Schreibwerkstatt
VHS 2.Hj 2005
Termine: 18.30 – 20.00 Uhr am 7.9. / 21.9. / 26.10. / 9.11. / 23.11. / 7.12.
Das Leben schreiben
Wir beschreiben, was wir wahrnehmen.
Wir schreiben um, was wir erleben.
Wir schreiben auf, was uns umgibt.
1. Schreibwerkstatt 7.9.05
Zum Thema:
Das Leben schreiben: Lebensumstände und Personen schreibend erschaffen. Lebensbeschreibung als Biographie: Leben nacherzählen und erinnern.
Literarische Selbstvorstellung:
Jeder schreibt einige Aussagen über sich in einer vorgegebenen Präsentationsform: das erste Wort ist „ich“, entsprechend dem Schneeballprinzip enthält jede folgende Zeile ein Wort mehr. Nach einer längeren Zeile (7-10 Wörter) nimmt die Wortanzahl wieder ab.
Elfchen
Wähle eine
Farbe, die zur jetzigen Situation passt und schreibe nach bestimmten
Regeln ein kleines Gedicht,
d.h. eine
Strophe mit elf Wörtern, die nach bestimmten Wortzahlen auf die Zeilen zu
verteilen sind.
1. Zeile
ein Wort (Farbwort),
2. Zeile
zwei Wörter (Bezugsobjekt),
3. Zeile
drei Wörter (Ortsangabe oder nähere Bestimmung),
4. Zeile
vier Wörter (Ich-Aussage, Kommentar oder Frage),
5. Zeile
ein Wort (Gegensatz oder Pointe)
Schreibmethoden, um einen Anfang und Ideen zu finden:
Automatisches Schreiben (1 Seite bzw. 8 Minuten) ohne inhaltliche oder formale Festlegung
Wartender Satz
Cluster (Um ein Kernwort ein Netz von Assoziationen schreiben.)
Wortnetze bei Beobachtungen an einem öffentlichen Ort
Verändere und ergänze folgende Texte aus Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge!
www.digbib.org/Rainer_Maria_Rilke_1875
So, also hierher kommen die Leute, um zu ……, ich würde eher meinen, es …….
Ich bin ausgewesen. Ich habe gesehen: …... Ich habe einen Menschen gesehen, welcher
Ich habe eine schwangere Frau gesehen. Sie schob sich schwer an einer hohen, warmen Mauer entlang, nach der sie manchmal tastete, wie um sich zu überzeugen, ob sie noch da sei. Ja, sie war noch da. Dahinter?
Ich suchte auf meinem Plan: ….. Die Gasse begann von allen Seiten zu riechen. Es roch, soviel sich unterscheiden ließ, nach …., …., nach Angst. Alle Städte riechen im Sommer. Dann habe ich ein eigentümlich starblindes Haus gesehen…..
Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wußte. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht.
Daß ich es nicht lassen kann, bei offenem Fenster zu schlafen. Elektrische Bahnen rasen läutend durch meine Stube. Automobile gehen über mich hin. Eine Tür fällt zu. Irgendwo klirrt eine Scheibe herunter, ich höre ihre großen Scherben lachen, die kleinen Splitter kichern. Dann plötzlich dumpfer, eingeschlossener Lärm von der anderen Seite, innen im Hause. Jemand steigt die Treppe. Kommt, kommt unaufhörlich. Ist da, ist lange da, geht vorbei. Und wieder die Straße. Ein Mädchen kreischt: Ah tais-toi, je ne veux plus. (Sei still, ich will nicht mehr!) Die Elektrische rennt ganz erregt heran, darüber fort, fort über alles. Jemand ruft. Leute laufen, überholen sich. Ein Hund bellt. Was für eine Erleichterung: ein Hund. Gegen Morgen kräht sogar ein Hahn, und das ist Wohltun ohne Grenzen. Dann schlafe ich plötzlich ein.
Das sind die Geräusche. Aber es gibt hier etwas, was furchtbarer ist:…..
Habe ich es schon gesagt? Ich lerne sehen--ja, ich fange an. Es geht noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen.
Daß es mir zum Beispiel niemals zum Bewußtsein gekommen ist, wieviel Gesichter es gibt. Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere. Da sind Leute, die tragen ein Gesicht jahrelang, natürlich nutzt es sich ab, es wird schmutzig, es bricht in den Falten, es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf der Reise getragen hat. Das sind sparsame, einfache Leute; sie wechseln es nicht, sie lassen es nicht einmal reinigen. Es sei gut genug, behaupten sie, und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen? Nun fragt es sich freilich, da sie mehrere Gesichter haben, was tun sie mit den andern? Sie heben sie auf. Ihre Kinder sollen sie tragen. Aber es kommt auch vor, daß ihre Hunde damit ausgehen. Weshalb auch nicht? Gesicht ist Gesicht.
Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach dem andern, und tragen sie ab. Es scheint ihnen zuerst, sie hätten für immer, aber sie sind kaum vierzig; da ist schon das letzte. Das hat natürlich seine Tragik. Sie sind nicht gewohnt, Gesichter zu schonen, ihr letztes ist in acht Tagen durch, hat Löcher, ist an vielen Stellen dünn wie Papier, und da kommt dann nach und nach die Unterlage heraus, das Nichtgesicht, und sie gehen damit herum.
2. Schreibwerkstatt 21.9.05
Biographisches
Schreiben
Frühe Erinnerungen: Schreibe nach
folgenden Textbeispielen
Johann Wolfgang von Goethe
Dichtung und Wahrheit, 1. Buch www.Wissen-im-Netz.info
Wenn
man sich erinnern will, was uns in der frühsten Zeit der Jugend begegnet ist,
so kommt man oft in den Fall, dasjenige, was wir von andern gehört,
mit dem zu verwechseln, was wir wirklich aus eigner anschauender Erfahrung
besitzen. Ohne also hierüber eine genaue Untersuchung anzustellen, welche
ohnehin zu nichts führen kann, bin ich mir bewusst, dass wir in einem alten Haus wohnten, welches eigentlich aus
zwei durchgebrochenen Häusern bestand. Eine turmartige Treppe führte zu unzusammenhängenden Zimmern, und die Ungleichheit der Stockwerke war durch Stufen ausgeglichen. Für uns Kinder, eine jüngere Schwester und mich, war die untere weitläufige Hausflur der liebste Raum,…………….
Elias
Canetti: Die gerettete Zunge, Geschichte einer Jugend, Teil 1
Meine
früheste Erinnerung ist in Rot getaucht.
Auf dem Arm eines Mädchens komme ich zu einer Tür heraus, der Boden vor mir ist
rot, und zur Linken geht eine Treppe hinunter, die ebenso rot ist. Gegenüber
von uns, in selber Höhe, öffnet sich eine Tür und ein lächelnder Mann tritt
heraus, der freundlich auf mich zugeht. Er tritt ganz nah an mich heran, bleibt
stehen und sagt zu mir:“ Zeig deine Zunge!“ Ich strecke die Zunge heraus, er
greift in seine Tasche, zieht ein Taschenmesser hervor, öffnet es und führt die
Klinge ganz nahe an meine Zunge heran. Er sagt: „Jetzt schneiden wir ihm die
Zunge ab.“ Ich wage es nicht, die Zunge zurückzuziehen, er kommt immer näher,
gleich wird er sie mit der Klinge berühren. Im letzten Augenblick zieht er das
Messer zurück, sagt: „Heute noch nicht, morgen.“ Er klappt das Messer wieder zu
und steckt es in seine Tasche.
Jeden
Morgen treten wir aus der Tür auf den roten Flur…… Ich
weiß, dass er sie mir abschneiden wird und fürchte mich jedes Mal mehr. Der Tag
beginnt damit, und es geschieht viele Male.……
Die
Drohung mit dem Messer hat ihre Wirkung getan, das Kind hat zehn Jahre darüber
geschwiegen.
Im
Haiku wird eine noch stärkere Reduktion
und Kontrolle von Sprache gefordert: diese japanische Kurzform besteht aus drei
Zeilen, in denen die Wortsilben gezählt werden.
1.
Zeile fünf Silben,
2.
Zeile sieben Silben,
3.
Zeile wieder fünf Silben.
Das
Haiku geht von einem Gegenstand oder einer konkreten
Natursituation aus und sollte möglichst einen Gegensatz enthalten.
Beispiel:
Wind durch die Straßen
Treibt den Regen vor sich her
Nebelfiguren
Fertige eine Collage
aus Worten und Bildern
Nimm ein älteres Bild von dir oder von einem Ding, das einen Erinnerungswert hat, fertige dazu ein Cluster an, d.h. ein Netz von Wörtern um ein Kernwort, und schreibe dann in das Bild oder um das Bild herum Wörter und Sätze.
weiß
mein hemd
an diesem tag
ich trage schwarze schuhe
festzeit
gelb
ein lamm
auf dem tisch
ich muss ruhig sitzen
gezwungen
rot
die zunge
in der kirche
ich schlucke die hostie
unverstanden
zwischen kopf und kragen flattern worte der erinnerung
weiß (29.9.)
