Reise in den
westlichen Himalaya
1. Teil. Im Kangra-und Chamba-Tal: Alte Hindukultur. Dalai Lama und buddhistische
Klöster. Gaddi, ein wanderndes Hirtenvolk. Die Chamba Rumals. Die Felsentempel von Masroor.
Landschaft bei Palampur im Kangratal
Die Anreise
Fr/Sa, 2./3. April. Delhi – Chandigarh – Palampur
Die Anreise war, wie häufig,
lang und anstrengend.
12 Uhr nach Düsseldorf, 3 Std vor Abflug, nach 5 ½ Std Flug
in Dubai, 5 Std Aufenthalt, nach Delhi 2 ½ Std, Aufenthalt 4 Std, Flug nach Chandigarh 1 Std. Dort erwartet uns unser ausgezeichneter
Super-Fahrer Prem mit einem Toyota Qualis und fährt mit uns weiter in 6 Std
bis Palampur. Prem ist
gebürtiger Punjabi und kennt die meisten Straßen und
die Bewohner. Er kann etwas Englisch, so dass eine eingeschränkte Verständigung
möglich ist. Insgesamt sind wir 27 Std fast ohne Schlaf unterwegs!!
Richtig belastend wird die
Anreise, als wir in die Berge kommen. Hinter Una wird
die Straße immer kurvenreicher. Und die Hitze ist überaus groß. Jetzt vermissen
wir eine Klimaanlage. Prem fährt schnell und überholt
gerne, um vor Einbruch der Dunkelheit in Palampur zu
sein, aber uns wird etwas übel. Erst im Dunkeln (20.15 Uhr) kommen wir an,
essen noch einige Bananen und liegen dann in dem einfachen Hotel Silver Oaks in einem harten Bett
unter schweren Decken. Ein Schlafsack wäre besser gewesen.
So/Mo, 4./ 5. April. Palampur –Hindutempel Baijnath und Chamund Nandikeshwar Dham - Lamaklöster Bir und Norblinka
Im Kangra-Tal
Vom Hotel haben wir einen
weiten Blick über kleine Terrassenfelder mit Gerste und Hafer bis zu den noch
schneebedeckten Gipfeln in der Ferne.
Schon der erste
Besichtigungstag zeigt das enge Nebeneinander von Hindu-Religion und tibetisch
geprägtem Buddhismus, typisch für die ganze Himalayaregion.
Im ersten Hindutempel Baijnath
werden Shiva, Ganesh und Krischna verehrt. Am Eingang sitzen Priester, die in
Abständen immer wieder eine Trommel schlagen. Die hinein kommenden Verehrer Shivas recken sich, um am Eingang eine der Glocken zu schlagen.
Ein alter Mann geht zu den verwitterten unkenntlichen Figuren, die in die
Umfassungsmauer eingelassen sind und nässt sie mit Wasser, berührt sie mit der
Hand und führt dann ihre Kraft an seine Stirn. Seitlich des Tempelturms fließt
etwas Wasser aus dem Innern des Tempels. Es stammt von den Flüssigkeiten, die
im Innern über den Lingam
geschüttet werden. Die Gläubigen holen sich auch hier die göttliche Kraft,
indem sie das Wasser mit den Lippen auffangen und Gebete sprechen. Am Eingang
zum Inneren reibt ein Priester mit einem Holzstück und Wasser über die Steine,
bis sich eine trübe, dickflüssige Flüssigkeit gesammelt hat, die in ein
Schüsselchen gestrichen und den Gläubigen als Medizin mitgegeben oder gleich
auf die Stirn gestrichen wird. In einer Ecke der Außenmauer des Tempelturms
stehen Menschen, die mit geschlossenen Augen auf Geräusche aus dem Innern des
Tempels horchen, auf Botschaften Shivas.
Im Chamund-Tempel in der Nähe wird Durga verehrt, eine uralte Muttergöttin, die auch als
leiblicher Aspekt Shivas angesehen wird. Neben den
mütterlichen Aspekten verkörpert sie auch jungfräuliche und kämpferische. Hier
im Tempel soll sie wohl, wie zwei Figuren im angrenzenden Figurenpark zeigen,
gegen den Dämon Rauschgift kämpfen. Vor der eigentlichen Durga-Figur,
die ganz in die mächtige Farbe Rot gekleidet ist, steht eine lange Schlange
Menschen, die alle die Hilfe und das Wohlwollen der Göttin suchen. Priester
sammeln die Opfergaben ein und drücken den Menschen ein farbiges Zeichen auf
die Stirn.
