Naga aus Arunachal: Nocte-Frau aus Laju und Wancho-Mann aus Konsa
Arunachal (NO-Indien)
Dez./Jan. 2006/2007
im südlichen Tirap und Lohit
Fotos von Christa Neuenhofer.
Weitere Fotos von Christa aus Arunachal und anderen Stammesgebieten Indiens
Karte zu Arunachal
Reiseberichte über unsere früheren Fahrten durchs südliche Arunachal
Aus dem Inhalt:
Die Naga (Ursprungsgeschichten der Naga, Happy Christmas bei den Wancho-Naga, Zerstörung der Naga-Traditionen im Namen des Kreuzes und des christlichen Abendlandes)
Unsere Entdeckung der traditionellen Nocte-Naga-Kultur (Wiegenlieder der Nocte. Aus dem bäuerlichen Leben und von den archaisch-religiösen Ritualen, Zeremonie nach dem Bau eines neuen Hauses
Die Opfergestelle der Digaru
In den Dörfern der buddhistischen Stämme
Die vielen Religionsgemeinschaften bei den Tangsa
Der Rangfraa-Glaube
Die budhhistischen Chakma aus Bangladesch
Bei den christlichen Lisu
Haus im Nocte-Dorf Laju
Aus dem Reisetagebuch
Die umständliche Anreise im Flugzeug
Anreise mit der Lufthansa bis Mumbai in 7 1/2 Stunden. Ein sehr mittelmäßiges Mittagessen unterwegs, während "Toni" uns auf den Bildschirmen zu Lockerungs- und Atemübungen zu animieren sucht: "Fersen hoch, Zehen hoch und runter, Kopf nach links, Kopf nach rechts, die Schultern kreisen lassen". Wir beschäftigen uns währenddessen mit dem weißen, schlabbrigen Hähnchenfleisch in Tomatenketchup. Zum Nachtisch tauchen dann zwei rotgestreifte Katzen auf, die auf sehr unterschiedliche Art gegen einen adligen Tierfeind kämpfen. Ein Garfieldfilm.
Weiterflug nach Delhi. Ein dichter Nebel verhindert die Landung, so dass wir in einer Warteschlange 90 Minuten über der Stadt kreisen.
Anschlussflug nach Assam. Unter uns spiegelt sich die Sonne in den Wasserflächen des Brahmaputra: geflammte Muster zwischen grauen Sandbänken. Gegen 15 Uhr in Dibrugarh. Christa meint, wir sollten uns mal wieder auf Mallorca erholen.
Weiterfahrt im Auto durch Assam
Weiterfahrt durch endlose Teeplantagen zum Hotel. Koj, unser liebenswürdiger, Englisch nuschelnder Guide, teilt uns mit, dass er erst am Vortag ein Permit über10 Tage für den Tirap-Bezirk bekommen hat, und das auch nur auf Grund eines Bestechungsgeldes von 5000 Rs.
Am nächsten Tag nehmen wir wieder ganz sinnesnah den indischen Alltag wahr. Auf den Holzsitzen unseres Autos spüren wir jedes der vielen Löcher auf der breiten Straße und hören das Hupgeschrei der Autos. Unser Fahrer hupt jedes Lebewesen an, das ihm entgegenkommt "hello, helloo, hellooo!". Später hupt er auch die Teegärten und Reisfelder an. Das Hupen gehört zum Autofahren. "Hello, hier komme ich!!"
Ein heiliger Baum der Hindus zur Erfüllung vieler Wünsche in Assam
Ein Shiva-Baum, an dem Tausende von Glocken hängen.Wir läuten eine Glocke: "Hallo, Shiva, hier kommen wir!" . Rote Wollfäden werden um den Baum gewickelt als Wunscherinnerung: "Denk an meine Bitte, Shiva!" Kokosnüsse werden zerschlagen, Weihrauchstäbchen abgebrannt, eine Trommel geschlagen oder eine kleine Trommel und ein eiserner Dreizack an den Baum gelehnt. Ein Priester hebt die heilige Flamme und murmelt Gebete für das Wohlergehen von Eheleuten und für die Erfüllung eines Kinderwunsches, und dass es ein Junge sein möge.
Vorbei an Versammlungshallen der Krischna-Sekte, wie wir sie vor allem auf der Brahmaputra-Insel Majuli gesehen haben, fahren wir über Namsang aufwärts durch Urwald zur Grenzstation von Arunachal Pradesh (800 m hoch gelegen). Eintritt für 10 Tage. Nach dem Grenzkontrollbuch sind wir die ersten Ausländer, die in diesem Jahr die Grenze überschreiten. Eine Grenze innerhalb Indiens oder eine Grenze nach China, wie die Chinesen behaupten, nach deren Auffassung ein Bewohner dieses Distriktes kein Visum für China benötige, weil die Himalayaregion zu China gehöre?
Eine gefährliche Region auch wegen innerer Spannungen! Die Unabhängigkeitsbewegungen der Nagastämme kämpfen nicht nur gegen die indische Regierung, sondern auch gegeneinander. Auf einigen Straßenabschnitten stehen an den Brücken jeweils lange Polizeiketten. Man erwartet Unruhen, weil ein Nagaführer von London anreisen will und seine Gegner mit seiner Ermordung gedroht haben.
An der Grenze Plakate christlicher Konkurrenten. Die Baptisten rufen zum Kreuzzug auf und versprechen Heilung von allen Sorgen. Die Katholiken versprechen das Licht zu bringen. Bisher wurde die traditionelle Gewaltkultur der Nagastämme auch nicht durch die christliche Botschaft gezügelt.
Im Tirap-Bezirk in Süd-Arunachal
Bis zum Circuithouse Khonsa brauchen wir 90 Minuten. Von dort brechen wir zum nahe gelegenen Dorf Lapnan auf.
Bei den Naga
Die Hauptstämme der Naga leben im indischen Bundesstaat Nagaland und sind durchweg christlich. Ihre malerisch-exotische Kultur präsentieren sie besonders bei ihren Festen und bei Festivals. Die nördlichen Nagastämme der Wancho (47 788 Einw. im Jahr 2001) und Nocte (33 680), die dem Bundesstaat Arunachal Pradesh zugeordnet wurden, leben auf Grund der Abgeschiedenheit der Wohngebiete noch stärker in ihren Traditionen und sind z.T. noch Animisten. Auf meine Frage, ob sie denn auch zu dem Volk der Naga gehörten, erklärten die Nocte mit einer Geste, die auf die Berghänge zur Grenze von Myanmar hinwies, sie seien alle Naga. Als wir später in die Grenzregionen vordringen, treffen wir zweimal auf Dörfer, die von Naga-Guerillagruppen besetzt sind, d.h. die Dorfbewohner müssen diese bewaffneten Gruppen ernähren. Diese werden überraschenderweise von dem örtlichen Polizeiposten auch nicht vertrieben. "Ich habe dazu keinen Befehl bekommen", sagt uns der Apatani-Polizist, der aus einer ganz anderen Ecke des indischen Bundesstaates stammt.
Naga-Nocte in Laju
Die Ursprungsgeschichten der Naga
Die ersten Nachrichten über die Naga stammen von den Ahom in Assam, die unterschieden zwischen den Bergvölkern, die mit ihnen Kontakt hatten und nannten sie Bori-Naga, und den Abori Naga, die an der Grenze zu Assam siedelten. Die Namen Nocte und Wancho erhielten die Menschen erst von der indischen Regierung. Die Wancho wanderten aus dem südlichen Konyakbezirk um Tuensang ein, die Nocte über die Patkoi-Berge von Myanmar. Jedes Dorf erzählt von seinem eigenen Wanderungsweg.
Die Bezeichnungen für die Nocte sind verwirrend. Athparia (Transformation among the Noctes, Anthropological Survey, 2003) gibt dazu einen Überblick. Die beiden Hauptgruppen der Nocte-Naga (= Menschen, die in einer organisierten Gemeinschaft leben.) werden Hawa (= Leute der Ebene) und Koute (= Leute der Berge) genannt. Die Berg-Nocte, auch Barap-Nocte genannt, weil sie an den Ufern des Flusses Barap wohnen, werden Tut-Nocte und Lazu-Nocte genannt, sie selbst nennen sich Tutsa und Ollo. Andere Nocte-Gruppen nennen sich Haiba in Erinnerung an ihre ursprüngliche Heimat im Hukong-Tal in Myanmar. Die Nocte der Ebene nennen sich deshalb auch Hakhun.
Elwin überliefert folgende Ursprungsgeschichte:
Einst kamen zwei Brüder zusammen zu einem Ort mit Namen Uphannu in den Patkoi-Bergen. Dort opferten sie einen Hund und kamen überein, das Land zwischen sich zu teilen. Der ältere Bruder blieb in Myanmar und der jüngere ging nach Indien.
Am Anfang gab es nicht verschiedene Clans oder Stämme, alle waren eins. Dann geschah es, dass eine große Flut sich über die Berge Assams ergoss und sie einebnete. Da gingen einige Kinder der Wancho und Nocte hinab in die Ebene und entwickelten sich zu Assamesen.