La lengua avanza por el ojo -- Lengua y ojo en la cosa son el ave –
(Die Sprache/Zunge ist immer schon im sehenden Blick – Sprache und Auge sind im Hinblick auf die Dinge wie Vögel.)
Sollte mich jemand fragen, an welche Ereignisse meiner frühesten Kindheit ich mich erinnern kann, so werde ich in die Lage gesetzt, das, was mir andere erzählt haben, und das, was ich durch Fotos behalten habe, mit dem, was sich mir auf Grund eines Erlebnisses in dem Gedächtnis verblieben ist, vergleichen zu müssen, ohne dass ich absolut sicher sein kann, dass das, was ich jetzt aufschreibe, der Wirklichkeit entspricht.
Mit den meisten Erinnerungsbildern verbinde ich keine Farbe, die Fotos sind schwarz-weiß, meine Gefühle sind farblos, Gefühltes und Gesehenes sind nicht identisch. Gesehenes wird nicht Gefühltes, grau - weiß.
Ich liege in einem weißen Gitterbettchen unter einem weißen Daunenbett und höre meine Stimme. Dann sehe ich, wie ich mit äußerster Anstrengung den Berg zur Seite schiebe, die weißen Gitterstangen halte und in das dunkle Zimmer hinein rufe. - Gehörtes wird nicht Geschriebenes.
Ich stehe vor einer weißen Tür auf einer Fußmatte, den Blick zur Seite, den rechten Arm gewinkelt, die rechte Hand gekrümmt am rechten Ohr, die linke Hand an der Hüfte, die Füße geschlossen, in schwarzen Stiefel, graue, lange Strümpfe, eine schwarze, kurze Hose mit Trägern, die einen weißen, winzigen Hirsch zeigen, vor dem Bauch ein breiter, schwarzer Lederriemen mit silberner Koppel, auf dem Kopf- Geschriebenes wird nicht Gefühltes.
Ich sitze im weißen Schnee, neben mir sitzt mein Teddy. In der rechten Hand halte ich einen Hammer und zerschlage Schnee und Eis. Ein schwarzes Loch ist sichtbar. Bei jedem Schlag ins Weiße spritzen schwarze Sandkörner auf den weißen Teppich. Wird jemand kommen, den Hammer zur Seite legen und den Sand von der Kleidung putzen? - Gedachtes ist nicht Geschriebenes.
La lengua avanza por el ojo -- Lengua y ojo en la cosa son el ave -- (V.M.Mendiola, 2002)
3. Schreibwerkstatt 26.10.05
Im Schreibkreis:
1. Der eigene Blick: Jeder schreibt am Anfang der Stunde und noch mal nach der Besprechung der Texte jeweils drei Wörter auf einen Zettel. Aus diesen Wörtern soll durch Einfügung von weiteren Wörtern ein langer Satz gebildet werden.
2. Der Blick der anderen:
Von jedem Teilnehmer wird im Kreis ein älteres Foto mit einem Zettel herumgegeben. Jeder Teilnehmer schreibt ein Wort bzw. eine Beobachtung auf den Zettel.
Das Wortmaterial soll zu einem Satz zusammengefasst werden und es soll ein kleines Gedicht aus den Bemerkungen der anderen entstehen.
Schreibaufgaben mit biographischem Ziel
3. Wähle einen Gegenstand aus deiner Kindheit aus und schreibe einige Verse nach folgendem Vorbild.
Der rote Handkarren (von W.Carlos Williams)
soviel hängt ab so much depends
von upon
einem roten Hand- a red wheel
karren barrow
glasiert vom Regen- glazed with rain
wasser water
bei den weißen beside the white
Hühnern chicken
Weitere Aufgabenstellungen:
4. Selbstporträt
Beschreibe dich selbst in besonderer Weise. Beschreibe nicht, wie du aussiehst oder wie du dich fühlst und was du denkst, sondern beschreibe typische Handlungen.
5. Gegensätze: Nimm ein Kindheitsfoto, beschreibe es und suche dazu gegensätzliche Zeitungsmeldungen. Verbinde die Texte in Form einer Collage.
26.10.05 G.Neuenhofer
Aufgabe 1
Satz den Wörtern: Vogelgrippe, Schule, Schwiegermutter, Vertrauen, Erni, Grün
Auf Grund der Vogelgrippe ging meine Schwiegermutter nicht mehr hinaus ins Grüne und schickte Klein-Erni nicht mehr zur Schule, da sie allen Vögeln jetzt grundsätzlich misstraute.
