2. Teil
In der Bergwüste des Himalaya
Lahaul und Spiti
Durchs Chandratal nach Spiti
Spiti („Mittelland“) bildet eine schmale, indische Provinz entlang der tibetischen Grenze. Der Monsun erreicht dieses Tal nicht mehr, so dass es hier extrem trocken ist. Ackerbau ist nur möglich durch Schmelzwasser von den Gletschern, das zu den Ackerflächen geleitet wird. Obwohl es dreimal so groß ist wie das Saarland, hat es nur 9000 Einwohner. Wie Oasen liegen die Dörfer durchschnittlich 3500-4500 m hoch in einer lebensfeindlichen Bergwüste. Sie zeigen durchgehend tibetischen Charakter: Flachdachhäuser mit Futtervorräten auf dem Dach. Die Bewohner sprechen Bhoti, einen tibetischen Dialekt, und folgen der buddhistischen Religion in der tibetischen Form des Lamaismus.
Über 30 Klöster, in denen im 19. Jh. noch jeder 8. Bewohner sein Leben verbrachte, zeigen die Bedeutung dieser archaischen Form des Buddhismus. Den Naturgöttern und Dämonen wurden in den Klöstern, auf den Wohnhäusern und an allen gefährdeten Stellen Altäre gebaut, die auch heute noch eine wichtige Rolle im Jahresablauf spielen.
Ein Lama aus dem Kloster Kungri im Pin-Tal begleitet seinen Sprechgesang gleichzeitig mit einer Trommel und zwei Becken.
5. 10. MI Manali (2.050 m) - Rohtang-Pass (3.913 m) Kunzam-Pass (4.550 m) - Kaza (3.600 m)
Elfstündige Fahrt von Manali nach Kaza. Wir überqueren in immer neuen Serpentinen den Rohtang-Pass (3.913 m), der Lahaul vom übrigen Indien und auch West-Tibet von Indien trennt. Trotz der Wichtigkeit dieser Transitstraße, auch für das Militär, ist die Straße in einem erbärmlichen Zustand. Auf dem Pass wimmelt es von indischen Touristen, die den Schnee erleben möchten. Verkaufsbuden, die Nummern bis über hundert tragen, stehen unterhalb des Passes und bieten Pelzmäntel an. Auf dem Pass warten 100 Reitpferde und eine Unmenge an Imbissbuden und natürlich ein Hindutempel und viele, viele buddhistische Gebetsfahnen.
Gerissene Händler verkaufen angebliche Musk-Drüsen und Safran zu sehr stark überhöhten Preisen.
Der Pass bei der Hinfahrt und bei der Rückfahrt
Nach der Überwindung des Passes beginnt nach der Abzweigung Richtung Spiti eine unbefestigte Straße, die wirklich in eine scheinbar unbewohnbare Welt zu führen scheint. Die Wolken über Manali haben sich inzwischen aufgelöst. Bald erleben wir eine großartige Natur, zunächst leuchten noch herbstlich gefärbte Pflanzenflächen in rot, gelb, braun unter einem tiefblauen Himmel, in den die schnee- und eisbedeckten Spitzen einiger 6000er hineinragen. Dann müssen sich unsere Augen allmählich umstellen. Nicht mehr das Grün-Gelb, sondern das Grau und Braun in allen Schattierungen bestimmt das Bild einer Fels- und Gerölllandschaft, und tief unter uns glitzert manchmal das Wasser des in nordöstlicher Richtung fließenden Chandra-Flusses. Wenn Wind aufkommt, entstehen dichte Staubwolken.
Um in das Tal des Spiti-Flusses zu kommen, der in südöstlicher Richtung verläuft, müssen wir eine steile Passstraße zum Kunzam-Pass (4.550 m) hinauf. Dort begrüßen uns nach 8 Stunden Fahrt gegen 16 Uhr die ersten buddhistischen Bauwerke mit flatternden Gebetsfahnen.
Drei Chörten auf dem Kunzam-Pass
Gegen 17 Uhr erreichen wir in der Abenddämmerung die niedrigen weißen Häuser mit den rot-braunen Mützen von Losar. Hier müssen wir in einem kleinen Zimmer, in dem ein Kanonenofen etwas Wärme gibt, die Grenzformalitäten erledigen. Gottseidank werden wir hier nicht, wie zunächst geplant, übernachten. Auf einer schmalen, aber gut asphaltierten Straße durch das hier 2 km breite Tal kommen wir nach 2 Stunden in der Bezirksstadt Kaza an. Das Zimmer im Banjara Retreat ist sehr kalt und da die Elektrizität diesen Ort in den Abendstunden nur sehr unregelmäßig erreicht, werden wir durch Kerzenlicht und Kälte sofort richtig auf unseren Aufenthalt in Spiti eingestimmt.
06. 10. DO Kaza (3.600 m) - Langza - Comic (4.587 m) Hikkim - Kaza
Sobald am Morgen die Sonne über den Bergspitzen am blauen Himmel erscheint, suchen die Menschen Sonnenflecken, um die Kälte der Nacht zu überwinden.
Unser erster Ausflug geht nach Comic, mit 4587 m das höchste, ganzjährig bewohnte Dorf Asiens, das seit kurzem über eine befestigte Straße erreichbar ist. Drei Dörfer, Langza (14 km von Kaza), Comic (23 km von Kaza) und Hikkim liegen hier oben mit ihren ein bis zwei Dutzend kubischen Häusern an den sandgrauen Südhängen der Berge ohne jedes Grün, aber mit einer überwältigenden Rundsicht auf viele schneebedeckte 6000er. Schwarze Flecken in der Nähe eines Dorfes verraten umgepflügte Felder. Im Sommer werden sie mit Schmelzwasser, das durch Zuleitungsgräben geführt wird, bewässert. In dieser Höhe wachsen vorwiegend Gerste, Erbsen und Kartoffeln.