(nach Elwin "The Myths of the North East Frontier of India", Shillong, 1968)
Nang kuka tongka? (Nocte in Khonsa)- Nang nok au (Wancho)
Wo lebst du?
Im Nocte-Dorf Lapnan
Unsere Entdeckung der traditionellen Nocte-Kultur
Erst während unserer vierten Fahrt durch Arunachal begegnen wir der traditionellen Nocte-Kultur, als wir die Dörfer Lapnan, Kheti und Laju besuchen. Lapnan in der Nähe von Khonsa ist nicht so groß wie Laju. Es hatte 1971 bei der Zählung 503 und Laju 1438 Einwohner.
Sprache und Lieder der Nocte
In Lapnan sprechen die Bewohner neben dem Nocte-Dialekt den Wakka-Dialekt, den sie von der Wakka-Gegend übernommen haben. Es ist eigenartig, dass manche der 58 Nocte-Dörfer von Wancho und Tangsa gegründet wurden. Beide Sprachen gehören zur Naga-Kuki-Chin-Gruppe der tibetisch-burmesischen Familie. Man unterscheidet neun verschiedene Dialekte bei den Nocte.
Wiegenlieder der Nocte
Bibi damnang tongtak e tongtak e
Khamthu khamthang joktak e joktak e
Phuphu damnang tongtak e tongtak e
Salum phong phong joktak e joktak e........
Bei der Großmutter saß ich, saß ich.
den Rest des Reisbiers trank ich, trank ich..
Bei dem älteren Bruder saß ich, saß ich.
den Rauch des Opiums genoss ich, genoss ich..
Bei der älteren Schwester saß ich, saß ich.
die rötende Betelnuss kaut` ich, kaut` ich.
Bei meiner Mutter saß ich, saß ich.
den weißen Reis aß ich, aß ich..
Bei meinem Vater saß ich, saß ich.
gutes und schlechtes Fleisch aß ich, aß ich.
Bei meinem Großvater saß ich, saß ich.
Ohren und Kopf eines Büffels aß ich, aß ich.
Nocte-Kind in Laju
Andere Wiegenlieder beginnen mit einer Anrufung des Mondes, der Sonne oder des Regenbogens, um dann Tätigkeiten aus dem landwirtschaftlichen oder sozialen Alltag aufzuzählen oder in einem Fragespiel z.B. zwischen Mond und Junge
Dada a! Dada a!
Luwom karo! Luwom karo! (nach The Noctes, P.Dutta, 1978, S. 158)
Junge: O Mond, o Mond, komm spiel mit mir, komm spiel mit mir!
Mond: Ich bewache das Reisfeld.
Junge: Großvater will das Feld bewachen
Mond: Großvater ist gegangen, um den Reisstampfer zu holen.
Junge: Wofür ist der Reisstampfer?
Mond: Um Reismehl herzustellen.
Junge: Wofür ist das Reismehl?
Mond: Um es auf die Stirn des Hühnchens zu streichen.
Junge: Was ist mit den Hühnchen geschehen?
Mond: Es wurde von einer Schlange gebissen.
usw.
Der tägliche Holzbedarf
Ackerbau durch Abschlagen und Abbrennen. Im Hintergrund neue Teeplantagen.
Aus dem bäuerlichen Leben und von den archaisch-religiösen Ritualen
Das Leben der Nocte wird vom Kreislauf der Natur und ihren Arbeiten in der Landwirtschaft bestimmt. Dabei spielen viele Tabus, Rituale, Opfer und Feste eine Rolle. Alle 10 bis 12 Jahre wird von einer Dorfgemeinschaft der Bewuchs eines Waldstücks abgeschlagen und niedergebrannt, um es etwa zwei Jahre zu bewirtschaften. Zunächst werden zwischen März und Juli verschiedene Maissorten gesät, die nach der Ernte geröstet oder gekocht gegessen.werden .
Zwischen dem Mais werden Wurzelfrüchte wie Süßkartoffeln, Arum und Maniok/Tapioka (nur gekocht genießbar) angebaut. Dazu können auf eigenen Feldern Senf, Kürbis, Brinjal-Auberginen, Chilli, Jack-Früchte, Bananen, Ananas, Tabak und evtl. Betel.kommen. Erst im 2. Jahr werden ab März verschiedene Reis- und Hirsesorten gepflanzt, die zwischen September und November reif sind.
Schon die Auswahl des neuen Waldstücks wird mit einem religiösen Ritual vorgenommen: die Jagdwaffen werden gereinigt und an einer Stelle in der Nähe des Königshauses niedergelegt. Dann wird ein Huhn getötet und das Blut auf die Waffen gestrichen. Am nächsten Tag gehen alle Männer auf Jagd. Wenn sie ein Tier erlegt haben, gilt es als gutes Zeichen, oder sie befragen ein Eierorakel.
Das Säen und Heranwachsen der Pflanzen wird immer wieder von Ritualen begleitet. Wenn Hirse und Reis ein wenig gewachsen sind, werden z.B. in Laju auf einem flachen Feldstein Opfergaben niedergelegt. In Tupi dauert das entsprechende Fest sieben Tage. Schweine und Büffel werden getötet, die Pflänzchen werden mit Reisbier bespritzt, und eine Person trägt ein Huhn sechsmal um das offene Herdfeuer, bevor es geschlachtet wird.
Buri le le tuku hawo
Buri le le saku hawo....
Nimm das Hühnchen und gib uns genügend Arum,
Nimm das Hühnchen und gib uns genügend Mais,
...... Hirse, Reis und Hülsenfrüchte.
Ebenfalls die Ernte jeder Frucht wird mit Ritualen, Gesängen und Tänzen gefeiert. Das Land innerhalb der Dorfgrenzen gehört allen Dorfmitgliedern und nicht dem Häuptling. Es kann nicht verkauft werden. Trotzdem gibt es auch private Felder oder Clan-Felder zwischen 1000 qm und 40000. Für die Rodungsarbeiten für ein neues Feld werden im reichen Lapnan auch Wancho als Arbeiter von Juni bis August eingestellt.
Obwohl sie neuerdings Kühe halten zum Verkauf, nutzen sie nicht die Milch, sondern verkaufen sie als Fleischlieferanten. Das Mästen von Schweinen ist dagegen eine traditionelle Aufgabe der Frauen.
Traditionelle Regale mit erbeuteten Schädeln gibt es noch in einigen Dörfern. Hier in Lapnan.
In Lapnan erwarten uns große Bambushäuser unter breiten Palmblattdächern, die fast bis zur Erde reichen. Auf der höchsten Stelle stehen das Königshaus und das Männerhaus (Morung), in dem noch viele Schädel aus der Zeit der Kopfjagden aufbewahrt werden. Die alten Männer sind hier sehr stolz auf ihre alten Schmuck- und Prestigeobjekte, die sie uns bereitwillig in ihren Häusern zeigen. Als wir den Lehrer des Ortes treffen, nimmt er uns mit zu seinem Haus.
Wir klettern einen steilen, eingekerbten Baumstamm hinauf und gelangen in das dunkle Haus. Neben dem offenen Feuer sitzen sein Vater und sein Onkel. Büffelschädel und -schwänze an den Wänden begrüßen uns. An der Bambuswand hängt eine rote Spitzhaube und von der Decke hängen große schwarz-weiße Nashornvogelfedern. Der Vater ist glücklich, dass wir der Einladung gefolgt sind und nötigt uns, am Feuer Platz zu nehmen, wo schon zwei Hunde in der warmen Asche liegen. Oberhalb des Feuers trocknen auf einer Ablage kleine Fischstücke, Schneckenhäuser hängen an Fäden herab und viele Bündel Hirse.
Als wir erklären, dass wir ihre Kultur kennenlernen möchten, holt der Vater aus einer Truhe seine breiten Armreifen aus Elfenbein. Dann wickelt er seine prächtigen Schlagmesser aus einem Tuch, die mit langen, rot-weißen Haarfahnen aus Ziegenhaar geschmückt sind. Der Onkel hängt sich mehrere Ketten aus Tigerzähnen über die Schulter und steckt sich eine Medaille aus der britischen Kolonialzeit an. Der Sohn schleppt fünf große Gongs hinaus auf die Bambusterrasse, um sie uns im Sonnenlicht zu zeigen. Wir folgen ihm kriechend durch die niedrige Tür, worauf er gegen die Gongs schlägt und erklärt, dass sie immer noch bei Festen genutzt werden. Solche Gongs zeugen ganz besonders vom Reichtum des Besitzers.
Inzwischen sind im Innern für uns Plastikstühle aufgestellt worden, und wir müssen übersüßen indischen Tee trinken.Der Fortschritt zeigt sich. Im hinteren Teil des Hauses starren Kinder auf einen Fernsehschirm und verfolgen gebannt ein Fußballspiel. Daneben steht ein Schrank und hängt ein Spiegel, ganz ungewöhnliche Objekte in einem traditionellen Haus, in dem noch nach alter Weise auf einer offenen Feuerstelle gekocht wird und der Reis mühsam zu Mehl gestampft wird.
