Typisches Straßenbild im südlichen Assam (Diphu im Distrikt Karbi Anglong)

Assam

Übersichtskarte von Assam

Assam war seit 1228 unter der Herrschaft der Ahom-Dynastie. Erst 1826 übernahmen die Briten Assam von den Birmanen. Bis zur Teilung Indiens bei der Unabhängigkeit von den Briten umfasste Assam das gesamte Gebiet Nordostindiens.

Fläche: 78.438 km²

Einwohner: 29.198.000 (2008)

Bevölkerungsdichte: 372 Einwohner je km²

Sprachen: Asamiya (Amtssprache); Bengalisch, Bodo (assoziierte Amtssprachen auf regionaler Ebene)[1]; Hindi, Nepali, Miri, Karbi, zahlreiche weitere tibetobirmanische Sprachen, Santali, Oriya, Englisch

Religionen: Hinduismus (64,9 %), Islam (30,9 %), Christentum (3,7 %), Buddhismus (0,2 %)

Hauptstadt: Dispur (9.000 Einwohner)

Inhalt:
Ausschnitte aus Reiseberichten

Fähren über den Brahmaputra, März 2002 und April 2005
In der östlichen Assam-Ebene bei Sibsagar, April 2003
Im mittleren Assam, Auf der Flussinsel Majuli im Brahmaputra, Januar 2003/2004
Im südlichen Assam, Durch die North Cachar Hills, März 2008


Markt im südlichen Assam, in Maibang in den N.C.Hills

In der östlichen Assam-Ebene
April 2003
(gesamte Reise)

Nach 23 Stunden Fahrt und Flug über London und Kolkata sind wir in Assam (Dibrugarh). Entgegen unseren Befürchtungen, James, unser kanadischer Verbindungsmann in Assam, könnte nicht am Flughafen sein, werden wir von einem vierköpfigen Team mit einem Tata Sumo empfangen. Die Reiseagentur aus dem Nagaland ist gleich mit mehreren Leuten angereist. Die vier Begleiter beruhigen uns, unser staatliches Permit für die Route liege vor. Noch ist der Tourismus beschränkt. Ausländer (es müssen Gruppen zu vier oder mehr sein) benötigen eine Reiseerlaubnis, die für 10 Tage gilt, aber verlängerbar ist. Wir atmen auf.


Eine von einem Polizisten ferngesteuerte Ampel in Sibsagar

Es kann losgehen und es geht gleich weiter nach Sibsagar in die Stadt der Ahomkönige. Unterwegs beginnt es zu regnen. Die landwirtschaftlichen Produkte, die von Einheimischen auf Plastikbahnen am Straßenrand angeboten werden, versinken im Schlamm. Ein LKW ist in den Straßengraben gerutscht. Das Hotel Siddharta in Sibsagar ist sehr einfach. Ein Problem des Nagalandes lernen wir bereits am ersten Abend kennen. Es geht immer wieder das Licht aus. Das Kramen und Suchen in Koffer und Rucksack bei Kerzenlicht gehört bald zu unserem Alltag. James bekommt einen Teil der vereinbarten Reisesumme ausgezahlt. Den Rest soll er erst am Ende der Reise bekommen, wenn alles planmäßig verlaufen ist.


Rudra Sagar, ein Shivatempel bei Sibsagar

Hinduistische Tempel bei Sibsagar (Assam)

Die Nacht wird kühl, aber der beginnendeTag bringt wieder Temperaturen über 30°. Zunächst besuchen wir einige Shivatempel bei Sibsagar (=Shivasagar) am Jaysagar Stausee, der zur Bewässerung der Reisfelder dient. Da der Montag der Tag Shivas ist, sind viele Menschen im Tempel. Vorbei an einer langen Reihe von Bettlern, die vor allem um Reis betteln, kommen wir in eine offene Halle, wo Saddhus segnen und farbige Segensbänder verkaufen und die Gläubigen auf Gerüsten Wachslichter aufstellen, meist drei auf einem Teller, und an die vielen Bronzeglocken schlagen - Shiva hör` uns, wir kommen. Durch einen weiteren Vorbau gelangen wir wie durch einen höhlenartigen Schlund (Muttermund) zu einer Treppe, die abwärts zu einem Brunnen führt. Unten drängen sich die Menschen um eine Mitte, halten in den Händen Blätter, Blüten, Wassergefäße und Räucherkerzen, stehen mit geschlossenen Augen und summen Mantras. In der Mitte stehen Shivalingams und ein Nandi, ein kleiner marmorner Stier als das Reittier Shivas. Über diese Symbole wird Wasser und Milch geschüttet, das dann über eine Leitung in den Stausee gelangt, und die Fruchtbarkeit der Felder fördern soll. Von einem Brahmanen, der für die Gläubigen heilige Rituale vollzieht, bekommen wir als Geschenk von Wasser triefende Bananen . Die intensive Atmosphäre schlägt uns wie häufig in ihren Bann.


