Termine: mittwochs 8.3./ 22.3./ 5.4./3.5./17.5./31.5.2006 von 19.00 – 20.30 Uhr

 

2006–I

 

VHS Schreibwerkstatt 1

 

„Dingsymbol und Leitmotiv“

als Konzentrationspunkte in einer Geschichte und im Gedicht

 

1. Kreisspiel: Jeder schreibt den Namen eines Kleidungsstücks auf einen Zettel und gibt ihn zur Kommentierung weiter. Nur ein Satz jeweils!

 

2. Ein Elfchen: ausgehend von der Farbe eines Kleidungsstücks

 

3. Im Kreis: Jeder beschreibt ein Kleidungsstück, ohne es beim Namen zu nennen, 10 Minuten; dann gib den Zettel weiter an den Nachbarn.

 

4. Aufgabe: Schreibe den Anfang einer Geschichte,

indem Du die Kleidung oder ein Bekleidungsstück einer Person, die Bedeutung der Bekleidung für die Person, die Wirkung auf andere Personen und ein Ereignis im Zusammenhang mit dieser Kleidung  beschreibst. Nimm dazu das beschriebene Objekt oder ein Foto davon zur Hand, damit die Beschreibung möglichst genau ausfällt.

 

Text zur Anregung und Orientierung:

 

Ich trage ein Kleid aus Rohseide, es ist abgenutzt…Zuvor ist es ein Kleid meiner Mutter gewesen…Ich gehe ins Gymnasium in Abendschuhen. Ich ertrage mich nur in diesen Schuhen…sie stellen alle früheren Schuhe in den Schatten, die zum Laufen und Spielen, die flachen aus weißem Leinen.

Aber nicht die Schuhe sind das Ungewöhnliche….Das, was an diesem Tag zählt, ist, dass die Kleine einen Männerhut mit flacher Krempe auf dem Kopf trägt… (aus “Der Liebhaber“ von Marguerite Duras)

 

5. Schreibe ein Gedicht, in dem ein Symbol Deine Deutung der Situation wiedergibt.

 

Anregungstext:

 

Beton

 

Sonntags

Beton die Herzkammern

davon angefüllt der

Schlaf in lichtlosen

Räumen woher

kein Kindsschrei.

kommt für immer

eingemauert Gebete

sprengen nicht

die Kapseln geborgen

ruhn sie hier sonntags

Beton die hohen

Räume Dome

hochhinauf im Innern

schalldicht ruhn

die Embryos

der Haufen

grau die Nachgeburt

ruhn im Beton

ruhn im Gedicht

hier still

sonntags

Beton

 

R.D.Brinkmann (1962-70)

 

6. Spiele mit dem Wort oder mit einem Satz wie in folgenden Gedichten.

 

E.Jandl (1925-2000)

 

das tuch

 

das ist ein taschen-

nein ein kopf-

vielleicht ein staub-

vielleicht ein hand-

vielleicht ein hals-

ein spitzen-

 

(aus „idyllen“, 1985)

 

das hemd

 

dieses hemd schon dreckig, ist

nicht die frage; sie ist

ist dieses hemd schon dreckig.

 

ist

dieses hemd schon dreckig, ist

nicht die frage; sie ist

wirkt dieses hemd schon dreckig.

 

(aus “die bearbeitung der mütze, 1981)

 

Vom 26. Februar bis 19. März 06 werden die Bücher im Kloster
Bentlage in Rheine zu sehen sein. Wieder mit ergänzenden Installa-
tionen und auch neusten studentischen Arbeiten, dem Ergebnis
eines Semesterprojektes, bei dem jeder Teinehmer willkürlich ei-
nen Gegenstand erhielt (z.B. Kaurischnecke, Batterie, Gänsefeder,
Rakete, Gerbera, Federball, Spiegel), der dann zu seinem Buch-
thema wurde und der auch bei der Präsentation des entsprechen-
den Buches eine Rolle spielen wird.

 

VHS Schreibwerkstatt 2                                                 22.3.06

 

I. Fotos in Worten:

1. freies Zeilengedicht

 

Photographie (Brinkmann)

 

Mitten

Auf der Straße

Die Frau

In dem

Blauen

Mantel

 

2. strenges Zeilengedicht: Haiku, 3 Zeilen ( 5 Silben, 7 Silben, 5 Silben)

 

Ein bewölkter Tag –

Statt der Sonne leuchten heut

Kirschblüten nur. (Kusakabe Kyohaku 17. Jh.)