Fernsehapparat und CD-Player werden zuerst angeschafft.(Lapnan)
Danke schön!
dhanjaweth (Hindi) - donobaad (Assamesisch) - - nicht üblich bei den Naga
Die Elektrizität wir dauernd unterbrochen. Trotzdem gelingt es unserem Guide Koj, ein gewürzfreies Abendessen aus Blumenkohl, Linsensupe, Auberginen, Reis und Chapati herzustellen. In der Nacht frieren wir, obwohl wir in einem Daunenschlafsack liegen und eine Wärmeflasche mitgenommen haben.
Am Morgen fließt kein Wasser mehr aus den Tanks, so dass wir nur das Wasser aus unseren Trinkflaschen zur Verfügung haben. Wir sind halt abseits der funktionierenden Zivilisation.
Heute geht die Fahrt noch weiter ins Abseits zu einem Dorf an der Grenze zu Myanmar, wo die Bevölkerung regelmäßig von Guerillagruppen terrorisiert wird. Nach zwei strengen Polizeikontrollen steigt die schmale Straße von 1000 m auf 1820 m. Eine wunderbare Berglandschaft begleitet uns. Als Vorboten der westlichen Zivilisation haben sich auch hier die christlichen Kirchen vorgekämpft: Don-Bosco- und Mutter Teresa-Schulen. Katholische Kirchen entstehen. Diese Gegend scheint fest in katholischer Hand zu sein. Obwohl bereits vor über 200 Jahren eine Hindu-Sekte (Vischnuanhänger "Kala Samhati") großen Anklang bei den Nocte fand, sehen wir im Gebirge keine Tempel der Sekte.
Diese Sekte hatte bei den Bergvölkern deshalb so großen Erfolg, weil sie Brüderlichkeit und Gleichheit predigte. Ausgehend von den 500 Klöstern in Assam, die seit dem 15.Jh. entstanden waren, erreichte der Einfluss im 18. Jh. die Nocte. Die Sekte verehrt nur einen Gott in der Form von Krischna und lehnte ursprünglich jede bildliche Darstellung und Tieropfer ab. Sie praktizierte esoterische Riten und nächtliche Mahlzeiten ähnlich wie die Tantriker der Vajrayana-Sekte. (s. unsere Begegnung mit den Mahadeva-Anhängern in Orissa)
Eine wunderbare Lage zeigt gleich das erste Dorf auf unserer Fahrt ins Grenzgebiet: Kheti. Wir erklettern erst den Hügel mit dem großen Haus des Dorfchefs. Dort zeigt sich das Nebeneinander von Tradition und Moderne ganz offensichtlich. Über dem Eingang des traditionellen Hauses begrüßt uns ein weißes Kreuz und im Innern Jesusbilder. Aber etwas versteckt steht neben dem Haus noch ein altes Männerhaus mit einer langen Baumtrommel und langen Regalen mit menschlichen Schädeln, die bei Kopfjagden erbeutet wurden. Der westlich gekleidete Sohn des Häuptlings erzählt uns, dass sein Großvater noch vor 30 Jahren Menschenköpfe erbeutet habe. Sichtbare Zeichen seien die Tatoos auf Gesicht, Brust und Nacken, die er als Belohnung und als Rangabzeichen dann tragen durfte. Vom Rang und Reichtum der Familie zeugt neben dem Haus auch ein ungewöhnlicher "Haremsturm" aus Ziegelsteinen, den man eigentlich nur in Raja-Schlössern findet. Das ist wohl auch ein Zeichen der alten Zivilisation, auf die der Sohn stolz hinweist: "Die Nocte sind zivilisierter als die Wancho, obwohl beide Naga-Völker aus Myanmar eingewandert sind." Inzwischen gehört es zur Zivilisation, keine Tatoos mehr zu tragen und im Haus Plastikstühle und Schränke zu haben.
Die Tätowierungen der erfolgreichen Kopfjäger wurden früher vor dem Erntefest vorgenommen. Die Köpfe wurden von einem bestimmten Baum im Dorf geholt, wo man sie zunächst aufgehängt hatte, nachdem sie zur Abwehr der feindlichen Kräfte mit Reismehl und einem Ei bestrichen worden waren. Dann wurden sie gekocht und gereinigt und ihnen wurde wieder Nahrung angeboten. Nach dem Fest wurden die Schädel im Morung des Häuptlings auf Regalen aufbewahrt, um dem Dorf weiterhin Glück und Wohlstand zu bringen.
Laju, das Dorf, in dem sich Polizei und Guerilla tolerieren.
Unser Hauptziel ist das 42 km entfernte Laju. 2 1/2 Stunden benötigen wir, bis wir das etwas versteckte Dorf auf einem 1640 m hohen Bergrücken vor uns liegen sehen. Über 2,5 km ziehen sich die Häuser in mehreren Reihen bis zum Ende des leicht hügeligen Rückens. Dort, wo die Piste hinter einer Biegung oberhalb des Dorfes endet, stehen ein Wasserreservoir, eine Marienstatue und fromme Bibel-Inschriften auf englisch. Aber bis zum Ende des Dorfes dürfen wir nicht gehen, weil sich im hinteren Teil 20 bewaffnete Untergrundkämpfer aufhielten. Unser Guide will sofort umkehren, aber die Einheimischen beteuern, dass wir nicht gefährdet seien, wenn wir uns nur im vorderen Teil des Dorfes bewegten.
Der Himmel zeigt keine Wolken, die Sonne brennt. Nur ab und zu streicht eine kühle Brise über das Dorf. Über viele Treppen und Felsen klettern wir abwärts und aufwärts zwischen den Häusern. Vor manchen Häusern hängen Weihnachtssterne. Auf den großen Bambusterrassen der Häuser arbeiten meist einige Frauen. Fast alle tragen noch die traditionellen Gesichtstätowierungen. Eine Frau tanzt und singt mit ausdrucksstarken Gesten, auch zum Vergnügen der zahlreichen Kinder und Erwachsenen, die sich versammelt haben. Viele Frauen trocknen u.a. Tapioka für die Bierherstellung.
Auch uns bieten die Männer, die gemeinsam lange Bambusstangen für neue Hauswände spalten, Tapiokabier an. Einige Männer haben schon so viel zu sich genommen, dass sie taumeln. Aber das Bier hat sie so locker gemacht, dass zwei Männer sich mit nacktem Oberkörper im Lendenschurz präsentieren, ihre Daos schwingen und einen Kriegstanz aufführen.
Die Größe des Dorfes (über 1438 Einwohner) zeigt sich auch an der Anzahl der Morungs (Männerhäuser). Jeder der 20 Clans hat ein eigenes. Im Gegensatz zu früheren Informationen behauptet unser lokaler Guide, dass Heirat zwischen den verschiedenen Clans durchaus möglich sei. Nach Parul Dutta (The Noctes, 1978) gibt es in Laju zwei Clan-Gruppen, die nur untereinander heiraten. Kepi, die Häuptlings-Gruppe, besteht aus 8 Unterclans und die Tangmo-Gruppe, die übrigen Leute. Neben einem Heiratsverbot bestehen weitere Tabus zwischen diesen beiden Gruppen. Wenn z.B. jemand aus der ersten Gruppe einen Büffel tötet, dann darf keiner aus der zweiten Gruppe den Kopf essen. Ebenfalls wird darauf geachtet, dass sich die beiden Gruppen bei einem Festmahl nicht vermischen.
Archaisch ist die Sitte, Zwillinge und behinderte Kinder zu töten, weil sie eine Belastung darstellen und Unglück über die ganze Gemeinschaft bringen würden. Auch ungewollte Kinder, die aus einer vorehelichen Freundschaft hervorgehen, die durchaus akzeptiert ist, können getötet werden. Eine Ehe wird nicht von den Eltern erzwungen, ist aber erst dann endgültig, wenn der hohe Brautpreis bezahlt ist (drei Büffel, ein Schwein und etwas Bargeld, 60 Rs). Der Verkauf von Mädchen als Sklaven ist ebenfalls möglich, wenn ein Mann seine Schulden nicht bezahlen kann.
Wancho beim Kriegstanz
s. Reisebericht Arunachal
Happy Christmas bei den Wancho
Nach einer kalten Nacht, die auch mit indischem Whisky nicht besser wird, fahren wir in 3 Stunden von Khonsa ins 50 km entfernte Longding, 1070 m hoch gelegen. Obwohl nicht angemeldet, bekommen wir ein Zimmer im schön gelegenen Inspection Bungalow. Während unser Fahrer versucht, auf seinem einflammigen Gaskocher ein Mittagessen zu zaubern, beseitigen wir die vom Schmutz braunen Kopfkissen in unserem versifften Zimmer. Es gibt wieder Blumenkohl mit Reis. Dazu als besondere Spezialität grätenreiche Fischstücke. Da wir keine stark gewürzten Speisen mögen, bemüht sich unser Guide auch morgens, eine Art Pfannkuchen herzustellen, den wir mit Honig essen.