In Hikkim wird Gerste mit Eseln und einem Pferd gedroschen.
Weißlich-gelbe Flecken neben den Häusern zeigen Dreschplätze, auf denen Stroh liegt.
Beim Dreschen singen die Bauern:
Wir sammeln die Ernte, wir sammeln den Frieden.
Wir sammeln Glück und Gutes, wir sammeln Reichtum und Ernte.
Möge es von rechts kommen, möge es von links kommen.
Möge es nicht wanken, möge es nicht zerstreut werden.
In einem anderen Lied wird von der Entstehung der Welt und von den Göttern gesungen, welche die ersten Getreidekörner auf die Erde brachten.
Der Vogelfänger ergriff die Taube, an den Beinen ergriff er sie,
er schnitt, den Kopf schnitt er ab.
Er zerteilte den Vogel, den Rumpf zerteilte er.
Da kamen die sieben rechten Körner heraus.
Da erschien die langschwänzige, späte Gerste.
Da erschien die grüne, frühe Gerste.
Da erschien die immer gleiche Erbse.
Da erschien der weiße, schöne Reis.
Da erschien die zweikörnige Linse.
Da erschien der langschwänzige Hafer
Da erschien der dreieckige Weizen.
So erschienen die rechten sieben Körner.
Der glorreiche Chinese,
der gute Tibeter
und der Inder (Mon),
diese drei rechten Menschenarten erschienen.
Auf den Dächern liegen dicke Schichten Reisig, Erbsenstroh und getrocknete Wildpflanzen als Tierfutter für die langen Wintermonate, in denen die Dörfer von der übrigen Welt abgeschlossen sind. Ab Ende Oktober liegt der Schnee hier etwa 1.50 m hoch. Schon jetzt, Anfang Oktober, sehen wir viele Eiszapfen und Eisflächen, die auch die Tagessonne mit 25° nicht wegschmilzt. Während die Schaf- und Ziegenherden den Winter 2000 m tiefer bei Manali verbringen, halten die Menschen mit einigen Pferden, Kühen, Yaks und Schafen im Untergeschoss der Häuser hier oben die Kälte aus. Eine besondere Tierart sind die Churros, eine Kreuzung aus Yak und Rind mit langen buschigen Schwänzen.
Um den Einwohnern, die sich meist im 15./16. Jahrhundert hier ansiedelten, das Leben in dieser lebensfeindlichen Umgebung zu erleichtern, unterstützt der Staat alle Investitionen mit einem 50%igen Zuschuss. Deshalb haben viele Häuser Solarzellen für eine elektrische Beleuchtung auf dem Dach, auch Satellitenschüsseln fürs Fernsehen. Neben Pferden, Eseln und Kühen haben wir sogar Traktoren beim Dreschen gesehen.
Dämonenabwehr durch einen Trishul auf dem alten Kloster in Dankhar
Die Bedeutung der Naturdämonen
Gegen die Naturdämonen aber vertrauen die Bauern vor allem noch traditionellen religiösen Abwehreinrichtungen. Die Gebetsfahnen auf den Hausdächern sollen durch die im Wind flatternden Mantren und heiligen Texte die gefährlichen Naturdämonen abschrecken.
Die Menschen glauben, dass hinter den Naturgewalten mächtige Dämonen stehen, die Herren der Erde, der Luft und des Wassers. Der Kampf gegen die Dämonen begleitet einen Menschen, solange er lebt. Bereits vor der Geburt muss man versuchen die 100 000 Kinderdämonen zu bannen, die ein Kind durch 24 Gefahren bedrohen. Die Lamas setzen dafür die Lesung eines heiligen Buches, magische Handhaltungen, den Donnerkeil, die Glocke, Muschelhorn und Trommeln ein. Besänftigen lassen sich die Geister auch durch die Anfertigung von kleinen Tschörten (Stupas), durch einen Opferkuchen für die Erdgöttin Lhamo und durch Streuopfer (Pillen aus Teig) in die Gewässer für die Lu-Wassergötter.
Für die zahlreichen Naturdämonen sind Götterhaufen und Lathos errichtet worden. Die Bedeutung der roten Lathos wird in einem Hochzeitslied aus Ladakh deutlich.
Dieser tho, der vor uns steht, hat vier übel wollende Geister.
Verehre den tho und bete zu ihm.
Reiche dem tho eine als Berg geformte Mehlspeise als Gabe.
Singe einen Opfergesang....
Da ist der Geist der Sonne und des Mondes im blauen Himmel.
Da ist der Geist des Windes über dem hohen Felsen.
Da ist der Geist der Wellen im Ozean.
Da ist der Geist des Tosens im Fluss.
Dies sind die vier übel wollenden Geister.
(nach Brauen S.71)
Selbst der Aufbau des gesamten Kosmos wird unter dem Aspekt von Göttersitzen gesehen.
Der tho der 1000 Welten: der Berg Meru.
Der tho der Weltteile: die darum liegenden vier und acht Kontinente entsprechend den Himmelsrichtungen.
Der tho des Trennens von Tag und Nacht: Sonne und Mond.
Der tho der Zeit und der Daten: Planeten und Sterne.
Der tho, der die Mitte des Himmels bezeichnet: die Milchstraße.
Der tho der Raumgrenze: das leuchtend rote Blitzen.
Der tho des Trennens von Sommer und Winter: der blaue Türkisdrache Donner.
Der tho des höchsten klare und perfekten Wissens: das indische Bodh gaya.
Der tho des Trennens vom Hören und Predigen: das Denken an die heilige Lehre.