 

Die Kirchenglocken

Der alte Mann mit dem Stock

Am Sonntagmorgen (Ursula Heidbüchel)

 

II. Schreibspiel für je 2 Schreiber:

 

Zeilen  oder Satzteile eines Textes auswechseln

 

 

III. Schreibe Wolkengedichte oder nimm Bezug auf eine andere Naturerscheinung. Halte Dich an folgende Muster und ihren sprachlichen Ausdruck.

 

Inger Christensen ((dänische Lyrikerin, Verse aus: „det/das“, 1969/2002)

 

Ich sehe die leichten wolken

Ich sehe die leichte sonne

Ich sehe wie leicht sie einen

Endlosen verlauf zeichnen

Als empfänden sie vertrauen

Zu mir die ich auf der erde stehe

Als wüssten sie dass ich

Ihre worte bin

 

Hugo Ball, 1886-1927, schreibt Laut- und Klanggedichte, „Verse ohne Worte“, um die durch den Journalismus verdorbene und unmöglich gewordene Sprache zu vermeiden. Mitglied der DADA-Bewegung

 

 Wolken

 

            elomen elomen lefitalominal

            wolminuscalo

            baumbala bunga

            acycam glastula feirofim flinsi

 

            elominuscula pluplubasch

            rallalalaio

 

            endremin saxassa flumen flobollala

            fellobasch falljada follidi

            flumbasch

………………

 

Uhland, spätromantischer Lyriker im 19.Jh

 

Abendwolken

 

            Wolken seh ich abendwärts

            Ganz in reinste Glut getaucht,

            Wolken ganz in Licht zerhaucht,

            Die so schwül gedunkelt hatten.

            Ja! mir sagt mein ahnend Herz:

            Einst noch werden, ob auch spät,

            Wann die Sonne niedergeht,

            Mir verklärt der Seele Schatten.

 

 

Ergebnisse:

Abend im April

 

Foto

 

Hinten

Über dem Wald

Eine Wolke

Vor dem

schwarzen Abendhimmel

 

Haiku

 

Ein trüber Abend -

Statt  weißer Wolkenberge

Ein schwarzer Himmel

 

 

Variation zu Christensen

 

Ich sehe die dunklen Wolken

Ich sehe die dunkle Nacht

Ich sehe wie dunkel sie

In der Nacht verschwinden

Als mißtrauten sie meinen Blicken

Die suchend hinauf in den Himmel blicken

Als wollten sie entkommen

Meinen worten

 

 

Wolkenbilder in Lauten

 

Urulofun nekomul neko muloro

Loloniko lomo lonika

Buhm rudika

Idimela

Rudilofuma nekomulura

Ru usch ruuuusch

Schlufendul ladi immulrosch

 

 

Romantisch gesprochen in Reimen
(Schema: abbcaddc)

 

Wolken sah ich nachtverbunden,

Aufgetürmt zu tiefem Schwarz.

Ränder leuchten scharf wie Quarz,

die schon längst verschwunden waren,

brennen mir im Herzen Wunden

Wird die Dämmrung wiederkehren?

Herz, du darfst nicht aufbegehren,

Sonne wird sich offenbaren.

Günter Neuenhofer, April 2006

 

 

VHS Schreibwerkstatt 3                                                         5.4..06

 

Personenbeschreibung

 

1. Konstruktion einer Person in der Gruppe

 

Der eine Teilnehmer übernimmt Kopf und Hals, ein anderer Arme und Rumpf, ein anderer den Unterleib und wieder ein anderer die Beine. Beschreibe detailliert die Teile, so dass auch Gefühle und Meinungen deutlich werden.

Überarbeite das „Porträt“ so, dass ein bestimmtes Bild (lustiges, trauriges, melancholisches, langweiliges…..) entsteht.

 

2. Veränderung der Erzählperspektiven

Erzähle neu die Situation der Begegnung oder erfinde andere Varianten!

 

Da ging einmal ein Mann ins Büro und traf unterwegs einen anderen, der soeben ein französisches Weißbrot gekauft hatte und sich auf dem Heimweg befand.