Zum Bungalow hinauf dringen unentwegt Weihnachtslieder aus den beiden nebeneinander liegenden Kirchen der Baptisten und Katholiken. Vor den Kirchen stehen große, dampfende Kessel, in denen Reis und Fleisch gekocht werden. Die Gemeindemitglieder verpacken kleine Portionen in Bananenblätter für die "Bescherung". Über unseren Besuch scheinen alle glücklich, so dass wir unzählige Hände schütteln müssen und immer wieder das "Happy Christmas" hören. Besonders die Baptisten sind von überströmender Freundlichkeit.
Christliche Weihnachtsfeier in Longding
Als wir am Nachmittag das Wancho-Dorf Zedua erreichen, erklären uns die Bewohner, dass sie schon seit dem Beginn des Monats Dezember Weihnachten mit Singen und Tanzen feierten. Dieses Dorf zeigt besonders, wie die alte Kultur durch die neue christliche Kultur ersetzt wird. Alle Schädel aus der Kopfjägerzeit wurden ganz tief im Boden begraben, aber die für jeden Kopf aufgestellten Steine, die nach einer Kopfjagd mühsam vom Flusstal heraufgeholt wurden, stehen noch in einer langen Reihe unter dem Baum, an dem früher die Köpfe baumelten.
Im Morung hängen jetzt christliche Kreuze neben den geschnitzten Schlangen. Auf dem höchsten Dorfteil steht eine Baptistenkirche, vor der Frauen aus Perlenbändern Schärpen für Festtage herstellen. Ein Jahr brauchten sie für eine Schärpe, erklären sie uns. Auf den rotgrundigen Schärpen werden noch alte Naga-Symbole dargestellt: ein weißes Menschenpaar, ein Kind und Naga-Kreuze in XX-Form. Preis etwa 85 €. Die rot-weiß-schwarzen Stoffumhänge u.a. mit Elefanten- und Tigermotiven entsprechen denen im Nagaland.
Während wir durch das Dorf gehen, folgt uns ein Pulk von Jugendlichen, die allerdings statt der traditionellen Kleidung T-Shirts mit großen Bildern der Film-Superhelden tragen.
Abends gibt es wieder nur sporadisch Elektrizität und kaltes Wasser. Wir sind halt an der Grenze der Zivilisation angekommen..
Am nächsten Tag fahren wir 32 km in Richtung Pongchao, wo die Piste in der Bergwelt endet. Hier sehen wir den ersten Wancho mit großen Ziegenhörnern in den Ohren und viele Jugendliche mit Bärenfellhauben und Bambushüten. Das ganze Dorf ist unterwegs, um in den höheren Bergen Bäume für ein neues Häuptlingshaus im traditionellen Stil zu fällen. Am Nachmittag treffen wir auf die Männer, die einen riesigen Baumstamm aus den Bergen transportieren, indem sie ihn mit Hilfe dicker Seile und mit Bambusgerüsten unter großem Hallo zum Dorfplatz hinauf ziehen. Dort, wo das neue Haus stehen soll, stehen allerdings schon die Betonmauern für eine Baptistenkirche.
Männer des Dorfes Pongchao schleppen einen Balken für das Häuptlingshaus.
Zeremonie nach dem Bau eines neuen Hauses
Nachdem ein Haus unter Beachtung einer Weissagung neu errichtet worden ist, wird ein Hund geopfert am Haupteingang des Hauses. Der Kopf des Hundes wird dann dreimal um das Haus getragen und am Fuße eines Pfosten im hinteren Haus begraben. Danach erst betreten die Familienmitglieder das Haus. Am nächsten Tag bringt ein Clanmitglied ein Huhn und alle, die bei der Errichtung des Hauses mitgeholfen haben, kommen mit Speer, Dao, Gewehr und einem Stück brennender Kohle, das sie zum Brennen in die Feuerstelle werfen. Dabei singen sie folgendes Lied:
Lu Gu Fo
Gang Go Fo
Ngai Sai Ju awe
Yan that le
San dan le
Kam Nyap Gang to ...........
Wir haben das Haus betreten an einem guten Tag, nachdem wir den neuen Mond gesehen haben. Gib uns Reis, Hirse, Schweine, Geflügel usw. Lass es uns noch lange Zeit wohl ergehen.
In der ersten Nacht schlafen zur Vorsicht nur zwei alte Männer in dem Haus. Erst nachdem am nächsten Tag ein Bruder des Hauseigentümers Nahrungsmittel von den anderen Brüdern zum Haus gebracht hat, sind die Zeremonien abgeschlossen. (nach Dutta, The Wancho, 1990)
20 km hinter Pongchao liegt an der Grenze zu Myanmar Konsa (nicht zu verwechseln mit dem Ort Khonsa. "sa" bedeutet "klein"). 2 1/2 Stunden fahren wir durch eine Hügellandschaft, in der fast alle Hänge kahl geschlagen und abgebrannt sind, selbst steile Hänge. Eine kleine Armee-Station bewacht hier einen Pfad, auf dem die Bewohner in 2 Stunden die Grenze auf dem Höhenrücken erreichen und mit den ärmeren Burmesen Reis und Salz gegen Opium eintauschen.
Auf einem Hügel liegt das kleine Dorf Konsa. Viele Männer sind auf den entfernt liegenden Feldern. 140 Familien leben hier. In sechs Morungs schlafen die Jugendlichen, sobald sie 15 Jahre alt sind. Auch eine katholische Gebetshütte steht im Dorf. Wir werden in einer Hütte zum Tee eingeladen. Dort sitzen bereits zwei Männer am Feuer und bereiten ihre Opiumpfeifen vor.
Männer mit Opiumpfeifen
Das Opiumproblem
Das Opium befindet sich in einem 10 cm breiten Stoffstreifen, von dem einige Zentimeter abgeschnitten und in einem Löffel mit Wasser ausgekocht werden. Der Stoffstreifen wird ausgedrückt, das Wasser wird verkocht und das Opium mit Blättern vermischt geraucht. Nach jedem Zug nehmen die Männer einen Schluck Wasser aus einer Flasche. Das Rauchen von Opium ist in dieser Himalajaregion ganz selbstverständlich. In den nördlichen Bergen, in Lohit, finden wir sogar neben den meisten Häusern kleine Mohnfelder. Tee und Opium gehören zu den Lebensmitteln, mit denen man sich selbst versorgt. Bei größerem Bedarf ist es kein Problem, Opium aus dem nahen Myanmar zu bekommen.
Bei dem Besuch von Tafraliang in Lohit begegnen wir wieder Opiumrauchern. Der Ältere raucht seit 20 Jahren mehrmals täglich, wie er sagt. Ohne den Opiumkonsum habe er als Entzugserscheinungen Zittern und Gelenkschmerzen. Vom Markt hat er weiche, schwarze Kügelchen gekauft und einheimisches Opium auf einem Stoffstreifen. Das Opium wird angeröstet, mit heißem Wasser aufgelöst und dann mit getrockneten Bananenblattstreifen vermischt und geraucht. Um die Wirkung zu erhöhen, rauchen beide neben der Opiumpfeife zusätzlich Zigaretten und trinken schwarzen Tee. Um sein Laster zu finanzieren, muss er Holz verkaufen.
Kleine Mohnanpflanzung am Haus
An Stelle großer Mohnfelder blüht jetzt der subventionierte Ackersenf.
Der Weg nach Longkhao/Longkhaw, das nur eine Stunde Fußweg von der Grenze zum Nagaland entfernt liegt, wurde erst im vergangenen Jahr wieder geöffnet, nachdem er in den vergangenen 20 Jahren seit seiner Anlage zugewachsen war. Tiefer Schlamm verhindert fast ein Fortkommen. In Longkhaw verraten noch viele Tatoos im Gesicht die Erfolge bei früheren Kopfjagden, was uns auf Fragen auch von älteren Männern bestätigt wird. "Ich habe fünf Köpfe geholt." - "Ich nur einen." Von vier Führern werden wir durchs Dorf geführt und von allen freundlich begrüßt.
Aber auch hier haben die Baptisten dafür gesorgt, dass alle Schädel unter dem Schädelbaum begraben wurden, dass Schädel- und Gräberkulte nicht mehr ausgeübt werden. Nur die Tradition der Männerhäuser (Morung) ist hier ungebrochen. Im zentralen Morung finden sich viele Schnitzereien und eine ähnlich große Baumscheibe mit Figuren wie im südlichen Konyakdorf Shangnuy im Nagaland. In einem Dorfteil erleben wir, wie auf den Resten eines alten Morungs ein neuer errichtet wird. Zu unserer Freude schlagen dann alle Arbeiter mit Holzschlägeln und Steinen für uns ein Begrüßungskonzert auf der großen Baumtrommel. (als Google-Video)
Zwei junge Burschen brechen aus einem Bienenstock zwischen den Wurzeln eines Baumes Honigwaben. Das ist bemerkenswert, weil Bienen normalerweise an höheren Stellen in Baumhöhlen oder an Felsüberhängen ihre Nester bauen.
