Eine Reise durch Tamil Nadu, 2009/10

Tamil Nadu II, 2011
Das weibliche Element im Hinduismus und im Christentum u.a. Themen
Südindienkarte

Erlebnisse und Informationen
mit 34 Fotos von Christa

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Madurai Veeran (Kriegsgott) Tempel in der Nähe von Ralur

Tourverlauf mit Südindienkarte
Zum Verständnis des südindischen Hinduismus

nandri - Danke
kali vavankam - guten Morgen
mali vanakam - guten Abend

s. Christas Fotogalerien: Rural Tamil Nadu und Hindu rituals at the Holy River Kaveri in Srirangam

Aus dem Inhalt:
Die Feldtempel. Chidambaram, der „Ort des Bewusstseins“.
Die Vatergedenkzeremonie. Die Witwenzeremonie. Die Tempelstadt Srirangam.
Die Besessenen im Tempel Pandi Kovil.
Madurai, wo die Göttin einen höheren Rang hat als ihr Mann Shiva.
Die liegenden Lehmgöttinnen.
Die Göttersteine in den abgelegenen Bergdörfern.

Ankunft morgens in Bangalore. Stadtrundfahrt und Besuch des Museums, durch das mehrere Schulklassen geschleust werden. Die Präsentation der Skulpturen u.a. Objekte ist erbärmlich. Die Schilder sind z.T. abgerissen und verdreckt.

Nachmittags Flug von Bangalore nach Chennai (1 Std). 50 km Fahrt mit dem Auto von Chennai nach Mamallapuram Beach Hotel. Der Fahrer versteht entgegen der Beteuerung unserer Agentur nur wenig Englisch. Die Klimaanlage unseres Tata Indigo bläst zu stark. Nach einem Anruf fährt am nächsten Tag ein neuer Fahrer mit einem indischen Renault vor. Das Auto ist besser, aber der Fahrer spricht auch nur ein Basic-English. In den folgenden Tagen bekommen wir Führer, die in der Lage sind, unsere Interviews mit Einheimischen zu übersetzen.

Im Hotelbereich empfangen uns neben verschiedenen großen, weiß angestrichenen Götterstatuen und einem Schrein des indischen Glücksbringers Ganesha als christliche Weihnachtssymbole auch Krippe und Sterne und ein Wandgemälde mit dem amerikanischen Glücksbringers Micky Mouse.

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Ein aus einem Felsen gehauener Tempel in Mamallapuram (7.Jh.)und Halbtonnendächer in Madurai

Es ist sehr warm, als wir am nächsten Tag Tiger-Cave und Shiva-Strandtempel besichtigen. Durch die Tsunamiwelle sind im Dezember 2004 in Strandnähe die Reste eines alten Brahmanen-Tempels mit Inschriften freigespült worden, die jetzt weiter ausgegraben werden.

Im Tempelbezirk von Mamallapuram wird jetzt, im Gegensatz zu unserem ersten Besuch 1994 für die Strand -"Ratha" Eintritt erhoben. Diese Ratha sind monolithische Monumente verschiedener Größe und Formen, die aus Felsen herausgemeißelt wurden. Sie stellen als architektonische Modelle die Tempelformen dar, wie sie zur Zeit ihrer Entstehung genutzt wurden, die aber aus vergänglichen Materialien gebaut waren. Sie entstanden zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert unter der Herrschaft der den Tamilen zugerechneten Pallava-Dynastie.

Die "Tempel" der bäuerlichen Bevölkerung sind nicht zu vergleichen mit den Prachttempeln der großen Pilgerorte. Oft sind es Bäume oder Termitenhügel mit Schlangenlöchern, im Freien aufgestellte Figuren, oft ohne Dach, oder unscheinbare kleine Steine als Symbol einer Gottheit.

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Termitenhügel und Bäume, in denen Schlangen leben, denen Milchopfer gebracht werden, wie manchmal herumliegende Milchtüten verraten.
Links: Ein winziges Häuschen für Opfergaben, die von Schlangen gerne angenommen werden, wie z.B. Eier.
Rechts:
Schlangensteine mit Ganeshstatue, Ratte und Lingam

Mamallapuram

Am Strand hat sich seit 1994 einiges geändert. Die Tsunamiwelle hat alle Boote zerstört, aber kein Menschenleben gekostet; die Bewohner haben die Flutwelle kommen sehen und konnten sich rechtzeitig retten. Die 500 Fischerfamilien haben neue Häuser bekommen und je drei Familien ein neues Kunststoffboot mit Netzen. Auf einem Boot lesen wir "Hessen hilft". Von den früheren Balkenbooten liegen nur noch Reste herum. Die Hotels sind jetzt durch Mauern gegen das Meer geschützt. Wie schon 1994 bieten Fischer ein privates Fischessen im ihrem Haus an. Leider scheint es keine Lobster mehr zu geben wie 1994.

Obwohl seit der Flut der Strand höher liegt, wurde mit viel Beton eine Straße zwischen Meer und Dorf angelegt. Auch ein neuer Dorftempel zu Ehren der Göttin Ganga, der zweiten Frau Shivas, wurde gebaut. Vor den Pujazeiten ertönt jedes Mal ein ohrenbetäubender Gesang aus einem Lautsprecher und während der Verehrungszeremonie wird ein Trommel- und Glockenautomat eingeschaltet. Die Lautstärke und der Klang sind nur schwer zu ertragen und weit entfernt von unserer Auffassung von wohlklingender Kirchenmusik. Aber das Getöse gehört zum archaischen Bild einer hinduistischen Puja, wie auch die Priester mit nacktem Oberkörper, grünen Hüfttüchern und Halsketten, die vor der schwarzen Statue Zündwürfel abbrennen, sich mit ausgestreckten Armen auf den Boden werfen oder kreuzweise ihre Ohrläppchen halten und mehrfach in die Knie gehen.