Das ist eigentlich alles. (von Daniil Charms http://www.geocities.com/Athens/8926/Kharms/Kh_de.html#026)

 

Varianten von Erzählanfängen:

Ein älterer Herr, nennen wir ihn ruhig bei seinem Namen, der in der Tat ein wenig ungewöhnlich erschien,….

 

Ich, also, endlich habe ich das Frühstück fertig, schlüpfe in den Mantel, nichts wie raus aus dem Haus, im Dauerlauf geht`s zum Büro, da treffe ich doch…

 

Heute Morgen ist mir etwas Eigentümliches widerfahren….

 

Es ist eigentlich etwas sehr Alltägliches, dessen ich mich erinnere und das doch mein Leben auf mysteriöse Weise verändert hat. Es geschah in jener Phase meines Lebens, als ich gerade ins Berufsleben eingetreten war….

 

Robert trat aus dem Haus. Die Sonne leuchtete ihm ins Gesicht. Was für ein Tag, dachte er, zu schade eigentlich, wieder einen dieser schrecklichen Tage im Büro zu verbringen….

 

Ich hatte ein Baguette gekauft….

 

In der Bäckerei roch es nach frischem Weißbrot…

 

Beispieltexte

1. Porträt auf Grund bestimmter kennzeichnender Dinge

Kurzverse mit jeweils 2-4 Hebungen

 

Großmutters Nase (Martin Walser )

 

Streng steht mir Großmutters Nase

Und stumm im Gesicht

Auf eine eigene hoff ich nicht mehr.

Großmutters Nase, sag ich, wie geht es?

Bist du noch da?

Dann so ein Schnauben von mir,

der Großmutters Nase zum Schnauben benützt

...

Großmutters Nase zu tragen

Und weiterzugeben makellos

Bin ich bestimmt.

Atemziehend wittere ich das

Mit Großmutters Nase.

 

 

2. Personenbeschreibung in einer Situation

Langverse mit jeweils 6 Hebungen

 

Die junge Frau  (Wang Giän)

 

Zur Küche steigt hinunter sie am dritten Tag.

Sie wäscht die Hände sich, um eine Suppe anzurühren;

Weiß nicht, ob sie der Schwiegermutter schmecken mag,

und lässt zunächst die kleine Schwägerin probieren.

 

 

3. Porträt durch Zeichnung mit Worten und Buchstaben.

Wortspiele mit ersten optischen Eindrücken und dem Namen einer Person

 

 

porträt eines mädchens (Jandl )

 

Blond

 

 

Blllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll

 

Blauäugig

 

 

                                         S

                                

                               S

 

                      S

 

             S

Sssssss

 

 

Irene

 

 

Ergebnisse:

 

 

 

Spieglein, Spieglein…

 

Aus dem Spiegel vor mir

erschrocken beinah

sehen mich Mutters Augen an.

Als gehörten sie in mein Gesicht!

Und ich frag’ sie erstaunt:

Ward ihr schon immer da?

Zu eigenen hab’ ich’s

nicht gebracht?

 

Mutters Augen im Spiegel,

in meinem Gesicht!

Vertraut und immer noch fremd

Sie schauen hinaus

wie ich hinein

Auf einmal erkenne ich

mich in ihrem Blick

und vermag die Welt

mit Mutters Augen zu seh’n

 

 

Das Auto zu waschen an jedem Samstag

kurz vor der Sportschau ist heilige Pflicht

Er poliert seinen Wagen, wie er es gern mag

Dann trinkt er Bier, sich selbst wäscht er nicht

 

 

Claudia Wiemer, April 2006

 

  VHS Schreibwerkstatt 4                                                3.5.06

 

 

1. Partnertexte: Renga, eine japanische Lyrikform

Ein Renga ist ein Kettengedicht bestehend aus Oberstollen, einem Dreizeiler (traditionell in der metrischen Struktur 5/7/5 Silben), und einem Unterstollen, der als Zweizeiler (7/7 Silben) gestaltet wird. Im Gegensatz zum Tanka, das dieselbe äußere Struktur hat, wird das Renga von zwei Autoren geschrieben. Thematisch ist die Renga-Dichtung nicht festgelegt.

Es beginnt mit dem Oberstollen des ersten Autors und wird dann vom zweiten Autor mit einem Zweizeiler von je 7 Silben assoziativ beantwortet. Eine neue Assoziation des zweiten Autors gibt dem Gedicht eine unerwartete Wendung.