Bootsfahren im heiligen Tempelwasser unter den
Augen Shivas
Die Angst erzeugenden
Darstellungen der Göttin und die Nähe des Verbrennungsplatzes werden gemildert
durch das einem Vergnügungspark ähnliche Umfeld. Der Höhepunkt der naiv
religiösen Welt bildet ein großes Wasserbecken, in dem man sich nicht nur von
Sünden und Schmutz reinigen kann, sondern in dem man sich auch mit zwei
Tretbooten mit Schwanenhälsen zwischen einem Schlangenfelsen, auf dem der
meditierende blaue Shiva thront, bewegen kann.
Seitlich befindet sich ein Tierpark aus Tiger- und Löwenfiguren, daneben
Rauschgift rauchende Männer und ein Leichenfeld mit
der triumphierenden Kali und der Löwenreiterin Durga.
Als wir einen dritten
Hindutempel (Chinmayanand Samadhi-Tempel)
in der Nähe der Straße ansteuern, werden wir angesprochen. Vergebens suchen wir
nach den Rufenden. Plötzlich taucht zwischen den Blättern eines Maulbeerbaums
ein lachendes Gesicht auf, dann zwei rote Hände. Sie werfen uns rote Beeren zu.
So gut es geht, weichen wir den Saftspritzern aus. Ein zweites Gesicht
erscheint. Die Gestalten turnen über eine wackelige Leiter herunter. Ein Guru
mit seinem Schüler steht vor uns. Während der Guru eine lange Rede in Hindi
hält, bringt uns sein Schüler eine Tüte,
aus der der rote Saft herausläuft. Er kann einige Worte Englisch und lädt uns
zu einer Tasse Tjai ein. Seine Eltern wohnen neben
dem Tempel. Bald sitzen wir auf einem Teppich in einem Kreis, während die
Mutter den Tee bereitet. Der Junge freut sich seine Englischkenntnisse zeigen
zu können. Sein Guru könne auch sehr viele Sprachen, aber kein Englisch. Er sei
ein heiliger Mann, ein Pandit aus der Krischna-Stadt Vrindaban. Sein
Spezialgebiet sei das Stellen von Horoskopen. Ob wir unser Horoskop wollten.
Schwierig bei den Verständigungsmöglichkeiten denken wir. Seine Eltern seien
Nepalesen, erzählt unser Freund mit viel Mimik und vielen Worten. Er möchte
gerne unsere Visitenkarte haben. Nein, sagt sein Guru, er dürfe nicht immer
seine Wünsche erfüllt bekommen. Auch ein zweites Foto wird ihm nicht erlaubt.
Er müsse verzichten lernen. Aber er darf uns seine Email-Adresse bei Yahoo
geben. Als wir anschließend das Tempelareal besichtigen, stellen wir verwundert
fest, dass direkt neben dem Shiva-Tempel mit einem
riesigen Lingam ein Haus des Frauenordens der kleinen
Schwestern von Jesus und Maria liegt, die im Geist Foucaulds
sich um die Armen kümmern.
Der Buddhismus ist erst mit der Flucht des Dalai Lama nach Indien ins Kangra-Tal gekommen, da Buddha im 18. Jahrhundert aus dem
Bewusstsein der Bewohner der Pahari-Region
verschwunden war. Buddha wird meist als 9. Inkarnation von Vishnu
gezeigt. Er gilt als der „Verführer“, der nach hinduistischer Auffassung die
Falschgläubigen an sich zieht und dem Untergang zuführt. (nach Pahari-Meister, Höfische Malerei aus den Bergen
Nord-Indiens, S. 184).
Einige Kilometer entfernt,
abseits der Hauptstrecke hinter großen Kiefernwäldern, liegt 2080 m hoch ein buddhistisches Zentrum im Ort Bir. Hier gibt es drei Lamaklöster mit vielen jungen
Mönchen. Das erste Kloster ist zwar neu, hat aber wunderbare Wandmalereien, die
wir ähnlich nur im abgelegenen Nubra-Tal in Ladakh
gesehen haben.
Symbole der Nichtigkeit
des menschlichen Lebens
Neben diesen Gebäuden liegt
ein Kloster der Rotmützen-Sekte. Dort sind die Wände nicht mit Malereien,
sondern mit Tangkas
geschmückt. In beiden Klöstern steht ein großes Foto des Dalai Lama, der von
allen Richtungen des Lamaismus neben den vielen dämonischen Göttergestalten
verehrt wird, und ein Foto des obersten Sektenlamas.
Unsere Fahrt geht durch eine
Teeplantage mit Namen Zen-Tea zum buddhistischen Norblinka-Kloster,
das mit Blumenbeeten und Wasserspielen eine Oase der Ruhe bildet und einen
großen Gegensatz zu den lauten, schäbigen indischen Dörfern darstellt. Hier
befinden sich auch Werkstätten für Schnitzarbeiten und Tangka-Malerei.