Abends besuchen wir das Tanzfestival bei den Felsentempeln im Ort Mamallappuram. Vor einem 32 m breiten Felsblock, auf dem sich im roten Scheinwerferlicht ein Dutzend Ziegen auf Grate und in Vertiefungen in 14 m Höhe hingelagert haben, erleben wir Tanzgruppen aus Assam und Andhra Pradesh.

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Apsaras (Engel) und Elefanten verehren den Schlangenkönig im Felsspalt. Der Büßer steht auf einem Bein.

Als Kulisse dient das größte Relief Indiens. In den Fels sind im 7.Jh. über 100 Figuren zu den Themen "Arjunas Buße" und "Herabkunft der Ganga" gemeißelt worden. Ein riesiger Schlangenkönig mit menschlichem Oberkörper und schlangenförmigem Unterkörper windet sich aufwärts. Über seinem Haupt ragt eine Gloriole aus Schlangenköpfen empor. Unter ihm steht in andächtiger Haltung seine Schlangenkönigin, seine "shakti". Darunter ragt nochmals ein großer Schlangenköper auf.

Links von diesen Skulpturen erscheint der Gott Shiva mit zwei dickbäuchigen Gnomen aus seinem Gefolge, neben ihm Arjuna-Bhagirati, der sich 1000 Jahre lang den strengsten Kasteiungen unterwarf und durch seine so konzentrierten Energien Ganga dazu brachte, ihr Wasser, das ursprünglich als Milchstraße nur im Himmel floss, freizugeben und zur Erde zu senden, um seine Ahnen durch die Reinigungskraft der Ganga zu erlösen. Shiva gelang es dabei, die unbändigen Wassermassen durch seine Haaren zu lenken und zu zähmen.

Von beiden Seiten nähern sich Tiere und Engel, um die Herabkunft der Ganga zu begrüßen, die früher in der Regenzeit als Wasserfall vom Felsen herabstürzte. Besonders eindrucksvoll sind zwei riesige Elefanten, zwischen deren Beinen einige Jungtiere Schutz suchen.

Auf der rechten Seite wird ein Asket karikiert. Ein Yogi-Kater ahmt den Asketen nach, umgeben von Mäusen, die zu wissen scheinen, dass von dem büßenden Kater keine Gefahr droht. Die Szene stellt auch eine Redensart der indischen Volksweisheit dar, die rät, falschen Sadhus zu misstrauen.

Chidambaram, der „Ort des Bewusstseins

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Holzschnitzereien an einem der großen Tempelwagen

Infos zum Nataraja Tempel, dem "Mittelpunkt der Welt"

Der Nataraja-Tempel gilt Hindus als einer der heiligsten Orte in Tamil Nadu und ganz Indien. Die Geschichte des Heiligtums reicht etwa 2000 Jahre zurück, womit er einer der ältesten Tempel Südindiens ist.

Als wir den Tempel besuchen, findet gerade ein 10tägiges Fest (das bedeutendste Fest des Jahres) statt. Ein guter englisch sprechender Guide, der früher Priester und Lehrer war, führt uns.

Im inneren Tempelgelände, das in fünf große Höfe gegliedert ist, befinden sich der Sivakamiamman-Tempel, das Sivaganga-Wasserbecken, die „Halle der tausend Säulen“ (tatsächlich sind es 999) und das zentrale Heiligtum. Darin wird Nataraja, anders als in den meisten ihm gewidmeten Tempeln, nicht in Form eines Lingams repräsentiert, sondern als Skulptur in einer Darstellung als vielarmiger tanzender Gott.

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Pilger in Chidambaram und Götterfiguren in Srirangam

Die Wohnviertel Chidambarams sind traditionell nach Kasten getrennt. Umso höher die Stellung einer Kaste ist, desto näher liegt ihr Viertel am Tempel: Die Priester des Nataraja-Tempels (Deekshithars, erbliche Priester) leben in dem Bereich unmittelbar zwischen Tempelmauer und Car Street, in den nächsten konzentrischen Bereichen liegen die traditionellen Viertel anderer brahmanischer Kasten gefolgt von weiteren sozialen Gruppen in absteigender Rangfolge. Die Priester, über 300, begreifen sich als Auserwählte. Sie werden von Chidambaram, dem Mittelpunkt der Welt, gleich ins Paradies gehen. Deshalb dürfen sie diesen Ort nicht verlassen. Als sichtbares Zeichen tragen sie eine besondere Frisur, einen Haarknoten auf der rechten Seite und eine 10 cm breite Haarschur rund um den Kopf. Innerhalb der Priesterkaste der Brahmanen bilden sie die höchste Schicht.

Eine weitere Besonderheit in dieser Priesterschicht ist die in Indien verbotene Kinderheirat. Damit bereits Jungen die Rituale leiten können, müssen sie verheiratet sein. Deshalb werden sie schon als Zehnjährige mit fünfjährigen Mädchen verheiratet, dürfen die Ehe aber erst mit 21 Jahren vollziehen, falls das Mädchen 18 Jahre ist, wie es gesetzlich festgelegt ist.

Als wir den Tempel durch einen der vier riesigen Tortürme betreten, verlässt gerade eine Prozession mit sechs Götterfiguren, die von Priestern mit Hilfe von Stangen getragen werden, den heiligen Bereich. Fotografieren verboten. Die Priester werden sofort aggressiv, wenn sie eine Kamera sehen.