Aufgabe 2
Aus dem Fotoalbum
Vor langer, langer Zeit stand Günter ohne Teufelsmützchen, aber mit Schulmäppchen und Mäntelchen ausgehfertig und fein gemacht für einen Ausflug in die Stadt vor einer Hausmauer, ohne dass es ihm in den Sinn kommen konnte, dass er nach über 60 Jahren die Fragen von neugierigen Zeitgenossen nach dieser Mauer, nach der Herkunft seiner Kleider, nach seinem linken Auge und nach einem Gegenstand in seiner Hand beantworten sollte.
Anfrage
Du, der Du mich siehst mit dem Rücken zur Mauer,
gib mir das Teufelsmützchen.
Du, der Du mich siehst, fein gemacht für den Ausflug in die Stadt,
lass mir die schwarze Mappe in meiner Hand.
Du, der Du mich siehst im karierten Mäntelchen,
frag nicht, ob ich ein Mädchen oder ein Junge bin.
Du, der Du mich siehst in den Kleidern meiner Schwester,
bedenke, wie stolz ich meine Kleider dem Fotografen zeigte.
Vor langer, langer Zeit, da stand ich vor einer dunklen Mauer.
Aufgabe 3
Goldene Worte
soviel hängt ab
von
einem lobenden Zu-
spruch
beglaubigt aus Lehrer-
mund
vor horchenden Schüler-
ohren
Aufgabe 4
Ist was?
Die beiden Mundwinkel heben sich leicht, seine Augen vergrößern sich, die Falten auf seiner Stirn liegen waagerecht .Er schließt die Augen und holt tief Luft und hält sie einen Augenblick fest.
Was ist?
Er stützt seine Ellbogen breit auf den Tisch, legt seine Hände ineinander wie beim Gebet, schließt die Augen, holt tief Luft, hält sie einen Augenblick fest, bevor er sie laut wieder ausstößt.
Hast du etwas?
Sein Kinn liegt in der Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand. Er atmet durch die Nase, soweit es die gekrümmten Finger unter den Nasenlöchern noch zulassen.
Denkst du nach?
Er setzt sich aufrecht, streckt seine Wirbelsäule, biegt seine Schultern nach hinten, hebt seinen Kopf, bis er im Nacken steht und sagt nach einer Weile:
Nein, nein, es ist nichts.
Aufgabe 5
5.11.05
es kann gut werden
rückblickend
bruchstücke
vom kampf
bei jedem schlag
um angemessene erinnerung
ins weiße
gegen das vergessen
spritzen schwarze sandkörner
gegen das vergessen
auf den weißen teppich
um angemessene erinnerung
ich sitze im weißen schnee
ein leben
neben mir
im wartestand
sitzt mein teddy
ein leben
in der rechten hand halte ich den hammer
was selbstkontrolle und misstrauen fördert
und zerschlage schnee und eis
die einstige anstößigkeit ist verflogen
ein schwarzes loch ist sichtbar
unwillen
wird jemand kommen, den hammer zur seite legen und den sand von der kleidung schlagen
auch die unfähigkeit zur selbstdarstellung
wird jemand kommen?
(Unter Benutzung von Formulierungen aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung: Generation Zweite Klasse, Was es bedeutet, wenn Ostdeutsche das Land führen)
4. Schreibwerkstatt 9.11.05
1. Im Schreibkreis (Der Blick der anderen)
Jeder lässt einen Zettel kursieren, auf den die anderen eine kleine Beobachtung schreiben. Z.B. Wie bewegen sich die Finger, der Kopf, die Lippen usw.
2. Der eigene Blick
Beschreibe im „Zeitlupenstil“ eine deiner Bewegungen.
3. Brief an ein Kind
Schreibe in der Rolle eines Erziehers aus deiner Kindheit einen Brief an dich selbst
4. Porträt eines Erziehers
Suche nach Möglichkeit ein Foto eines Erziehers (Eltern, Verwandten, Bekannten). Beschreibe die Person. Zitiere in der Personenbeschreibung einige typische Aussagen der Person.
5. Geschichtlicher Hintergrund: Wähle ein historisches Ereignis aus dem Jahr deiner Geburt und verbinde es mit deiner Biographie.
Gib bei den Schreibskizzen möglichst viele sinnliche Eindrücke wieder: was kannst du sehen? Was passiert? Welche Geräusche hörst du? Wie riecht es dort? Was kannst du dort schmecken? Wie fühlen sich die Dinge dort an?
Drei Beispieltexte
Die Stimme
(Rolf Dieter Brinkmann, aus Standphotos, 1967)
Wenn sie
spricht
ist das
wie ein
Gehen, wie
jemand
langsam
fortgeht
auf immer
die gleiche
Art wie
schon vor
Jahren
schon
einmal
in einem
Augenblick
ie dieser
nie kam
sie von
der Stelle
fort wie
hier, wo
sie anfing
in ihrem
eigenen Gehen
wie um sich
selbst gehen
zu hören
wo keiner ist.