Bei Dharamsala
(1387 m) geht es erneut 10 km in die Berge hinauf nach McLeodganj (Dharmkot), dem Wohnort des Dalai Lama. Bevor wir den kleinen rummeligen Wallfahrtsort erreichen, passieren wir ein
originelles Relikt der britischen Kolonialzeit, die Begräbniskirche St. John in
the Wilderness. Aus
dem dunklen, im typisch englischen Stil erbauten Bruchsteingebäude begrüßt uns
das Gekläff eines Hundes, vielleicht die unruhige Seele des englischen Vizekönigs
Elgin, einem Earl und Gouverneur von Jamaica und Kanada, der mit 52 Jahren hier starb.
Der Zugang des
Zufluchtsortes des Dalai Lama ist verstopft von Bussen und Autos. Die beiden
Einkaufsstraßen des kleinen Gebirgsortes wimmeln von Mönchen und Touristen, die den
Oberhirten und lebenden Gott, der gerade anwesend ist, sehen möchten.
Die abstoßende Wirklichkeit
des schmutzigen Ortes wird noch verstärkt durch die herunter gekommenen Zimmer
im Hotel Bagsu. Uns gelingt es wenigstens, dass
unsere dünnen, stinkenden Matratzen nach einer Nacht ausgewechselt werden, was
den Mitgliedern einer deutschen Reisegruppe von 36 Leuten nicht gelingt; 16
sind in unserem Hotel untergebracht, 6 schon magenkrank nach einer Anreise in
einer alten Maschine der Air India ohne AC, nach
einer Zugfahrt bis Amritsar und schließlich im Bus
bis hier. Sie sind ganz aus dem Gleichgewicht, schockiert auch von den Mäusen
im Hotelzimmer und dem Baulärm vor dem Hotel. Wir bedauern die Glückssucher,
die hier einen Yoga-Meditationskurs gebucht haben.
Eine Australierin, die im
Garten unseres Hotels Erholung sucht, erzählt uns, dass sie in dem Lärm des
Ortes wohnt und für 4 Monate den geflüchteten Tibetern unentgeldlich
hilft, die Sprachschwierigkeiten, ihre Folter und den Tod von Angehörigen zu
überwinden.
Ein Mönch sucht sich einen Ruheplatz zwischen neuartigen Manisteinen,
die mit „Lebensweisheiten“ beschrieben sind.
Zu dem Volk, das sich hier
angesammelt hat, gehören auch Alt- und Neu-Hippies und viele Bettler. Viel
schöner liegt einige Kilometer oberhalb der kleine Ort Naddi
mit einem Ashram von Osho-Anhängern, wie überhaupt
außerhalb dieses Ortes, in dem Shopping und Disco-Life
mit dem religiösen Anspruch kollidieren, noch viel intakte und erholsame Natur
zu finden ist. Was der Bauboom und die Überfremdung für die ursprünglichen
Einwohner gebracht hat, wissen wir nicht. Unter den Bettelnden sind auffallend
viele Frauen mit Babys. Ist das eine Folge des boomenden religiösen Tourismus?
Die 6. April
Im Chamba-Tal
Heute kommen wir in das
abgelegene Chamba-Tal. Dieses Tal ist durch einen stark zerfurchten Landschaftsteil,
größere Kiefern- und Fichtenwälder und schließlich zwei hohe Pässe (der 2. Pass
ist 2400 m hoch) von dem fruchtbaren Kangratal
abgetrennt. Wunderschöne Terrassenlandschaften ziehen sich bis über 1000 m hoch
die Berge hinauf. Über den Bergrücken ziehen sich oft kleine Siedlungen. Auf
den kleinen Feldern steht Getreide in allen Entwicklungsstadien. Die schmalen,
nur wenige Meter breiten Felder erinnern uns an Reisterrassen oder an Qatterrassen im Nordjemen.
Für die Moguln, die 1620
nach der Eroberung dieser Gebiete die schwer zugänglichen, abgelegenen Bergtäler weiterhin den einheimischen Rajas
zum Regieren überließen, war das Chamba-Tal nur ein
Knochen, das Fleisch dagegen hätten sie für sich abgetrennt, wie Akbars
Verwalter damals erklärte.
Viele Dörfer haben ein
grünes Tor aus Kiefernzweigen am Dorfeingang aufgebaut, nicht für uns, für
herumreisende Minister, die auf einer Wahlpropagandareise sind. Außer den Jeeps
der Parteien gibt es keinen Autoverkehr.