Die Lieder zeigen auch die Ordnungen in der Tierwelt und in der Natur an:
Zum Bereich des Himmels gehört der Adler als der wilde Vogelkönig, zum Bereich des Gletschers der Gletscherlöwe, zum Bereich des Felsens der große Steinbock, zum Bereich der Erde der schwarze wilde Yak bzw. der Hirsch, zur Ebene gehört der Fuchs und zum Wasser der Goldaugenfisch.
Die genauesten Beschreibungen der magischen Riten habe ich in dem ausgezeichneten Buch „Drogpa Namgyal“ von S.H. Ribbach (München 1939) gefunden, der als Herrnhuter Missionar von 1892-1913 im westlichen Ladakh lebte. In „Feste in Ladakh“ von M.Brauen (Graz 1980) werden die Bräuche ebenfalls detailliert beschrieben.
Ein Haus für die Naturgötter bei Comic mit Gehörnen und Wacholderzweigen
Oberhalb der Häuser von Comic steht im Schutz einer Felswand ein Kloster. Wie die meisten Klöster in den abgelegenen Tälern des Himalaya gehört das Kloster zur Rotmützensekte, deren oberster Wiedergeborener im südlicher gelegenen Dehradun lebt. Auf gleicher Höhe steht neben einem Flussbett ein großer Götterschrein für die Dämonen, die das Dorf und vor allem die Tiere durch Naturkatastrophen bedrohen. Die Klostergebäude und auch der Dämonen-Latho sind rot angestrichen zur Abwehr der bösen Dämonen.
Bei unseren späteren Klosterbesuchen stellen wir fest, dass inzwischen dem Dalai Lama als oberster Autorität der Gelbmützen auch in allen Rotmützenklöstern durch große Fotos präsent ist. Im 17. Jahrhundert wurden die Rotmützenklöster von den Gelbmützen-Gelugpa übernommen und bei Widerstand zerstört. Wie auch in anderen alten Rotmützenklöstern bewacht ein ausgestopftes Tier, hier ein Schneeleopard, den Raum des Mahadevi.
Schneeleopard als Wächter und eine menschliche Haut als Mahnung der Nichtigkeit des Lebens
Sechs Masken, Figuren aus Butterteig, Statuen der Gründungsväter des Lamaismus und eine Bibliothek mit heiligen Büchern gehören zum Inventar der Räume. Das neuere Wohnkloster mit großem Innenhof liegt etwas abseits. Dort bekommen wir von den freundlichen Mönchen Buttertee, der nach ranzigem Fett von Schafsböcken schmeckt.
Vor einem Gebäude sitzen im Windschatten viele junge Mönchsschüler, die unablässig Texte aus Büchern rezitieren und sich durch unser Kommen nicht ablenken lassen. Dass wir nur jüngere Mönche sehen, weist darauf hin, dass die Sitte, alle überzähligen Geschwister im Kloster zu versorgen, hier noch üblich ist. Im allgemeinen leben in einem Kloster nur die Menschen aus der betreffenden Region und auch nur die Angehörigen der Kaste der Besitzenden.
Seit alten Zeiten wird der Bodenbesitz nicht geteilt, sondern geht auf den ältesten Sohn über. Nur eine Frau kommt ins Haus und darf Kinder haben, d.h. weitere Brüder im Haus sind ebenfalls Ehemänner dieser Frau. Diese Polyandrie ist offiziell nicht erlaubt und wird von der jüngeren Generation nur selten gelebt. Den Geschwistern des Ältesten Sohnes bleibt die Auswanderung oder das Kloster. In dieser Region scheinen noch sehr viele ins Kloster zu gehen.
Inzwischen hat der Staat auch in kleinen Dörfern Schulen eingerichtet, so dass die Klöster nicht mehr das Privileg des Schreibens und Lesens besitzen. In den Schulen lernen die Kinder Hindi und Englisch, in den Klöstern lesen sie die heiligen Bücher des Lamaismus auf Tibetisch.
Unterricht in 4200 m Höhe (Kibber)
Wenn buddhistische Mönche als Eremiten nur für ihre eigene Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten leben und nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten, bilden sie wirtschaftlich gesehen ein asoziales Element. Ihr Ausstieg aus der „normalen“ Gesellschaft ist aber im buddhistisch-hinduistischen Kulturraum akzeptiert als eine hohe, achtenswerte Lebensform, die dem Mönch magische, göttliche Macht zukommen lässt, die er im Kampf gegen böse Mächte für den einfachen Menschen einsetzen kann. neben diesen Hilfsaufgaben hat ein Lama auf Grund seiner magischen und astrologischen Kenntnisse auch eine Schenkungsfunktion, indem er dem Gläubigen ermöglicht, durch Geschenke sein eigenes Karma zu verbessern.
Anschließend wandern wir bergab an den wenigen Häusern des Dorfes Hikkim vorbei.
Zwei große Wildtierherden, Gemsen und 19 Steinböcke, springen über die Felshänge.
Nachmittags Markt in Kaza. Das Licht geht wieder aus.
Übernachtung im Banjara Retreat in Kaza. Inzwischen machen sich die Folgen der Höhe durch Kopf- und Nackenschmerzen bemerkbar. Dazu kommen indische Zimmernachbarn und hupende Autos, die uns die Nachtruhe nehmen.
07. 10. FR Kaza (3.600 m) Lhalung (4.200 m) - Dankhar (3.890 m) - Tabo (3.050 m)
Heute fahren wir wieder in ein Seitental des Spiti, 15 km ins Lingti-Tal nach Lhalung (4.200 m). Das breite Flusstal bei Tabo wird enger, so dass sich die Straße in Serpentinen hinaufwindet und durchs lang gezogene Lingtital bis auf 4200 m führt.