Als nach einiger Zeit ein leichter Regen einsetzt, drängt unser Guide zum Aufbruch. Später erfahren wir, dass er Angst hatte, weil sich im Dorf 30 Guerillakämpfer aufhielten, die wie in Laju von dem Dorf ernährt werden müssen. Die Untergrundkämpfer betrachten diese Grenzgebiete als ihre Rückzugsgebiete. Von der Bevölkerung werden sie als Plage angesehen, da diese die Hälfte ihres Einkommens abgeben muss.
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Traditionelles Grab mit Seelenpuppe in Wakka und christliche Gräber in Niausa mit traditionellen Elementen
In Niausa erzählt uns der lokale Guide von seinem Vater, der mit 75 Jahren gestorben ist. Auch er sei in seiner Jugend auf Dschungelwegen nach Konsa gegangen und habe dort wie üblich einen Kopf geholt. Dann zeigt er uns sein Grab, ein Gedenkstein aus Zement mit seinem Bild, seinem Nagaspeer und Schmuck. Auf das eingeschweißte Foto, das er hat anbringen lassen ist er besonders stolz.
Seine Mutter trägt Tätowierungen an den Beinen. Die Striche auf dem Oberschenkel und den Waden wurden während der Reifezeit tätowiert. Die Tätowierungen oberhalb der Brust erst bei der Heirat. Hier in seinem Heimatort dürfen Frauen den Morung nicht betreten.
Zerstörung der Naga-Traditionen
im Namen des Kreuzes und des christlichen Abendlandes
Verchristlichter Morung in Niausa
Das Symbol des Kreuzes war vor drei Jahren in den Dörfern noch nicht so auffällig wie jetzt. Inzwischen zeigen Strohkreuze auf den Dächern und Holzkreuze vor und in den Häusern die fortgeschrittene Vereinnahmung durch die Missionare an.
In Wakka stehen wir erschüttert vor dem zusammengebrochenen Morung als Zeichen des Zusammenbruchs der traditionellen Kultur. Von dem auf dem höchsten Bergspitze gelegenen Morung stehen nur noch zwei Pfosten. Die Versammlungen finden jetzt in der Kirche statt. Eindrucksvoll zeigt sich immer noch das unbeschädigte Dorfbild mit den 296 Langhäusern, die in zwei Reihen gestaffelt am Berghang untereinander liegen und 2700 Menschen beherbergen.
Das Ortsbild in Nginu ("nu" bedeutet "groß") ist ebenfalls noch großartig ohne störende Wellblechdächer. Hier bewundern wir die riesigen gebogenen Dächer, die wir umgedrehte Schiffsrümpfe bis zum Boden reichen. Das größte Haus gehört dem König, der hier mit 16 Frauen wohnt, wobei jede Frau einen abgeteilten Wohnbereich hat. In seiner Empfangshalle empfängt uns ein riesiger geschnitzter Tiger und ein Krieger. Von dort führt ein langer dunkler Gang durch das Haus, zu dessen Seiten die Wohngemächer der Frauen wie Viehverschläge mit Lehmboden liegen. Licht fällt nur durch die Türen des Gesamthauses von vorne und von hinten.
Bis der König erscheint, dauert es eine Weile, weil er gerade mit seiner Lieblingsfrau am offenen Feuer sitzt und isst. Dann werden Plastikstühle geholt und König und Königin begrüßen uns als die dritte deutsche Gruppe, die ihn besucht hat.
Die Mutter des Königs präsentiert sich uns ganz unbefangen mit nacktem Oberkörper und möchte so fotografiert werden.
Vor dem "Palast" liegen unter uralten Bäumen viele Steine. Vielleicht der Rest der Schädelstätte von den 80 Schädeln, die einst bei einem Massaker an einer britischen Expedition erbeutet wurden. Mitten im Dorf zeigt der Bau einer katholischen Kirche, wer inzwischen über Moral und Sitte bestimmt.
Als Zeichen traditionellen Lebens erleben wir aber auch die Ankunft zweier Reisstampftische, die im Dschungel in 14tägiger Arbeit aus einem Baum geschnitzt wurden und dann mit einem Bambusgerüst in einem eintägigen Marsch über die Berge ins Dorf transportiert worden sind.
Zurück in Khonsa warten wir 4 Stunden im dunklen, verschimmelten Inspection-Bungalow auf Elektrizität.
In den Tälern des Flusses Lohit
Hanana - willkommen!
Bra? - wie geht es dir?
So grüßen die Digaru.
Digaru-Frau
Unsere weiteren Erkundungen des östlichen Arunachals führen durch Flüsse und über katastrophale Straßen in den Nordosten, den Lohit-Bezirk, ins Gebiet der Digaru-Mishmi/Taraon. In diesem Gebiet ist der Opiumgenuss noch weiter verbreitet als im Tirap. Die großen Mohnfelder sehen wir aber nicht mehr. Da die Regierung die Ölsaat subventioniert, sind die Bauern auf Ackersenf umgestiegen. Trotzdem findet man hier fast neben jedem Haus noch kleine Mohnfelder. Scheinbar wird die Produktion für den Eigenbedarf nicht unterbunden.
Im Gebiet der Dörfer Loiliang, Amiliang, Hajuliang, Kumba, Kundong, Huiliang und Tafraliang siedeln neben den Digaru-Mishmi auch die Kaman-Mishmi/Miju.
Hier finden wir keine Zeugnisse des Christentums. Die Menschen hängen noch dem Animismus an. Sie selbst sprechen von Vanda bzw. von Ma thai.
Neben den Häusern finden sich überall
Opfergestelle des Tam Ladu-Rituals.
Um Informationen über die religiösen Rituale zu bekommen, suchen wir nach einem Schamanenpriester. Wir treffen ihn auf dem Weg zu einer Kranken, um ihren verwirrten Geist von einem bösen Geist zu reinigen. Uns zuliebe legt er seine Priesterkleidung an. Aber seine Gesänge und Tänze will er nicht vor uns aufführen, weil sie dann ihre Wirksamkeit verlieren würden, obwohl andere Schamanen an anderen Orten das schon mehrmals gemacht haben. Insgesamt erleben wir die Digaru als sehr sangeswillig und können viele Tonaufnahmen von ihren Liedern machen..
Die Gestelle bestehen aus hohen Stämmen mit einer Astgabel, in der ein großer Bambuskorb mit Erde ruht. In der Erde stecken Bambusstöckchen mit aufgemalten roten, magischen Zeichen zur Abwehr von Unheil, kleine Bambusdreiecke für Göttinnen (Tukanjo) und aufgesteckte Hahnenköpfe mit geöffnetem Schnabel und Schwanzfedern. Vom Korb hängen Wunsch- und Grußzeichen herunter: ein Fisch, Daos (Sambra), Symbole für Ziegen und ein Ohrring für die Göttin. Im unteren Bereich des Stammes wurde die Rinde ringförmig entfernt und der Ring als Grenze zwischen Himmel und Erde mit blutigen Hahnenfedern beklebt. Am Fuß der Astgabel liegen dicke Steine und hochgestellte Stöckchen, die die Innereien eines geopferten Hahns bedecken und schützen, einige Opfergestelle sind auch von einem Bambuszaun umgeben. Zusätzlich sind noch im Zaun Geisterfallen aufgesteckt, die man besonders häufig in höheren Himajaregionen auf Pässen und Bergspitzen findet.
Im abgelegenen Huiliang geraten die Kinder in Panik, als sie uns sehen. Ein Mann erklärt, er dürfe sein Haus nicht verlassen, da der Schamane gestern ein Ritual für sein krankes Kind hier abgehalten habe, ein Blutopfer für die Erdgöttin. Über seiner Eingangstür hängen zur Abwehr der bösen Geister ein Netz und Bienenwaben. Im Innern hängen viele Tierschädel, auch von Yaks. Gegen Durchfall und Malaria kennt er eine bittere Wurzel, von der er uns probieren lässt. Wir sind hier schon so hoch in den Bergen, dass die Ananas- und Mandarinenpflanzen nur schwer wachsen.
Begegnungen im Digaru-Dorf Huiliang
Vor dem nächsten der verstreut liegenden Häuser steht ein Gerüst, an dem die Kleider eines vor zwei Monaten Verstorbenen hängen. Daneben signalisieren schwarze und weiße Fahnen den Todesfall. Seine persönlichen Wertgegenstände wie Ketten, Schwerter, Töpfe und Jacken sind daneben verbrannt worden. Geisterfallen schützen den Bezirk vor bösen Dämonen.
In einem Haus von Tafraliang beklagt sich ein Familienvater, dass er weder vom lieben Gott noch vom Premierminister noch von den Abgeordneten Wellblech für sein Hausdach bekommen habe, obwohl die anderen im Dorf solches bekommen hätten. Vielleicht würde er nach China gehen. Dazu brauche er vier Tage. Dort würde er es bekommen. (Diese Gebietsregionen werden von China beansprucht, da die Völker tibetisch-mongolischen Ursprungs sind.) Als wir uns verabschieden, fragt er, wo wir im amerikanischen Britannien wohnen.