Rang Ghar, ein Palast der Ahomkönige

Die Ahomkönige

Weitere Bauwerke führen uns in die Geschichte Assams. 600 Jahre lang regierten die Könige der Ahoms über das wilde Assam. Sie kamen im 13. Jh. von Myanmar über die Berge, hatten zwar eine höhere Kultur und bessere Organisation, standen aber in ihrer Grausamkeit den Nagas in Nichts nach. Wie ihre Chroniken berichten, wurden bei der Unterwerfung der Nagastämme "viele Nagas getötet und viele gefangen. Einige wurden in Stücke geschnitten und ihr Fleisch gekocht. Dann zwang der König einen jüngeren Bruder, das Fleisch seines älteren Bruders zu essen und einen Vater das Fleisch seiner Söhne. So vernichtete der König Shukapha die Nagadörfer." (Ahom Buranjis) Diese grausamen Auseinandersetzungen mit den Nagas dauerten an, bis die Könige die Engländer um Hilfe riefen. Seitdem gehörte Assam zum Kolonialreich Britisch-Indien. Die Briten nutzten das Land, indem sie Tee anbauten, Öl und Kohle förderten und Straßen und eine Eisenbahnlinie bauten. An die Zeit der Ahomkönige erinnern nur noch einige Ruinen. Architektonisch besonders interessant ist ein zweistöckiger Palast in Form eines umgedrehten Bootes. Auf dem "Dach" schlängelt sich eine krokodilsköpfige Schlange, die drei Türmchen trägt. Von diesem Gebäude aus verfolgte der König Hahnen-, Stier- und Ringkämpfe. Die Begräbnisanlagen der Ahomkönige, viele hohe Erdhügel mit Ziegelkammern, werden heute als nationales Denkmal gepflegt. Am Abend werden wir von einem Nachfahren der Könige eingeladen und aus Anlass des Bihufestes mit Baumwollschals beschenkt. Geschmückt mit diesen Schals gehen wir durch die Stadt, erleben die umherziehenden Musikgruppen, die in den Häusern singen und tanzen und dafür Geld oder andere Geschenke erwarten. Auf dem Markt und in den Straßen erregen wir ungewöhnlich starkes Aufsehen und werden von allen Seiten bestaunt, als ob die Menschen noch nie weiße Europäer gesehen hätten.

Im mittleren Assam
Auf der größten Flussinsel der Welt im Brahmaputra
2003/2004 Dezember/Januar (gesamte Reise)

Die Insel Majuli

Heute wollen wir zur größten Flussinsel der Welt übersetzen. Sie liegt im Brahmaputra und ist etwa 100 km lang. Ihre Fläche verändert sich jährlich. Vor 10 Jahren umfasste sie noch 1256 qkm, 2002 waren es noch 880, von denen 460 bewohnbar sind. Große Überschwemmungen 1988 und 1998 haben die Insel erheblich verkleinert. Etwa 152 000 Menschen leben in verschiedenen Dörfern auf der Insel, die in der Monsunzeit von der Außenwelt abgeschnitten ist, wenn keine Boote verkehren können. In den Dörfern stehen Holzboote als Lebensversicherungen unter den meisten Häusern. Auf Majuli wohnen vor allem Mishings und andere Volksstämme, die aus dem nördlichen Arunachal eingewandert sind. Seit 1510 hat sich die Insel zu einem Zentrum hinduistischer Kultur entwickelt und wird heute als das „Herz assamesischer Kultur“ bezeichnet.

Viel mehr wissen wir nicht, als wir und unser Auto in gut einer Stunde mit einem Boot zur Flusssandinsel übersetzen. Während unsere Mannschaft auf dem Bretterboden des Bootes auf einem offenen Feuer ein scharf gewürztes Essen kocht, beobachten wir, wie an den Sandbänken große Hebenetze rhythmisch gesenkt und gehoben werden und wie lange Reihen von Reusen im Flussboden befestigt werden. Im Wasser schwimmen alle Sorten von Dreck vorbei. Das hält die Männer aber nicht ab, für das Essen und den Tee Wasser zu schöpfen. Christa ist so tollkühn und trinkt sogar diesen aromatisierten Tee. Gottseidank ohne Folgen.

