Drachenblutbäume

Sokotra
Landkarte 1 - Sokotra
Landkarte 2 - Jemen

Eindrücke von einer wunderbaren, jemenitischen Insel vor der afrikanischen Küste

Die Routen auf Sokotra, von Matthias mit GPS aufgenommen.

Aufgepicktes und Aufgespießtes
mit 26 Fotos von einem Kamel-Trekking und einer Autorundreise im November 2008


Im Haghir-Gebirge unterwegs mit Kamelen.

Der Stein ist aus gefrorenen Wolken,
unbeweglichen Wolken
ein mit dem Leid der Zeiten belastetet Lied.
Der Mensch müsste siebentausend Jahre leben,
um zu hören, was dieser Stein ihm sagt,
um zu lesen, was er bewahrt aus Büchern des Schweigens,
dort sind der Tag und die Sonne im Herzen des Steins,
dort sind der Himmel und verlorene Gedichte,
entzündete Lampen ohne Öl,
und Fenster, aus denen nichts schaut außer das Gesicht der Geschichte.

(Abdulaziz al-Maqaleh, Das Buch Sana`a )


Zwei unserer Kameltreiber, die uns mit sechs Kamelen begleiteten.

Entstehung und Verwandlung der Insel Sokotra

Etwa 230 km von Afrika und 345 km von der arabischen Halbinsel entfernt liegen vier Inseln, die zum Jemen gehören. Von Afrika trennt sie ein etwa 200 m tiefes Meer und von Arabien der 5000 m tiefe Golf von Aden. Die weitaus größte Insel ist Sokotra, 130 km lang und 40 km breit.

Die Sonderstellung der Insel Sokotra beruht darauf, dass die Insel erdgeschichtlich vor 70 Millionen Jahren bei der Bildung der Kontinente von Afrika getrennt wurde. Während unserer Wanderung durch das zerklüftete Haghirgebirge stießen wir immer wieder auf versteinerte Muscheln, die darauf hinweisen, dass alle Teile der Insel bis auf die Granitmasse des Haghir, das durch die Verschiebung der Erdplatten bis 1513 m hoch emporgehoben wurde, vom Meer überspült wurden.


Reste einer vulkanischen Aktivität?

Die Landschaft, wie wir sie heute vorfinden, wurde vorwiegend durch Erosion so geformt. Während wir im Süden nach Erreichung der Plateaus (etwa 400-800 m) zwischen tiefen Kerbtälern wanderten, zeigte sich im westlichen Teil der Insel ein eintönig flaches Hügelland. Zur Küste hin sahen wir bei unserer Bootsfahrt zur Westspitze am deutlichsten die Steilabbrüche der rot- und graubraunen Kalktafel mit vielen Höhlen und Vertiefungen, die Vögeln als Brutplätze dienen. Hier erlebten wir in der Bucht vor den Resten der fast trockenen Mangroven, wie im Wind die harten Sandkörner aus dem Verwitterungsgestein neue Dünen bilden.

Die Stärke des Windes, den wir in dem Wintermonat November als Nordost-Monsun erlebten, weitet sich von Mai bis Oktober zu einem anhaltenden Sturm aus, bei dem früher kein Luft- und Schiffsverkehr mehr möglich war.


Auf der Hochebene des Homhil

Bei unseren Wanderungen erwies sich der Wind als eine angenehme Kühlung bei durchschnittlichen 25° C. Erst ab 1000 m wurde es kühl, zumal im Haghir-Massiv, das meistens in Wolken gehüllt war, mehrfach leichter Regen fiel. Dort zelteten wir auf Weiden neben Quellbächen und wunderten uns, dass die Bauern hier in der feuchten Region der Insel keine Feldwirtschaft betrieben wie im Bergjemen und in Äthiopien, wo ähnliche Klimaverhältnisse herrschen. Ab 400 m Höhe kann mit beständigem Tau- und Nebelniederschlag gerechnet werden. Ein Grund für den fehlenden Feldbau ist wohl, dass die Böden extrem nährstoffarm sind. In den Wadis, in deren grünen, veralgten Tümpeln wir badeten, fließt das Wasser nur nach Regentagen. Aber auf Grund des Grundwassers haben die Bauern hier Dattelnpalmen angepflanzt.

Die Datteln werden heute noch, wie auch früher der Aloesaft, das Wasser, die Milch und der Honig in Ziegenhäuten transportiert. Einer unserer Kameltreiber schnitt für uns Dattelstücke aus solch einem Ziegenkörper. In der Haut sollen sich die Datteln eingenäht mehrere Jahre halten. Da die Bewohner der inneren Insel keine Trinkgefäße haben, nahmen sie gerne unsere leeren Wasserflaschen. Unsere Kameltreiber zerschnitten sie in zwei Hälften und nutzen sie als Trinkbecher.