Zwischen den Häusern von Lhalung klettern Frauen hoch bepackt mit Gerstenbündeln durch die steilen, engen Gassen, dann kommen Esel, ebenfalls mit Gerste von entfernten Terrassen zu den Häusern, wo die fast noch grüne Gerste zum Trocknen ausgelegt wird. Hier wird noch nicht gedroschen wie in Comic. Oberhalb des Dorfes und einiger schmaler Terrassen liegt ein kleines, uraltes Kloster aus der Zeit des Rinchen Zangpo. Nur ein älterer Lama wohnt hier, der uns die Tempelräume zeigt und uns zu einem Tee in seinen Wohnraum und seinen Meditationsbalkon einlädt. In seinem Wohnraum hängen viele Fotos von westlichen Gästen, Postkarten und Fotos aus der Schweiz, Frankreich, Italien und USA. Sogar ein Motorrad- und ein Fahrradfahrer haben hierhin gefunden.
Gruppenbild mit Lama vor seinem Kloster
Das alte Kloster ist ein Erlebnis besonderer Art. An einer 1000jährigen Weide vorbei gelangen wir in den Serkhang, den goldenen Tempel, der wie eine fensterlose Höhle die Geheimnisse der lamaistischen Religion birgt. Im Schummerlicht einer schwachen elektrischen Birne und einer kleinen Dachöffnung treten wir zu einer Gesellschaft lamaistischer Heiliger, die uns lebensgroß zu erwarten scheinen, eine goldfarbene Götterwelt, über der im Hintergrund der historische Buddha schwebt. 51 Gottheiten, die von einer Vielzahl von untergeordneten Gottheiten, mythologischen Gestalten, Elefanten und Pferden umgeben sind. Die Figuren sind durch ein Geflecht von spiralförmigen Lotosranken verbunden. Die drei Hauptgestalten unterhalb des Buddha sind in der Mitte der lamaistische Urmissionar Padmasambhava und auf der einen Seite der zukünftige Erlöserbuddha Maitreya und auf der anderen Seite der Klostererbauer Rinchen Zangpo. Die Figuren an den Seitenwänden sitzen unter plastischen Architekturbögen, die einen Palast andeuten. Tänzerinnen in nabelfreien Saris und in übersteigerter Tanzhaltung weisen auf indische Künstler hin.
Seitwärts, über dem Gebetsplatz des Lamas, schwebt als Stimulans bei der Meditation die Grüne Tara.
In einem zweiten kleinen, ebenfalls voll ausgemalten Raum befinden sich eine große Gebetstrommel und die Statuen von Manjustri, Avalokiteshvara und Hayagrivas. Um diese beiden Räume herum führt innerhalb des Gebäudes ein schmaler, stollenartiger Weg, um dieses göttliche Ensemble auf dem Weg zu dem ehemaligen Versammlungsraum der Lamas verehrend umrunden zu können.
Ein weiterer uralter, heiliger Raum, in dem sich vier in einem Kreis sitzende, weiße Buddhas befinden, liegt neben dem Wohnraum des Lamas. Das ist eine 2.50 m hohe Darstellung des Vairocana, der „sonnengleiche und allwissende“, der vierfach dargestellt ist. Vier Buddhas sitzen in einem Kreis auf einen Lotosthron, der auf den Köpfen von vier Löwen ruht, und schauen in die vier Himmelsrichtungen. Eine ähnliche, feinere Darstellung findet sich auch in Tabo, dem Hauptkloster des Tales.
Der Vairocana zählt zu den fünf transzendenten Buddhas (3./4. Jh. in Indien entstandenes System), die anders als die Vorzeit- und die Zukunftsbuddhas und der historische Gautama Buddha zeitlos sind und nicht ins Nirwana eingegangen sind. Z.B. können sie als Verwalter eines Zwischenparadieses in der Meditation sichtbar werden.
(Detaillierte Beschreibungen finden sich in den Büchern „Vergessene Götter Tibets“, P.v.Ham/A.Stirn, 1997 und „Indo Tibetica 3. The Temples of Western Tibet and their Artistic Symbolism” von G.Tucci, 1988.)
Natürlich stehen auf und neben dem Kloster viele Götteraltäre für die Naturdämonen.
Von hier nehmen wir eine Abkürzung zum Dorf und Kloster Dankhar (3.890 m). Die wenigen alten Häuser der ehemaligen Hauptstadt des Spiti-Tals liegen uneinnehmbar zwischen steilen Felsenspitzen.
Dankhar, „Ort in den Bergen, der für Fremde unerreichbar ist“.
Wir kommen von oben über einen Felssattel zu dem Ort. Dieser Felssattel ist wohl auch das Einfallstor vieler mächtiger Dämonen, weil dort auf dem Nordhang viele Geisterfallen aus Wollfäden und Kleidungsstücke als Opfergaben liegen.
Die Lamas wohnen jetzt in einem neuen, großen Kloster an der Straße, während das kleine, festungsartige, alte Kloster im steilen Fels neben einem regionalen Museum wohl auch schon wie ein klösterliches Museum wirkt. Fünf ineinander verschachtelte Räume sind durch schmale Treppen über mehrere Stockwerke miteinander verbunden. Vor dem Eingang zum winzigen Versammlungsraum der Mönche hängt wieder ein ausgestopftes, Dämonen abwehrendes Tier, ein Widder mit langen, rot angemalten Hörnern. Da die dämonischen Naturgewalten von überall her drohen, stehen überall Versöhnungsaltäre für die lokalen Dämonen. Auch auf einer dem Kloster vorgelagerten Felsspitze steht auf gleicher Höhe ein Latho.