DIE ABENTEUER VON TOM SAWYER von MARK TWAIN 1876, Kapitel 1 http://www.andiroch.de/twain/tomsawy.htm Englische Version: http://www.gutenberg.org/files/7193/7193-h/7193-h.htm#c1
"Tom!"
Keine Antwort.
"Tom!"
Alles still.
"Soll mich doch wundern, wo der Bengel wieder steckt! Tom!"
Die alte Dame schob ihre Brille hinunter und schaute darüber hinweg; dann schob sie sie auf die Stirn und schaute darunter weg. Selten oder nie schaute sie nach einem so kleinen Ding, wie ein Knabe ist, 'durch' die Gläser dieser ihrer Staatsbrille, die der Stolz ihres Herzens war und mehr stilvoll als brauchbar; sie würde durch ein paar Herdringe ebensoviel gesehen haben. Unruhig hielt sie einen Augenblick Umschau und sagte, nicht gerade erzürnt, aber doch immer noch laut genug, um im ganzen Zimmer gehört zu werden: "Ich werde strenges Gericht halten müssen, wenn ich dich erwische, ich werde -"
Hier brach sie ab, denn sie hatte sich inzwischen niedergebeugt und stocherte mit dem Besen unter dem Bett herum, und dann mußte sie wieder Atem holen um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen. Sie hatte nichts als die Katze aufgestöbert.
"So ein Junge ist mir noch gar nicht vorgekommen!"
Sie ging zur offenen Tür, blieb stehen und spähte zwischen den Weinranken und dem blühenden Unkraut, welche zusammen den "Garten" ausmachten, hindurch. Kein Tom. So erhob sie denn ihre Stimme und rief in alle Ecken hinein: "Tom, Tom!" Hinter ihr wurde ein schwaches Geräusch hörbar und sie wandte sich noch eben rechtzeitig um, um einen kleinen Burschen zu erwischen und an der Flucht zu hindern. "Also hier steckst du? An die Speisekammer habe ich freilich nicht gedacht! Was hast du denn da wieder gemacht, he ?"
"Nichts."
Ulysses (James Joyce, 1922)
Was tat Bloom an der Feuerstelle?
Er rückte die Schmorpfanne auf den linken Einsatz, erhob sich und trug den eisernen Kessel zum Spülstein, um dort vermittels Drehen des Hahnes den Wasserstrom zum Fliessen zu bringen.
Kam er zum Fliessen?
Ja. Aus dem Roundwood-Reservoir im County Wicklow mit seiner Kubikkapazität von 2100 000 000 Gallonen durchlief er einen zu einem ursprünglichen Fabrikpreis von £ 5 pro Langyard erbauten unterirdischen Aquädukt aus einfach und doppelt gelegten Filterleitungen
…………………………
Was bewunderte Bloom, der Wasserfreund, der Wasserzapfer, der Wasserträger, am Wasser, während er zur Feuerstelle zurückkehrte?
Seine Universalität:
seine demokratische Gleichheit und Konstanz gegenüber seiner Natur, indem es sich seine eigene Oberfläche suchte:
seine riesige Ausdehnung als Ozean in Mercators Projektion:
……………………………..
Warum kehrte er, nachdem er den halbgefüllten Kessel auf die nunmehr brennenden Kohlen gesetzt hatte, zu dem immer noch fließenden Wasserhahn zurück?
Um sich die beschmutzten Hände mit einem schon teilweise verbrauchten Stück zitronenduftender Barrington-Seife zu waschen, an dem noch Papier klebte, (gekauft dreizehn Stunden vorher zum Preis von 4 Pence und noch unbezahlt), in frischem kaltem nimmer sich änderndem, immer sich änderndem Wasser ... (http://www.wagenschein.ch/Heft-06.htm)
Ergebnisse:
Liebes Geburtstagskind,
ich möchte die Gelegenheit ergreifen und Dir an Deinem 8. Geburtstag für Deinen weiteren Lebensweg Glück und Gottes Segen wünschen. Bleibe immer ein artiges Kind, auf das deine Eltern und deine Tante stolz sein können. Du bist ja jetzt schon erwachsener, so dass Du weißt, was Du tun darfst und was Du nicht tun darfst. Mach Deinen Verwandten keine Schande. Lerne fleißig, damit Du gute Noten nach Hause bringst. Als Geburtstagsgeschenk habe ich Dir 5 Mark beigelegt und ein lehrreiches Buch. Du hast ja inzwischen in der Volksschule lesen gelernt. Wenn Du mich besuchen kommst, kannst Du mir sicher etwas aus dem Buch erzählen.
