5. Dali

50 km südlich am Er-See, 1980 m hoch, autonomer Verwaltungsbezirk der Bai, vom 7. bis 10. Jh. Hauptstadt eines tibeto-birmesischen Königreiches

Mit einem dröhnenden Bus durchqueren wir die Yunnan-Ebene in drei Stunden zum Städtchen Dali. Zu beiden Seiten der Straße erheben sich die Berge. Zunächst liegen an der Straße Felder mit Gerste, dicken Bohnen und kleine Felder mit Raps. Die Gerste wird gerade mit Sicheln geerntet. In der bald beginnenden Regenzeit wird Reis angebaut. Je näher wir Dali kommen, um so häufiger sehen wir Reisfelder, in denen hunderte von Menschen im Wasser stehen und Reispflanzen setzen.

In der Kleinstadt

Dali lebt vom Tourismus. Es gibt Fußgängerzonen mit niedrigen Häusern, Restaurants mit italienischen oder birmesischen Gerichten, Straßencafes und Speisekarten in Englisch. Die Verkäufer werden manchmal lästig, weil jeder verkaufen möchte, besonders blaue Batiktischdecken und Marmorbilder. Pferdekutscher reißen uns fast in ihre Wagen, als wir zu den berühmten weißen Pagoden vor der Stadt wollen. 69 m hoch ist die höchste und älteste. An den 4122 m hohen Bergen stauen sich schwarze Regenwolken. Von Zeit zu Zeit fallen Regentropfen. Der Eintritt für die Tempelanlage ist innerhalb eines Jahres von 5 auf 35 Yuan erhöht worden. Alle wollen verdienen und reich werden. Die Anlage entspricht mit ihrer Ost-West-Achse, dem Tor, dem Glockenturm und dem Buddha-Tempel dem Schema der kaiserlichen Anlagen in Beijing. Die lamaistischen ( Vajra) und taoistischen (Trigramme) Symbole und die große Statue des Buddhas des Mitleids werden gerade renoviert.

In einem Laden der Haupteinkaufsstraße liegt eine gerade verstorbene Frau aufgebahrt. Die geöffneten Ladentore zeigen einen roten Sarg, ein großes Porträt der Verstorbenen und einen Tisch mit frisch zubereitetem Essen. Tote werden hier nach dem Tod im Krankenhaus drei Tage zu Hause aufgebahrt und dann an den Berghängen beerdigt. Je älter jemand geworden ist, desto höher wird er beerdigt. 20jährige werden sofort beerdigt, um die Schande eines frühen Todes schnell zu verwischen.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus zu einem Dorfmarkt, dann mit Kutschen durch die Felder zum See und schließlich mit dem Boot über den 40 km langen und 3 km breiten See zum anderen Ufer zur Besichtigung des Dorfes Wase.

In den Dörfern

Die Häuser in den Dörfern sind aus Lehm, meist weiß und grau gekälkt. Die weißen Wände sind mit dekorativen, schwarzen Malereien geschmückt. Die Eingangstüren zeigen Schnitzereien und Mehrfachdächer.

Auf den Türen kleben häufig Bilder martialischer Gestalten mit Schwert und Reittier, die an Neujahr zum Schutz des Hauses und als Glücksbringer aufgehängt werden. Die Bilder zeigen sowohl historische als auch mythologische Gestalten. Der General Qiong wird meist mit dem General Jingde an die Tür geheftet. Auch Zhongkui mit seinen Keulen ist eine historische Persönlichkeit. Weil ein Tang-Kaiser ihm (618-907) wegen seiner Hässlichkeit das Zeugnis verweigerte, obwohl er als Bester bei der Prüfung abgeschnitten hatte, tötete er sich. Dafür wurde er zum Gott erhoben und bekam den Titel "Großer Dämonenbekämpfer für das ganze Kaiserreich". Die beiden Geister Shentu und Yulü bewachten in der Vorzeit das Tor der Teufel und zerrten Bösewichte, die Menschen Böses getan hatten, mit einem Strick, um sie Tigern vorzuwerfen. Deshalb hängen ihre Bilder zusammen mit einem Strick an den beiden Türflügeln der Häuser. Oft hängen die Leute auch das Schriftzeichen für Glück an die Tür, wenn sie es nicht schon an die Hauswand gemalt haben. Ein Türbild aber, das wir erwartet haben, fehlt fast ganz. Der Begründer der kommunistischen Volksrepublik China wird trotz des Personenkultes zu seinen Lebzeiten wohl nicht als guter Geist und Beschützer verehrt . Die offizielle Meinung über ihn nennt 70% seiner Taten schlecht und nur 30% gut. Besonders negativ werden die "verlorenen Jahre" der Kulturrevolution gesehen. Mao-Köpfe und -Büsten sind passe.