Danach fahren wir das Spiti-Tal flussabwärts nach Tabo zum neuen Banjara Retreat mit Blick auf das alte Kloster. Vor Tabo weitet sich das Tal und wird fruchtbar: ein Wald mit hohen Bäumen, Apfel- und Aprikosenplantagen. Manimauern. Neu-Tabo wirkt wie eine Stadt im Aufbruch: voller Schmutz, Blechbauten und Staub, eine scheußliches Dorf. Man muss erst die alten Häuser an der Straße entdecken und die Malereien im Alten Kloster sehen, um einen versöhnlichen Blick auf diesen Ort werfen zu können.
Die lehmfarbenen Gebäude des berühmten Klosters Tabo werden restauriert.
Die Gebäude des Klosters Tabo liegen grau-braun und geduckt wie fremdartige Überreste einer vergangenen Baukultur oder Teile einer afrikanischen Wüstenstadt oder einer neuen Science Fiction Welt im breiten Tal des Spiti, umgeben von einer 2.50 m hohen Lehmmauer. Alle Gebäude sind fensterlos und ganz mit einer Lehmschicht überzogen, auch die flachen Dächer. Ungewöhnlich ist auch die unbefestigte Lage in einer flachen Ebene, besonders wenn man die Geschichte der Kriege zwischen Ladakh, Tibet, den Mongolen und den indischen Rajas bedenkt. Spiti war Puffer und Durchzugsgebiet.
08. 10. SA Tabo (3.050 m)
Inschrift im Haupttempel von Tabo „Tsug Lakhang“
Für all jene, die der langen Reise müde sind, und für alle Wesen, die vom Leid getroffen wurden, die Freunde und Familie verloren haben für sie alle wurde dieser herrliche Tempel erbaut.
Bereits um 6.15 Uhr, bevor die Sonnenstrahlen das Tal erreicht haben, gehen wir zu der lamaistischen Morgenzeremonie in den neuen Versammlungssaal der Lamas. Vom Sing-Sang der 16 Lamas hatten wir mehr erwartet. Es kommen keine Trommeln, Becken, Muscheln und Oboen zum Einsatz. Zweimal heben die Lamas ihre Hände zum Klatschen, dreimal und neunzehnmal. Zwei Handgesten (Mudras) und eine Schweigephase mit Tee unterbrechen den Murmelgesang. Die jüngeren Mönche trudeln erst nach und nach ein und zeigen sich sehr unaufmerksam.
Nach unserm Frühstück im Hotel brechen wir erneut zu einer Besichtigung der Alten Klostergebäude auf. Das 1000jährige Tabo-Kloster wird wegen der herrlichen Fresken im Innern auch "Ajanta des Himalaja" genannt und ist zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt worden. Nur das Kloster Alchi in Ladakh weist ähnliche wunderbare Malereien auf. Für die 60 Mönche wurden und werden neue Gebäude gebaut. Als wir den Komplex betreten, herrscht eine rege Bautätigkeit: Die Plattierungen zwischen den Gebäuden, die wie ein Mandala angeordnet sind, werden aufgerissen und große Mengen neuer Lehmziegel werden geformt und getrocknet.
Eine Inschrift an der Ostwand der Apsis des Haupttempels:
Im Jahr des Feueraffen (996) wurde dieser Tempel vom Großvater, dem Bodhisattva Yeshe Ö erbaut. Nach 46 Jahren erneuerte der Enkel Changchub Ö diesen Tempel, nachdem ihm die Erleuchtung zuteil wurde, und sehend, dass der von seinem Großvater erbaute Tempel alt geworden war, versammelte er Baumeister und Künstler, verteilte Almosen und gab uns Arbeit.
Im Mittelpunkt der gesamten Anlage, die aus acht Tempeln und 24 Chörten/Stupas besteht, steht inmitten des Tempels der erleuchteten Götter die Figurengruppe des weißen, transzendenten Buddha wie im Kloster von Lhalung, umgeben von 32 an der Wand befestigten, bemalten Lehmfiguren auf einem Lotosthron. 16 rot angestrichene Holzsäulen tragen das Dach. Licht fällt durch Dachlöcher.
Die Räume sind im kashmirisch-tibetischen Stil voll ausgemalt. Im unteren Wandbereich finden sich Legenden aus dem Leben des Prinzen Sudhana und des historischen Buddha mit Inschriftentafeln, im mittleren Bereich neben den Figuren Symbole und weibliche Gottheiten, im oberen Bereich kosmische Buddhas und Gottheiten aus der Bönreligion, besonders die Bön-Göttin Winumyin mit Begleiterinnen. Freie Stellen sind mit rankenden Blumen, Glücksschleifen oder Schmetterlingen gefüllt.
Den Höhepunkt feinster Malereien finden wir an den Wänden der anschließenden Apsis, in deren Mitte drei Statuen stehen. Hier ist auch die Holzdecke mit sehr schönen Rosetten und Medaillons bemalt. Auf blauem Grund schweben Musikanten und Göttinnen. Im Nachbartempel Dömton Lakhang ist ebenfalls die Decke ganz besonders eindrucksvoll mit Nagas, Makaras, Pfauen, Papageien, Glückssymbolen u.a. bemalt.
Nach den Gebäuden besichtigen wir im Klostermuseum noch eine Ausstellung von historischen Fotos und klettern am Nachmittag hinauf zu den Resten von 19 alten Meditationshöhlen 50 m oberhalb der Straße.
Mehrmals sehen wir Lamas mit körperlichen Behinderungen. Das ist ungewöhnlich, da die körperliche Unversehrtheit in manchen Klöstern eine Voraussetzung für den Eintritt ist.
Inzwischen haben wir keine Beschwerden durch die Höhe mehr.
Da die Reisesaison zu Ende geht, wird unser Hotel Banjara Retreat nach uns die Pforten schließen.
