China 2001

Eindrücke, Gedanken und Fakten einer ersten Reise durch China

Die Reiseroute:

Übersicht über die Reisestationen

Peking/Beijing ("Kulturschock", Der Himmelstempel, Die Verbotene Stadt, Modelle der Welt, Alltagsbilder, Die Große Mauer )
11 S., 10 Fotos
Xi`an ( Mao und Coca Cola, Vorzeit-Keramik und Terrakotta-Soldaten, Buddhaverehrung, Essen ) 5 S., 7 Fotos
Chengdu (Die moderne Stadt, Ahnentempel des Fürsten Wu, Der Lyriker Du Fu, "Wir lieben Buddha, weil er Geld bringt", Religiöses Leben, Laotse und der Daoismus, Religiöse Glücksspiele, Konkurrenz und kapitalistische Entwicklungen, Die Armen) 11 S., 14 Fotos
 

IV.

Im Bilderbuch-China des Südens:

Lijiang ( Die Naxi-Minderheit und ihre Dongba-Kultur) 5 S., 7 Fotos

Dali (In der Kleinstadt, In den Dörfern, Moralische Bewertung der Hausbewohner, Dorftempel ) 6 S., 8 Fotos
 

VI.

Auf dem Weg in eine Traumlandschaft :

Guilin-Yangshou (Kunming und die Westberge, Der Steinwald, Guilin und Yangshuo, Fernsehen, Hochzeit, Mit den Fahrrädern übers Land) 10 S., 14 Fotos

VII. Ins Zentrum der Moneymakers

Die Küstenregion (Guangzhou/Kanton, Hongkong, Resümee ) 9 S., 9 Fotos

 

Phönix.Phönix!
Täglich wird es trüber,
Zukunft will nicht kommen.
Altes ist vorüber
.

( aus Laotse, Lied des Narren)

In einem explodierenden Land

Mit ungläubigem Staunen sahen wir während unserer Reise, dass China allerorten boomt. Alles scheint sich um Geld und Fortschritt nach europäisch-amerikanischem Muster zu drehen. In den Städten werden Wolkenkratzer rund um die Uhr gebaut. Die Reklame der Weltkonzerne leuchtet auf den Häusern und an den Straßen, steht auf jeder Eintrittskarte. Die exquisiten Einkaufspassagen der Städte stellen mit ihrem Angebot und durch ihre Architektur deutsche Einkaufszentren in den Schatten. Alle scheinen besessen vom Gedanken, schnell reich zu werden. Nach Zeitungsberichten haben 70 Millionen Bauern ihre Dörfer verlassen und suchen in den Städten als Hilfsarbeiter ihr Glück. Doch auch in den Dörfern stehen an touristischen Anziehungspunkten Hunderte von Verkaufsständen.

Anscheinend sind unter dem Kommunismus von Deng Xiaoping ("Die einen werden schneller reich, die anderen später.") und Jiang Zemin wieder viele Chinesen sehr reich geworden. Unbegreiflich erschien uns diese von der kommunistischen Partei akzeptierte Ungleichheit. Die wirtschaftliche Entwicklung im kapitalistischen Sinne ist das erste Ziel der kommunistischen Politik geworden.

