, und die Zeiger gingen ruhig vorwärts, es war sogar halb
vorüber…
Beispieltext
von G. Neuenhofer :
Schon an der Tür hatte er
den Geruch bemerkt. An den Wänden, an der Decke und auf dem Boden kroch er fast
sichtbar auf ihn zu, griff nach ihm, hüllte ihn ein. L. lief, ja sprang die
Treppe hoch, atemlos, weil er nicht wagte einzuatmen. Schloss die Zimmertür
hinter sich, riss den Fensterflügel auf und gierte nach Atemluft. Dann ließ er
sich aufs Bett fallen, nahm seine Kopfhörer und schloss die Augen. Er wollte
sich ablenken, bewegte seinen Kopf im Rhythmus der Bassgitarre und setzte die
Worte mit geschlossenen Lippen gegen sein schwindendes Bewusstsein.
Verbraucht alle Sonne; leer der Kopf;
sinnlos das Leben; Kälte atmend die Fenster; das Zimmer gefüllt mit Phrasen.
Ich muss gehen, wohin ich will; weg von den Litaneien der Prediger; weg von den
Angeboten; vor mir leer der Himmel,
hinter mir schreiend mein Leben; ich muss weg; ich muss atmen; der Dunst der
Nebelwelten würgt in meiner Brust.
L. sitzt in seinem Zimmer im
Haus seiner Tante. Durch Spalten an der Tür ziehen Schlieren, dringen in seine
Haare, in seinen Pullover, in seine Haut, unter die Fingernägel, in sein Blut,
seinen Kopf. Er kann nicht mehr atmen, nicht mehr denken.
Was ist mit mir? Das ist ein
Zimmer. Vor mir ein geöffnetes Fenster. Ich liege auf einem Bett und höre
Worte, herausgeschrieen. Ich höre Musik. Eine CD. Auf dem grauen Teppichboden
liegt mein Anorak. Ein Stuhl. Auf dem Tisch steht eine Dose Coke.
L. öffnet und schließt die Augen. Ein Auto fährt vorbei. Wie wäre es, wenn er
durchs Fenster stiege, um die Tür zu umgehen? Warum kann er die Tür nicht
einfach öffnen? Über sich sieht er ein
Spinnennetz, von einer Wand zur anderen. O Gott, denkt er, ich kann mich nicht
bewegen. Schnell schließt er die Augen. Das Blut pocht in seinem Kopf, die
Bassgitarre in seinen Ohren. Könnte er,
dürfte er durch die Tür, über die Treppe nach unten, hinaus…. Bei diesen
Gedanken fällt er in einen tiefen Schlaf.
VHS Schreibwerkstatt 3
Borken,.6.10.04
Mögliche Orte
1. Reihumtexte:
- Wir verändern gemeinsam unser Schreibzimmer
- Wir erfinden gemeinsam einen Ort
Mein Schrank ist einen Spalt
weit geöffnet, und wenn ich hineinschaue ins Dunkel, bilde ich mir ein, es
könnte dort eine Höhle sein, ein Gang vielleicht, der irgendwohin führt. So nah
bei mir….
2. Variationen zu einer Ortsbeschreibung
Licht in das Leben (Guntram Vesper
Der Ort
irgendwo im Land, abseits und
Allem ausgesetzt.
Eine Straße, ein Haus.
Halbleeres Zimmer im ersten
Stock
Mit vierzig Jahre alten
Tapeten
Die hohen nackten Fenster
Gehen auf den Hof, dort
Erzählen zwei Kinder bei Sonne und Regen
Blutige Geschichten
Die Nachmittage hindurch
In immer
Dunkleren Farben.
Aufgabe:
Schreibe zu diesen Versen eine Variation, indem du den Ort neu beschreibst und
die Personen und ihre Handlung neu erfindest.
3. Beschreibe einen Ort, indem du viele Ereignisse
aufschreibst, die an einem Ort geschehen sind.