Das Dhauladhar-Gebirge trennt die Täler. Nach
dem letzten Pass geht es nur noch abwärts bis auf 900 m. Immer wieder wird uns
der Weg durch Ziegenherden und Schafe verstellt. Sie gehören den Gaddis, die auf dem Weg in ihr Sommerquartier in den Bergen
sind.
O Mutter Dhalaudhar
Beug dich ein
wenig,
O beug dich ein
wenig.
Auf dieser
Seite liegt der Wohnort meiner Schwiegermutter.
Auf der anderen
Seite liegt meines Vaters Heim.
Beug dich ein
wenig, O beug dich ein wenig.
Am Hochzeitstag
in einer Sänfte
gab mir mein
Bruder ein Lebewohl,
ein Bad in
Milch, ein Erblühen durch Söhne.
Die Frau meines
Bruders segnete mich,
meine Mutter
weinte.
Beug dich ein
wenig,
so dass ich
sehen kann meiner Eltern Haus.
Gaddi, ein
wanderndes Hirtenvolk
Die Gaddis sagen Machar
statt des Hindi-Grußes Namaste.
Die Ureinwohner, von den
Indern der Ebenen auch Steinzeitmenschen genannt, gehören zum Stamm der Gaddis, einem Hirtenvolk, das einen Dialekt der Pahari-Sprache spricht. Zu den Paharis
gehören die meisten Bergvölker Nordindiens. Ihre Sprache ist mit dem Sanskrit
und dem Hindi verwandt. Da die meisten Paharis Hindus
sind, gibt es hier meist Hindu-Tempel, aber nach der Annexion Tibets durch die
Chinesen haben die geflüchteten Tibeter hier wie auch in anderen Teilen
Indiens, sogar in Südindien, neue Zentren des Lamaismus eingerichtet.
Die Gaddis,
denen wir begegnen, sind große, starke Menschen mit schmalen Gesichtern, die
ihr Eigentum auf dem Rücken tragen oder ein Pferd als Lasttier haben. Sie
kommen aus ihren Winterquartieren in den Wäldern der niederen
Hügellandschaften. Anfang April, bevor es heiß wird und der Monsun einsetzt,
wandern sie mit ihren Herden in zwei Wochen in die trockenen und kalten
Sommergebiete. Bis in den Juni hinein wandern sie immer höher in die
schneebedeckten Himalayaregionen, um dann den Rückweg
anzutreten. Erst Anfang Dezember sind sie wieder zurück. Unser Guide behauptet,
eine erwachsene Ziege koste bei ihnen 15000 Rs (300
€), eine Kuh dagegen nur 10000 Rs (200 €). Eine
normale Herde Ziegen umfasst 300 bis 400 Tiere; größere Herden mit bis zu 1200
Tieren sind seltener. Solche riesigen Herden haben wir im Herbst auf den
abgeernteten Feldern in Madhya Pradesh
östlich von Bhopal gesehen. Diese Herden kamen aus den heißen Wüstengebieten Rajasthans.
Die Schafe werden dreimal im
Jahr geschoren, im Februar, Juni und November. Die Wolle wird sowohl von den
Frauen als auch den Männern mit Handspindeln gesponnen und zu Tüchern gewebt.
Neben der Schaf- und Ziegenhaltung, dem Handel mit Tieren, Wolle, Ziegenhaar,
Hanf, Kampfer und Gold betreiben sie auch eine primitive Landwirtschaft
(Reisanbau), soweit es der steinige, unfruchtbare Boden zulässt.
In jedem Heim eine Ziege
In jedem Heim ein Schaf
In jedem Heim hübsche Bräute.
In den Bergen von Chamba
Gibt es ständige Regenschauer.
Das Leben ist liebenswert mit den
Lieben.
Der Raja von Chamba
Wünscht sich zu erfreuen.
Er ist begierig auf den Glanz der
liebenswerten Augen.
Das hübsche Mädchen ist verliebt
In die Berge von Chamba.
Texte aus: Gaddis of Dhauladhar, A Transhumant Tribe of the
Die Stadt Chamba
Chamba empfängt uns indisch, zwischen den planlos gebauten
Häusern drängen sich hupende Auto, Menschen und Tiere; Schmutz liegt auf den
Straßen, verfallene Häuser stehen neben neueren Betonbauten, dazwischen liegen
viele alte Steintempel. Auch das einzige Hotel der Bezirkshauptstadt zeigt sich
indisch. Der schmutzige Frühstückstisch wird einfach mit einem Tuch zugedeckt,
ohne die Essensreste zu beseitigen, obwohl der Kellner den Putzlappen in der
Hand hatte. Er legt ihn weg und holt eine Decke. Es dauert endlos, bis wir
unsere Cornflakes bekommen. Den Tee bringt der Kellner trotz vielfacher Bitten
erst, nachdem wir das trockene Toastbrot herunter gewürgt haben. So halten es
halt die Inder, Tee als Nachtisch. Das ist ein Problem mit dem wir überall in
Indien zu kämpfen haben. Als wir unsere Rechnung mit dem Voucher
bezahlen, versuchen sie noch mit allen Mitteln eine Taxe über 300 Rs von uns zu bekommen.