Auf der Insel führt der meist unbefestigte Weg über hohe, schmale Dämme ins Innere. Seitwärts liegen abgeerntete Reisfelder und kleine Tümpel mit schwimmenden Pflanzeninseln aus Wasserhyazinthen, unter denen sich die Fische verstecken vor den vielen Reihern, Marabus, Königsfischern u. a fischenden Vögeln. Etwa 82 Vogelsorten und 200 Pflanzenarten haben Biologen gezählt.


Mönche eines Hinduklosters (Satra) beim Dreschen

Der Vishnu-Krischna-Kult in den Satras

Mit einer einheimischen Führerin fahren wir zunächst zu einem der typischen Assam-Hindutempel, die hier Satras genannt werden und Zentren des Neo-Vishnu-Kultes sind. Nach Vertreibung der Vishnu-Anhänger durch die Ahom-Könige von Assam zogen sich die brahmanischen Vishnu-Priester auf diese Insel zurück und gründeten allmählich mit Unterstützung der Ahoms 65 Klöster, von denen heute auf Grund der Erosion nur noch 22 existieren. In ganz Assam soll es nach Auskunft eines Mönchs noch 600 geben. In den Tempeln wird Vishnu in seiner Inkarnation als Krischna verehrt, der für die Vereinigung von Gott und Mensch in gegenseitiger Liebe steht. Am nächsten Tag können wir einen Gottesdienst miterleben, der an baptistisch-emotionale und katholische Rituale erinnert.

Beim Besuch des kleinen Mishing-Dorfes Borguri werden wir von den Einwohnern begeistert begrüßt. Nur die kleinen Kinder weinen bei unserem Anblick. Sie zeigen uns alle Gerätschaften. Neben dem Haus stehen jeweils ein Webstuhl und ein Boot, ein Holzpflug, verschiedene Fischreusen von 30 cm bis 2 m Länge. Während wir schauen, stürzt sich ein Fischadler zwischen die herumlaufenden Schweine und Hühner und holt sich ein Küken.

Die Leute hier sind noch Anhänger des animistischen Donyi Polo-Kultes. Man zeigt uns eine Halle, wo Sonne und Mond verehrt werden.

Neben den Mishings, den Deoris und Kacharis wohnen auf der Insel noch die registrierten Kasten der Kolborta und Bonia und die Kastenhindus der Brahmanen, Kalita und Keot.

Das Circuit House in Garamur ist das schmutzigste unserer Reise. Das Kopfkissen ist schwarz und das Mückennetz stinkt so unerträglich, dass wir es waschen.

3. Januar, 2004, Samstag


Sonnenaufgang über den Fischtümpeln von Majuli

Da wir vor Sonnenaufgang um 6 Uhr zur Vogelbeobachtung wollen, müssen wir auf das Frühstück verzichten. Sichtbar werden die Vögel erst, als sich der Morgendunst lichtet. Viele Stimmungsfotos entstehen.

Da wir an einer Puja teilnehmen wollen, muss unsere Führerin erst ein Bad nehmen. Auch wir dürfen die Klosterbezirke nur mit nackten Füßen betreten. Die Klöster sind recht groß. Eines hat 200 und ein anderes hat 400 Mönche. Viele Mönche wandern von Kloster zu Kloster. Im Kloster leben nur Kasten-Hindus, keine Angehörigen von unterkastigen Volksstämmen. Also auch hier finden wir die Einteilung in Kasten. Das Alter der Mönche reicht von 4 - 90 Jahren. Die Klöster unterscheiden sich noch dadurch, dass es Klöster mit verheirateten und welche mit unverheirateten Mönchen gibt. Die Mönche können auch wieder zurück in ein gewöhnliches Leben. Sie sind dann Haushaltsmönche, die weiter für das Kloster Geld spenden. Die Mönche leben zu 1-10 Personen in einem Raum. Sie verpflegen sich selbst, arbeiten auf dem Feld und beten dreimal am Tag, auf den Morgen und den Nachmittag verteilt, insgesamt jeweils 14 Gebete. Die Umgangssprache ist nur Assamesisch. Eine weitere Pflicht besteht in der Aufführung von religiösen Spielen zu allen wichtigen Festen, besonders den Feldbestellungsfesten und den Todes- und Geburtstagen von Heiligen. Zu diesem Zweck haben die Mönche 70 Stücke geschrieben. Dazu führen sie verschiedene Tänze auf und singen. Die Gebetshallen sind wohl deshalb große Hallen. An den Decken können wir oft große Figurenteile und Masken sehen. Im Auniati-Kloster werden interessante Bücher aufbewahrt: ein 270jähriges Buch über Elefanten und 100 auf Sachi-Blätter geschriebene Bücher.