Straßenbau rund um die Insel

Durch die 130 km lange Insel ziehen sich breite Straßen wie offene Schnittwunden, auf denen kaum Autos verkehren. Eine Pipeline wurde von einer französischen Hilfsorganisation verlegt, um einige Dörfer mit Wasser zu versorgen. s. http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,459827,00.html

Die Inselbewohner (die Angaben schwanken zwischen 40 000 und 80 000) sprechen eine eigene Sprache, das Soqotri, und führen im Innern der Insel noch immer ein archaisches Leben als Hirten oder Fischer in äußerst primitiven Häusern (Steinkästen) ohne Fenster. Seit der Öffnung für Touristen 1998 verändert sich die Insel rasant. Sicher wird die Inselsprache Soqotri bald von dem Arabisch der Zuwanderer verdrängt werden. In den Läden der Hauptstadt Hadibo konnten wir, wie übrigens auch im übrigen Jemen, fast nur noch importierte Waren kaufen. Die Inselbevölkerung ernährt sich nicht mehr von eigenem Feldanbau wie früher vorwiegend mit Fingerhirse, sondern mit Mais, Reis und Weizen.

Wird auch die eigenartige Begrüßungsform, das Aneinanderreiben der Nasen verschwinden? In der Eingangshalle des Flughafens konnten wir diese Begrüßungsart noch häufig erleben. Ein Mann hob sogar den schwarzen Gesichtsschleier seiner Frau, um seine Nase an ihre zu stubsen. Wahrscheinlich werden in einigen Jahren auch die Frauen der Hirten ihre farbenfrohen Kleider ablegen, sich durch schwarze Tücher unkenntlich machen und ihre Körperlichkeit auf zwei Augen hinter einem Sichtschlitz reduzieren. Das ist eine Entwicklung, die mir letztlich unverständlich bleibt. Als ich vor 11 Jahren durch den Djebel Bura im Bergjemen wanderte, gab es noch keine dieser schwarzen, gespenstischen Gestalten. Bei der diesjährigen Wanderung trafen wir immer wieder auf solche.


Zwei Reisegruppen frühstücken an der Hauptstraße von Hadibo.

Für die Inselbewohner sind die Teerstraßen – neben dem Mobilfunknetz, einem Krankenhaus und vielen kleinen Krämerläden in Hadibo – Ausdruck einer Entwicklung, die mit der Eröffnung des Flughafens erst richtig begann. 30 Sokotris wurden zu Naturführern ausgebildet und kleine kommunale Campingplätze angelegt.

Z.B. auf der Landzunge Dihamri. Auf dem vom Wasser geschliffenen roten und weißen Korallen am Strand steht jetzt eine Dusche, eine überdachte, offene Hütte als Sonnenschutz und ein Betonhäuschen mit Toiletten und fließendem Wasser. Im Riff direkt vor dem Strand bestaunten wir mit gemieteten Schnorchelmasken Fische in allen Regenbogenfarben. Hier aßen wir frischen Fisch und machten zum ersten Mal Bekanntschaft mit den Schmutzgeiern, die überall auftauchen, wo gegessen wird. Am letzten Tag saßen wir beim Fischessen in einem Wadi inmitten von 19 friedlichen Geiern, die auf unsere Reste warteten.

Sokotra ist besonders für Biologen interessant wegen den vielen endemischen Pflanzen, ca. 30% der 850 Arten sind endemisch.

In diesem Zusammenhang arbeitet das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart an einem Projekt zur Bestimmung des Alters der vorhandenen Pflanzen.

"Sokotra hatte in der späten Kreide Kontakt zum Gondwanischen Festland. Bisher wurden biogeographische Beziehungen sokotranischer Taxa zu Afrika, Arabien, Asien oder den Kanaren vermutet. Diese Hypothesen wurden meist nur anhand von morphologischen Daten aufgestellt. Mittels DNA-Sequenzierungen werden die Phylogenien rekonstruiert und miteinander verglichen. Mithilfe der Molekularen Uhr soll nun herausgefunden werden, ob diese Pflanzen Relikte der alten Gondwana-Flora darstellen oder ob sie erst in jüngerer Zeiten die Insel erreicht haben."