In den 60er Jahren wurden Familienbetriebe als "kapitalistischer Schwanz" geschlossen, aber Ende der 70er wieder zugelassen. Inzwischen gibt es riesige Lohnunterschiede zwischen den Industriezonen im Hinterland von Hong-Kong und Zentralchina. Die Lohnunterschiede betragen 1:5 z.T. sogar 1 :11. Das ist eine Folge des "Marktkommunismus" bzw. des "Kaderkapitalismus". Kommunistische Funktionäre sitzen inzwischen in den Vorständen der Banken und von Coca Cola. Durch Wirtschaftswachstum in ihren Einflussbereichen können sie in der Parteihierarchie aufsteigen. Das führt zu grenzenlosem Egoismus. Vielfach werden in den Fabriken gleichartige Produkte hergestellt. So gibt es 1700 Stahlwerke, 56 Fernsehgerätehersteller, 325 Autounternehmungen (1996) , die miteinander konkurrieren. Das führt dazu, dass z.B. in Shanghai zum Schutz von VW-Shanghai nur 1,5 l Autos als Taxis zugelassen sind. In Wuhan dagegen werden auf VW-Santana zum Schutz der Citroen-Produktion 100% Steuern erhoben. Weitere Folgen des wirtschaftlichen Konkurrenz sind aber auch, dass Anfang 2000 in Shanghai von 185 Textilfirmen mit Genehmigung der KP 34 bankrott gingen und 1,2 Mill. Textilarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren. Insgesamt wurden 1999 etwa 11,74 und 2000 etwa 11,5 Mill. Arbeiter entlassen. Man geht davon aus, dass in der Landwirtschaft 150 Mill. Arbeiter überflüssig sind. Davon kommen jährlich etwa 10 Mill. als Wanderarbeiter in die Städte. Eine weitere Folge sind die sozialen Unruhen. Z.B. kam es in der Bergarbeiterstadt Yangshichanzi zu 3tägigen Kämpfen mit der Polizei. Schließlich sollen 19 000 Kohlegruben schließen und über 1000 Stahlwerke. Von 305 000 Staatsunternehmen sollen nur 1000 erhalten bleiben und an der Börse notiert werden zur Kapitalbeschaffung.

"Unterlegene Unternehmungen müssen eliminiert werden, das ist das Gesetz des Marktes."
(Wang Zhangyu, Wirtschaftsminister)

"Alle Arbeiter müssen ihre Vorstellungen von einer idealen Stelle verändern und ihre eigene Qualifikation verbessern." (Jiang Zemin, Staatspräsident)

Die innenpolitische Spannung nimmt zu. Schon wird Jiang Zemin (FAZ vom 29.8.01) in chinesischen Publikationen mit Gorbatschow verglichen, der zum Totengräber des Sowjetsozialismus geworden sei.

Die Logik der KP sieht so aus: China befindet sich im Anfangsstadium des Sozialismus, es ist noch unterentwickelt. Deshalb steht die Reform der Staatsindustrie nicht in Widerspruch zum Sozialismus. Der Kapitalismus entfaltet die Produktivkräfte. Damit wird die Voraussetzung für den Sozialismus geschaffen. Nur der Kapitalismus schafft die reale Basis für eine höhere Gesellschaftsform.
Der Frühkapitalismus wird zum Anfangsstadium des Sozialismus. Damit werden die frühkapitalistischen Erscheinungen in China gerechtfertigt. Der Sozialismus wird vertagt.

Wieviel mehr Sozialismus haben wir im Westen verwirklicht als die 50jährige kommunistische Herrschaft! Aber die entstandenen frühkapitalistischen Zustände der ungleichen Einkommensverteilung, der sozial nicht abgesicherten Arbeit ohne Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, der Korruption in allen Bereichen, der neuen Klassengesellschaft von Arm und Reich, von Arbeitsuchenden und privaten Unternehmern enthalten soviel Sprengstoff, dass der Machtanspruch der Parteidiktatur, der allerdings von der Armee garantiert wird, immer wieder auf "Nebengebieten" bekräftigt werden muss, nicht auf dem kommunistischen Kerngebiet der Gleichheit aller Menschen. Die Verfolgung der Falun Gong Bewegung oder die häufigen Todesurteile scheinen mir solche Machtdemonstrationen des kommunistischen Staates zu sein.

Beijing von der kaiserlichen Stadt aus gesehen:

Unsere Reise führte durch ein Land voller Widersprüche, in dem es sichtbar und unsichtbar brodelt. Die vielen Menschen, die hier in Bewegung sind, die Tag und Nacht arbeiten, die das Land verändern, werden auch sich und die staatliche Struktur verändern. Diese Menschen machen mir Angst, wenn ich die Dynamik sehe, wenn ich sehe, dass die Veränderungen und der Veränderungswille nicht mehr aufzuhalten sind.

s. Resümee der Reise in Kapitel VII

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