Neben Wandmalereien gibt es viele Holzskulpturen in den Tempeln, vor allem das Reittier Vishnus, der Adler Garuda, und der Affenkönig Hanuman. Mehrere Krischnafiguren, die meist aus dem Pilgerzentrum Puri in Orissa stammen, werden verehrt. Sie sind sehr klein und ohne künstlerischen Wert.

Im Kloster der Masken erleben wir eine Art Kommunion. Gesänge von mehreren Mönchen mit Trommeln und Zimbeln locken uns an. Die Mönche sitzen im Halbkreis mitten im Raum, heben die Arme, klatschen rhythmisch zu den Gesängen des Vorsängers, antworten ihm, während vor ihnen ein Licht brennt und Bananenschalen mit Reis, Kichererbsen, Mungkeimlingen, Bananen, Kräutern und Tagetesblüten liegen. In einem Kelch befindet sich Milch. Für uns und eine Familie werden Matten ausgelegt, damit wir Platz nehmen können. Nach den Sprechgesängen und ekstatischen Bewegungen kommt der Priester auf uns zu, schüttet Wasser in unsere Hände, damit wir unser Haupt segnen oder reinigen, gibt uns Basilikum zum Reinigen des Inneren, schüttet dann Milch der Kühe Krischnas in unsere Hände, damit wir sie trinken und eins werden mit dem Gott. Zum Schluss bekommen wir noch vegetarische Kost auf einem Bananenblatt und eine gelbe Tagetesblüte als Symbol des Gottes. Wie viel feiner ist diese Kommunion als die archaische, katholische Form des Essens von Leib und Blut eines Gottes.

Die wilden Fischer auf Majuli

Die Bewohner von Majuli haben eine ganz ungewöhnliche Art des Fischens. Zuerst hören wir lautes Geschrei, dann sehen wir in einem wilden Getümmel etwa 50 Männer und Jungen, die in voller Kleidung durch einen Tümpel waten und dabei große konische Körbe bis auf den Boden ins Wasser stoßen. Ab und zu greift jemand in die kleine Öffnung an der Spitze des Korbes, holt einen Fisch heraus und wirft ihn aufs Land, wo ein anderer eine Bambusschnur durch die Kiemen zieht. So sammeln sie eine große Menge an Fischen auf Schnüren. Beim Stoßen der Körbe auf den Grund spüren sie an den Vibrationen, ob sie einen Fisch getroffen haben. Diese Aktion wiederholen sie alle 8 - 14 Tage. Für uns fast unglaublich bei der Fischmenge, die sie hier herausholen. Dort, wo dichte Schwimmpflanzen die Oberfläche bedecken, waten ältere Frauen, ziehen den Pflanzenteppich in einen großen, flachen Korb, suchen dann die kleinen Fische aus dem Korb und stecken sie in eine Stofftasche im Busen oder vor dem Bauch. Nach dieser lauten Aktion nahen die Frauen des Dorfes, um noch einmal Körbe ins Wasser zu stoßen. Dabei spüren die zarteren Frauenhände wieder eine Reihe von Fischen auf. Dies also ist das Geheimnis der kreisrunden Tümpel mit den befestigten, schwimmenden Inseln, die wir überall beobachtet haben. Wir haben zuerst auf schwimmende Gärten getippt, wie sie auf dem Inle-See in Myanmar angelegt werden. Die Fische werden später getrocknet oder auf Märkten in Assam verkauft.

Circuit House Garamur.

4. Januar 2004, Sonntag, Majuli-Guwahati, 340km 8 Std

Am Morgen wartet in dichtem Morgendunst wieder unser Boot auf uns. Diesmal fahren viele Einheimische mit. Sie tragen Säcke mit frischen Fischen und Kannen mit Frischmilch für den Markt in Jorhat. Nach 70 Minuten Überfahrt bei Wind und Kälte kommen wir zum Anlegeplatz. Über Bretter und mit Hilfe eines Zugseiles erreichen wir den hohen Uferboden. Dort stehen viele Autos und Busse, die Sonntagsausflügler für Majuli gebracht haben.


