3. Im Tal der Hindugötter in Mandi, Kulu und Manali Mandi, das Tor zum paradiesischen Kulutal, dem Tal der Götter und der Äpfel, das sich von 760 m bei Mandi bis auf 3915 m beim Rohtang-Pass hinzieht.
Mandi liegt an einem Zusammenfluss von zwei Flüssen. Der eine davon, der Beas, wird uns jetzt über 100 km begleiten. Das Wasser ist hier eine enge Verbindung mit der Religion eingegangen. Zu beiden Seiten der Flüsse liegt Tempel neben Tempel. Auch in der Stadt stoßen wir immer wieder auf interessante Tempel. Am Ufer soll der Asket Mandavaya gelebt haben, der der Stadt den Namen gab.
Wir erleben ebenfalls einen Asketen am Ufer des Flusses, der in einem winzigen Unterstand gegenüber einem Tempel sitzt. Nur sein Kopf und seine Unterarme ragen aus einem stinkenden Haufen Stofffetzen. Seine Augen blitzen und ein freundliches Lächeln gleitet über sein Gesicht, als er uns sieht, aber er redet nicht, bewegt nur seine Arme und die geöffneten Handflächen auf und nieder, als ob er im Gebet einen Gott verehrt. Die gespreizten Hände sind hoch gereckt, so sitzt er hier seit 20 Jahren in immerwährender Anbetung. Der rechte Unterarm ist mit kleinen Stöcken und religiösen Symbolen hoch gebunden, die Finger scheinen abgestorben, verkrüppelt. Wenn er seit 20 Jahren hier sitzt, muss sein unterer Körper ebenfalls abgestorben sein. Ein beklemmendes Gefühl stellt sich ein wie damals in Maharashtra, als wir nur eine betende Hand sahen, die aus einem Loch im Sand ragte. Ein Saddhu hatte sich eingegraben. Lebendige Tote. Zu was Menschen fähig sind. Außergewöhnliche Menschen, die von den normalen Menschen verehrt werden. Ich denke an die christlichen Asketen, die ihr Leben auf einer Säule zugebracht haben im Glauben und in Anbetung des höchsten Wesens. Solche extremen Lebensformen werden heute wohl nur noch in Indien von der Öffentlichkeit akzeptiert. Bei uns würden solche "Asketen" wohl in eine Anstalt eingeliefert und einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen. Dieser fröhliche Heilige, der seit 20 Jahren auf einem Misthaufen sitzt, erscheint uns noch gruseliger als der eingegrabene Saddhu, von dem man nur eine Rosenkranz betende Hand sah. Eine Geldmünze, die Christa ihm gibt, steckt er in den Mund und schluckt sie hinunter. Was geht in einem solchen Menschen vor sich? Naggar, Aussichtspunkt, bis 1660 Burgsitz des Raja. Morgens kriechen wir durch einen heiligen Muttermund, sind von allen Sünden gereinigt und dürfen einen schönen Tag erwarten. Der Muttermund ist ein niedriger Höhleneingangsschlund, der zu einer Meditationshöhle mit einer Götterstatue führt. Als wir herauskommen scheint wie durch ein Wunder die Sonne. Sie scheint auch noch, als wir gegen Mittag über den Beas fahren, an dessen Ufer gerade eine Einäscherung stattfindet. In der Burg des Raja steht ein kleiner Tempel, den wilde Bienen hierher getragen haben sollen. Vier weitere alte Tempel befinden sich in unmittelbarer Nähe. Beeindruckend sind die riesigen Lärchen und der weite Blick ins Tal. Der russische Tibetologe und Maler Roerich hat hier ein Museum eingerichtet. Einen noch schöneren Platz finden wir nach einem weiteren Aufstieg bei einem Waldtempel im Shivara-Stil mit schönen Skulpturen. Hier ist ein Paradies für Ruhesuchende. Der Priester des Tempels hat für 14 Tage einen Bedürftigen aufgenommen. Von den tiefer gelegenen Gehöften dringen heute die Trommeln der Hochzeiter herauf. Es ist Sonntag, und wir befinden uns im Hochzeitsmonat. Später treffen wir auf einen Hochzeitszug, angeführt von großen Langhörnern, Oboen und Trommeln. Als wir weiterfahren, scheint die Sonne noch immer und wir haben schon einen kleinen Sonnenbrand. Auf unserer Fahrt durch die Apfelhaine und Reisfelder begegnen wir immer wieder Frauen mit spitzen Kiepen, in denen sie einen riesigen Berg Gras tragen. Die Frauen tragen diese Kiepen meist mit sich wie andere ihre Handtaschen. Der Dhungri-Holztempel in einem Zedernwald oberhalb von Manali gehört der Göttin Hadimba, die sich nach dem Tod ihres kannibalischen Bruders Raksasa mit dem Sieger Bhima vermählte. An der Außenseite des Tempels hängen viele Gehörne zur Abwehr der Waldgeister.