Eine weitere Besonderheit des Tempels ist das Nebeneinander zweier Kulte, die sich sonst ausschließen und miteinander konkurrieren. Die Rituale des Shiva- und des Vishnukultes werden hier nebeneinander, nur wenige Meter voneinander entfernt, vollzogen.

Shiva als Form, als formlose Form und als das Formlose.

Besonders eindrucksvoll sind natürlich die Zeremonien vor dem Heiligtum des Shiva, der hier einmal figürlich als Nataraja (Shiva im kosmischen Tanz), einmal symbolisch als ein kristallener Lingam und zum dritten, einzigartig philosophisch - mystisch, in einer unsichtbaren Form als leerer Raum verehrt wird. Vor diesem Heiligtum steht noch ein schwarzer Lingam, der für die Gläubigen erreichbar ist und immer wieder mit Milch überschüttet wird, die von Gläubigen anschließend als heilkräftige Flüssigkeit mit Flaschen oder mit den Handflächen aufgefangen wird. Die Flüsssigkeit wird getrunken und über den Kopf gestrichen. Vor der Statue wird eine Flamme im Kreis bewegt und dann den Gläubigen hingehalten, die die Kraft des Feuers mir beiden Händen an ihre Stirn heben. Danach werden weiße und rote Pulverhäufchen gereicht für Kennzeichen auf der Stirn.

Nebenan wird ein goldener Vishnu für ein zweiminütiges Gebet hinter einem Vorhang verborgen, während fortwährend eine Glocke geläutet wird. Vishnu erscheint kostbarer, die Bühne vor dem goldenen Götterbild ist mit Silberblechen verziert, und er, in Yoga Nidra Pose auf dem Schlangenbett, erscheint würdevoller und distanzierter als Shiva. Nach den Zeremonien werden sofort die Türen geschlossen und die Götter "verschwinden".

Symbole im Tempel des kosmischen Bewusstseins

In dieser Tempelanlage hat alles eine symbolische Bedeutung. Die fünf Innenhöfe, Mauern und Türme weisen auf den Körper eines Menschen und seine verschiedenen Schichten hin. Die beiden Dächer über dem Allerheiligsten sind mit verschiedenen Metallen abgedeckt. Die 2600 Platten auf dem goldenen Dach entsprechen der Anzahl der Atemzüge eines Menschen an einem Tag. Die Platten sind mit 72 000 Nägeln befestigt, ein Symbol für die Anzahl der Kanäle, die die Energie in die Körperteile des Menschen leiten. Das goldene Dach liegt auf der rechten Seite wie das Herz des Menschen. Die Platten des silbernen Daches entsprechen der Anzahl der Knochen eines Menschen. Die neun Kupfervasen auf dem Giebel entsprechen der Zahl der Shaktis (Energien), die sechs Säulen der Vorhalle weisen auf sechs philosophische Lehrbücher (shastras) hin, eine andere Halle mit 18 Säulen weist auf 18 Hauptschriften zur Verehrung der Götter (puranas) hin, vier Trägersäulen des Allerheiligsten (Chit Sabha) weisen auf die vier heiligsten Texte der Hindus (die Veden) hin.

Die fünf Stufen hinauf zum Shiva stellen das stärkste Mantra der Shiva-Anhänger dar, die heiligen fünf Silben aus den Veden na - maH - shi - vA - ya, die die Aufgabe des Ichs ausdrücken und dass alles dem vollkommenen Gott Shiva gehört, der alle Polaritäten in sich vereinigt, und sie symbolisieren die fünf Gesten Shivas, die fünf Wirkungsbereiche des Gottes und die fünf Elemente Feuer, Wasser im Haar, Erde. Die kleine Trommel in der rechten Hand deutet auf den Ursprung aller Klänge hin, auf die erste Offenbarung des Absoluten in der sinnlichen Welt. Die andere rechte Hand zeigt eine Schutzgeste, das Feuer in der linken Hand symbolisiert Zerstörung und die zurück bleibende Asche, der stehende Fuß zeigt das Niedertreten der Unwissenheit und aller negativen Eigenschaften, die die geistige Befreiung verhindern. Die Flammenaureole, die den tanzenden Shiva umgibt, ist ein Symbol für die Erlösung und die geistige Wiedergeburt.

s. http://reference.findtarget.com/search/Chidambaram%20Temple/, http://www.chidambaram.rajadeekshithar.com/temple_introduction.htm

Die Inszenierung des Besonderen und des Geheimnisvollen spielt auch im Tempelareal eine große Rolle. Das Tempelareal erstreckt sich auf einer Fläche von rund 16 km². Vier über 40 Meter hohe Gopurams (Tor-Türme) bilden die Zugänge, von denen der Nordturm mit 42,4 m der höchste ist. In Erinnerung daran, dass die vier bedeutendsten Heiligen des Shivaismus in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends an diesem Ort lebten und wirkten, wurden ihre Abbilder an den Gopurams angebracht: Sambandar im Süden, Appar im Westen, Sundarar im Norden und Manikkavacakar im Osten. An der Fassade des östlichen Gopuram sind 108 Darstellungen von Gesten des Bharatanatyam-Tanzes zu sehen, dem in diesem, dem tanzenden Shiva geweihten Ort, eine besondere Bedeutung zukommt.