Fahrzeugtransport auf dem Brahmaputra

Auf dem Weg nach Guwahati fahren wir an Kaziranga, dem bekanntesten Nationalpark Assams vorbei, können aber keines der vielen Rhinozerosse entdecken. Nach der Tierzählung von 1993 sollen sich im hohen Elefantengras des Parks 1164 Rhinos, 1094 Elefanten, 1034 wilde Büffel, 427 Sumpfhirsche, 2048 Rehe, 140 Wildschweine, 72 Tiger, 34 Sambhar-Hirsche, Bären, Kappen-Languren und Gibbons aufhalten. Ein großes Problem sind hier die Flussüberschwemmungen, durch die in den letzten 30 Jahren über 51 qkm Land weggeschwemmt worden sind und bei denen 90% der Parkfläche unter Wasser standen, wobei viele Tiere ertranken.

Auf dieser Strecke sehen wir zum ersten Mal moderne Asphaltmaschinen im Einsatz. Die Straße ist über weite Strecken sehr gut. In den Städten allerdings wieder typisch indische Bilder. Heruntergekommene Häuser, riesige Plakatwände vor den Häuserfronten, lange Reihen verbeulter LKW`s, kleinste Imbiss- und Reparaturbuden, dazwischen Kühe, Fahrräder, herumliegende Materialien. Rikschas quetschen sich zwischen dauerhupende Autos. Männer verschwinden hinter den großen Karren mit Heu oder Kartons, die sie schieben. Ein kleiner Hund läuft unbekümmert durch den chaotischen Verkehr. Busse übertönen alles mit ihren Signalhupen. Dichter Staub liegt auf den Bäumen und Sträuchern. Im Dreck zwischen Ölpfützen sitzen Händler, die auf Plastiktüchern kleine Berge Auberginen und Ananas aufgetürmt haben. Für einen Europäer sind Chaos, Lärm und Dreck einer indischen Stadt kaum vorstellbar.

Endlich wieder ein angenehmes Hotel, Brahmaputra Ashok, Guwahati

5. Januar 2004, Montag, Guwahati

Nach mehreren Versuchen, die wieder die Unprofessionalität der Agentur zeigen, gelingt die Rückbestätigung der Flüge.

Da wir die Tempelanlagen in Guwahati schon kennen, fahren wir nach Hajo, 32 km westlich von Guwahati, einem hinduistischen und muslimischen Pilgerzentrum. Während der Fahrt dorthin lichtet sich der Winternebel, so dass wir bei Sonne durch eine wunderschöne Gartenlandschaft mit grünem Gemüse und gelben Senffeldern fahren.

Die Pilgerziele liegen auf runden Bergkuppen am Ufer des Brahmaputra. Der älteste Tempel ist der Madhava, in dessen innerer Höhle fünf Gestalten mit schwarzen Gesichtern, silbernen Kronreifen und weißen Gewändern verehrt werden Der Hauptgott Bura-Madhava hat sogar große Metallohren und geht zurück auf einen alten Fruchtbarkeitsgott. Madhava ist ein Name für Vishnu, Krishna und auch die Verehrer Vishnus. Der Kultort soll 5899 Jahre alt sein. Historisch sind die Gründungsjahre 1583 und das 6. Jh. Das Gebäude ist ein 16eckiger Rundbau, der von kleinen Elefanten getragen wird und in zwei Etagen rundum Skulpturenfenster hat. Bei den Skulpturen fällt ein alter Mann mit einem Pilgerstab auf und ein pferdeköpfiger Gott, eine Erscheinungsform Vishnus als Hayagriva.

Der zweite Tempelkomplex Kedar (assamesisch für Shiva) enthält einen großen Stein als Lingam unter einer großen Metallhaube und eine seltsame Durga-Darstellung als rot bemalter Stein. Beide Heiligtümer dürfen wir fotografieren, aber wir müssen dem Gott und dem Priester ein Geldgeschenk geben. Dafür erhalten wir eine Tagetesblüte mit den Worten „Das ist Shiva.“

Auf einem weiteren Hügel befindet sich das Grab eines iranischen Prinzen, der im 12. Jh. den Islam nach Assam brachte. Neben diesem Grab wurde 1657 die Pao Mekka Moschee gebaut. Eine Wallfahrt hierhin hat ein Viertel der Heiligkeit einer Reise nach Mekka.

im März 2008

Die Fähren über den Brahmaputra.
März/April 2002 (gesamte Reise)