Die vielen Besucher zeigen, dass Manali ein Touristenort ist. In Alt-Manali tritt der Gegensatz zwischen den Touristen, die durch das bäuerliche Freilichtmuseum schlendern, und den Einheimischen, die noch wie im Mittelalter leben, besonders stark hervor. Einige Bauern haben ihre alten Häuser schon zu Guesthouses umgebaut. Die Einheimischen lassen sich meist nur ungern fotografieren. Auf schmalen Pfaden dringen wir ins alte Dorf, ein Museumsdorf, das lebt, das die Zementzeit noch nicht entstellt hat, obwohl die Schilder "Pension" und "Café" an die Touristen appellieren. Die Dächer sind mit großen, schweren Steinplatten abgedeckt. Eine hölzerne Veranda, oft mit einem Schnitzgitter versehen, führt um das erste Geschoss, auf dem meist mehrere Webstühle stehen. Unten wohnt das Vieh, kleine Kälber stehen neben den Stalltüren. Die Bewohner arbeiten in ihren alten Trachten, reinigen Getreide, sortieren Trockengemüse, schleppen in ihren Kiepen Gras herbei. Ein Film aus alter Zeit. Wir werden an die Holzhäuser im schweizerischen Wallis erinnert, aber die Wirklichkeit hier übertrifft alles Erlebte. Der Dorftempel ist neu, aber die Bildwerke sind alt. Hier holen die Gläubigen ihren gesegneten Reis und ihr gesegnetes Wasser. Christa darf die kleine Parvati auf dem Arm halten und wiegen. Durch die fruchtbaren Gärten steigen wir abwärts zum Fluss mit dem Bewusstsein, einen wunderbaren Tag erlebt zu haben. Wir wissen, wir sind in Indien, aber heute hat Indien uns wieder in andere Länder und in andere Zeiten versetzt. Die Dörfer Jagatsukh, Shooru, Vashisht Die Sonne scheint. Wir fahren nach Jagatsukh, ins Dorf des allumfassenden Glücks, wie der Dorfname besagt.
Hier sind die Menschen freundlicher als in Manali, hier gibt es keine Touristen. Das alte Dorf zeigt noch echtes Bauernleben, das an niederländische Idyllen erinnert, während die Häuser an Schweizer Höfe erinnern. Auf den umlaufenden Holzgalerien stehen Webstühle, auf dem Hof waschen Frauen zwischen dem Kuhmist ihre Wäsche und legen sie zum Trocknen auf die Steinplatten des Daches. Auf einer Galerie entdecke ich einen Bienenkasten, den die Bienen nach Aussage des Bauern aber verlassen haben. Bei einem anderen Haus wird ein Hochzeitsessen vorbereitet. In sechs riesigen Kesseln wird Suppe, Reis u.ä. für 2500 Personen gekocht. Die Musikanten sitzen auf dem Boden, die Braut wird geschmückt, ins Brautgemach geführt und alle folgen. Verborgen zwischen den Wohnhäusern liegt ein alter Tempel, er soll 5000 Jahre alt sein.
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