Anfang Dezember erwarte ich Dich mit Deinen Eltern in unserem Elternhaus in Neuwerk.
Viele Grüße von Deiner Patentante Käthe
Wenn ich meiner Patentante, die als strenge Volksschullehrerin von ihren Schülern und von mir gefürchtet wurde, in einem Brief antwortete und mich für die Geschenke bedankte – was sie selbstverständlich von mir erwartete, dann musste ich sie auf den Briefumschlag mit Fräulein titulieren, worauf sie bis ins hohe Alter großen Wert legte.
Worte
Wenn sie
ihr Kinn
hebt
ist das
wie ein
Befehl
steh gerade
sprich lauter
mit mir
hier oben
blick ich
auf dich
pass auf
was ich sage
zu dir
sag danke
gib mir
die gute
die rechte
hand
schau
mich an
wenn ich
spreche
mit dir
und
merk
dir
die
Worte
Was geschah? Der Staffellauf vom Peloponnes bis zum Grunewald begann. Durch sieben Länder führte der eindrucksvollste Fackellauf aller Zeiten. Von Volk zu Volk, von Läufer zu Läufer wurde die Flamme weitergegeben, über 3.000 km weit bis zur Stätte der XI. Olympischen Spiele in Berlin. Über 100.000 Zuschauer warteten im Berliner Olympia-Stadion gespannt auf die Eröffnung der Olympischen Spiele. Sie starrten gebannt auf eine hoch aufragende Empore, auf eine weithin sichtbare, steinerne Flammenschale. Sechzehn Tage und Nächte lang brannte das Feuer über der Stätte der Spiele, als Sinnbild ewig sich erneuernder Jugendkraft, als Sinnbild des Friedens.
Die Spiele konnten beginnen. Mein Leben begann ebenfalls nach diesem Feuerlauf.
Wer das Feuer haben will, muss den Rauch leiden.
Hörte ich die ahnungsvollen Engelsstimmen, die beim Eintritt in das Weltgeschehen hymnisch sangen „O du Jahrhundert, welches uns geboren, o brüderliches Jahr, das uns empfängt! Es klopft das Ungeheure an den Toren mit einem Finger, der die Riegel sprengt.“
Noch konnte ich 1936 nicht die Worte der Wahrsager lesen „ Mit dem Staate, durch ihn, für ihn und in ihm wird der Bürger fühlen, denken und handeln…Das Volk wird zu einer großen, innig verbundenen Familie zusammenwachsen…. Es wird eine unbezwingliche Sehnsucht nach dem Vaterlande geben….Deutschland, wenn es einig mit sich, als deutsches Gemeinwesen, seine ungeheuern, nie gebrauchten Kräfte entwickelt, kann einst der Begründer des ewigen Friedens in Europa, der Schutzengel der Menschheit sein.“
Wieviel Jahre musste ich warten auf diesen Frieden in Europa? Wieviel Jahre musste ich warten auf die erneuerten Deutschlandworte. “ Du bist Deutschland!“
Wann werde ich jammern „Deutschland verlass mich nicht mit deinen Fluren, Bergen, Tälern und Männern. Die Feinde sollen deine Waldungen nicht…zerschlagen…“?
War ich, geboren im Jahr des Feuerlaufs, dem Element ausgeliefert? In Furcht vor dem christlichen Fegefeuer, ja dem Höllenfeuer, verbrachte ich Teile meiner Jugend, lernte, in ihm konnten kleine Sünden abgegolten werden, wusste, im Gegensatz zur Hölle, aus der kein Entrinnen möglich ist, bietet das Fegefeuer die Hoffnung, nach all den Qualen ins Paradies zu gelangen.
Wusste ich, im Monat des Skorpions geboren, von der Vergänglichkeit?
Sah ich, wie die Bäume die Blätter los ließen?
Wusste ich von der Geschichte, dass ein Skorpion, der in einem Feuerkreis gefangen ist, der sich in einer ausweglosen Lage, in einer Ohnmachtsituation, befindet, sich selbst sticht, oder dass er sich selbst sticht, wenn er sein Opfer nicht bekommt?
Sah ich die Komplikationen von Skorpion-Beziehungen?
- Du bekommst den Goldschatz nur, wenn du riskierst auch dem Ungeheuer zu begegnen. Wenn die Äste eines Baumes bis zum Himmel wachsen wollen, müssen seine Wurzeln bis zur Hölle reichen.
- Wenn dich etwas genauso magisch anzieht, wie es dich zu Tode ängstigt, dann hast du mit skorpionischer Energie zu tun.
Klingen die Gebetsmelodien meiner Geburt bis in die heutige Zeit?