Darüber hinaus formuliert der zweite Dichter eine Überschrift, die die neue Wendung für das gesamte Gedicht erklärt oder sie sogar in eine dritte Sinnebene heben kann.

 

2. Schreibe eine Variation zu folgenden Texten:

 

1. Beschreibe in Versen mit Wortwiederholungen am Anfang und am Schluss der Zeilen eine banale Beobachtung oder alltägliche Tätigkeit.

 

Schwarze Bohnen (aus „Landaufenthalt“, DDR 1969 von Sarah Kirsch, geb.1935,)

 

Nachmittags nehme ich ein Buch in die Hand

Nachmittags lege ich ein Buch aus der Hand

Nachmittags fällt mir ein es gibt Krieg

Nachmittags vergesse ich jedweden Krieg

Nachmittags mahle ich Kaffee

Nachmittags setze ich den zermahlenen Kaffee

Rückwärts zusammen schöne

Schwarze Bohnen

Nachmittags ziehe ich mich aus mich an,

erst schminke dann wasche ich mich

singe bin stumm

 

2. Beschreibe in Prosa, wie ein Ding einem Menschen Probleme bereitet und ihn „verändert“.

 

[Der Gehülfe, S. 143, von Robert Walser (1878-1956 Schweiz)]:

 

Vor einem halben Jahr hatte er eine solche Hutgeschichte erlebt. Er war ein halbhoher, ganz guter, normaler Hut, wie ihn die "Besseren" Herren zu tragen pflegten. Er aber traute dem Hut nichts Gutes zu. Er setzte ihn tausendmal auf den Kopf, vor dem Spiegel, um ihn dann endlich auf den Tisch zu legen. Dann ging er drei Schritte weg von dem niedlichen Ungetüm und beobachtete ihn, wie ein Vorposten den Feind beobachtet. Es war nichts an ihm auszusetzen. Hierauf hängte er ihn an den Nagel, auch da erschien er harmlos. Er versuchte es wieder mit dem Kopf, entsetzlich! Es schien ihn von unten bis oben zerspalten zu wollen. Er hatte das Gefühl, als ob seine Persönlichkeit eine benebelte, gesalzene, halbierte geworden sei. Er trat auf die Straße: er schwankte wie ein schnöder Betrunkener, er fühlte sich wie verloren. Er trat in eine Erfrischungshalle, legte den Hut ab: gerettet! Ja, das war eine Hutgeschichte gewesen. Auch Kragengeschichten, Mäntelgeschichten und Schuhgeschichten kamen in seinem Leben vor.

 

3. Suche Texte aus, die Du im letzten Jahr geschrieben hast, und bereite sie für eine Veröffentlichung vor.

Ergebnisse:

Jeden Tag kommt zu mir der Postbote.

Jeden Tag sehe ich den Postboten.

Jeden Tag geht er wieder der Postbote.

Der Postbote bringt mir Briefe.

Der Postbote bringt mir manchmal keine Briefe.

Der Postbote grüßt mich, bringt dem Nachbarn Briefe.

Der Postbote bringt mir ab und wann ein Päckchen.

Ab und wann erwarte ich zwei Päckchen.

Ab und wann bringt er dem Nachbarn ein Päckchen.

Ab und wann packe ich selbst ein Päckchen.

Ab und wann verschicke ich ein Päckchen.

Ab und wann wird mir klar, ich trage mein Päckchen.

Trägst Du auch Dein Päckchen?

Päckchen tragen doch so viele Menschen.

Menschen tragen oft ein Leben lang ihr Päckchen.

Päckchen tragen gehört zum Leben der Menschen.

Menschen tragen ungeduldig ihre Päckchen.