Die Wissenschaftler des UNDP arbeiteten mit den Inselbewohnern einen Plan aus, teilten Sokotra in Zonen ein. Solche, in denen Straßen gebaut, Landwirtschaft betrieben oder gefischt werden kann und jene, die unter absolutem Schutz stehen, weil seltene Vögel dort brüten oder fast alle Pflanzenarten der Insel dort gedeihen. Aus dem Plan wurde im Jahr 2000 das Dekret 257, unterzeichnet vom Staatspräsidenten persönlich und damit verbindlich für alle Vorhaben auf der Insel. Rund drei Viertel der Fläche stehen seither unter Naturschutz – soweit die Theorie.

Die Pflanzen

Alle Pflanzen suchen sich durch Wuchshöhe, Reduzierung der Blattgröße, Blattabwurf und durch isolierende Überzüge vor Austrocknung durch Wind und Hitze zu schützen. Sie suchen einen Kompromiss zwischen maximaler Photosynthese und Schutz vor Wasserverlust.

Einige Arten verzichten sogar auf Blätter und betreiben die Photosynthese mit der grünen, verdickten Sprossachse wie Kakteen, von denen sie sich durch den weißen Milchsaft unterscheiden, z.B. euphorbia abdelkuri und euph. septemsulcata.


Alle Flaschenbäume haben skurrile Gestalten. Jeder wäre ein Foto wert.
Rechts ein blühender Baum aus dem Bergjemen.

Viele Pflanzen speichern Wasser im Stamm, der Wurzel oder im Blatt. Besonders erfolgreich ist der giftige Flaschenbaum (adenium sokotranum, sok.isfeld) mit rotbrauner Rinde, der das Wasser in einer tonnenförmigen Verdickung von Stamm und Wurzel speichert für die Trockenzeit von März bis August. Ähnlich macht es auch Dorstenia gigas, ein Maulbeerbaumgewächs, das in den Spalten der unzugänglichen Kalkhänge wächst. Die trichterartigen Blüten werden von Vögeln bestäubt. Der Flaschenbaum wird von den Hirten als Unkraut oft entfernt. Der Sokotri-Name „isfid“ bedeutet "nutz- und wertlos". Im November konnten wir bei unseren Wanderungen sehen, wie einige Pflanzen im höheren Bereich die Blätter abwarfen, um dann schöne rosa Blüten zu tragen. Im Bergjemen konnten wir eine Woche vorher schon blühende Flaschenbäume fotografieren.

Ein weiterer Feind der Pflanzenwelt sind die Ziegen. Nur die Pflanzen, die durch Dornen, Bitterstoffe und Rückzug in Felsspalten nicht zum Viehfutter wurden, haben die jahrhundertlange Beweidung der Insel durch Ziegen überlebt.


Ein Wald von Drachenbäumen im Zentralgebirge mit Ziege

Die vielen Drachenbäume, Dracaena cinnabari aus der Familie der Mäusedorngewächse, und die vielgestaltigen Flaschenbäume zählen zu den auffälligsten Merkmalen der Insel. Auf den Kanaren und den Kapverden gibt es verwandte Einzelexemplare.

Diese Art wächst nur auf Sokotra. Dracaena cinnabari kommt dort in Höhenlagen ab 500 m vor und ist ein Relikt der Kreidezeit. Die Pflanze wächst baumartig und wird etwa 10 m groß. Die Krone ist stark verzweigt und wird im Alter domförmig.

Das Baumharz von Dracaena cinnabari wird zur Herstellung von Naturheilmitteln (Blutstiller..) und Weihrauch sowie als Drachenblut für edle Firnisse genutzt. Es ist geruchlos, doch tritt beim Erwärmen mit Wasser ein eigentümlicher Geruch auf, welcher lebhaft an frisch gemahlenes Getreide erinnert. Beim Kauen haftet das Harz ein wenig an den Zähnen und schmeckt dabei süßlich. Zerreibt man es, so erhält man ein dunkel rotbraunes Pulver.

Nach der Legende formte sich der Baum aus dem Blut des von Kain erschlagenen Bruders Abel. Eine andere Legende besagt, dass der Baum aus dem geronnenen Blut wuchs, das von einem Drachen stammte, der mit einem Elefanten so lange kämpfte, bis beide tot waren. Von den Einheimischen wird der Baum gewöhnlich "Arhaib" genannt.

Durch die pilzartige Krone schützen sich die Blätter gegenseitig. Eine ähnliche Krone hat euphorbia arbuscula (sok.emta) ausgebildet.