Aber wir entdecken Chamba nicht nur als unangenehme indische Landstadt,
sondern auch als religiöses Zentrum mit historischen Tempeln für
unterschiedliche Götter und Heilige und, zu unserer Überraschung, auch als ein
künstlerisches Zentrum der Malerei.
Die Chamba Rumals
In der Rezeption unseres
Hotels sehen wir Bilder zwischen zwei Glasscheiben, die man von beiden Seiten
betrachten kann. Erst bei näherem Hinsehen entdecken wir, dass diese Bilder
Stickereien auf Seide sind. Als wir nach den Künstlern fragen, nennt man uns
eine Adresse in der Altstadt. In einem schmalen Laden, der auch als Werkstatt
dient, treffen wir auf den Meister. Bereitwillig zeigt er uns seine Arbeiten.
Häufig sind es Darstellungen aus dem Leben des Gottes Krischna
auf quadratischen Tüchern (30 – 120 cm). Das häufigste Motiv ist ein
Frauenkreis um Krischna, umgeben von Blumen, ein
Mandala. Die Darstellungsweise ist sehr stilisiert.
Diese Tücher, so genannte Chamba Rumals, wurden zur
Abdeckung von Geschenken und Opfergaben benutzt. Seit dem 16. Jh., besonders im 18. und 19 Jh. wurden sie von höher kastigen Frauen hergestellt. Während er noch mit uns
spricht, erscheint eine Frau und zeigt ihm einige farbige Seidenbilder, die er
hin- und her wendet und auf den Doppelstich hinweist, der sorgfältiger sein
sollte, damit man das Motiv von beiden Seiten betrachten kann. Die Stickseide
sollte ungebleicht, Hand gesponnen und nicht gezwirnt sein, erklärt er uns.
Dann holt er ein großes Buch in deutscher Sprache, in dem Miniaturen der Pahari-Meister abgebildet sind. Überrascht erkennen wir,
dass wir dieses Buch “Pahari-Meister, Höfische
Malerei aus den Bergen Nordindiens“, (Zürich 1990) auch zu Hause im
Bücherschrank haben. Es enthält ausführliche stilistische und inhaltliche
Beschreibungen. Die Preise für seine besten Stücke sind sehr hoch. Später im Buri Singh-Museum sehen wir weitere Seidenbilder mit feinsten
Stickereien.
s.a. Die
Indische Malerei (Wandmalerei und Miniaturmalerei, u.a.
Die Schulen der Panjab-Hügel von Kangra,
Guler, Chamba, Mandi, Nurpur und Kulu), Genf 1980 (Die
Autoren widmen sich vorwiegend den Stilfragen.)
Schon etwa ab 1700 entstanden
hier, zunächst in Rajasthan und dann in den
abgelegenen Punjab-Hügel-Staaten,
Malschulen, die einen so genannten „Volks-Mogulstil“ entwickelten. Zunächst
wurden Bildnisse des Herrschers, Jagd- und Haremsszenen, aber auch
Darstellungen der Krischna-Legende gemalt. Es
entwickelte sich ein linearer, naturalistischer Stil, der sich in den
Stickereien der Chamba Rumals
wiederfindet.
Steinskulturen aus dem
Mittelalter
Die Tempel in Chamba
Bemerkenswert sind auch die
Steintempel mit reichem Figurenschmuck, die durch Holzdächer gegen die
Witterung geschützt wurden. Als wir vom Hotel in die nahe gelegene Stadt gehen,
tönt uns aus einem Tempel lauter Gesang entgegen. Eine Frauengruppe hält eine Puja, begeistert, noch begeisterter als sie sehen, dass wir
sie filmen und fotografieren. Sie sitzen unter einem Tempelturm mit vielen
Götterstatuen. In der Mitte ein Medaillon mit drei Köpfen, die hinduistische
Dreieinigkeit. Die Vorsängerin nickt uns mehrmals freundlich zu, während die
singenden Frauen uns neugierig anstarren, auch auf der Straße bleiben viele
Menschen stehen, um uns zu betrachten. Kein europäischer Tourist begegnet uns.