Obwohl wir einen großen Tata Sumo haben und Ali ein außergewöhnlich umsichtiger und ausgezeichneter Fahrer ist, haben wir zwei Reifenpannen. Über unbefestigte Feldwege kommen wir zum Ufer des Brahmaputra. Keine Anlegestelle, ein ziemlich steiles Ufer, aber keine Fähre, die uns erwartet. Nur einige kleine Bambusbuden, die Getränke und Tee verkaufen, stehen am Ufer. Nach längerem Warten stellt sich heraus, dass unser Boot, eigentlich keine Autofähre, schon vor einer halben Stunde abgefahren ist. Einen richtigen Zeitplan scheint es nicht zu geben. Unser Team verhandelt mit einigen Fischern. Die Zeit verrinnt, ohne dass wir wissen, was vor sich geht. Wo sollen wir übernachten? Hier am Ufer oder in einer Bambushütte möchten wir in der Nacht nicht bleiben. Unsere beiden Führer laufen hin und her, sprechen mit verschiedenen Leuten. Endlich erfahren wir, dass die Fischer unsere Notsituation ausnützen wollen. Sie verlangen das Zehnfache des üblichen Preises. Es dauert. Schließlich fährt Ali mit uns zu einer Stelle, an der ein Boot liegt, das aber ablegt. Wir fahren zu einer anderen Uferstelle. Da kommt ein kleines, schmales Fischerboot. Das soll uns über den Fluss schippern. Wie soll unser Auto da drauf passen, wie soll es vom Steilufer auf das Mittelteil des Schiffes kommen?

Es werden zwei Bretter geholt. Die Fischerjungen stellen sich mit Bremsklötzen bewaffnet auf das Boot. Langsam rutscht der Wagen durch den Ufersand hinunter zu den Brettern. Sollen wir nicht besser unsere Koffer aus dem Auto herausholen? Die Lage der Bretter muss noch mehrmals korrigiert werden und dann rollt der Wagen auf die Schiffsplanken. Hektisch werden die Klötze unter die Vorderräder geschoben, das Boot schaukelt, ich halte die Luft an, nur wenige Zentimeter stehen die Räder vom Rand entfernt. Die Bretter werden weggewuchtet und schnell wieder ein Paar Klötze unter die Hinterräder. Das Boot schwankt hin und her. Der Wagen steht an beiden Seiten weit über den Bootsrand hinaus. Die Mannschaft und unsere Begleiter nicken uns zu. Sie winken. Jetzt sollen wir aufs Boot. In der vorderen Mitte sitzt ein Boy in einem niedrigen Häuschen mit Steuerrad. Der für den Motor und für das Gasgeben zuständige Boy sitzt irgendwo unten im Schiffsrumpf. Durch Zurufe oder indem einer über das Auto hinweg klettert, um mit dem anderen zu sprechen, verständigen sich die beiden. Wir suchen uns auf dem Dach der Steuerkabine einen Platz. Eine bequeme Sitzgelegenheit gibt es nicht. Der Boy, der am Steuerrad steht, sucht inzwischen herunterhängende Drähte zusammen, um seinen Kassettenrekorder zu starten. Nach einigen Schlägen gegen das Gehäuse und veränderten Drahtverbindungen ertönen indische Schlager, während wir zwischen den vielen Sandbänken und Inseln zwei Stunden über den Fluss tuckern, um die andere Seite zu erreichen. Wieder keine reguläre Anlegestelle, aber einige Schiffe liegen schon am Ufer. Also machen wir längsseits fest und unser Auto macht Anstalten über ein anderes Schiff über Bretter auf den Ufersand zu gelangen. Der Driver gibt Gas, die kleinen Bretter zwischen den beiden Kähnen verrutschen und schon hängt das Auto mit den Hinterrädern zwischen den beiden Booten. Gott sei dank sind wir vorher ausgestiegen. Ali gelingt es das Auto aus der Falle zu befreien und steil abwärts fährt er über schmale Bretter, die allerdings erst mehrmals justiert werden müssen, auf das Ufer und mit Schwung durch den Sand zu einer höheren Stelle. Wir steigen ein, er gibt Gas und schon drehen unsere Räder durch, wir sitzen fest. Palaver, ein Allrad muss her. Danach fahren wir noch eine halbe Stunde durch weißen Schwemmsand und wir erwarten bald wieder festzusitzen. Ali schafft es mit Schwung und dosiertem Gasgeben ohne erneute Panne unser letztes Ziel in Assam, die Stadt Dibrugarh, zu erreichen. In früheren Jahren wären wir auf Grund der ungewöhnlichen Reisebedingungen genervt und gereizt gewesen, inzwischen haben wir den Zustand einer asiatisch-buddhistischen Entspannungs- und Ruhehaltung erreicht, mit der wir Stresssituationen leicht wegstecken können. Die Ausstrahlung der freundlichen und aufgeschlossenen Asiaten hat uns verändert.