Im Hochland wurde uns immer wieder von Frauen und unseren einheimischen Kameltreibern Drachenbluttropfen und Weihrauch angeboten. Ein weiteres Sammelprodukt ist der Aloe-Saft. Abdullah, der Führer einer Schweizer Touristengruppe, die ebenfalls mit Kamelen durchs Haghir-Gebirge wanderte, erklärte uns viele Pflanzen und wies auf den Heilwert und den würzigen Duft vieler Pflanzen hin.

Der Samen des Drachenbaumes reift sehr langsam. Man sagt, dass seit 50 Jahren kein Drachenbaum-Schössling mehr nachgewachsen sei. Aber im Botanischen Garten von Hadibo, von dem wir leider nichts erfahren haben, finden Versuche zur Erhaltung und Vermehrung der Flora statt.
Nur im Haghir-Gebirge finden sich noch Jungpflanzen, die nach B.Mies (Sokotra,1999) als Gartenpflanzen ausgeführt werden.


Einer unserer Zeltplätze in der stürmischen Hochebene.
In den Hochlagen des Haghir zelteten wir zwischen Buschland und offenen Grasflächen.

Etwas unterhalb der Drachenbaumregion wachsen auch verschiedene Arten des Weihrauchbaumes. Boswellia popoviane zeichnet sich durch einfache, sägeförmige Blätter aus. Da die Weihrauchbäume und die Myrrhe (Commiphora) nicht mehr soviel Verdienst bringen wie in früheren Zeiten, werden sie heute auch als Feuerholz geschlagen.

Euphorbia arbuscula (sok.emta, imtehe), ein Wolfsmilchbaum, der eine drachenbaumähnliche Krone ausbildet, wird von den Hirten durch Stecklinge vermehrt, um für die Ziegen in der Trockenzeit Futter zu haben. Die Triebspitzen sind weniger giftig und enthalten weniger den giftigen Milchsaft, der den Verdauungstrakt verätzt.

Die erfahrenen Hirten rezitieren zur Belehrung

Trage Sorge, dass die ätzende Milch nicht schädigt die Ziegen!
Trage Sorge, dass dadurch nicht ihr Eigentümer geschädigt wird!
Und die scharfe, gekrümmte Klinge,
trage Sorge, dass sie nicht beschädigt die Imtehe-Bäume!

Die Wolfsmilch von Euphorbia arbuscula dient auch zu medizinischen Zwecken und als Gift beim Fang von Fischen, außerdem spricht man dem Baum die Kraft zu, eine Person vor bösen Geistern zu schützen.


Die Tiere fressen gerne von den Blättern des Gurkenbaumes,
wenn sie dran kommen.

Der Gurken- oder Melonenbaum , dendrosicyos socotrana (sok.gamhen), ein Verwandter von Gurke und Kürbis, kommt nur auf Sokotra vor. Er trägt orange-rote melonenähnliche Früchte. Dendrosicyos socotranus wächst als eine der ganz wenigen Arten der Kürbisgewächse baumförmig mit weißer Rinde, die das Sonnenlicht reflektiert. Er wird bis 7 m hoch und hat einen flaschenförmigen Stamm aus weichem Holz. Der Stamm erreicht Durchmesser bis zu einem Meter. Zahlreiche Äste und kleine Zweige wachsen auch aus dem Stamm, das unterscheidet ihn von anderen Vertretern der Wuchsform Flaschenbaum. Der Hauptstamm wächst sympodial: die Sprossspitze neigt sich, bis sie nicht mehr der höchste Punkt der Pflanze ist; vom nun höchsten Punkt entspringt ein neuer Spross, der das Spitzenwachstum übernimmt. Dieser Vorgang wiederholt sich immer wieder.

An der Nordküste fallen die seltsamen Strauchskulpturen zwischen höheren croton socotranus auf, die durch dien Verbiss durch Ziegen entstanden sind.


Duvaliandra dioscoridis ?? eine stark gefährdete Art


Caralluma socotrans

Caralluma socotrana (Korallenpflanze, Kaktus-Sukkulente) hat sehr schöne Blüten, die durch ihren Aasgeruch Fliegen und Käfer anziehen. Wegen der Bitterstoffe wurde die Pflanze als Anti-Malariamittel verzehrt.


Hibiscus scottii, ein Strauch, der im Haghir-Gebirge zwischen 500-800 m Höhe wächst.

Eine niedere Polsterpflanze an offenen Hängen bildet helichrysum aciculare, die an Krüppelkiefer erinnnert.

Im Wadi sehen wir häufig einen mächtigen Baum mit abblätternder Borke wie bei Platanen, der sterculia africana, dessen weiches Holz allerdings nutzlos ist.