Benutze die Struktur des
Gedichtes von Bernd Jentzsch
Der Ort
Wo ich
(über Zäune kletterte)
….
Wo ich
….
Wo ich
….
Wo ich
….
Wo ich….
Wo ich….
Wo ich…
Wo ich
….
Wo jetzt….
4. Variation zu Fr. Kafka
Nutze folgende
Formulierungen Kafkas aus der Erzählung
Auf der Galerie
Wenn (Person) in ….. vor…..von …….
getrieben würde und wenn….
Vielleicht
eilte dann ein …..., riefe…..
Da es aber nicht so ist; ein ……
da dies so ist, …...(Reaktion
einer beobachtenden Person)
Variation zu Auf der Galerie von Toni Thonemann
Wenn Lieschen
Müller in den Supermarkt geht, vor dem großen Tiefkühlschrank steht, von vielen Kunden bedrängt wird und
nicht weiß was sie kaufen soll, weil ihr Mann sich mal wieder nicht geäußert
hat und wenn sie eigentlich schon zu
Hause sein müßte, und so viele Leute an der Kasse
anstehen sieht, dann bekommt sie Bauchschmerzen.
Vielleicht wäre es
besser, wenn sie heute abend einfach zum Essen
ausgingen, dann könnte sie jetzt den Einkaufswagen einfach stehen lassen wo er
steht, dann ginge sie schnurrstracks an den Kassen
vorbei, dann wäre sie jetzt erleichtert und sie riefe mit Freude hinaus: „ihr könnt mich alle mal!“
Da es aber nicht so ist, muß sie sich jetzt sofort entscheiden und irgend etwas mit
nach Hause bringen, was ihm vielleicht gefallen könnte, wobei sie sich dabei
noch beeilen muß. Und daher fährt sie frustig mit ihrem Einkaufswagen stramm an Regale vorbei an
deren Ecken sie anrempelt und zudem andere Kunden in die Hacken fährt an die
Seite drängelt und in die Flucht schlägt. Da
dies so ist, ist sie dem Filialleiter aufgefallen und er beschließt sie
anzusprechen.
Originaltext:
Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf
schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden
erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben
würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend,
und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden
Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich
öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu
anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind -
vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle
Ränge hinab, stürzte in die Manege, rief das - Halt! durch die Fanfaren des
immer sich anpassenden Orchesters.
Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt,
zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der
Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in
Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als
wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt
begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben;
schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem
Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen
Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen
Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden
Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto
mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen;
schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für genügend
erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fußspitzen, vom
Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit
dem ganzen Zirkus teilen will - da dies so ist, legt der Galeriebesucher das
Gesicht auf die Brüstung und, im Schlußmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.
VHS Schreibwerkstatt 4 Borken, 3. 11. 04
Schreibe Variationen zu folgenden Textmodellen
Rose Ausländer
Allee
Ich höre das Herz
Des Oleanders
Gehe durch die grüne Allee
Mit Blüten und Dornen
Im Bund
Ein Zipfelchen Zeit
In der Tasche
Variation
Waldrand hg neuenhofer
das Grau des Himmels
liegt schwer über dem Land
ich gehe mit Schuhen aus Holz
in schwarzen Pfützen
eine Herbstzeitlose
in meiner Hand
ich atme braunes Laub -
die Äste der Eiche
greifen nach mir
mit Winterzähnen
Rotkehlchen im Haar
senk ich den Kopf auf die Brust
und tauche weg
Der Anfang einer Erzählung von A. Stifter aus Bunte Steine, 1853
Vor meinem väterlichen Geburtshause, dicht neben der Eingangstür in dasselbe, liegt ein großer achteckiger Stein von der Gestalt eines sehr in die Länge gezogenen Würfels......
(Es folgt eine detaillierte Beschreibung des Steines.)