5 Uhr Abfahrt im Halbdunkel. Nach ½ Stunde stellt der Fahrer einen Defekt im Kühlsystem fest. Rückfahrt zu einer Werkstatt. Die Reparatur dauert 6 Stunden, die wir im Hotel verbringen. Draußen regnet es.

Alle geplanten Besichtigungen müssen ausfallen, damit wir noch die offizielle Fähre am Brahmaputra erwischen. Die Fähre ist aber schon weg, so dass wir ein Privatboot zu einem überhöhten Preis chartern müssen. Zwei Überfahrten erleben wir. Zuerst werden wir zusammen mit unserem schweren Auto und einem Motorrad auf zwei miteinander verbundenen, schmalen Ruderbooten zur anderen Seite eines Flusses gerudert, dann auf einem größeren Kahn in einer Stunde über den Hauptstrom. Im Dunkeln erreichen wir das andere Ufer.

Nach 18 km haben wir die Stadt Dibrugarh erreicht. Bis zum Hotel Natraj, endlich wieder ein schmackhaftes Essen, ein lauter Generator sorgt für Elektrizität. Am Ende der Reise haben auch Christa und sogar Koj Mama Magenprobleme.

2.4. Samstag
Es dauert wieder einmal 40 Minuten, bis wir unser Frühstück erhalten, obwohl wir die einzigen Gäste sind. In solchen Situationen zweifeln wir an der Intelligenz der Inder.

Mehrere Militärposten auf der Straße weisen auf ein spezielles Problem dieser Nordostregion hin. Aus der Zeitung entnehmen wir, dass gestern an drei Stellen in Assam die ULFA, die Unabhängigkeitsbewegung, wieder aktiv war. Vor einem Hotel im Marktcenter von Guwahati explodierte eine Granate, sechs Verletzte. In der Stadt Dibrugarh, aus der wir gerade kamen, wurden ebenfalls vier Polizisten durch eine Granate verletzt. Seit dem Januar meldet die Polizei 30 solcher Vorfälle. Wegen der Wiederkehr des Tages der Erhebung am 7.4. erwartet die Polizei eine Zunahme der Attacken. In Arunachal waren wir außerhalb solcher Gefahren.

Die Fahrt zum Flughafen Jorhat  über eine breite Asphaltstraße zeigt noch einmal einige typische Probleme Indiens. Die Kommunikationswege sind nach europäischen Maßstäben völlig unzureichend. Löcher werden per Hand von Familiengruppen geflickt, kleine Stücke manchmal sogar von Maschinen, aber selbst wenn die Asphaltdecke in Ordnung wäre, dann würden die vielen Tiere, Karren und Menschen auf der Schnellstraße eine Geschwindigkeit von mehr als 80 km ganz und gar unmöglich machen. Dazu kommt ein ohrenbetäubender Lärm, weil jeder Autofahrer in Sekundenabständen hupt; auch wenn nichts vor ihm auf der Straße ist, hupt er aus Gewohnheit. Durch Jorhat geht es nur im Schritttempo vorwärts. Kein Schild verweist auf den Flughafen und die Leute schicken uns mehrfach in die falsche Richtung.

Menschenopfer und Hexenglaube in Assam 2010

At least four women have been killed in the last three years in Assam on suspicion of being witches or witch doctors, Saikia said

The Science and Rationalists' Association of India, which fights against superstition in India, says women accused of being witches are sometimes stripped in public and some are gagged and burnt to death.

"Villagers believe in witchcraft often due to helplessness. Absence of medical facilities forces them to rely on quacks," said Prabir Ghosh, the association's general secretary.

In March, a married couple in rural western India were arrested for allegedly killing five young boys because a mystic told them it would help the woman conceive.

"The government has to take education to remote villages to end these inhuman acts," said Indian author Akhilesh Kumar, who wrote "Kala Insaaf" (Black Justice), a Hindi-language book on black magic.

In April, in another widely publicised case of suspected human sacrifice, a decapitated body of a factory worker was found in a temple in the eastern state of West Bengal. By Agence France-Presse, Updated: 11/25/2010

Gewalt in Assam

Januar 2007: Mehr als 40 Tote in Assam

Bei den blutigsten Rebellenangriffen seit Jahren im nordostindischen Bundesstaat Assam sind in der Nacht zum Samstag mehr als 40 Menschen getötet worden. (06.01.2007, 15:13 Uhr)

Neu Delhi - In der gesamten Region herrsche höchste Alarmbereitschaft, teilten die Behörden mit. Bei den Opfern handelt es sich den Angaben zufolge hauptsächlich um Wanderarbeiter aus anderen Teilen Indiens. Nach Polizeiangaben will die Separatistenorganisation ULFA Angst verbreiten und Menschen aus anderen Regionen aus Assam vertreiben.