Vor einem anderen Haus treffen wir auf einen Kreis junger Männer, die schon seit den Morgenstunden Reisbier trinken und noch bis 22 Uhr weiter trinken wollen. Sie lassen sich gerne mit uns fotografieren, aber ihr selbst gebrautes, wässeriges Reisbier schmeckt uns nicht. Als wir weiterziehen, schlagen sie für uns frische Mandarinen von den Bäumen.
Später beginnt es zu regnen. Abends liegen wir im dunklen und kalten Inspection-Bungalow, während von draußen endlose und schrille Gesänge aus dem Lautsprecher eines Hindutempels jeden Schlaf verhindern.
Am nächsten Morgen weckt uns wieder ein dröhnender Tempelgesang, mit dem wohl das ganze Tal in Besitz genommen werden soll. Ich denke an die Auffassung der Digaru-Mishmi, man könne den Geltungsbereich eines Gottes mit magischen Zeichen abstecken und mit Blutkanälen die Erdgöttin erreichen. Das Bestreben, den Machtbereich des eigenen Gottes durch Glocken, Gesänge und Bau eines Gotteshauses deutlich zu machen bzw. räumlich auszudehnen, ist wohl den meisten Religionen eigen. Vielleicht lässt sich ein solches Verhalten der Priester auf das Revierverhalten der Tiere und den Konkurrenzkampf um Macht und Stärke zurückführen.
Es regnet. Die Wolken hängen tief im Tal. Zwischen den Bergfalten stehen Wolkenbänke, unter denen der Fluss laut rauschend verschwindet. Vor unserer Tür steht ein Mithun, ein halbwilder Waldbüffel. Am Abhang zum Dorf liegen unsere Bierflaschen von gestern. Unser Fahrer hat unsere Plastik- und Alureste dezent hinter einen Strauch geschoben. Keine Spur von Umweltbewusstsein.
Wir schaukeln und hüpfen mit unserem Auto am Lohit entlang und wundern uns, dass hier auch ein Bus die Dörfer verbindet. Bis eine Durchgangsstraße nach China hier fertig gestellt ist, werden noch viele Jahre vergehen. Es sei denn, die Chinesen nehmen das Projekt in die Hand.
Einige große Grabkonstruktionen am Straßenrand mit weißen Fahnen erregen unsere Aufmerksamkeit, so dass wir halten. Opferplätze mit blutverschmierten Pfosten weisen darauf hin, dass größere Tiere geopfert wurden. Die Häuser bestehen aus Bretterwänden und Bretterfußböden mit Wellblechabdeckungen. Auf der Terrasse einige Bienenkästen aus Brettern. Im Haus des Dorfchefs wohnen neun Familien mit 20 Kindern. Wir werden zum Tee eingeladen und am offenen Feuer erlklärt uns der Chef auf Hindi seine Religion. Sie verehren eine weibliche Erd- und Himmelsgöttin, Buru Sutoh (Mathai?). Vor der Tür zeigt er uns die Bambussymbole des Rituals Tam-Ladu, bei dem der Schutzgeist des Dorfes durch Blutopfer besänftigt wird. Körbchen mit Blut werden an den Gestellen befestigt oder auf spezielle Gestelle gelegt. Auch kleine Geisterfallen finden sich hier, wie wir sie aus lamaistischen Regionen des Himalaya kennen.
Das Dorf heißt Kanjang und ist eines der letzten Digaru-Dörfer. In den folgenden Tagen machen wir eine regelrechte Völkertour durch Dörfer mit 7 unterschiedlichen Ethnien.
Bei den Miri/Adi-Minyong (etwa 34 000)
Die Häuser der Miri in Sitpani wirken auf uns wie primitive Blätterhütten, lockeres Bambusgeflecht auf Bambusstelzen. Auch die Steinhäuser wirken wie Rohbauten. Die Miri sind vor langer Zeit von Norden her eingewandert. Sie sind Anhänger der Naturreligion Donyi-Polo bzw. Gegang. Daneben verehren sie auch in kleinen Tempelchen am Haus die Hindugötter Shiva und Vishnu, weshalb sie kein Rindfleisch essen. Die Kuh ist den Hindus heilig.
In einem Krankheitsfalle wird auf einem etwa 1.80 m hohe Bambuspfosten auf einer kleinen Plattform, die mit frischen Blättern fest gebunden ist, Fleisch von einem geopferten Tier, Reisbier und gekochter Reis für einen bösartigen Geist gelegt, die Blätter werden mit Blut bestrichen und dann laden die Miri den Geist ein und bitten ihn von seinem Opfer abzulassen.
Silo rogum sedum.
Kina ami-sim supak geloke ai mote kuka.
Doko tinko na takenem ....
Heute bringen wir dir Opfergaben.
Diesem betroffenen Menschen lass es jetzt wieder gut ergehen.
Welche Geister auch immer verantwortlich sein mögen für seine Krankheit,
sie mögen alle hierher kommen, welche Geister und bösen Gäste es auch sein mögen,
sie mögen dieses Büffelfleisch essen.
Dieser Mensch aber mag gesund werden.
Die Frauen sitzen vor Webstühlen und weben. Als wir auf einem Webstuhl Seide sehen, fragen wir, woher die Seide kommt und erfahren von einer Seidenraupenfarm in Nongkhang. Da wir die ersten ausländischen Besucher der Farm sind, werden wir besonders herzlich empfangen. Drei Seidenraupenarten werden hier gezüchtet: der auch in Europa gezüchtete Maulbeerspinner, der Eeri/Eriespinner und der Mughalspinner. Jede Raupenart benötigt die Blätter einer eigenen Pflanze für eine optimale Entwicklung. Wir nehmen die unterschiedlichen Seidenkokons der Raupen mit. (s. weitere Informationen im Reisebericht Orissa)
Eine buddhistische Pagode der Khamti mit kleinen Pagoden für die Wochentage wie in Myanmar
s. Reisebericht Myanmar
In den Dörfern der buddhistischen Stämme
Durch unversehrten Urwald fahren wir weiter ins Khamti-Gebiet und dann noch in den Bundestaat Changlang. Auf gerodeten Flächen leuchten gelbe Ackersenffelder durch die Bäume. Ein typisch burmesischer Stupa und Buddhastatuen zeigen uns an, dass wir wieder in einen anderen Kulturkreis gelangt sind. Vor über 200 Jahren sind die Khamtis über den Tirap aus Oberburma eingewandert. Sie haben ihre Religion, den Theravada-Buddhismus, ihre Sprache und ihre Schrift mitgebracht. In den Dörfern sieht man wie in Myanmar jeden Morgen die Mönche des Dorfklosters auf ihrer Betteltour.
Insgesamt sind die Dörfer reich geworden durch Holzeinschlag mit Hilfe ihrer Arbeitselefanten, bis die Regierung Ende der 90er Jahre die Rodungen verboten hat. Im Gegensatz zu anderen Stämmen wohnen die Khamtis (12 900) in Steinhäusern in der Nähe von Gewässern.
Die Singpho lernen wir in Namsai und Sikoi kennen. Sie bilden eine Minderheit von 3 000 (1996) bzw. nach anderen Angaben 7 200 in 12 Dörfern. Die Singpho sind wie die Khamtis aus Myanmar eingewandert und werden von den Burmesen Ka Khyen oder Kaku genannt. In ihren Häusern zeigen sie uns neben Buddhabildern auch eine Stelle, an der man dem Hausgeist Aufmerksamkeiten schenkt. In einem Haus liegen hier vertrocknete Blumen und ein Zweig mit Blättern. Dieser "Hausaltar" entspricht der Verehrung eines Hausgeistes (Nat) in Myanmar. In einem Mythos erzählen sie, dass Gott den Regenbogen als Leiter benötigt, um seine Frau auf dem Mond zu treffen, eine völlig unbuddhistische Vorstellung.
Neben dem jährlichen Gedenkfest an Gautama Buddha schützen sich die Singpho an anderen Tagen noch vor einer Vielzahl von bösen Geistern, die sie für Elend und Not verantwortlich machen, u.a. die Geister Ningsenat, Multung-Dingna, Cit-Hungnat, Natkum, Mainat. Um sie zu besänftigen opfern sie Tiere wie Büffel, Kühe, Schweine und Hühner. In der Nähe des Hauses zeigen sie uns ein Gerüst, auf dem sie nach der Opferung knochenloses Fleisch für den Geist (Nat bzw. Kun) ablegen. Allerdings gibt es schon viele Jugendliche, die diese Kun-Rituale gar nicht mehr kennen.
Ein großes Problem ist der Konsum von Opium, das sie sowohl rauchen als auch spritzen. Auf diesen Konsum wird auch der Rückgang der Bevölkerungszahl durch nachlassende Fruchtbarkeit zurückgeführt.1950 zählte man noch 50 000 Singpho. Der enorme Opiumkonsum in den neunziger Jahren soll mit dem Handelsabkommen zwischen Indien und Myanmar (1955) zusammenhängen, das die Einfuhr von Opium ermöglichte.
Buddhistisches KLoster der Tangsa.
Auf den Fahnenmasten kleine Flugzeuge.