09. 10. SO Tabo Guling Kungri - Kaza
Heute ist der Wendepunkt unserer Reise. Auf dem Weg zurück nach Kaza machen wir einen Abstecher ins Pin-Tal. Von der Einmündung des Pin-Flusses in den Spiti brauchen wir 40 Minuten, bis das erste Dorf Guling erreicht ist. Insgesamt liegen in diesem Tal 10 Ortschaften.
Das 275 Seelendorf Guling umgeben außergewöhnlich viele Felder, auf denen jetzt viele Pferde weiden. Ein Bauer erklärt uns, dass die Pferde nicht als Lasttiere, sondern als Reittiere genutzt werden.
Gleich darauf sprengen zwei Reiter die Straße zum Kloster Kungri hinauf. Obwohl die Lamas des Klosters über magische Fähigkeiten verfügen sollen, konnten sie und die vielen Lathos nicht verhindern, dass 1992 ein Hochwasser, d.h. die Wind- und Wassergötter, einen Teil der Gebäude weggerissen hat.
Der neue Tempel von Kungri
Die Klostergebäude der Nyingma-pa-Sekte der Rotmützen zeigen den Reichtum des Klosters: ein neues Gästehaus mit einem Einkaufsladen, neben den beiden alten Tempeln ein großer neuer, hoch aufragender Tempel mit sehr schönen Malereien, Wohnungen für die Lamas, eine neue Villa für den Abt und gleich hinter dem Eingangstor ein großer Platz mit Zuschauertribüne, auf dem Lamas Kricket spielen. Einer der Kricketspieler führt uns zum ersten Tempel und verschwindet sofort wieder zum Kricketspiel.
Dieser kleine Tempelraum ist ein Erlebnis. Schläge einer Trommel und dumpfer Gesang empfangen uns. Während der Gesang und die Trommelschläge immer schneller werden, ja mitreißend sich steigern, können wir uns in Ruhe umsehen und Fotoaufnahmen machen. In einer Kiste links vom heiligen Bezirk, in dem ein Schrank/Tabernakel steht, sitzt der betende und musizierende Lama.
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Ein Lama bei einer Zeremonie und der "Tabernakel"
Der mit Dämonen bemalte Schrank steht im Mittelpunkt eines Energiefeldes, so dass sich die im Inneren befindenden Tormas, Figuren aus Gerstenmehl und Buttertee, die einmal im Jahr hergestellt werden, mit Energien aufladen.
Dem Teig werden Duftstoffe für die „Duftesser“ beigemischt, die auch als Insekten über Abfallhaufen schweben. Diese Teigfiguren werden jährlich neu geformt und z.B. in der „Zeremonie des sterbenden Jahres“ zwischen die Steine eines Kreuzweges geschleudert, damit die Dämonen die Menschen des Dorfes in Frieden lassen. Sie sind an die Stelle der Menschenopfer in vorbuddhistischer Zeit getreten.
s. die Zerstückelung einer Teigfigur bei den Festtänzen im Kloster Phyang (Ladakh)
Diese Tormas werden von den Lamas als Medizin gegen Krankheitsdämonen eingesetzt, indem der Kranke ein Stück des magischen Leibes isst.
Tier- und Menschenopfer
In früheren Zeiten wurde in Westtibet zum Abschluss des Erntefestes ein Tier geopfert. Drei Männer badeten ein Schaf in einem Bach und führten es zum Sitz des Dorfgottes, an dem sie Getreidegarben, farbige Tücher, Weidenäste und einen Yakschwanz befestigten. Dann bestimmten sie durch Los, wer das Tier zu schlachten habe. Der ausgeloste Mann schnitt die Brust des Schafes auf, nahm das Herz heraus und legte es auf den Göttersitz. Nach Francke (1923) wurden auch bei anderen Gelegenheiten vor dem Göttersitz Ziegen geopfert. Nach Asboe (1963) sogar Yaks. Erst in den letzten Jahrzehnten ist man auf Einwirken der „Buddhist Association“ davon abgekommen, weil das Töten dem buddhistischen Gesetz des Nichttötens von Lebewesen widerspreche. Als Ersatz verwendet man nun Nachbildungen aus Teig oder Butter.
Torma, eine Teigfigur
In Legenden aus Keylong finden wir noch Hinweise darauf, dass in alten Zeiten ein Knabenherz dem Dorfgott gereicht wurden, dann ein Hirschherz und später ein Ziegenherz. Es musste ein Herz sein, weil das Herz als Sitz des Lebens galt. Diese grausame Art der Opferung haben wir noch 2005 bei dem animistischen Frühjahrsfest der Apatani in Arunachal Pradesh erlebt.
Rechts und links vom heiligen Zentrum befindet sich eine Dreiergruppe größerer Figuren: einmal Guru Dragmar, eine Wiedergeburt von Padmasambhava in Vereinigung mit seiner Gefährtin und eine silberne Figur, eine Darstellung des Urbuddhas Vajrasattva, der in der männlich-rechten Hand das ewige Donnerkeilzepter (Vajra) der absoluten Leerheit hält und in der weiblich-linken Hand, nach innen gewendet, die vergängliche Klang-Glocke der Weisheit.
Auf der linken Seite des Zentrums befinden sich der vierarmige Avalokiteshvara, der grenzenlos hilfsfähige Bodhisattva, der in den Silben „om mani padme hum“ erscheint, ein Medizinbuddha, die die richtige Therapie weist und der Tantriker Padmasambhava. Die erste Figurengruppe weist auf eine Vereinigung der Polaritäten hin und die zweite auf die magischen Heilkräfte der Religion.