In einem abgelegenen Gebiet im Bezirk Tinsukia eröffneten ULFA- Rebellen das Feuer auf eine Gruppe schlafender Arbeiter, wie die Nachrichtenagentur IANS berichtete. Mindestens 16 Menschen starben. Bei zwei weiteren Angriffen in Tinsukia und dem benachbarten Bezirk Dibrugarh erschossen ULFA-Kämpfer mindestens zehn Menschen. Sechs anderen, offensichtlich koordinierten Attacken fielen nach Polizeiangaben 17 Menschen zum Opfer, mehr als 25 wurden verletzt. Nur um Haaresbreite entkamen die Insassen eines Zuges aus Neu Delhi einer Katastrophe: Bei Diphu etwa 270 Kilometer östlich der Assam- Hauptstadt Guwahati detonierte am Morgen ein Sprengsatz auf den Gleisen, wenige Minuten nachdem der Zug die Stelle passiert hatte.

Die Rebellen der "Vereinten Befreiungsfront Assam" (ULFA), der größten der in Nordostindien operierenden Separatistengruppen, kämpfen seit 1979 für ein unabhängiges Assam. Zum Hintergrund des jüngsten Massakers hieß es, vor wenigen Tagen seien fünf führende ULFA-Männer von Spezialeinheiten getötet worden, zwei weitere wurden festgenommen. Zudem sei kürzlich eine Umfrage veröffentlicht worden, wonach viele Menschen die ULFA-Forderung nach einem unabhängigen Assam nicht unterstützen. (tso/dpa)

November 2006: 17 Tote bei Bombenanschlägen in Assam

Durch eine Serie von drei Bombenanschlägen sind im nordostindischen Bundesstaat Assam 17 Menschen getötet und 45 verletzt worden. Der folgenschwerste Anschlag ereignete sich auf einem belebten Marktplatz in der Hauptstadt Guwahati. Bisher hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt. Die Polizei vermutet, dass separatistische Rebellen der United Liberation Front of Assam (ULFA) für die Anschläge verantwortlich sind. Vor zwei Monaten waren Friedensverhandlungen zwischen der indischen Bundesregierung und den ULFA-Rebellen abgebrochen worden.

(BBC, 06.11.2006)

April 2005

Aus der Zeitung entnehmen wir, dass gestern an drei Stellen in Assam die ULFA, die Unabhängigkeitsbewegung, wieder aktiv war. Vor einem Hotel im Marktcenter von Guwahati explodierte eine Granate, sechs Verletzte. In der Stadt Dibrugarh, aus der wir gerade kamen, wurden ebenfalls vier Polizisten durch eine Granate verletzt. Seit dem Januar meldet die Polizei 30 solcher Vorfälle. Wegen der Wiederkehr des Tages der Erhebung am 7.4. erwartet die Polizei eine Zunahme der Attacken. In Arunachal waren wir außerhalb solcher Gefahren.

2./3.Okt.2004 : 53 Tote, 150 Verletzte

Assam: Bombenanschlag bei Guwahati auf den Santipur-Markt (Kokrajhar), Schießereien auf Märkten in Makri Jhora (20 km westlich von Guwahati)

Die FAZ berichtete am 18.8.2004 unter der Schlagzeile „Der Kontrolle Delhis entglitten“ ausführlich über die Unruheherde im Nordosten Indiens und schreibt

Massaker, Vergewaltigungen und Anschläge gehören in Bundesstaaten wie Manipur seit langem zum Alltag. Die indische Öffentlichkeit interessiert sich aber mehr für den Kaschmir-Konflikt und hat die Unruhen in anderen Landesteilen fast vergessen.

Dabei weist der Autor J.Buchsteiner darauf hin, dass auch in den anderen kleinen Bundesstaaten des Nordostens der Tod zum Alltag gehört. In Assam explodierte zum indischen Unabhängigkeitstag eine Bombe und tötete 15 Menschen. 40 Rebellengruppen sollen hier aktiv sein. Die stärkste Widerstandsgruppe, die ULFA, regierte sogar Ende der 80er Jahre den Bundesstaat aus dem Untergrund.

Region in permanenter Unordnung. Im Nordosten kämpfen Aufständische seit über 50 Jahren gegen die Regierung in Delhi. Subir Bhaumik (Bundeszentrale für politische Bildung)


Körpergröße ist relativ: in Deutschland zähle ich nicht zu den Großen.