„„Machtvoller Gott, der in den Stürmen fährt,
die schwer auf unserm Volke niedergehen,
du willst, dass aufrecht wir den Kampf bestehen…
ach, find ich nicht im weiten Völkerringe am nächsten dich im engverwandten Blut?...
Lass immer strahlender den Widerschein aus uns, aus deutschem Wesen sich gebären
und Traum und Tat mit seinem Licht verklären!“
Wer ist Deutschland? Wer bin ich?
5. Schreibwerkstatt 23.11.05
1. Erzähle zu einem Thema: Ein Lieblingsbuch aus der Kindheit oder Mein Glaube ans Christkind
2. Beschreibe deine Kindheit in der Form eines Märchens oder beginne mit der Formel „Einst begab es sich, dass….“
3. Dialoge: Schreibe Gespräche aus deiner Kindheit auf.
4. Bereite zwei eigene Texte für eine Präsentation im Wechselrahmen des VHS-Hauses vor.
Informationen zu einem Projekt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe - der Volkskundlichen Kommission für Westfalen -und des Seminars für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Universität Münster
Der 18. November 2005
http://www.lwl.org/LWL/Kultur/mein_18_November/
Der 18. November 2005 soll ein historischer Tag werden! Wir rufen alle Menschen in und aus Westfalen auf, uns zu beschreiben, wie sie diesen Tag verbracht haben.
Erzählen Sie uns, wie Ihr Alltag an diesem Datum ausgesehen hat: Wer hat Sie geweckt? Wo und was haben Sie gefrühstückt? Hat es Ihnen geschmeckt? Wie war Ihr Arbeitstag? Was hat Ihre Gedanken beschäftigt? Was planen Sie für die Zukunft?
Informationen zu einer neuen Form des Tagebuchschreibens : Weblogs
Weblogs, kurz ‚Blogs’ genannt, sind chronologisch gegliederte Webseiten, die periodisch neue Einträge erhalten. Das Kunstwort, das sich aus ‚Web’ und ‚Logbuch’ zusammensetzt, bezeichnet somit Journale mit sehr unterschiedlichen Inhalten. Es gibt z.B. Fach-Weblogs zu verschiedensten Themen – oft zur Politik –, viele Blogger teilen auf ihrer Webseite aber auch Einzelheiten aus ihrem privaten Leben mit. Oft verweisen Weblogger mit Hilfe von Links auf andere Seiten und kommentieren oder ergänzen diese.
Es scheint ein allgemeines Bedürfnis zu geben, „große“ Geschehnisse aus der Sicht der „kleinen“ persönlichen Erlebnisse darzustellen. Von dieser Seite her sind auch Weblogs zu sehen, die sich mit dem Themenfeld Politik beschäftigen und von Journalisten oder Politikern geführt werden. Dabei werden natürlich auch andere Ziele verfolgt, etwa erhoffen sich viele Blogger von ihrer Präsenz im Netz Eigenwerbung für ihre Person, zum Beispiel für besseren beruflichen Erfolg.
Heute scheinen „interaktive“ Elemente in Weblogs immer wichtiger zu werden, wobei Leser die Möglichkeit haben, die täglichen Einträge zu kommentieren. Anfang September 2005 verzeichnete der Dienst blogstats.de für den deutschsprachigen Raum 65.000 Weblogs; allein in Westfalen-Lippe dürfte es damit mindestens 6.000 Menschen geben, die sich als Weblogger betätigen.
Zu den wichtigsten Weblog-Anbietern im deutschsprachigen Raum zählen 20six.de, blogg.de, twoday.net, antville.org, blogger.de, blogigo.de und myblog.de.
Textbeispiele als Anregungen zu den Hausaufgaben
1) Inger Christensen, Text aus „alphabet“, 1981 (Dänische Lyrikerin, 1935 geb.
Irgendwo werde ich plötzlich geboren
In einem ausdrucklosen Haus; wenn man
Schreit, geben die Wände nach und
Der Garten, worin man verschwindet, ist
Blankgewetzt von Schnecken; man badet
Ruckweise wie ein Vogel, und wenn die Erde
Gegessen ist und der Rhabarber das erste Mal
Welkt, gibt der Sommer nach und
Die Stadt, worin man verschwindet, ist
Langsam und schwarz; man geht durch die
Straßen, tut es den anderen nach, die
Ohne ein Wort im Vorbeigehn etwas
Mauerwerk zurechtrücken; wenn der Weg
Eingeübt, zählebig genug ist, geben
Die Häuser nach, und die Hochebene dehnt sich
Träge und allmächtig und eher
Unsichtbar aus; irgendwo steht ein wilder
Aprikosenbaum einen Augenblick still und
Blüht, doch nur mit einem ganz dünnen
Schleier um die ausgebreiteten Zweige
Bevor er dennoch fortfährt
2) „Fünf Mann Menschen“ Hörspiel von Jandl und Mayröcker,1967 (Preis der Kriegsblinden)
Szene 5, Berufsberatung
Sprecher
Berufsberater BB 1 – 5
Junger Mann JM 1 – 5
Sprecher: Der Mann, der euch nicht schuf, rät euch zum Beruf.