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Priester mit Opfergaben in einem Dorftempel

Tanjore: Infos zum Haupttempel

In Tanjore/Thanjavur besuchen wir zunächst den Brihadisvara-Tempel. Im Haupttempel wird ein riesiger, vier Meter hoher Lingam verehrt. Davor liegt ein ebenfalls so hoher Nandi-Bulle. In diesem Tempel fühlt sich unser Priesterguide wie zu Hause. Es ist sein Tempel, in dem er lange Zeit Priester war und in dem er noch gelegentlich "arbeitet". Als wir in einer langen Reihe von Gläubigen stehen, die vor dem Allerheiligsten eine Puja machen wollen, wandelt sich unser sanfter Führer in einen autoritären Aufseher, der hinter Drängler herhetzt und sie lautstark schreiend zurückholt. Später vertrimmt er sogar zwei Jungen, die an einer Mauer ihre Initialen einkratzen wollen. Die Gesamtanlage ist beeindruckend

Der Tempel steht in einem rechteckigen, 241×121 m großen Tempelgelände, welches von einer Mauer umgeben ist, die von 250 Linga-Statuen geschmückt wird. Der gesamte Tempelkomplex ist nahezu symmetrisch gestaltet. Die Tempelanlage besteht fast nur aus unzementierten Granitblöcken. Der Kuppelaufsatz des Vimanas, 63 m hoch, besteht aus zwei 40 Tonnen schweren Granitblöcken. Angeblich wurde eine mehrere Kilometer lange Rampe gebaut, um diese auf die Stufenpyramide zu schaffen, nachdem die Steine von einem 45 Kilometer entfernten Steinbruch geholt werden worden. Nach der Fertigstellung des Tempels im Jahre 1010 n.Chr. holte Rajaraja I. ungefähr 600 Tempeldiener nach Thanjavur, unter anderem Musiker, Tänzerinnen und Tänzer, Sänger, Muschelbläser, Baldachinträger, Lampenanzünder, Töpfer, Wäscher, Astrologen, Schneider, Zimmerleute und Gärtner. Der Tempel diente wohl vor allem der Verherrlichung seines Bauherren. Deshalb wurde hier Shiva unter dem Namen Rajarajeshvera verehrt.

An den Tempelwänden sind über 80 der insgesamt 108 kodifizierten Positionen des klassischen indischen Tanzes dargestellt.

Die Figuren hier gefallen uns allerdings nicht so gut wie die an den kleineren Chola-Tempeln, die wir gesehen haben. Zum Abschied lassen wir uns noch vom Tempel-Elefanten segnen, der gegen ein Geldgeschenk oder eine Banane seinen Rüssel auf unseren Kopf fallen lässt.

Om shakti om tömt es aus einem Tempel. Unser Guide meint, er könne jede Krankheit mit einem Gesang heilen und erzählt uns von der Heilung eines Krebskranken durch ein Mantra.

Die hohe Kunstfertigkeit der Chola-Künstler zeigt sich vor allem in den Bronzestatuen, die wir im Palast-Museum sehen.

In der Bibliothek des Palastes werden mehr als 46.000 Palmblattmanuskripte sowie Handschriften und Bücher in indischen und europäischen Sprachen aufbewahrt.

Dann, nur 4 km weiter, sehen wir den Punnai Nallur Mariamman Tempel (im 17. Jhdt von Maharatta Königen erbaut). Hier können Verehrer 10 Tage unentgeltlich wohnen. Eine entrückte Verehrerin geht singend durch die Hallen. Sie erzählt uns, dass sie nur einmal am Tag etwas zu sich nehme und mit der Göttin glücklich lebe. Sie sei in ihrem dünnen Kleid schon in den eisigen Himalaya nach Gangotri gepilgert. Dann schließt sie ihre Augen wieder so weit, dass man nur noch das Weiß der Augäpfel sieht, und singt mit zarter Stimme Hymnen zur Ehre Shivas.

Hier werden, wie in vielen indischen Tempeln, die Kopfhaare geopfert, und als Danksagung für Heilungen werden Lehmmodelle von Figuren und Beinen der Göttin gebracht - wie in vielen katholischen Wallfahrtskapellen.

Die Vatergedenkzeremonie am Amma Mandapam Ghat

In der Nähe des Ufers herrscht reges Treiben. Kleine Gruppen von Einheimischen sitzen auf dem Boden vor einem Priester, der mit Gesang, Gebeten und vielen Utensilien eine Zeremonie vollzieht. Die aktiven Priester sind alle durch drei weiße Striche auf der Stirn, den Schultern, den Oberarmen und Unterarmen gekennzeichnet. Wir stellen uns zu einer Gruppe und erleben eine ungewöhnliche Hindu-Zeremonie zum Gedenken an den gestorbenen Vater einer Familie. Manche Söhne kommen jährlich bis ins hohe Alter hierher, um diese Zeremonie zu vollziehen.

Vor den etwa 12jährigen Sohn, der bereits seine Haare geopfert hat und dessen nackter Oberkörper mit weißen Strichen dekoriert ist, stellt der Priester zwei kleine Ziegelsteine, die er mit einem heiligen Faden zusammenbindet, als Symbol für seine Eltern in eine kleine Sandgrube. Der Sohn streckt seine gefalteten Hände darüber, über die der Priester betend verschiedene Flüssigkeiten gießt. Darauf werden die Steine mit zwei Hochzeitsbändern zusammengebunden und der Sohn drückt jeweils einen gelben und roten Punkt auf sie. Zwei gelbe Blüten und zwei Räucherstäbchen beendigen diese symbolische Wiederholung der Verheiratung der Eltern. Der Sohn muss während der Zeremonie satzweise die Gebete des Priesters nachsprechen.