In den Sanden der Dünen und der Wadis stehen oft Dattelpalmenhaine, wenn das versickerte Süßwasser nicht durch die Kapillarwirkung des Bodens an die Oberfläche gelangen kann und verdunstet.

Nach einer 1 ½ stündigen Bootsfahrt erreichten wir an der Westküste Ghubbet Shuab, wo es noch einen Reststreifen von Mangroven (avicennia marina) gibt. Die Luftwurzeln der Mangroven stehen z. T. in einem salzigen Schlick hinter einer schmalen Dünenkette. Der Rückgang der Mangroven beruht z.T. auf Abholzung für Feuerholz.



Im Hintergrund rechts die niedrigen Mangrovenbäume (avicennia marina).
Vorne links Zygophyllum album (Rotreit, Bawwal),
ein Dünengewächs mit gelben Bläschen .

Ziziphus spina Christi ( arab. ghasl sidr, nabq , dum ), Christusdorn. Er liefert Mengen von kirschgroßen, gelben Früchten, die an den Geschmack von Äpfeln erinnern. Die säuerlichen Früchte des Baumes sind eine wichtige Nahrungsquelle. Darüber hinaus sind seine Blüten Nektarspender für die Bienen. „Komm zu mir mit der scharfen, gebogenen Klinge“, fordert der Baum in einem Vers die Inselbewohner auf, seine Äste regelmäßig zu kappen. Da das Sokotri eine Sprache ohne Schrift ist, gaben die Sokotris ihr Wissen über die Natur z.B. auf diese Weise mündlich weiter.


Gurkenbäume auf dem Weg in ein Wadi

Zur Tierwelt Sokotras

Außer den Nutztieren, den Ziegen, Schafen, Dromedaren, Eseln, kleinen Rindern und Hauskatzen, die wir immer wieder sahen, gibt es nur wenige Säugetiere. Im Museum von Hadibo steht eine Falle zum Fang von verwilderten Katzen, die den Jungtieren gefährlich werden können. Als weitere Säugetierarten gibt es die kleine Zibetkatze, Fledermäuse und Ratten. Überrachenderweise fehlen Hunde, die zur Bewachung von Herden eingesetzt werden könnten. Nach Berichten aus dem 17.Jh. soll es viele Wale um Sokotra gegeben haben, so dass Schiffe der Ostindien-Kompanie die Insel aufsuchten, um Amber zu suchen. Amber stammt aus Sekreten aus dem Darm der Wale und wurde zur Herstellung von Parfüm gebraucht.


Ein junger Schmutzgeier

Die beeindruckendsten Tiere sind die überall auftauchenden Schmutzgeier, von denen es über 2000 geben soll. Mit fünf Jahren verlieren sie ihr dunkelbraunes Federkleid und nehmen die typische schwarz-weiße Färbung und die gelbe Hautfärbung von Hals und Kopf an .

Von den 40 Vogelarten und von den 200 Schmetterlingsarten haben wir nicht viele gesehen, dagegen viele Libellen in den Mangroven und in den Wadis. Die rote Libelle trithemis arteriosa war die auffallendste. Am Strand von Qalansiya konnten wir einige Watvögel beobachten.


Heuschrecke (diabolocatantops axillaris)


Juwelen-Käfer (julodis clouei)


Dieser Käfer (meloe trapeziderus)
scheidet zur Verteidigung eine ätzende Flüssigkeit aus.

Der Riesenläufer scolopendra valida, ein "Hundertfüßler", findet sich auch in Madagaskar und den Kanaren. Sein Biss ist sehr schmerzhaft.

Am Strand von Qalansiya bauen die weißgrauen Geisterkrabben (Ocypoda saratan) ihre hohen Pyramiden. Mit ihrem Leib schieben sie aus ihren bis zu 60 cm langen Höhlen Sand zu einen Hügel auf, halten ein und beäugen mit ihren Stielaugen die Umgebung.

Giftige Schlangenarten soll es auf Sokotra nicht geben.

Im Imkerladen in Hadibo wurden mehrere Schildkrötenpanzer zum Verkauf angeboten.

Die Imkerei auf Sokotra und im Jemen

Entgegen der Behauptung von W.Wranik, dass es auf Sokotra keine Bienenhaltung gebe, versicherte mir der Inhaber des Imkerladens in Hadibo, dass es auf der Insel etwa 1200 Bienenvölker gebe. Die Seuche der Varroa-Milbe, die in fast allen Teilen der Welt die Bienenvölker zerstört, gibt es hier noch nicht.