JM 1-4: Ja
JM5: Oja
JM1-5: - will natürlich jeder gern, aber die Wirtschaft braucht, die Wirtschaft braucht, die Wirtschaft braucht, und ihr sollt dabei verbraucht werden, verbrauchte Verbraucher. Verbrauchte Bergleute verbrauchte Zahnärzte, die von verbrauchten… Klempnern verbraucht werden..., während verbrauchte....
- weißt denn was d`willst?
JM1: Rennfahrer
JM4: Wenn ich weil ich nämlich immer schon gern zeichnet hab ein Grafiker
JM5: Was kann man denn heut schon werden? Ein Elektrotechniker halt.
BB1-1: so ist`s recht
.....................
BB1-5 (in gleichmäßigen Taktschlägen, laut, ohne sich von den Zwischenrufen des JM1-5 unterbrechen zu lassen): Tapezierer.....(Aufzählung von Berufen)….Krankenpfleger
JM2: Ich wär halt gern ein Doktor gwordn.
BB1-5: Fotograf, Gärtner.....(Aufzählung von Berufen)….........
3) Hanns Dieter Hüsch, „Minderheiten“ aus Das schwarze Schaf vom Niederrhein, 1983
Wenn ich so manchmal et Fenster rausguck oder überhaupt wenn ich guck dann muss ich mich immer wat fragen is egal wat. Also wenn ich so guck ne auch auf de Straß oder egal wo ich grad bin muss ich mich meist hinterher oder auch sofort irgendwat fragen. Dat kommt vom Gucken bestimmt. Ich mein wenn man richtig guckt manchmal stiert man ja auch ich mein wenn man guckt un wat sieht also mit offenen Augen sagt man ja auch dann muss man sich doch ständig fragen wie dat alles kommt und ob dat alles gut geht? Ich mein allein schon dat et ganz große menschen gibt un dann wieder ganz kleine. Wie leben die…
6. Schreibwerkstatt 7.12.05
Vorlesen und Besprechen der letzten Texte.
Eine Auswahl.
Toni Thonemann:
Mutter: Wo bist Du wieder gewesen?
Ich: Ich war Fußballspielen.
Mutter: Du weißt doch, daß die Brombeeren reif sind und gepflückt werden
müssen.
Ich: Diese Scheiß-Brombeeren.
Mutter: Ich kann doch nicht alles allein bewältigen, sie werden noch ganz schlecht.
Ich: Soll doch Ludger, mein Bruder, sie pflücken, immer soll ich alles machen.
Mutter: Du weißt doch, daß er noch zu klein ist.
Ich: Dann soll er eben eine Leiter nehmen
Mutter: Muß ich erst Papa erzählen, was Du mir wieder für Widerworte gibst?
Ich: Ich gehe ja schon, worin soll ich sie denn pflücken.
Mutter: Hier hast Du einen Eimer.
Ich: Ein Eimer ist viel zu groß, soviel Brombeeren hängen gar nicht daran.
Mutter: Da hängt ne ganz Masse dran, nu geh schon endlich!
Ich: Immer ich!
Ereignisse (günter neuenhofer, Dezember 2005)
Irgendwann
geboren hinter den Schienen im
Haus, dessen Wände meine Blicke nicht
durchdringen, dessen quadratischen Grundriss
ich verschiebe
in Richtung der Felder nebenan, in denen
die Schuhe stecken bleiben beim Spiel
mit Runkelstrünken, mit denen Kriege geführt wurden,
verborgen vor den Bleichgesichtern am Rande
der begehbaren Welt.
Irgendwo
geboren in den Zeiten des Aufbruchs von
Blut und Boden. Von den Eltern aufgestellt
für einen Marathonlauf über viele Jahre
träumend von den Zeiten der Drachen
in dichten Farnwäldern.
Irgendwie
in Richtung vieler Jahre,
der Atem kürzer,
voraus die Rufe
der Erzieher
langsam und schwarz
irgendwann
irgendwo
irgendwie
in meiner Heimat.
Aufhängen der vobereiteten Blätter im VHS Haus.
Termine für weitere Literaturtreffs bei Toni Thonemann: 11.1./ 25.1./ 8.2./ 22.2.2006