Danach wird die Grube mit Sand wieder aufgefüllt. Darauf wird auf ein Bananenblatt eine geschälte Banane als Symbol für den Vater gelegt, über den alle Familienangehörigen Reiskörner als Symbol des Lebens streuen. Ein Gefäß mit Feuer wird der Banane bzw. dem Vater zur Reinigung gereicht und dann unter den Familienangehörigen herumgereicht, damit alle sich mit dem Feuer reinigen können, indem sie das Feuer mit der Hand zur Stirn heben.

Ein kleiner Scheiterhaufen wird errichtet, angezündet und ebenfalls von den Angehörigen mit Puffreis bestreut. Daraufhin wird die Banane in das Bananenblatt gewickelt und vom Sohn zu einer heiligen Kuh getragen, die das Paket nur widerwillig frisst.


Ehrung der verstorbenen Eltern durch den Sohn

Danach werden drei Teile einer Banane auf ein Bananenblatt gelegt als Symbole für die Seelen des Großvaters, des Urgroßvaters und des Ururgroßvaters. Jedes Stück wird mit einem gelben und roten Punkt gezeichnet und Reis über sie gestreut. Zur weiteren Verehrung werden Blüten dazu gelegt. Schließlich werden die Bananenstücke mit Reis und Blüten in das darunter liegende Blatt eingerollt und der Sohn trägt das Päckchen auf der Schulter in Begleitung der Familie zum Fluss, steigt hinein, taucht unter, reinigt sich und übergibt alles dem Wasser.

Eine Variation dieser Zeremonie beobachten wir in einem geschlossenen Raum, der nur für die Kaste der Brahmanen vorgesehen ist. Dort stehen vor dem Priester fünf Messingvasen, in denen sich jeweils grüne schmale Blätter und eine Kokosnuss befinden, die von verschieden farbigen Schals umwickelt sind. Die Vasen sind in einem Quadrat aufgestellt, jeweils vier an den Ecken und eine größere in der Mitte, die die Sonne symbolisiert, um die sich vier Planeten bewegen. Vor diesem Komplex liegen auf einem Tuch neun Beutel mit Gewürzen, die auf die heilige Anzahl von neun Planeten hinweisen. Während der Gebete werfen die Angehörigen immer wieder gelbe Blüten auf die mittlere Vase. Auch hier wird später in einer runden Feuerstelle ein Feuer entzündet. In den Flammen zeigen sich in den drei Farben weiß, rot und blau die drei hinduistischen Hauptgötter Brahma, Shiva und Vishnu.

Die Witwenzeremonie

Eine weitere Zeremonie wirkt auf uns recht schockierend, weil sie die Stellung der indischen Frau nach dem Tod des Mannes deutlich macht. Die junge Witwe steht im Kreis ihrer Verwandten, während die Mutter des verstorbenen Mannes das gelbe Hochzeitsband am Hals ihrer Schwiegertochter mit einer Rasierklinge zerschneidet. Zwei Männer lösen dann die Goldstücke aus dem Band und lassen sie in eine Kanne fallen. Darauf entfernt die junge Frau den Ohr- und Nasenschmuck, entfernt die weißen Blumen aus dem Haar und nimmt das farbige Tuch von ihren Schultern. Die Frau steht jetzt schmucklos vor ihrer alten Familie, die in lautes Weinen ausbricht, die Hände vors Gesicht schlägt oder sich auf dem Boden krümmt.

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Nur mit einem weißen Tuch bekleidet, geht die Frau in den Fluß, taucht unter, wischt sich das rote Stirnmal einer verheirateten Frau ab und reinigt ihre Haare und ihren Körper. Dann erscheint sie ohne allen Schmuck, mit aufgelösten Haaren wie eine Ausgestoßene wieder am Ufer und bekommt andere Kleider. Ein neuer Mensch tritt in ein neues, aber hoffnungsloses Leben, denn sie hat ihre Position als Ehefrau und Kinderbringerin verloren. In der Art, wie ihr Schwager sie hin und her stößt, kündigt sich wohl schon ihre schwierige Stellung an. Aber ihr wird es wohl nicht so schlecht ergehen wie den meisten indischen Witwen, da sie einen älteren Sohn hat, der zur Schule geht und dessen Ausbildung gesichert ist. (s.a. Christas Fotos zu den Ritualen)

Die Tempelstadt Srirangam

Nur wenige hundert Meter sind es dann zur ersten der sieben Mauern des Ranganatha Tempels, in dem z.Zt. ein 10tägiges Fest stattfindet. Der Ranganatha Tempel ist der größte Tempelkomplex in Indien und der größte lebendige Hindu-Tempel der Welt. Srirangam ist ein Zentrum des Vishnuismus im mehrheitlich shivaitisch geprägten Tamil Nadu. Im 12. Jahrhundert wirkte der berühmte vishnuitische Philosoph Ramanuja in Srirangam. Der Ort ist bereits seit dem 10. Jahrhundert eine bedeutende Pilgerstätte.

Der Tempel ist der Gottheit Ranganatha geweiht, einer Erscheinungsform Vishnus, die auch für die Stadt Srirangam namensgebend war. Der Haupttempel wird von sieben konzentrischen Mauerringen mit 21 Gopurams (Tortürmen) umschlossen. Der mit 73 Metern höchste Gopuram am Südeingang wurde sogar erst 1982 fertiggestellt. Vom Raja Gopuram stürzten sich die Frauen, die im 14. Jh. nicht in die Hände der Moslems fallen wollten. Dieser Turm bleibt immer weiß, während die anderen Türme alle 12 Jahre neu in vielen knalligen Farben angestrichen werden. Das eigentliche Tempelareal befindet sich im Bereich zwischen den vier innersten Mauerringen, die äußeren Bereiche bilden ein hauptsächlich von vishnuitischen Brahmanen bewohntes Stadtviertel mit Straßen, Wohnhäusern und Geschäften.