Päckchen tragende Menschen

Fragen, welchen Sinn macht eigentlich dieses Vers-Päckchen?

toni thonemann – nnamenoht inot

Schöne schwarze Tage

Morgens nehm` ich die Zeitung in die Hand

Morgens leg` ich die Zeitung aus der Hand

Morgens les` ich Tod im Irak

Morgens vergess` ich den Tod im Irak

Morgens geh` ich aus dem Zimmer

Morgens geh` ich in mein Zimmer

Von Katastrophen befreit

Rückwärts tastend

mit geschlossenen Augen

Morgens wasch` ich meine Hände

kämme mein Haar, putze die Zähne

denke bin allein

Mittags starte ich den PC

Mittags schalte ich aus den PC

Mittags im Radio rechtsradikale Gewalt

Mittags vergesse ich alle Gewalt

Mittags ess` ich Fleisch und Gemüse

Mittags verdau` ich Fleisch und Gemüse

Für neue frische Kraft

Schöner Weltenlauf

Mittags leg` ich mich hin steh` auf

Erst atme ich tief dann schüttel ich mich

Denke die Dinge

Abends starte ich das TV

Abends schalte ich aus das TV

Abends seh` ich die Toten

Abends vergess` ich die Toten

Abends trinke ich Bier

Abends spült das Bier

hinunter schöne

bunte Bilder

Abends ziehe ich mich aus mich an

schlafe bin wach


Die Schuhe

Vor einem halben Jahr hatte sie ihre erste Schuhgeschichte erlebt. Es waren gute, rote Lederschuhe, wie man sie in größeren Städten auf den plattierten Wegen und auf den Asphaltstraßen zu tragen pflegt. Sie aber misstraute den hohen Absätzen. Sie ging immer wieder mit vorsichtigen Schritten über das Kopfsteinflaster und über die angrenzende Wiese, um sie dann endlich auf den Gartentisch neben der Tür zu stellen. Dann ging sie in ihren Strümpfen ein Stück weit weg und beobachtete die feuerroten Schuhe wie man eine gefährliche Schlange beobachtet. Sie waren ganz harmlos. Sie setzte die Schuhe auf den Boden. Es waren wunderschöne, modische Stadtschuhe. Sie vergewisserte sich, dass niemand schaute und versuchte es wieder mit den Füßen. Es war, als ob sie das Laufen verlernt hätte. Sie schwankte und stolperte wie ein Betrunkener. Nur mit Mühe hielt sie sich aufrecht. Sie hatte das Gefühl, der Boden saugt mich ein, die Schuhe werfen mich aus der Bahn. Sie nahm die wunderschönen roten Schuhe und warf sie in den Mülleimer. Gerettet. Sie hatte ihr Gleichgewicht wieder.

Später erlebte sie noch viele andere Geschichten. Hut- und Hosengeschichten, Schul- und Feriengeschichten, Liebes- und Trennungsgeschichten und in allen ging es darum, das Gleichgewicht wiederzufinden.

günter neuenhofer, mai 2006

 

 VHS Schreibwerkstatt 5 17.5.06

Anregungstexte und Bild:

1. Blaues Zimmer (Hans Georg Bulla, 1981)

Gleichmäßig das Muster der

Tapete. Zehn Finger reichen

für den Abzählvers, dann

beginnt die Wiederholung.

Ich bleibe stehen in der

Tür, den Rahmen hart im

Rücken. Als könnte ich zu

atmen vergessen für ein paar

Augenblicke.

Nichts verzerrt der Spiegel

in der Ecke, einfach kommt

zurück die Antwort. Er lässt

mich nicht allein in dieser

kleinen Lähmung.

2. (Die Hand)

Virginia Woolf aus Blau & Grün, Erzählungen S. 16)

Wenn ich nur meine Hand auf der Fensterbank ansehe und bedenke, wieviel Wohltuendes ich in ihr gehalten habe, wie sie Seide berührt hat und Tonköpfe und heiße Mauern, wie sie sich flach auf feuchtes Gras gelegt hat oder sonnenverbrannt den Atlantik durch ihre Finger spritzen ließ, Glockenblumen und Narzissen abgerissen, reife Pflaumen gepflückt hat, nicht eine Sekunde lang, seitdem ich geboren bin, aufgehört hat, mir von heiß und kalt, von Feuchtem oder Trockenem zu berichten, so bin ich bestürzt, daß ich diese wunderbare Verbindung von Fleisch und Nerven dazu benutzen soll, den Mißbrauch des Lebens aufzuschreiben. Doch eben das tun wir. Was mich denken läßt, Literatur ist die Chronik unseres Mißvergnügens.


3. Ausgehend von einem Bild einen Text schreiben

Grüner Pullover, Ainu Kannisto, 2003, Bilddruck auf Alu