Wie schön. Wie störend wirken doch westliche Menschen! Und wir?
Om
Namo Narayanaya
Ehre sei Gott im Menschen
(Gruß der Saddhus
untereinander)
Der Haupttempelkomplex,
umgeben von einer Mauer, besteht aus 6 Einzeltürmen aus dem 10 Jh. mit einem
winzigen Kultraum, deren Eingang jeweils durch ein blaues Flurhäuschen aus Holz
geschützt ist. Vor den Tempeln steht seltsamerweise ein Taubenhaus. In den
Tempeln werden die beiden Hauptgottheiten der Hindus, Shiva
und Vishnu, verehrt. Auf allen Tempeltürmen ist
oberhalb des Eingangs in einem Medaillon Shiva mit
drei Köpfen dargestellt. Wie wir erfahren, wird Shiva
dadurch als Mahesha, als großer, universeller Gott,
dargestellt, d.h. die Funktionen und Aspekte der drei Götter Brahma
(Schöpfung), Vishnu (Erhaltung) und Shiva (Zerstörung) werden in einer Gestalt wahrgenommen. Am
bekanntesten ist die dreiköpfige Darstellung Shivas
aus dem 8.Jh. im Höhlentempel von Elephanta bei
Bombay. Der Name des Tempels Lakshmi-Narayan verweist auf Vishnu,
da die schöne und Glück bringende Lakshmi als die
Gattin Vishnus gilt. Narayana
verweist entsprechend der Wortbedeutung
„das Göttliche, das sich im Menschen manifestiert“ ebenfalls auf Vishnu, weil sich Vishnu in
Not-Zeiten in unterschiedlichen Formen den Menschen zeigt, um ihnen Wege der
Errettung zu zeigen.
Vishnu als bronzener Löwe in Bharmour
Diese betonte Verehrung Vishnus im Chamba-Tal ist deshalb
überraschend, weil der Himalaya als die Heimat Shivas gilt und Vishnu besonders
in der Gangesebene verehrt wird. (s. Klöster auf der Brahmaputra-Insel
Majuli und in Assam). Da beide Götter für unterschiedliche
Weltbilder stehen, muss es in früheren Zeiten zwischen den Anhängern auch zu
Spannungen gekommen sein. Welcher Gott ist der mächtigste, wessen Tempel soll
der zentrale sein? Die Vereinung der
Götter durch dreiköpfige Skulpturen und die gleichmäßige Aufteilung der Tempel,
je Gott 3 Tempel, lässt auf eine Harmonisierung zwischen den Anhängern
schließen.
Oberhalb von Chamba erklettern wir über eine steile Treppenanlage mühsam
den Tempel der Chamunda,
der furchterregenden Form der Durga,
die nach dem Mythos noch mächtiger ist als Shiva, ein
Überrest einer archaischen Mutterreligion. Einen modischen Chamunda-Tempel
hatten wir schon im Kangra-Tal gesehen. Dieser alte
Holztempel hoch über Chamba begeistert uns aber nicht
nur wegen seiner Lage, sondern noch mehr wegen seiner wunderbaren
Schnitzereien. Etwas unterhalb befindet sich der Gedenktempel Sui Mata, in dem ebenfalls auf
die schöpferische Kraft der Frau hingewiesen wird. Aus dem Boden in einem
offenen Pavillon ragt der bronzene Oberkörper einer Frau. Rundum erklären naive
Malereien, dass sich diese Frau zum Wohle der Stadt geopfert habe, indem sie
sich bei lebendigem Leibe einmauern ließ. Ein Plakatmaler ist gerade dabei ihre
Geschichte in Hindi auf eine große Marmortafel niederzuschreiben.
Mi 7.4.
Brahmaur
auch Bharmour
und Brahampur,
Einen weiteren Holztempel,
den Lakshnadevi-Tempel, mit wunderbaren alten
Schnitzereien finden wir 2.30 Std entfernt im Tempelkomplex der Stadt Brahmaur. Diese Stadt am Ende der Talstraße war bis zum
9.Jh. das kulturelle Zentrum des westlichen Himalaya. Besonders bemerkenswert sind die großen
Bronzestatuen, ein Nandi und Vishnu
in Löwengestalt. Auch in diesem Komplex finden wir eine ähnliche Vereinigung
der Gottheiten wie in Chamba, d.h. auch hier herrscht
Shiva nicht mehr allein.