Da gerade die Festzeit von 20 Tagen begonnen hat, kommen uns mehrfach Prozessionen entgegen, in denen Götterstatuen durch die Gänge und über die Straßen getragen werden. In diesen Tagen werden die Pilger kostenlos mit Essen versorgt.

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Die Besessenen im Tempel Pandi Kovil

Der Tempel ist wegen des Vollmondes und des Freitages übervoll. Die erregte Masse der einheimischen Besucher drängt sich zu den Götterbildern. Vor allem zum Hauptgott "pandi munisvarar", einem Herrscher und Retter Madurais, der für das Wohlergehen der Leute sorgt. Die Atmosphäre ist wie elektrisiert. Wilde Schreie locken uns nach innen. Vor dem Hauptbild staut sich eine lange Schlange. Dann läuft plötzlich eine Frau mit erhobenen Händen laut schreiend an den Wartenden vorbei und verschwindet in der inneren Zelle. Öllampen werden vor dem elefantenköpfigen Glücksgott Ganesh entzündet, Tagetesgirlanden über den Dreizack Shivas gehängt, Limonen aufgespießt, Bananen, Reis umd andere Lebensmittel geopfert. Ein Mann drängt mit seiner Frau zu einer Besessenen, die laute Schreie ausstößt, mit wildem Blick ihre Patientin fixiert, sie anschreit, die Hände ringt. Daneben ohrfeigt eine andere vom Gott Besessene eine junge Frau, die mit ihrer Familie gekommen ist, reißt an ihren Haaren, dass die Tränen kommen und ihre Mutter sie voller Angst anschaut. Eine andere Besessene verdreht die Augen, lässt ihre Zunge wie die dämonische Kali heraushängen, reißt ihre Arme hoch und hält dem Götterbild Limonen entgegen, Limonen zur Besänftigung der Erregung und zur Heilung von bösen Energien. Esoterische Familientherapien auf Indisch. Auf dem Hof des Tempels sind an diesem Tag schon fünf Ziegen und viele Hähne geopfert worden. Blut für den Gott. Auf archaische Weise zeigt sich hier die Religion und vermittelt den Menschen Heilung und Hoffnung, fast unvorstellbar für aufgeklärte Menschen, die eine rational begründete Lebens- und Weltanschauung haben.

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Einige Frauen sind vom Gott besessen.
Zu ihnen kommen Menschen, die sich Heilung bei familiären Problemen erhoffen.

Der Pandi Koil, verwaltet von fünf Priesterfamilien, nimmt eine Sonderstellung zwischen den hinduistischen Tempeln ein, weil hier nur Frauen im inneren Tempel die Verehrung, die Puja, durchführen dürfen, was sonst im Hinduismus verboten ist. Vorwiegend kommen Frauen von 40 Jahren hierhin, die Probleme mit ihrem Magen oder mit kranken Kinder haben. Sie geloben dem Schutzgott Pandi, wenn du mich gesund machst, dann komme ich in deinen Tempel. Wird die Krankheit geheilt, dann kommen sie, wie versprochen, 10 Wochen lang jeden Donnerstag und Freitag und können jammern, schreien und wild mit den Armen schlagen, ohne auf die Einwände der Männer und Väter hören zu müssen und betrachten sich während dieser Zeit von einem Gott Pandi besessen.

Ableger dieses Tempels haben sich überall in Tamil Nadu gebildet. Ein Mann (Bangaru Adigalar), den die Frauen "Mutter" nennen, hat eine Kongregation von Frauen gegründet, die sich Adhiparashakti nennen. Sie betrachten den Gründer als eine Verkörperuung der göttlichen Shakti. Inzwischen gibt es schon über 100 Zusammenschlüsse dieser religiösen Vereinigung.

Madurai.
Hier hat die Göttin einen höheren Rang als ihr Mann Shiva.

Ist bei euch zu Hause Madurai oder Chidambaram?
Tamilische Redensart,
bei der Madurai für die weibliche und Chidambaram für die männliche Dominanz in einer Ehe steht.

Der Minakshi-Tempel (eigentlich Sri-Minakshi-Sundareshwara-Tempel) in Madurai gehört zu den größten indischen Tempeln. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hindu-Tempeln steht in Madurai die Göttin im Mittelpunkt der Verehrung, obwohl auch die hinduistischen Hauptgötter Shiva und Vishnu hier verehrt werden.

Dieser Tempel ist auch ein Beispiel für die Integration alter dravidischer Volksgottheiten in den Hinduismus. Ursprünglich wurden die beiden Gottheiten Chokkalingam/Sundareshvara und Minakshi hier verehrt. Um die Kräfte des Ortes zu erhalten, erklärten die Brahmanen den männlichen Gott zu einer Inkarnation von Shiva und machten Minakshi, die vom Volk wie alle Shaktis mehr gefürchtet wurde als der männliche Part, zur Frau Shivas, d.h. sie wurde zur Inkarnation von Parvati. Mit der Verheiratung galt sie als gezähmt. Diese wird jedes Jahr in einer großen Zeremonie wiederholt. Da die Hochzeit jedesmal durch Niesen gestört wird, wird sie dann aufs nächste Jahr verschoben. Aber allabendlich wird Shiva, wie wir es erlebt haben, in einer Sänfte zum Schrein der Minakshi gebracht. Um auch den zweiten männlichen Hochgott Vishnu einzubeziehen, konstruierten die Brahmanen eine Geschichte, nach der Minakshi von ihrem älteren Bruder Algar, der zu einer Inkarnation Vishnus erklärt wurde, Shiva übergeben wurde. Dieser Algar/Vishnu war ursprünglich ein dravidischer Gott der Diebe, dessen Tempel Algarkoil (Koil ist das tamilische Wort für Tempel.) nördlich von Madurai liegt.