Die vielen Religionsgemeinschaften bei den Tangsa (21 000)
Nicht weit vom Singpho-Dorf besuchen wir einen buddhistischen Tempel der Tangsa (Khangottang). Am Zugangsweg stehen Fahnenmasten, auf deren Spitze Flugzeuge und stupa-ähnliche Spitzen befestigt sind. Als Fahnen dienen selbst gewebte Stoffe ohne Symbole und Gebete. Am unteren Ende der Fahnenstangen sind Stoffstücke verknotet, die nach Auskunft der Mönche den Wunsch nach einem langen Leben ausdrücken. Drei junge, rot gekleidete Mönche von den sechs hier wohnenden sind anwesend. Sie erbetteln ihr Essen bei den 13 buddhistischen Familien des Dorfes Yumchun erbetteln. Sie zeigen uns den kleinen, schlichten Holztempel, in dem kleine Figuren, Fahnen und Fotos von Besuchern aus Thailand liegen.
Viele Tangsa haben sich auch dem Christentum zugewandt, weil die Baptisten und Katholiken besonders schöne Tempel gebaut haben. Im Ort Miao gibt es sogar ein katholisches Bischofshaus und in unserem Übernachtungshaus, dem Inspection-Bungalow, hängt ein Kalender mit dem Bild des Papstes an der Wand.
Teile eines geopferten Hahns an einer Hausdachecke zur Abwehr böser Geister
Neben diesen Religionsgemeinschaften finden wir im Dorf Phanyak auch eine neue Form der traditionellen Religion "Rangfraa". Rangfraa ist der Versuch, die traditionellen Gottesvorstellungen der Tangsa ähnlich zu fassen, wie es die Großreligionen tun. Ein ähnlicher Versuch ist die Donyo-Polo-Religion im mittleren Arunachal, die die traditionellen Gottesvorstellungen von Sonne-Mond in den Mittelpunkt gestellt hat.
Vor etwa 10 Jahren wurde ein durchaus menschliches Bild des allmächtigen Gottes entworfen, das wir in vielen Häusern der Tangsa finden. Das Bild ist eine realistisch-exotische Mischung des Hindugottes Shiva mit Speer, schwarzem Spitzbart, Halskette, Ohrringen und Armbändern und einer meditierenden Buddhagestalt mit untergeschlagenen Beinen, erhobener Grußhand, spitzem Haarknoten als Zeichen der Erleuchtung und flammendem Heiligenkranz.
In dem Büchlein "The Great Third Coming of Rangfraa", in dem die Wertvorstellungen und Regeln eines gottgefälligen Lebens und eine Art Metaphysik zusammengestellt worden sind, bezeichnet sich Rangfraa nicht als Religion, sondern als Dharma (Lehre und innere Kraft).
Das Lied vom Faraa
Ich bin die Ewigkeit, die Quelle ohne Ende. Ich bin das Licht und die Macht. Die Kraft meiner Liebe und meines Mitleids ist Buddha, die Kraft meines Opfers ist Christus, die Kraft meiner Weisheit und meiner Vorstellungen ist Krischna und die Kraft meines Glaubens ist der Prophet Mohammed und in Wirklichkeit bin ich Rangfraa selbst, der Vater von Himmel und Erde....Ich bin ewig, ohne Ende, wie der Nashornvogel singe ich frei und freudig den Ruhm Rangfraas hinaus ins Land des ewigen Friedens.
Im Dorf gibt es eine Gebets- und Feierhalle mit einem Altar und in jedem Haus die Bibel des Rangfraa. Die Tangsa sind ein Volk im Aufbruch. Sie wollen sich nicht nur geistig erneuern, sondern geben auch durch die freundliche, blumenreiche Gestaltung ihres Dorfes ein freundliches Bild ihrer Gemeinschaft. Fast jedes Haus ist von einem Blumengarten umgeben. Die großen Blüten der Weihnachtssterne leuchten zwischen dem Grün der Bäume.
Auf den großen Bambusterrassen, die offen bis ins Haus reichen, ist eine offene Feuerstelle, an der die alten Männer sitzen und beobachten, wie viele Häuser mit Bambusstangen oder Zement repariert werden oder wie Traktoren Materialien transportien. Eine Besonderheit der Tangsa ist auch der in Bambusröhren eingestampfte und über dem Feuer geräucherte Tee, der steinhart wird und als Medizin gegen Magenkrankheiten genommen wird. Unser Guide nimmt gleich zwei solcher Röhren für seine Familie mit.
Wie dürftig die Beziehung der Jugendlichen zu ihrer Tradition ist, erleben wir, als unser Guide eine Gruppe auftreibt, die gegen 100 Rs pro Person vor uns alte Lieder und Tänze aufführen will. Die Aufführung ist katastrophal, weil ein Teil der Gruppe weder die Schrittfolgen in den Tänzen noch den Text der Lieder kennt, die dazu gesungen werden. Nur eine Frau kennt sich richtig aus. Am besten klappt noch ein modernes Liebeslied. Der Erntetanz und das Lied über den göttlichen Rangfraa werden mit albernem Lachen vorgeführt. Authentisch und angemessen sind meist nur Vorträge von älteren Frauen.
Tangsa in traditionellen Kleidern beim Tanz
Das Volk der Chakma
Ju! (Guten Tag!)
henjan agoch? (Wie geht es dir?)
Muih gom aghong. (Mir geht es gut.)
Die Chakma (auch Changma) gehören zur tibetisch-burmesischen Völkerfamilie, sprechen eine eigene Sprache und wohnen hauptsächlich in den Chittagong Hill Tracts von Bangladesch. Sie umfassen etwa 300 000 Menschen. 100 000 leben in Arunachal Pradesh, 80 000 im indischen Bundesstaat Mizoram, 50 000 im indischen Bundesstaat Tripura und 20 000 in Myanmar. Die meisten Chakma sind 1988 vor der Armee Bangladeschs geflohen. Einige Chakma sind sogar nach Australien, Kanada, Britannien und in die USA ausgewandert. Erst 1996 kamen es zu einem Waffenstillstand zwischen den Chakma, die auch heute noch einen König haben, und der Regierung von Bangladesch. In Indien werden sie nur widerwillig geduldet, obwohl Flüchtlinge normalerweise nach 40 Jahren ein Bleiberecht erworben haben.
Die Chakma sind ähnlich wie die Singpho seit Jahrhunderten Anhänger des Theravada Buddhismus (Hunyan-Sekte), gemischt mit animistischen und hinduistischen Elementen.
Im Jahre 1974 begannen Angehörige der Chakma einen bewaffneten Kampf für Autonomie und gegen die Überfremdung durch bengalische Siedler. Im Verlauf der Kämpfe wurde ein eigener Staat proklamiert. 1993 trafen die Chakma und Bangladesch ein Übereinkommen zur Rückkehr der Flüchtlinge, und 1997 folgte ein Friedensvertrag, der dem Chittagong-Bergland weitgehende Autonomie zubilligte. Die Kämpfe sind zwar abgeflaut, jedoch bleibt die Lage angespannt.
Amnesty International schreibt am 30.10.1998 zu dem Problem folgendes im Internet:
Es besteht Anlass zu großer Sorge, dass Angehörige der buddhistischen Gemeinschaft der Chakma im indischen Bundesstaat Arunachal Pradesh Opfer von Angriffen werden könnten, nachdem Mitglieder und Anhänger der Studentenvereinigung "All Arunachal Pradesh Students Union"(AAPSU) mit Überfällen auf die Chakma-Gemeinschaft gedroht haben, falls diese den Bundesstaat nicht verließen.
Die AAPSU, der schätzungsweise 200.000 Mitglieder angehören, hat die Angehörigen der Chakma aufgefordert, den Bundesstaat Arunachal Pradesh bis zum 1. November 1998 zu verlassen, ansonsten müssten sie "mit Konsequenzen rechnen". Einem Journalisten der Presseagentur Agence France Press gegenüber erklärte der AAPSU-Vorsitzende "falls erforderlich, werden wir auch Gewalt einsetzen, um die Ausländer zu deportieren".
UA-280/98 INDIEN SORGE UM SICHERHEIT
http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/8ab8d50e0341b53dc1256aa0002eb22c?OpenDocument
Im Dorf Diyum beobachten wir, wie zwei Frauen vom Stamm der Chakma vor ihrem Haus lange blaue und grüne Tücher mit einem breiten Mittelstreifen weben, eine typische Beschäftigung der Chakma-Frauen, die grelle Farben lieben.
Auch bei den Deori/Bodo-Garo (etwa 5 700) in Sinpoi besuchen wir drei Häuser, in denen gewebt wird. Um eine Kette von 13 m Länge zu spinnen, benötigt eine Frau einen ganzen Tag. Um ein einfarbiges Tuch zu weben 10 Tage. Die Deori hier sind Hindus, was die Bilder von Gandhi, Gandhis Sohn und dem Kriegshelden General Bose zeigen. Sie bewohnen (neben dem Stamm der Mishing) auch Majuli, die größte Flussinsel der Welt im Brahmaputra.