Moralische Bewertung der Hausbewohner

In den kleinen Dörfern am See entdecken wir noch eine andere Kennzeichnung an den Türen. Eine amtliche Plakette mit bis zu 10 Sternen weist auf die Leistungen der Hausbewohner hin. Eine amtliche Belobigung bzw. ein Tadel für die Erfüllung oder das Versäumnis bei der Befolgung gesellschaftlicher Richtlinien.

- Der 1. Stern wird verliehen, wenn man dem Land, der kommunistischen Partei, dem Sozialismus, den Großeltern und den Kindern seine Zuneigung gezeigt hat. - Der 2. Stern, wenn man Reichtum und Wohlstand erworben hat.
- Der 3. Stern, wenn man die ein bzw. zwei Kind-Politik unterstützt hat.
- Der 4. Stern, wenn man sich gegenseitig unterstützt, z.B. durch Nachbarschaftshilfe.
- Der 5. Stern, wenn man freiwillig und unentgeltlich an Gemeinschaftsarbeiten teilnimmt, z.B. an der Reinigung der Straße.
- Der 6. Stern, wenn man an Propagandaveranstaltungen teilnimmt.
- Der 7. Stern, wenn man einen sauberen Herd und eine saubere Küche zeigen kann und Wert auf Hygiene legt.
- Der 8. Stern, wenn man eine Ausbildung vorweisen kann.
- Der 9. Stern, wenn man eine Fortbildung vorweisen kann.
- Der 10. Stern, wenn man neue Ideen hat.

Dorftempel

Neben diesen moralischen Appellen, die sowohl kommunistische wie konfuzianische Werte ausdrücken, finden wir überall die Hinwendung der Bevölkerung zum Aberglauben. In den Dörfern sind die religiösen Zentren wieder hergestellt worden. In Xizhou wurde sogar ein "Schweinetempel" restauriert, in dem die Schweine, die geschlachtet werden sollen, in einer religiösen Zeremonie durch Gebete und Verbrennen von Räucherkerzen und Papier um Verzeihung gebeten werden. Alle Schweine leben hier die letzten 3-7 Tage bis zu ihrem Tod in dem Tempel mit Götterstatuen, Geldverbrennungsöfen und Opferaltären. Soll hierdurch das buddhistische Tötungsverbot entschärft werden oder handelt es sich um eine alte animistische Furcht vor den Seelen der getöteten Tieren? Dieser Tempel wurde in der Mao-Zeit zerstört. Ein anderer Tempel des Dorfs entging der Zerstörung dadurch, dass man vor die drei taoistischen Götterfiguren eine Mao-Büste stellte. Ein anderer Tempel in einem hinteren Innenhof wurde durch ein Gefallenendenkmal mit einem großen roten Stern und einem Gewehr geschützt. In den hinteren Räumen stehen Symbole des konfuzianischen Ritus, die für Erntezeremonien gebraucht werden: Katzenköpfe, Schwert, Axt, ein Arm u.a.. Weitere Räume zeigen den weiblichen Buddha Guanyin, Laotse, Yin-Yang-Symbole und eine schwarze, wilde Gestalt mit Flammenhaar und sechs Armen, die als Symbole u.a. die Sonne, den Mond, eine Glocke, ein Szepter und eine Schlange halten. Der Dreizack, der Flammenkranz und das Tigerfell erinnern an den hinduistischen Gott Shiva.

In einem ummauerten Hof wohnen 3-4 Familien. Auf der Straße dreschen die Bauern mit Dreschflegeln und Stöcken Raps und Gerste. Auf den Nassfeldern sind mehrere Motorpflüge im Einsatz. Auf manchen Feldern setzen hundert Leute die Reispflanzen, auf anderen nur ein oder zwei. Die kleinen Felder sind alle in Privatbesitz, sagt unser Führer, d.h. sie sind den Bauern für 30 Jahre oder sogar für Generationen zur Nutzung vom Staat überlassen worden. Diese Rückkehr zum Privateigentum hat die Bauern beflügelt. Auf den Marktplätzen breiten die Bäuerinnen alle möglichen Sorten von Gemüse und Obst auf dem Boden aus, dazu Fische, Schnecken, fettiges Schweinefleisch, getrocknete Geckos, Räucherkerzen, lebende Hühner und lebende Wasserschlangen.