Der Lama unterbricht die Zeremonie, nimmt eine Flasche, schüttet sich eine Flüssigkeit in die Hand und trinkt. Dann nickt er uns zu und schüttet auch in unsere Hände einen Guss. Es ist guter Alkohol. Darauf bricht er ein Stück vom Gerstenteig und bietet auch uns ein Stück Teig. Ist dies eine Verwandlung von Wein und Brot und eine Vereinigung von Gott und Mensch wie in der katholischen Kommunion? Bei den Teigstückchen liegt eine grüne Perle, die mit den Resten in einen Topf geschüttet wird. Ein Opfer für die Gottdämonen? Danach wechselt er mehrmals den Schlagrhythmus, legt die Becken zur Seite und schlägt eine schnelle Folge von Trommelschlägen und rattert wie ein Schnellsprecher seine Texte herunter.
Während die Wandmalereien vom Ruß der Butterlampen fast schwarz sind und nur wenige Gestalten und ein Löwe an der linken Seite zu erkennen sind, leuchten die Figuren in grellen Lackfarben.
Im 2. Tempel steht wieder eine Dreiergruppe mit Padmasambhava im Mittelpunkt, davor stehen neben Butterlampen ein Torma und andere Symbole aus Gerstenteig. In allen drei Tempeln sind Fotos des Dalai Lama aufgestellt.
Bei einer längeren Wanderung genießen wir das großartige Landschaftspanorama mit den Auffaltungen der Felsschichten in deutlichen S-Formen und Schräglagen, während von den Eisgipfeln immer stärker ein eisiger Wind bläst.
Im oberen Pin-Tal sollen im Nationalpark noch Schneeleoparden und wilde Yaks leben. Von dort kann man im Sommer über den Parvati-Pass nach Manikaran und Kullu gelangen.
In Kaza, 600 m höher, ist es viel kälter als in Tabo. In der Nacht ziehen wir uns dick an, bevor wir in die Schlafsäcke kriechen. Von draußen dringt laute Musik ins Zimmer. Es wird keine Party gefeiert, sondern das Hindufest Dussehra hat begonnen und deshalb wurden Lautsprecher aufgestellt, um das ganze Dorf daran teilhaben zu lassen. Ob die vielen Buddhisten darüber genau so wenig erfreut sind wie wir?
10. 10. MO Kaza (3.600 m) - Kibber (4.205 m) - Gete (4.270m) Kye - Kaza
Der Wind wird durch Pfeifen und Singen herbeigerufen.
Wir fahren hinauf nach Kibber (4.205 m), das bis vor kurzem noch das höchstgelegene Dorf Asiens war, welches über eine Straße erreichbar ist. Schon von Ferne leuchten an den grau-braunen Hängen die Reihen der weißen Häuser von Kibber und Chichen. Die gelben Kreise im Grau des Ortsrandes bedeuten, dass überall die Gerste gedroschen und geworfelt wird.
Am Anfang des Ortes liegt eine höhere Schule. Die 11 Lehrer sitzen auf Stühlen draußen und unterhalten sich. Von den 43 Schülern sind nur wenige da, weil die anderen bei der Ernte helfen müssen. Sie sind damit beschäftigt Hindi-Texte in ihre Hefte zu schreiben. Eine Unterhaltung ist wegen mangelnder Englischkenntnisse der Lehrer, die wie häufig aus dem südlichen Bundesstaat Kerala kommen, kaum möglich. Um die Lehrer in diese Einöde zu locken, hat man ihnen ein modernes, großes Haus gebaut, das wie ein prachtvoller Tempel wirkt.
Durch die Gassen tragen Frauen und Männer große Säcke mit Gerstenstroh zu ihren Häusern.
Auf einem noch unfertigen Weg fahren wir nach Gete (4.270m), wo etwa 5 Häuser oberhalb einer feuchten Senke mit kleinen Teichen stehen. Auf dem Dach eines der Bauernhäuser halten wir Lunch. Der Bauer zeigt uns den Gebetsraum, macht für uns Tee und bietet uns Yoghurt an. Wir schenken ihm Bananen, Äpfel und Tigerbalsam. Über den Balsam ist er erfreut, die Bananen gibt seiner Frau und seiner Tochter, die unterhalb des Hauses mit Lehm eine saubere Plattform fürs Dreschen herrichten.
Obwohl fast jedes Dorf ein Kloster hat, in dem Mönche leben, haben die Bauern in ihren Häusern einen besonderen Raum, eine kleine Kapelle, worin die Lamas bestimmte heilige Bücher gegen drohende Gefahren lesen, um so eine abwehrende Kraft zu aktivieren. Auf diese Weise nehmen die Lamas soziale Aufgaben im Dorf wahr.
Im nächsten Bauernhaus werden wir wieder zu Tee, Yoghurt und Fettgebackenes eingeladen.
Ein typisches Wohnzimmer mit Pfannen und Töpfen im Regal, einem Butterfass an der Wand, einer elektrischen Birne, die durch eine Solarzelle gespeist wird, einem niedrigen Eisenofen und Sitzteppichen.
Ein zweiflammiger Gasherd macht die Bewohner häufig unabhängig von der großen Holzfeuerstelle, die im Nebenraum zum Schmelzen von Schnee für die Wasserversorgung von Mensch und Tier genutzt wird.
Von hier wandern wir 2 Stunden auf einem steilen Eselspfad bergab zum Kloster Kye, das wie manche Klöster in Ladakh festungsartig auf einem steilen Bergkegel liegt.
Nachdem wir bereits so viele mittelalterliche Klöster mit wunderbaren Malereien und Skulpturen gesehen haben, beeindruckt uns hier vor allem die exponierte Lage dieses Klosters auf einem Hügel. In seinem Innern befindet sich der Gompa/Tempel des Flammenden Trishul, eine Goldarbeit auf einer Schädel-Skulptur.