2005 besuchte ein französisches Imkerehepaar die Insel und beschloss, den Inselbewohnern zu helfen. Der Honig, der hier wild gesammelt wurde, brachte den Händlern in den Emiraten als Medizin und Aphrodisiakum einen Gewinn von 200 € pro Kilo. Die Einheimischen aber erhielten nur15 € für das Kilo. Mit Hilfe der französischen Botschaft brachten die Franzosen 200 Beuten und Schutzkleidung nach Sokotra und unterrichteten 15 Leute in der europäischen Imkerei. Mit 200 000 € Zuschuss haben sie inzwischen einen lokalen Imkerverein initiiert, der die Imker berät und ihre Produkte vermarktet. (Bereits 1984 wurde auf Sokotra eine Fischerei-Genossenschaft gegründet, die inzwischen über 2000 Mitglieder hat.) Eine Besonderheit ist der Honig aus den Blüten des Drachenbaumes. Daneben bringen die Blüten des Christusdorns einen reichen Ertrag. Da der Boden der Insel von vielen kleinen Blüten bedeckt ist, finden die Bienen ein großes Nektarangebot. Ein Pfund Honig kostete im Laden 8 €.


In diesem Tamariskenstrauch (tamarix sp.)
in den Dünen vor dem Mangrovenstreifen
summten die Bienen wie in einem Kirschbaum im Mai.

Leider hatte unser Team billigen Honig aus Australien, China und Indien für unsere Trekkingtour eingepackt. Auf Grund von Kostproben bei einigen Imkern konnte ich mir ein Bild vom Geschmack des Sokotra-Honigs machen. Der schwarze Honig erinnerte an einen starken Hustensaft, während der helle Honig einen scharfen, pfeffrigen Geschmack hatte und im Hals kratzte.

Im Hadramaut ist die Imkerei schon wesentlich weiter entwickelt als auf Sokotra. Dort wandern Tausende von Imkern bis zu fünfmal im Jahr mit Lastwagen zu verschiedenen Trachtplätzen. Besonders das Wadi Doan wird im Oktober wegen der Blüte des Christusdorns von den halbnomadischen Imkern angewandert. Weitere ertragreiche Wadis sind Wadi Amd, Wadi Ayn, Wadi Rakhya und Wadi Jirdan. Manche Imker haben 100 bis 200 Beuten. Im Wadi Doan habe ich allerdings 1995 nur ausgehöhlte Palmenstämme, Bretterkästen und Tonröhren gesehen, keine großen, modernen Holz- oder Kunststoffzargen, wie sie die französischen Imker nach Sokotra gebracht haben.

Die Imker gewinnen im Jemen 12 verschiedene Sorten Honig, wobei der dunkle, würzige Akazienhonig und der karamelartige Jujuba-Honig am wertvollsten sind. Der im Winter geerntete Honig ist wiederum besser als der zu anderen Jahreszeiten geerntete. In früheren Zeiten wurde der Honig in Ziegenhäute gefüllt und in Kürbisgefäßen aufbewahrt. Der Transport der Bienen in andere Regionen erfolgte mit Kamelen.

Die Apis mellifera yemenitica ist kleiner und sanfter als die europäische Biene und hat graue Streifen auf dem Hinterleib. (s.a. Bienen und Imkerei im Oman)

Während der großen Regenfluten im Oktober diesen Jahres wurden in den Wadis des Ostjemen 1806 Lehmhäuser zerstört, 400 Höfe, 180 Schulgebäude und 58 Brunnen. Dazu wurden 7000 Bienenröhren weggeschwemmt.

In Dubai wird der teure Honig sogar an die Rennkamele vor einem Rennen verfüttert, damit sie dadurch die notwendige Energie gewinnen. Nach jemenitischer Tradition bekommt eine Mutter nach der Geburt eines Kindes Honig und geschmolzene Butter zur Stärkung. In der Volksmedizin wird Honig auch gemischt angewandt, z.B. mit Myrrhe gegen Verstopfung, mit Möhrensamen als Aphrodisiakum, mit Riesenfenchel, einem stinkenden Gewürz, gegen Blähungen und zur Erleichterung der Menstruation und gemischt mit anderen Pflanzen gegen Epilepsie.

Schulbildung und Gesundheitswesen

Auffallend waren die großen Schulen in einsamer Landschaft, so dass wir uns immer fragten, wo kommen hier die Schulkinder her. Für die Bergbewohner existiert auch eine Internatsschule. Die Elementarschulen umfassen jeweils 8 Klassen. Inzwischen können 85% der Männer einen Schulbesuch nachweisen und 45% der Frauen. Die Schule dient auch der Arabisierung der Bevölkerung, da die Kinder erst in der Schule Arabisch lernen.