Der Minakshi-Tempel umfasst einen 258 × 241 m großen rechteckigen Bereich mit einer Grundfläche von 6,2 Hektar. Die sechs Meter hohe Umfassungsmauer besitzt in jeder der vier Himmelsrichtungen ein Eingangstor, das jeweils von einem massiven Gopuram bekrönt wird. Die Linien, welche zwischen den Gopurams verlaufen, bilden die Hauptachsen des Tempels. Sie sind etwas aus der Mitte versetzt und an den Himmelsrichtungen orientiert, allerdings um 16° verdreht.

Der Minakshi-Tempel verfügt über zwölf Gopurams (Tortürme). Wie es für den Dravida-Stil typisch ist, nimmt ihre Größe von außen nach innen ab. Die vier Gopurams in der äußersten Umfassungsmauer erreichen Höhen von rund sechzig Metern und beherrschen weithin sichtbar das Stadtbild Madurais. Sie bestehen aus einem zweistöckigen Sockel, einem Überbau aus neun Geschossen und einem Dachaufsatz. Ihre Form ist pyramidal mit einer konkaven Linienführung. Die Überbauten werden gänzlich von überbordendem Figurenschmuck aus jeweils über 1000 bunt bemalten Stuckfiguren von Göttern, Dämonen und mythologischen Szenen bedeckt. Die Ausstattung der Gopurams mit Figurenschmuck geht auf die Nayak-Zeit (16.u.17. Jahrhundert) zurück.

Im Innersten des Sundareshvara-Schreins befindet sich wie in fast allen Shiva-Tempeln keine bildliche Darstellung der Gottheit, sondern ein Lingam als nicht-bildhaftes Symbol Shivas. Minakshi ist dagegen anthropomorph dargestellt. Ihr Bildnis ist etwa 1,20 Meter hoch und aus grünem Stein gefertigt.

Am achten Tag des Hauptfestes wird Minakshi zur Herrin der Stadt gekrönt. Am Tag darauf wird sie auf der Masi-Straße durch die Stadt getragen, um ihren Herrschaftsanspruch gegenüber den Gottheiten der acht Himmelsrichtungen zu demonstrieren. Die Göttin unterwirft Indra im Osten, Agni im Südosten, Yama im Süden, Nirriti im Südwesten, Varuna im Westen, Vayu im Nordwesten und Kubera im Norden. Erst Ishana (eine Form Shivas) im Nordosten bezwingt Minakshi, die daraufhin in ihm ihren zukünftigen Gatten erkennt. Am zehnten und elften Tag des Festes wird diese Verbindung durch eine große Prozession gefeiert, wobei die Art der Verbindung widersprüchlich interpretiert wird. Es ist wohl keine übliche Hochzeit, in der sich die Göttin dem männlichen Gott unterwirft, was auch in der Prozession deutlich wird, in der ihr Götterbild entgegengesetzt zur üblichen Rangordnung zur Rechten ihres Ehemanns positioniert ist. Somit ist Minakshi in Madurai nicht nur die Gefährtin Shivas, sondern die Hauptgöttin des Tempels.

Die Tempelgeschichte zeigt exemplarisch, wie die Brahmanen die dravidischen Gottheiten in den Hinduismus integriert haben. Allerdings werden den Göttinnen weiterhin Tieropfer dargebracht, entweder außerhalb eines Hindutempels oder in einem eigenen Tempel, und zwar nicht von Brahmanenpriestern, sondern von Dorfpriestern.

Derzeit gibt es im Minakshi-Tempel nur einen Tempelelefanten, die 1997 geborene Elefantenkuh Parvati. Neben dem Elefanten leben im Tempel von Madurai Kühe und - einzigartig für Südindien - zwei Kamele, die ebenfalls bei Prozessionen eingesetzt werden. Im Minakshi-Schrein werden ferner sprechende Papageien gehalten, die darauf trainiert sind, den Namen der Göttin auszusprechen (der Papagei gilt als Erkennungszeichen Minakshis).

Eine Zugangsbeschränkung für Dalits (Kastenlose) besteht seit 1939 nicht mehr.


Verehrung der Schlangengottheit

In Kochadai (Katchadai), etwas außerhalb von Madurai, befindet sich der Muthiah Swami Tempel, der über 2000 Jahre alt sein soll (ein ebenso alter Tamarinden-Baum ist dort erst vor wenigen Monaten umgestürzt). Wir beobachten eine Zeremonie neben dem Schlangenbaum, bei der eine Frau mit ihrem Kind den Schlangenstein mehrmals mit Milch übergießt und ein Ei und Reis opfert. Ein Priester habe ihr den Rat gegeben, diese Zeremonie an einem Samstag zur Erfüllung ihrer Wünsche zu vollziehen.

Auf der Fahrt nach Salem gibt es viele Ayyanar und Muniyappan-Tempel. Besonders mächtig und gefährlich (deshalb besser keine Fotos) ist der Karumbu-Ayyanar-Tempel. Da Karumbu Zuckerrohr heißt, handelt es sich um den Zuckerrohr-Beschützer. Die drei Priester bezeichnen es als großes Glück für uns, dass wir den Weg zu ihnen gefunden haben, da dieser Gott schon oft seine Macht gezeigt habe. Als ein Touristenpaar hier Fotos gemacht habe, sei kurz darauf ihre Kamera defekt gewesen. Sie seien mit den Fotos zurückgekommen und hätten die Fotos gelöscht. Eine weitere Geschichte besagt, dass ein Pferd eines Engländers beim Tempel stehen geblieben sei, worauf der Engländer dem Tempel viel Land geschenkt habe. Auch lebe im Tempel eine kleine Schlange, die Besuch von einer größeren erhalte, ohne dass ein Schaden angerichtet werde. Christa fotografiert den mächtigen Gott trotz des Verbotes. Ihre Strafe: sie vergisst ihre Schuhe am Tor des Tempels.