Der Dreizack
Der Dreizack (Trishul) wurde vom hinduistischen Shiva-Kult übernommen, wobei die drei Spitzen die Zerstörung der drei Übel Gier, Hass und Unwissenheit darstellen, die für den Kreislauf der Wiedergeburten verantwortlich sind. Die Mittelspitze wird oft flammend dargestellt. Die Schädelschale deutet darauf hin, dass eine Opfergabe willkommen ist. Ein flammender Dreizack befindet sich meist an der Spitze eines magischen Stabes. Unter dieser Spitze befinden sich drei Köpfe: ein Schädel, ein verwester und ein frisch abgeschlagener Kopf, darunter eine Nektarvase und ein halber Doppelvajra (Donnerkeilzepter, das aus dem Blitzzepter des hinduistischen Gottes Indra entstanden ist).
Lamaistische Auffassungen, die mit dem Tod eines Menschen zusammenhängen.
(Die komplexen Rituale werden in dem Buch „Drogpa Namgyal“ von S.H.Ribbach (1939) ausführlich geschildert.)
Ein Toter weiß vier Tage lang nicht, dass er gestorben ist und kehrt während dieser Zeit immer wieder in sein Haus zurück. Erst wenn er merkt, dass sein Körper keinen Schatten mehr wirft und sich keine Fußabdrücke im Boden zeigen, weiß er, ich bin gestorben.
Wenn jemand gestorben ist, kann man feststellen, ob der Verstorbene ein Sünder oder ein Tugendvoller war. Da die Seele eines Tugendhaften durch die Fontanelle im Schädel entweicht, erkaltet der Körper allmählich vom Kopf her bis zu den Füßen. Bei Sündern entweicht die Seele durch den Mastdarm. Deshalb erkaltet der Körper von unten her.
Um die Verfehlungen zu tilgen werden den Dämonen Streuopfer dargebracht, magische Sprüche gesprochen, die Bücher „Von der transzendenten Weisheit“ und „Die drei Kostbaren“ gelesen und die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft angerufen.
Um den Todesdämonen, die den Menschen schaden könnten, die Himmelstür zu verschließen, wird ein Zauber veranstaltet. Auf einem Widderschädel werden mit Lehm Augen, Maul usw. gemalt, farbig angestrichen und auf der Stirn das Zeichen „Khen“ für den Herr der Himmelsdämonen gezeichnet. Um sich vor den Erddämonen zu schützen, wird die Erdtür mit einem Hundeschädel und dem Zeichen „Khon“ für die Erdmutter verschlossen.
Nach der Besichtigung fahren wir zurück nach Kaza. Im Hotel treffen wir zwei Biker, die eine Wahnsinnstour über Geröll und Pässe hinter sich haben. Den Kunzam-Pass haben sie bei Schneesturm auf einem Trecker überquert.
Wir sind die letzten diesjährigen Gäste im Banjara Retreat Kaza. Nach uns wird das Hotel geschlossen.
11. 10. DI Kaza Kunzam-Pass (4.550 m) - Rohtang-Pass (3.913 m) - Manali
Heute geht es wieder über den Kunzam-Pass und den Rohtang-Pass zurück nach Manali.
Mal sehen, ob wir es schaffen. Unser Fahrer konnte keinen Diesel nachtanken. Unter einem strahlend blauen Himmel fahren wir durch den schönsten Teil des Spiti-Tales den Pass hinauf. Diesmal liegt hier oben frisch gefallener Schnee. Während wir an der Reihe der 6000er vorbei durch das Chandra-Tal fahren, ziehen Wolken auf. Es wird schlagartig eisig kalt. Mehrmals hält unser Fahrer unterwegs an und versucht bei Händlern, die an Flussübergängen in einigen Steinhütten Tee anbieten, Treibstoff fürs Auto zu bekommen. Nichts zu machen.
Unser Fahrer (links) wärmt sich mit einer Tasse indischen Tees auf.
Die Anzeigenadel im Auto steht schon einige Zeit bei Null. Wie weit werden wir noch kommen? Und was dann? Wir fahren weiter bis zum Fuß des Rohtang-Passes. Es schneit. Nur mit einem kurzärmeligen Hemdchen bekleidet und mit nackten Füßen in Plastiksandalen läuft unser Fahrer in ein Steinhaus, kommt mit eingezogenem Kopf wieder heraus und läuft ins nächste. Die Menschen, die hier am Straßenrand auf eine Mitfahrgelegenheit in einem offenen LKW warten, ziehen sich Decken über den Kopf. Wir haben zwei Pullis an. Friert unser Fahrer nicht? Da erscheint er wieder, in der Hand einen 5 Liter-Kanister. Das Schneetreiben wird dichter. Er läuft noch mal ins Haus. Um das Dieselöl in den Tank zu bekommen, holt er eine durchgeschnittene Wasserflasche als Trichter. Er friert tatsächlich. Im Auto sitzend reibt er seine Hände und gibt uns zu verstehen, dass der Diesel hier sehr, sehr teuer ist. Aber die fünf Liter sollen für die nächsten vier Fahrstunden bis nach Manali reichen. Je höher wir kommen, desto höher liegt der Schnee. Trotzdem fährt er so schnell wie möglich und überholt die Laster. Auf der Straße haben sich Fahrspuren aus Eis gebildet. Über das Lenkrad gebeugt, nutzt er jede Chance, ohne Angst in den Abgrund zu rutschen. Seine Füße müssen gefühllos sein bei der Kälte. Auf dem Pass sind keine Händler mehr und keine Pferde. Selbst die Gebetsfahnen verschwinden in dem weißen Schneegestöber. Aber wir kommen heil in Manali an und beziehen im Banon Resort ein Gartenhaus mit luxuriöser Wohnung (die Toilette funktioniert aber nur eingeschränkt). Während die Sonne hinter dichten Wolken nur zu ahnen ist, beginnt es leicht zu regnen.
In den Zeitungen lesen wir von einem starken Erdbeben in Kaschmir mit vielen Toten.
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