Erst Ende 1974 wurde in Hadibo ein kleines Krankenhaus errichtet. Ein deutscher Arzt beschreibt in diesem Jahr die Situation so: „An Malaria sind gut 90% der Inselbevölkerung erkrankt, und neben der Tuberkulose ist sie die reine Geisel der Insel...Viele Säuglinge sterben an der Malaria oder ihren Folgen. Die Menschen werden im Durchschnitt nicht älter als 35 Jahre.“ 1991 nahm der erste in Moskau ausgebildete Arzt seine Tätigkeit auf. Die Malaria konnte durch gezielte Aktionen auf der Insel ausgerottet werden.

1996 wurde das erste Hotel eröffnet. Inzwischen wurde der ursprüngliche Militärflughafen erweitert und ganzjährig anfliegbar, ein Hafenbecken wurde angelegt, viele Asphaltstraßen gebaut und das 4. Hotel gebaut.

Die ursprüngliche Behausung der Fischer, eine rechteckige Steinhütte mit einem Dach aus Palmwedeln bzw. die runde Hütte an der Südküste, wird verschwinden.

Heutzutage sind die Sokotri zu fast 100% Muslime. Ungefähr 50% gehören zu der schiitischen Zaydi-Gruppe an, die sehr fanatisch und streng in ihrer Auslegung ist. Die meisten der Zaydis sind Kämpfer, für die jeder Krieg eine Form von Jihad (ein moslemischer „Heiliger Krieg“ oder Kreuzzug gegen die Ungläubigen) ist. Sie beziehen sich auf Zayd, der als erster ein Reich südlich des Kaspischen Meeres gegründet hat und 864 n. Chr. starb. Die Zayditen lehnen jede Form des Sufismus (eine mystische Form des Islam) ab. Die restlichen Sokotri sind entweder Sunniten (40%) oder Ismaeliten (9,7%). (nach "volksgruppen.de")


Auf diesen hochalpinen, sturmgepeitschten Weiden suchen kleine Rinder ihr Futter.

Die Eigentumsverhältnisse sind durch Trennmauern geregelt. Um in den höheren Regionen zelten zu können, wurden die Kamele gewechselt und die Eigentümer des Bodens wurden durch eine Zeltgebühr entschädigt. Dieses Verhalten ist eine neue Folge des zunehmenden Tourismus, an dem alle verdienen möchten.

Historische Zeugnisse

Gleich am ersten Tag suchten wir die Grundmauern einer alten portugiesischen Festung von 1507 auf. Dass Sokotra eine christliche Vergangenheit hatte, versuchen die sunnitischen Nachkommen zu unterschlagen. Der Apostel Thomas soll hier Schiffbruch erlitten und eine christliche Gemeinde gegründet haben. Ein Bischof von Sokotra leitete um 900 die (erfolglose) Missionierung des Jemen. Als der berühmte Entdeckungsreisende Marco Polo Ende des 13. Jhs. hier landete, waren noch Kirchen aus dem 10. Jh. vorhanden. (s. Z.Biedermann, Soqotra, Geschichte einer christlichen Insel, 2006)

Von 1876 bis 1967 stand Sokotra (zusammen mit Südjemen) unter britischer Verwaltung.

In dem griechischen Seefahrerhandbuch Periplus Maris Erythraei, 40 – 70 n. Chr., wird Sokotra so beschrieben:

In der offenen See …liegt eine Insel, die Dioskurida genannt wird. Die Insel ist sehr groß, unfruchtbar und feucht. Sie hat Flüsse mit Krokodilen, viele Schlangen und riesige Eidechsen, die so groß sind, dass die Leute ihr Fleisch essen und ihr Fett zerlassen, um es an Stelle von Öl zu verwenden. Die Insel trägt keine Feldfrüchte, weder Weinstöcke noch Getreide. Die Einwohner, wenig an der Zahl, leben auf einer Seite der Insel, nämlich im Norden…Es sind fremdländische Siedler, vermischt aus Arabern, Indern und auch einigen Griechen, die des Erwerbs wegen dorthin gesegelt sind…aus Schildkrötenschalen werden Behältnisse, Teller und kleine Schüsseln gefertigt. Auf ihr wird auch der „Zinnober“ gewonnen; er wird als aus Bäumen austretende Harztränen eingesammelt. Die Insel ist dem König der Weihrauch tragenden Region (Hadramaut) unterworfen…Reis, Getreide, indische Stoffe und auch Sklavinnen, wofür sich wegen des Mangels ein günstiger Absatz findet, tauschen die Händler gegen große Mengen von Schildpatt.