Bei den christlichen Lisu
Die christlichen Lisu (sie nennen sich Yobin) wohnen seit 10 Jahren in Miao. Inzwischen sind es 200 Personen, die von ihrem Wohngebiet an der Grenze zu Myanmar hierhin übergesiedelt sind. Ab und zu besuchen sie ihre vier Tagesreisen entfernten Verwandten, erklärt uns ihr religiöser und politischer Führer, der ein gutes Englisch spricht. Er sorge dafür, dass die Jugendlichen seiner Gemeinde hier in der neuen Umgebung nicht unter die Räder gerieten. Dort in den Bergen, wo sie herkämen, wohnten noch etwa 4000 Lisu, die dort auf Terrassen Reisanbau betreiben. Ihre Urheimat sei der Südwesten von China, wo noch 730 000 Lisu lebten. Auf Grund von Repressalien der Han-Chinesen seien sie immer weiter in den Süden ausgewichen. In Myanmar wohnten etwa 350 000 Lisu, in Thailand 40 000 und in Indien etwa 4000. Er habe sich mit seiner Gemeinde schon von der ursprünglichen Kultur der Lisu entfernt.
Als wir nach der ursprünglichen Lisu-Kultur fragen, schickt er einen Jungen aus, um in der Nachbarschaft einige Kleider zu holen. Einige Mitglieder seiner Familie singen dann für uns einige Lieder. Als wir fragen, was sie vorgetragen hätten, stellt sich heraus, dass sie christliche Lieder gesungen haben. Als wir sie um ein traditionelles Lied bitten, singen sie ein Lied, in dem sie der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass ihre Traditionen nicht verloren gehen möchten. Uns wird klar, dass ihre Vergangenheit bestimmt ist von einem christlichen Leben und der Verbreitung ihres christlichen Glaubens im atheistischen China. Sie sprechen zwar noch ihre Sprache und kennen Techniken des Webens und Bambusflechtens aus den Bergen, aber sie haben alle "unchristlichen" Sitten abgelegt und sehen ihre Zukunft in einer globalisierten, englisch sprachigen Welt.
Der freundliche Mann und eifrige Missionar hält auch in Deutschland noch mit uns über Emails Kontakt und schreibt von seinen Sorgen, die die kleine Minderheit seines Volkes im Vielvölkergemisch Indiens betreffen.
Teppichmotive aus einem tibetischen Flüchtlingsdorf:
amerikanische Micky Maus, Hindugott Shiva, Sikh-Gründer Nanak, Potala-Palast in Lhasa.
Dazu Bilder von Gandhi und dem Dalai Lama.
Der letzte Tag in Assam zeigt uns, wie gefährlich das Leben in dem Vielvölkerland Assam sein kann. Am Abend vor unserer Abreise werden von der Unabhängigkeitbewegung der ULFA an drei Orten, die wir durchfahren haben, 16 Hindus getötet und 40 verletzt. Darauf wird die Durchgangsstraße nach Dibrugarh gesperrt. Wir aber sind Gottseidank schon in Dibrugarh und erleben die typische Idylle einer indischen Landstadt: Schmutz, Müll. Gestank, Krach, Slums und Bettler.
Dibrugarh
Eine Kuh vor der Wohnzimmertür
eine Kuh im Müllcontainer
eine Kuh auf dem Abfallhaufen
Müllberge am Flussufer
Müllberge im Stadtkanal
Müllberge auf der Straße
braunrot, ein Pissoir
schwarzgrau, vergorenes Abfallwasser
weiß, die Plastikreste in Kot und Schlamm
Sie bohren sich stinkend
in Nase und Augen.
Lachende Wancho-Frau aus Longkhao mit schwarz gefärbten Zähnen, Ohrspiegeln und Ohrstachel
Fremd
Was bleibt zurück von dieser höllischen Welt im fremden Deutschland?
Was machen mit dem ganz Anderen im deutschen Alltag?
Ich kehre um
nie wieder.
Eine Sonnenspur
funkelnd und glitzernd
in dunklen Gesichtern.
Du kehrst zurück
immer wieder
In Deutschland lesen wir in den Zeitungen vom 7. Januar 2007:
Viele Tote bei Rebellenangriffen im Nordosten Indiens
Ausgangssperre in Assam verhängt
Nach vermutlich von Rebellen verübten Angriffen im nordindischen Assam hat die Armee in dem Bundesstaat in der Nacht zu Sonntag eine Ausgangssperre durchgesetzt. Die Behörden erteilten den Soldaten Schiessbefehl.
Die Polizei beschuldigte die Unabhängigkeitsbewegung Vereinigten Befreiungsfront von Asom (ULFA), hinter den am Freitag begonnenen Anschlägen auf hindisprechende Einwanderer zu stehen.
Bei mehreren Angriffen in den verschiedenen Bezirken starben mindestens 48 Menschen, 30 weitere wurden verletzt. Die meisten Opfer waren Wanderarbeiter. Bei der Explosion einer Landmine starben zudem fünf Polizisten und zwei Beamte.
Die Ausgangssperre hatte am späten Samstagabend begonnen. Die Soldaten haben die Erlaubnis, auf jeden zu schiessen, der gegen sie verstösst. In Ostassam wurden unterdessen Friedenausschüsse gebildet, in denen die Führer verschiedener Volksgruppen Vertrauen in der hindisprachigen Minderheit aufbauen sollen.
Die ULFA kämpft seit 1979 für die Unabhängigkeit des an der Grenze zu Bangladesh und Birma gelegenen Bundesstaates. Dabei kamen mindestens 20000 Menschen ums Leben. In Assam und anderen nordindischen Bundesstaaten sind etwa 30 Organisationen aktiv, die alle für die Abspaltung ihrer Heimatregionen von Indien kämpfen.
55 Tote bei Anschlägen in Nordindien
Separatistische Rebellen haben bei einer Serie von Anschlägen im Nordosten Indiens mindestens 55 Menschen getötet.
Kämpfer der Rebellengruppe ULFA hätten in einem abgelegenen Dorf im Bundesstaat Assam mindestens 32 Menschen zumeist Arbeiter einer Ziegelei niedergeschossen, teilte die Polizei mit. Bei weiteren Überfällen und Explosionen wurden nochmals 20 Menschen getötet.
Laut einer Umfrage lehnen 90 Prozent der Einwohner Assams die separatistischen Forderungen der ULFA ab. Seit Beginn des Aufstandes in dem an Öl und Tee reichen Assam 1979 sind mehr als 20'000 Menschen ums Leben gekommen.
Naga auf dem Weg in die neue, globalisierte Welt.
Ein Baptistenprediger mit traditionellen Naga-Kleidungsstücken, die er uns verkaufen möchte.
Tourverlauf Arunachal 2006/2007
22. Dez.´06----Am frühen Nachmittag Ankunft in Dibrugarh. Übernachtung dort im Hotel Natraj.
23.--------------Morgens Fahrt in den Tirap District nach Khonsa, am Nachmittag Besuch des Nocte-Dorfes Lapnan.
24.--------------Von Khonsa Tagesausflug in die Nocte-Dörfer Laju (Lazu) und Kheti.
25.------------- Am Morgen Transfer von Khonsa nach Longding, am Nachmittag Besuch des Wancho-Dorfes Zedua.
26.--------------Von Longding Fahrt in das Wancho Gebiet. Besuch der Dörfer Konsa und Pangchao.
27.--------------Tagesausflug von Longding nach Longkhao (Longkhaw) und Niausa.
28.--------------Von Longding zu den Wancho-Dörfern Wakka und Nginu. Dann Weiterfahrt nach Khonsa.
29.--------------Langer Fahrtag von Khonsa nach Tezu (Lohit District = in allen Dörfern leben Leute des Digaru Mishmi Stammes).
30.--------------Bei Tezu Besuch des Dorfes Loilang. Dann Fahrt nach Hayuliang. Kurz vor Ankunft noch ein kurzer Aufstieg in das Dorf Amiliang.
31.--------------Von Hayuliang Ausfüge in Digaru Mishmi Dörfer: Morgens nach Kumba und Kundong, nachmittags nach Jatong.
01.Jan.´07-------Tagesausflug von Hayuliang. Morgens einstündige angenehme Wanderung zu dem Dorf Huiliang (und zurück). Nachmittags Aufenthalt in Tafraliang.
02.--------------Von Hayuliang über Kanjang und Chowkham (buddh. Stupa) nach Mahadevpur bei Namsai.
03.--------------Auf dem Weg nach Miao Besuch verschiedener Dörfer und Volksstämme: Sitpani (Miri), Nongkhong (Miri/ Seidenraupenzucht), Enno (Khamti), Singpoi (Deori), Diyum (Chakma), Miao.
04.--------------Miao. Tagesausflug nach Phanyak (Tangsa), Sikoi (Singpho), Yumchum (Tangsa).
5.-------------- Morgens Tangsa-Tanz beim Inspection Bungalow. Danach Besuch des tibetischen Selbsthilfezentrums bei Miao. Anschließend Fahrt nach Dibrugarh.
06.---------------Morgens Bummel durch die urigen Straßen Dibrugarhs. Mittags Transfer zum Flughafen. Flug über Guwahati, Delhi und Bombay nach Frankfurt.
Digaru und Deutsche: Freundinnen ?