2. Im Monsunregen in Mussorie und Shimla

Mussoorie, 2130 m hoch, früher Sommerfrische der Engländer, ermöglicht einen ersten Blick auf die schneebedeckten Berge des Himalaya

Auf unserem Weg in die Berge fahren wir nicht den Ganges hinauf zu seinen Quellen, sondern nehmen die Richtung Ladakh zum Oberlauf des Indus. Wir verlassen die erste Stufe der Nebelbänke und stoßen in 2000m Höhe vor. Eine geschlossene Wolkenformation empfängt uns. Es regnet. Unser Fahrer prescht die Serpentinen hoch und zeigt, dass er auch in engen Kurven ein Auto überholen kann. Vor unseren Augen stehen die Bilder der letzten Stunde: mitten im Dorf ein Haufen zusammengefahrener Fahrzeuge, ein Traktor, ein Moped, zwei PKWs. In einer Kurve wird ein abgestürztes Auto mit einer Seilwinde den Berghang hinauf gezogen. Die Straße verschwindet immer wieder im Nebel der Wolken. Manchmal sehen wir am Straßenrand Affen, meist Affen mit einem goldenen Hinterteil, aber auch Affen mit einem schwarzen Gesicht. Ob uns der rotgesichtige Affengeneral Hanuman beschützen wird? Unser Fahrer scheint ihm zu vertrauen.

Am Ziel erwartet uns das einzige 5 Sterne-Hotel des Ortes, ein Palast mit kleineren Schmutzflecken in den Zimmern, die aber wohl nur ein europäisches Auge sieht.

Seit Delhi ist unsere Nabelschnur gerissen, wir haben keine Handyverbindung nach Europa mehr. Auch das Aufladen der Batterie hilft nicht. Hier in Mussoorie braucht man eine prepaid card, wie die vielen Reklameschilder verkünden.

Am Nachmittag regnet es wieder, Monsunregen als leichter Dauerregen. Wir fahren auf einer schmalen Bergstraße von 1900 m hinab zu den Kempti-Wasserfällen. Es gießt. Mit Regenschirm und Regenumhang steigen wir den betonierten Touristenpfad mit vielen Verkaufsbuden hinab zu den Viewpoints. Hier könnte sich Christa in einem prächtigen Festkostüm fotografieren lassen, wie es die Einheimischen tun, aber sie will nicht.

Wir wollen keine Touristen sehen, obwohl hier nur indische Touristen hinkommen, sondern sehen, wie die Bauern in ihren Dörfern leben. Sanji, ein Reisbauerndorf. Der Dorfchef bittet uns, in sein Dorf zwischen den Reisterrassen zu kommen. Sein Haus hat eine Außenhaut aus Zement. Innen ist es mit Holz ausgekleidet. Im Dorf sehen wir noch einige sehr schöne alte Holzhöfe. Einige Wassermühlen mahlen Getreide, ein Gespann Wasserbüffel pflügt ein kleines Feld, Kinder laufen über die schmalen Dämme zwischen den Reisfeldern. Es regnet

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Mussoorie, die frühere Sommerresidenz der Engländer, enttäuscht uns, heruntergekommene Hotels, ärmliche Geschäfte, tibetische Flüchtlinge.

Aus der Zeitung erfahren wir, dass in Ladakh drei Mönche von Moslems ermordet wurden und in Zanskar ein Deutscher entführt wurde. Die Dämonen haben wieder zugeschlagen.

Shimla, 2000 m hoch, ehemalige Sommerresidenz des englischen Vizekönigs, erinnert im Namen an die bluttrinkende blaue Muttergöttin Kali (shamala=blaue Frau)

    In drei Stunden sollen wir am Ziel sein, aber wir brauchen acht Stunden, obwohl unser Fahrer dauerhupend, Menschen und Tiere missachtend, regelmäßig in den Kurven überholend und uns trotz unserer Proteste im Auto hin- und herwerfend seine Fehleinschätzung der Entfernung wettzumachen versuchte. Wie üblich bei indischen Fahrern hat er keine Straßenkarte mit. Wir kommen heil an, obwohl wir am Morgen in einem Shivatempel eine glückbringende Stärkung ausgeschlagen hatten. Dort verschmähten wir die dargebotene Schale mit Shivas Samenmilch und das rote Bekenntniszeichen auf der Stirn. Ein großer, schwarzer Lingam, ein phallisches Fruchtbarkeitssymbol, auch ein Symbol für das ewig unveränderliche, geistig männliche Prinzip, stand mitten im Raum. . Aus einem darüber hängenden Gefäß fließt ein milchiger Strahl und rinnt durch die Yoni, einem Symbol des wandelbaren weiblichen Prinzips, während Frauen ihre Hände anlegten und etwas vom weißen Saft an ihre Stirn und zu den Lippen führten. Im Vorraum saß ein Saddhu vor einem Aschehaufen und einer dicken Räucherkerze und murmelte Mantras, die energiegeladenen Keimsilben "o mani padme hum".
    Auch an unserem nächsten religiösen Rastplatz, dem Sikhtempel Paonta Sahib, schlugen wir die angebotenen Stärkungsmittel aus. Der Oberpriester saß hinter dem Scheinsarg des Religionsstifters und hinter den siegreichen Waffen, wedelte Insekten weg und legte rote Blütenblätter um, eine Musikgruppe spielte und sang unentwegt in vierstündigem Wechsel Texte aus den heiligen Schriften. Dort wurde uns ein brauner Teig angeboten. Wieder eine Form von übernatürlicher Vereinigung?
    Hinter dem Tempel gibt es eine riesige Halle und eine Küche zur Verköstigung von Tausenden von Pilgern, aber auch hier ließen wir uns nicht bewegen zuzugreifen. Fürchteten wir den Zauber, der in diesen Bräuchen steckt?
    Dann wechselte plötzlich die Landschaft, wurde völlig unindisch. Wir waren in der wunderbaren Gebirgslandschaft von Himachal Pradesh, keine Autos, keine Menschen, Ruhe, Natur.

    Bis Shimla: Die Straßen sind verstopft, eng. Ein Lastträger bürdet sich unsere Koffer auf. Ziel: das alte Oberoi Clarkes Hotel.

    So wie wir in Indien die menschliche Religiosität in ihren vielfältigen Möglichkeiten erleben, so erleben wir in Indien auch eine Vielfalt von Landschaften. Besonders auf dieser Reise sehen wir immer wieder Bilder, die wir in anderen Teilen der Welt wahrgenommen haben. Wir begegnen der jemenitischen Bäuerin, ein Bündel Holz auf dem Rücken kommt sie mit ihrer Kuh, ihrem Esel, ihrem Schaf und einer Ziege von der Feldarbeit zurück. Wir sehen die balinesischen Reisterrassen an den grünen Berghängen, die Almen der europäischen Alpen, die kieferbestandenen Berge der französischen Provence und der Cevennen. Neu ist der Monsunregen, aber er fällt bei weitem nicht so intensiv, wie wir es uns vorgestellt haben. Allerdings stoßen wir immer wieder auf abgerutschte Berghänge und zerstörte Straßen. Meist haben wir Glück und die Bagger waren schon da, oder die vielen Arbeiterkolonnen der Biharis haben schon die Steine in Handarbeit beseitigt. In der Zeitung lesen wir von den Flutkatastrophen und den gesperrten Straßen.