Die Hauptausfuhrartikel werden verschwiegen: Weihrauch und Aloe (der arabische Name der Insel ist „Insel der Aloe“). Eine Zwischenstation des Weihrauchhandels war der damals errichtete Hafen Samarum am Khor Rori im Oman (s. Reisebericht Oman).


In der großen Höhle Dariba Dagab im südlichen Nogid
wohnt eine Hirtenfamilie mit ihren Schafen und Ziegen.

Marco Polo schreibt 1298/99 über Sokotra, das er auf seiner Rückreise von Fernost besuchte, dass es reich an Lebensmitteln sei und an ihren Küsten viel Ambra angeschwemmt werde. Deshalb beschäftigten sich die Inselbewohner hauptsächlich mit Walfischfang. Männer und Frauen seien nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Sie seien getaufte Christen, die einen eigenen Erzbischof hätten, der einem Patriarchen in Bagdad unterstehe. Öfter kämen Piraten auf die Insel und kauften ihnen bedenkenlos die geraubten Güter ab und rechtfertigten sich damit, dass die Beute Götzendienern und Sarazenen abgenommen worden sei. Alle Schiffe, die nach der Provinz Adan segelten, legten hier an und kauften Fische und Ambra und verschiedene Baumwollstoffe in großen Mengen. Die Einwohner seien der Zauberei und Hexerei mehr zugetan als irgendein anderes Volk…. Wenn sie wollten, könnten die Inselbewohner auch das Meer beruhigen, Schiffbruch herbeiführen und noch manche anderen Dinge vollbringen.

Ibn Battuta ergänzt, dass Sokotra besonders ein Zufluchtsort für indische Seeräuber sei, die mit vielen Schiffen dort Unterschlupf suchten.

Heute haben die Piraten ihre Zufluchtsorte an der somalischen Küste. Mehrere tausend Seeräuber operieren z.Zt. von der Somalischen Küste aus im indischen Ozean und im Roten Meer, also zwischen Sokotra und dem jemenitischen Festland. Nach UN-Berichten gab es seit Januar 2008 bereits 120 Piratenüberfälle, 35 Handelsschiffe wurden entführt und bis zu 600 Personen als Geiseln genommen. Sie erhielten 2008 Lösegeldzahlungen von mehr als 150 Millionen US-Dollar. Seit November 2008 führt die NATO Militäroperationen gegen die Piratenangriffe durch.

Offen gebliebene Wünsche

Trotz des zunehmenden Tourismus mit seinen Folgen für Mensch und Natur reizt es mich, Sokotra noch einmal zu besuchen, um mehr von den Menschen und ihrer Kultur erleben zu können. Dann möchte ich eine Hochzeit oder ein Fest miterleben. Nach Berichten von L. und H. Stein (in "Sokotra, Mensch und Natur", Hrsg. Wranik, 258 S.,1999 ) gibt es große Unterschiede zur üblichen jemenitischen Hochzeit. Dazu wünsche ich mir eine Tanzveranstaltung (ramsa, ein sokotrisches Tanzfest zur Vollmondzeit mit Zeremonienmeister), eine Musikaufführung mit Trommel und Schalmei, Rituale zur Heilung von Besessenen (Zar), die Herstellung und Bemalung von Töpfen, die Arbeit am Webstuhl u.a. alltägliche Arbeiten, die Einrichtung der Häuser im Innern und eine intensivere Begegnung mit den Soqotris.

Mir fehlten vor allem die gastfreundlichen Einladungen in Familien, wie sie im Bergjemen an der Tagesordnung waren.

Blick in die nahe oder ferne Zukunft,
jedenfalls in ein anderes Leben.

Literatur:

Neben den deutschsprachigen Büchern von Wranik,"Sokotra, Mensch und Natur" (Hrsg. Wranik, 258 S.,1999, mit mangelhaften Fotos, die aber auf einer Seite der Uni Rostock alle besser zu sehen sind.) und von

Z. Biedermann, "Soqotra, Geschichte einer christlichen Insel", 2006, ist das englischsprachige Buch

"Socotra, A Natural History of the Islands and Their People" von Cheung und DeVantier, 393 S., 2006, in jeder Hinsicht eine sehr gute Ergänzung.

Eine Anreise über den Jemen ist z.Zt. wegen der unsicheren politischen Situation nicht möglich, aber es gibt eine neue Flugverbindung von Shardjah via Mukalla nach Sokotra. s. nomad-reisen.

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