Eines der jüngsten Mitglieder unseres Hauses, welche auf dem Stein gesessen waren, war in meiner Knabenzeit ich.....(Es folgt eine ausführliche Erzählung.)
Unter den Dingen, die ich von dem Steine aus sah, war öfter auch ein Mann von seltsamer Art…..
s. Originalerzählung im Internet unter http://gutenberg.spiegel.de/stifter/buntestn/bunte101.htm
Thuja
Vor dem Wohnhaus meines Großvaters, gegenüber dem Fenster des guten Zimmers, stand ein hoher Lebensbaum von der Gestalt einer in die Höhe gezogenen Pyramide…
Eines der kleinen Lebewesen, die im Schatten des Baumes gespielt haben, war neben den Kaninchen und den Nachbarkindern ich….
Zu den Lebewesen, denen ich im Gras neben dem Baum begegnete, war auch ein kleines weißes Schäfchen von ungewöhnlicher Art…
3.
Satirisch-ironische Beschreibung eines Ortes
Aus dem Vorwort zu Die Liebhaberinnen von Elfriede Jellinek
kennen sie dieses SCHÖNE Land mit seinen tälern und hügeln?
es wird in der ferne von schönen bergen begrenzt, es hat einen horizont, den nicht viele länder haben.
Kennen sie die wiesen, äcker und felder dieses landes? Kennen sie die friedlichen menschen darinnen?
Mitten in dieses schöne land hinein haben gute menschen eine fabrik gebaut.....
....
wie gut, dass sie hier steht, wo es schön ist und nicht anderswo, wo es unschön ist.
Die fabrik sieht aus, als ob sie ein teil dieser schönen landschaft wäre.
...
gute menschen gehen in ihr ein und aus.
....
die frauen, die hier arbeiten, gehören ganz ihren familien
Variation
kennen sie dieses schöne land mit seinen feldern und wäldern?
es wird an den rändern von schönen hecken begrenzt, es hat große behäbige bauernhöfe zwischen den bäumen, wie nur wenige länder sie haben.
kennen sie die wiesen, äcker, wälder und felder dieses landes? kennen sie die friedlichen Menschen darinnen?
mitten in dieses schöne land haben gute menschen viele schöne windräder gestellt.
wie gut, dass sie hier stehen, wo es schön ist und nicht anderswo, wo es unschön ist. die windräder sehen aus, als ob sie ein teil dieser schönen landschaft wären…..
VHS Schreibwerkstatt 5 Borken, 17. 11. 04
Die Welt als Puzzle
Ein Ort für Zufälle ( Ingeborg Bachmann,1964 als Dankrede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises gehalten)
Es sind zehn Häuser nach Sarotti, es sind einige Blocks vor Schultheiss, es ist fünf Ampeln weit von der Commerzbank, es ist nicht bei Berliner Kindl, es sind Kerzen im Fenster, ist kein Gegenstand, ist tagsüber, ist nachts, wird benutzt,….., ist etwas in Berlin.
In Berlin sind jetzt alle Leute in Fettpapier gewickelt. Es ist Maiensonntag. Myriaden von Bierflaschen stehen bis zum Wannsee hinunter, viele Flaschen schwimmen auch schon im Wasser, nah an die Ufer gedrängt von Dampferwellen, damit die Männer sie noch herausfischen können.……
Jetzt fliegt jede Sekunde ein Flugzeug durchs immer, zieht an dem Haken mit dem Waschlappen vorbei, fährt eine Handbreit über der Seifenschale das Fahrwerk aus.…Im Augenblick ist abgeholfen, aber im nächsten flugfreien Augenblick läuten alle Kirchenglocken von Berlin, es steigen Kirchen aus dem Boden, die ganz nah herankommen, lauter neue kahle ungefärbte Kirchen mit Glockentürmen und protestantischen Tonbändern.…….
Es war eine Aufregung, war weiter nichts. Es wird nicht mehr vorkommen.
3. Wiederholung eines Leitmotivs als Stilmerkmal