Nandistier in Bharmour
Die Straße von Chamba nach Brahmaur schlängelt
sich vom Ravi-River in 1400 m Höhe aufwärts bis auf 2195 m. Vorbei an vielen Hängebrücken,
die die schmalen Uferstücke verbinden, von denen dann Fußwege höher hinauf zu
Dörfern führen. Nur wenige kleine Siedlungen finden Platz auf Felsen am oder
sogar im Fluss wie Rakh. Hier sind die
schneebedeckten Berge ganz nah. Im
Hintergrund ragt der Kailash Peak
5656 m hoch bis in den Himmel in das mythische Königreich Shivas.
Nicht allzu weit nördlich von Brahmaur erreicht man
über einen Pass schon das Einflussgebiet des Buddhismus. Im Hindu-Tempel von Udeypur findet sich unter den Deckenschnitzereien eine
Buddhadarstellung und ein Stückchen weiter in Triloknath
haben wir bei unserer Ladakh-Reise auch den Lama-Tempel besucht, in dessen Hof Shiva verehrt wird. Ab hier wird auch Buddha wie ein Gott
angebetet.
Do 8.4. Chamba-Masroor-Pragpur
Zurück
aus den abgeschlossenen Tälern durchqueren wir wieder die eindrucksvolle Terrassenlandschaft
mit einem Höhepunkt bei Chowari. Ab Koktari, 1200 m, zergliedern sich die Bergzüge, die Straße
schlängelt sich oberhalb der abgeernteten Terrassenfelder abwärts. In der Ebene wohnen die Dogra,
erklärt unser Fahrer. Er selbst komme aus dem nahe gelegenen Punjab und kenne
einige Ausdrücke aus ihrer Sprache.
Die Felsentempel von Masroor
Unser
erstes Ziel sind die aus einem Felsen geschlagenen Tempel von Masroor aus dem 8. Jh., auf
die wir besonders neugierig sind, weil wir die fantastischen Felsentempel von Ellora kennen. 15 sollen es hier sein, reich verziert mit
Figuren. Auch unser Fahrer hat sie noch nicht gesehen und muss sich mühsam bis
zu den Tempelruinen durchfragen. Leider ist von der Größe und Pracht der Tempel
nur noch wenig zu sehen, da schon 1906 ein Erdbeben die meisten Tempel zum
Einsturz brachte. Nur gegen Eintritt sind die Reste zu besichtigen.
Während
der Tempelpriester uns auffordert, viele Bilder zu machen, wohl in Erwartung
einer Geldspende für die Götter des Ramayana-Epos ( Rama, Lakshman
und Sita), verbietet uns der staatliche Tempelwärter
jedes Fotografieren. Eine Gruppe indischer Frauen betet und geht wie wir
barfüßig zwischen zerbrochenen und heruntergerutschten Dekorationsfronten.
Auf
unserer weiteren Fahrt entlang des Sutlej-River sehen
wir immer wieder Hanuman-Statuen, den Beschützer des
Verkehrs. Wie wäre es, wenn in den katholischen Gegenden Europas an den Straßen
Christophorus-Kapellen aufgestellt würden?
Unser
Übernachtungshaus liegt diesmal in dem alten Dorf Pragpur,
das ganz unter Denkmalschutz gestellt wurde. Wir ziehen in ein dreistöckiges
Ziegelsteinhaus mit Schnitzereien und Lehmwänden ein, das im traditionellen
Stil restauriert wurde. Nach der Legende befindet sich das Dorf auf einem
religiös wichtigen Platz, der durch die Stellung der Sterne und durch Gebete,
die über tausend Jahre in drei Shakti-Tempeln gesprochen wurden und durch die
Bewohner, die aus dem hl. Feuer geboren sein sollen, einen guten Einfluss
ausstrahlt. Wir merken nichts von den positiven Kräften, wohl spüren wir im
Haus die gestaute Hitze. Schön, dass uns abends auf dem Rasen vor dem
Herrenhaus, dem Judges Court, ein herrschaftliches
Buffet erwartet, während von den Balkonen ein Flötenspieler uns begleitet. Die
Wirklichkeit des begnadeten Ortes erleben wir am nächsten Morgen bei einem
Rundgang. Neben Abwasserkloaken, zwischen halb verfallenen, geschützten Häusern
wohnen die Einwohner, die Feuergeborenen. Im Dorfteich, früher wohl das
Wasserreservoir, schwimmen alle Arten von Abfall. Die Einwohner haben wohl
nicht von der Dorfgründung der Fürsten von Jaswan im
16. Jh. und auch nicht von der Gründung des ersten asiatischen Heritage Dorfes profitiert. Profitiert hat vor allem der
Eigentümer des Palast-Hotels, dessen Familienfotos und –andenken die Räume
füllen, wie wir es in den Hotelpalästen der Maharadschas in Gujarat
und Rajasthan erlebt haben, die neben großen
Familienporträts in Öl häufig u.a. noch ihre erlegten
und ausgestopften Tiger, Leoparden und Löwen zur Schau stellen.
