7. Der Besuch der Klöster Tikze und Hemis Die Klöster Tikze und Hemis und die Königsburg Shey, östlich von Leh am Rande des IndustalesAm Abend in der Ferne leuchtende Schneefelder und scharf umrissene Gipfel. Am Morgen sehen wir die Himalaya-Landschaft endlich so, wie die Reiseführer sie beschreiben und wie wir sie erwartet hatten. Keine Wolken. Ein Tag ohne Dunst. Zunächst noch mißtrauisch nehmen wir Jacke und Schirm mit.
Das Kloster Tikze ( Tiktse, Tiksay, Tiksey) liegt pittoresk auf einer kahlen Felskuppe am Rande einer grünen Indusoase und beherrscht wie eine große Festung das breite Industal. Unterhalb der roten und weißen Hauptgebäude kleben die Häuser der Mönche regellos übereinander gestapelt am Fels. Hier in der Nähe einer alten buddhistischen Universität siedelten sich im 15. Jahrhundert die Gelbmützen aus Lhasa an, die sich durch strenge Gelübde von den älteren Rotmützen unterschieden. Wohl gelitten, bis der König, durch die expansive Politik des Gelbmützenstaates Tibet bedrängt, ihren Einfluss durch Gründung neuer Rotmützenklöster zurückzudrängen suchte. Auch hier im reformierten Gelbmützenkloster stoßen wir allenthalben auf die Reste des alten Schamanen- und Geisterglaubens. Die Tempel der Schutzgottheiten zeigen schon äußerlich durch den roten Anstrich den Abwehrcharakter der im Inneren versammelten Dämonen. Ihre Kraft ist so stark, dass die Gesichter meist verhängt sind und kein weibliches Wesen die Räume betreten darf. Die Gestalten erinnern an christliche Darstellungen des Jüngsten Gerichtes in den romanischen Kirchen des Mittelmeerraumes oder an die Höllenfantasien des Hieronymus Bosch.
Die Malereien zeigen abgezogene Häute. Die Innereien werden von Tieren gefressen. Organe, oft Augen, liegen in Schalen oder werden von Vögeln weggetragen. Ein schreckliches Szenarium des Umgangs mit Teilen eines toten Körpers. Ausdruck einer archaischen Kultur, in der das Töten in der Form von Zerhacken im Kriegsfall oder das Zerhacken der Leichen nach dem Tode zur Normalität gehörte. Dabei verbietet der Buddhismus jede Form von Töten und doch stoßen wir in den meisten Klöstern immer wieder auf Schreckensbilder, die einen sensiblen, christlich humanistisch erzogenen Europäer das Gruseln lehren. An Stelle des Blutopfers haben die buddhistischen Missionare die rote Farbe gesetzt, die Zerstückelung von Lehmfiguren oder die Präsentation von Tiermumien, Tiergehörn und Knochen. Ein weiterer Widerspruch im Lamaismus ist der Glaube an die übernatürlichen Kräfte in der Natur und in bestimmten Dingen, die man durch Gebete und Altäre beeinflussen kann. Wogegen der Buddhismus alle Kräfte nur als Spiegelungen des Absoluten betrachtet, die der menschliche Geist zusammen mit dem Begriff des Absoluten hervorgerufen hat, in einer letztlich absoluten Leere. Das, was wir hier in den Malereien mit Abscheu sehen, haben wir bei den Massakern und Foltern z.B. in den Auseinandersetzungen auf dem Balkan erlebt. Die Knochen und Mumien menschlicher Körper werden in unseren christlichen Kirchen als wundertätige Teile von Heiligen ausgestellt. |