Fr. 9.4. Pragpur
- Shimla
Die Touristenstadt Shimla und die
umliegenden Ortschaften kleben wie ligurische Bergsiedlungen an den Hängen. Im
Sommer 2000 zur Monsunzeit, auf dem Weg nach Ladakh, war die Landschaft viel
grüner als jetzt im April. Jetzt sind die Felder abgeerntet und graubraun.
Unsere Unterkunft Woodville ist ein ehemaliger
fürstlicher Sommerpalast in einem großen Park mit hohen Bäumen. Die Räume des
Hotels sind wieder mit vielen privaten Erinnerungsfotos der Familie
ausgestattet.
Ganz anders als wir erlebt
und beschreibt der Himalaya-Forscher Sven Hedin Shimla, das er zur heißen
Jahreszeit im Mai-Juli 1905 besucht hat, – in der Ebene stieg die Temperatur
auf 41,6° C. Nachdem er die Zugfahrt hinauf durch 102 Tunnel sehr eindrucksvoll
beschrieben hat, sieht er mit geographischem und politischem Blick auf die
Landschaft und auf die Stadt.
Wir fahren durch einen Vegetationsgürtel
nach dem anderen. Der Pflanzenwuchs der Ebene blieb schon lange hinter uns
zurück; jetzt trifft der Blick auf neue Formen in neuen Zonen, Formen, die für
die verschiedenen Höhen der Südabhänge des Himalaya
charakteristisch sind, und schließlich zeigen sich noch weiter oben die dunklen
Deodarawälder, die königlichen Himalayazedern,
in deren üppigem Grün die Häuser Shimlas hellen
Schwalbennestern ähnlich, eingebettet liegen. Wie fesselnd ist nicht dieses
Bild, aber wie viel überwältigender wird es als ein Symbol der Macht des
Britischen Reiches! Hier horstet der Adler, und von
seinem Horst aus wirft er spähende Blicke über Indiens Ebenen. Hier sammelt
sich ein Bündel zahlloser Telegraphendrähte von allen Ecken und Enden des
britischen Kaiserreichs, und von diesem Punkte aus werden täglich unzählige
Befehle und Anordnungen „in His Majesty`s service only“ erlassen; von hier
aus wird die Verwaltung geführt und die Armee befehligt, und von diesen Fäden umsponnen ist ein Heer von Maharadschas, indischen
Großfürsten, wie die Beute in einem Spinnennetz.
Häuser und Kirche aus
der britischen Kolonialzeit
Vom Hotel bis zur
Einkaufsstraße in Shimla brauchen wir 40 Minuten. Der
Ort ist überfüllt von indischen Touristen, die hier Discos, Pizzerien,
Jugendcafes und Modegeschäfte vorfinden. Hier gibt es sogar wie in Dharamsala einen ausgezeichneten Bookshop.
Wir wundern uns wieder über die herunter gekommenen, manchmal halb verfallenen
Häuser aus der britischen Kolonialzeit. Ähnliche Beobachtungen haben wir in
Kalkutta und Rangun, anderen ehemaligern Zentren
britischer Kolonialmacht, gemacht.
Abends freuen wir uns im
Palasthotel über den Elektroheizofen, in der Nacht sinkt die Temperatur auf
14°.
Die Zedern, die Hedin so
beeindruckt haben, gehören heute den Affen des Jackoo-Hanuman-Tempels,
der auf dem höchsten Gipfel über Shimla steht, ein
viel besuchter Pilgerort. Bereits weit unterhalb des
Tempels tauchen die räuberischen Soldaten des Hanuman
auf. Vorsicht, sie fordern ein Geschenk. Die Taschen und Brillen verstecken!
Der Ramayana-Legende nach hat Hanuman
hier das Kraut gefunden, das den verwundeten Lakshmana
in Lanka gesund gemacht hat.
Fortsetzung des Berichtes:
2. Zwischen den 6000ern am Sutlej-River:
Der Bhimakali Tempel von Sarahan. Bhairav und Narasingh als Identifikationsfiguren
der Stammesgötter.
Im paradiesischen Baspa / Sangla –Tal. Tanz
und Apfelschnaps zu Ehren eines Gottes.
Die Götter besuchen einander. Bei den Vogelmenschen.
Die Rolle der Frau bei den
Bergstämmen. Holztempel und Rituale.
3. Das Pilgerfest in Haridwar
4. Tourverlauf,
Preise und Straßenkarte