Im Karuppan Samy-Tempel gibt es mehrere Schlangen-Opferstätten. Hier ist der Zutritt für Frauen verboten. Im direkt daneben liegenden Kali-Tempel dürfen Leute aus den unteren Kasten nicht hinein. Etwas abseits steht für sie ein 20 cm hoher Stein, den diese als Gott verehren. Hier werden auch noch Tiere geopfert. Allerdings nicht von einem Brahmanenpriester, sondern von einem Familienpriester der Unterkasten. Besonders die Frauen bringen hier Opfergaben, wenn sie ein Kind haben möchten.

Die liegenden Lehmgöttinnen

Im Tempelbezirk des Weberdorfes Arevakunthi sehen wir besonders viele Dorfgottheiten. Dabei faszinieren uns besonders zwei riesige liegende Muttergottheiten aus Lehm unter freiem Himmel, die jedes Jahr erneuert werden. Ihre Gesichter sind angemalt und ihre Körper sind mit Stoffbahnen bedeckt. Wenn diese auf dem Rücken liegende Göttinnen aufstehen, dann soll die Welt untergehen. Daneben befinden sich Areale, in denen sieben Steine bzw. drei Steine stehen als Symbole für weitere wichtige Gottheiten.

Die Weber des Dorfes weben nach Musterkarten auf mechanischen Webstühlen. Ein Weber erklärt, der Stuhl habe 100 000 Rupies (1500 €) gekostet. Jeden Tag webe er drei Saris. Für einen Sari erhalte er 300 Rupies (4,50 €). Da dauere es lange, bis der Webstuhl abbezahlt sei. Unser Guide und unser Fahrer greifen gleich zu und kaufen für ihre Frauen zum anstehenden Pongalfest einen Sari. Uns schenkt er God-Früchte aus seinem Garten.

Unterwegs sehen wir mehrfach große liegende Amman-Figuren aus Lehm. Zu einer kommen Motorradfahrer, um sich ihren Segen zu holen. Das neue Motorrad erhält an allen wichtigen Stellen weiße, rote und gelbe Segenspunkte und auf der Windschutzscheibe ein Om-Zeichen. Dann wird es vom Priester mit Kokosmilch besprengt, erhält eine Blumengirlande von der Brust der Göttin und muss schließlich mit dem Vorderrad und dem Hinterrad über eine Zitrone fahren, bevor es zu einer Runde um die Göttin starten darf. Dann kann es sich ruhig in den chaotischen indischen Verkehr wagen.

Die Göttersteine in den Bergen
In den abgelegenen Regionen nördlich von Salem

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Im Bergdorf Palakadu

Im abgelegenen Dorf Thalai Solai („Kopf des grünen Waldes“) wohnen die Malayali Gounder ("die in den Hügeln lebenden Gounder", eine Kaste). Zunächst sind wir enttäuscht, da sich rund um den zentralen Dorfplatz nur Betonhäuser mit Elektrizität und TV präsentieren. Geführt von älteren und jüngeren Bewohnern, viele Handys, können wir aber bald alte Rundhäuser mit grasgedeckten Spitzdächern in Augenschein nehmen. Nur noch wenige Alte wohnen in solchen primitiven Hütten.

Interessanter sind die alten Ritualplätze. Der Dorftempel am Rande des Dorfes liegt am nördlichen Abhang des letzten Hügels. Dahinter fällt das Gelände steil abwärts. Die Göttersteine liegen heute auf einem gefliesten Podest und sind von drei Seiten von einer Mauer umgeben. Hier werden an Festtagen Schweine geopfert. Aber selbst der Priester des Dorfes kann uns nicht den Namen des Dorfgottes sagen. Erst später erfahren wir von einem älteren Mann, der beim einwöchigen Frühlingsfest als einziger über spitze Stangen laufen kann, dass es sich um einen männlichen Gott handele, der in alten Zeiten von einem Nachbardorf gekommen sei und sich hier niedergelassen habe. Wenn in dem Dorf eine Krankheit wie die Pocken ausgebrochen sei, dann müsse der Kranke fasten und in der Nacht nackt auf einem Blätterlager des Neembaumes ruhen. Der Priester schlachtet darauf ein Schwein, nimmt davon vier Stücke und legt sie in einen Krug, worauf er in Begleitung des ganzen Dorfes den Krug schreiend außerhalb der Dorfgrenzen bringt, um den bösen Dämon, der die Krankheit verursacht hat, und ebenso die Krankheit vom Dorf zu entfernen.

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Archaische Tempel mit Göttersteinen im Wald

Auf der anderen Seite des Dorfes liegt hinter den Feldern, wo der Wald beginnt, ein noch ganz ursprünglicher Ritualplatz. Ein schmuckloser, länglicher Wächterstein kennzeichnet den Beginn des heiligen Bezirks. Mehrere zum inneren Kreis hin offene Steinkammern aus 1 m hohen Platten bergen mehrere kleinere Steine, die für unterschiedliche Götter stehen. Frische Tagetesblüten zeigen, dass hier immer noch das Wohlwollen der Götter gesucht wird. Wie die Götter heißen und zu welchem Zweck sie angerufen werden, vermag uns keiner zu sagen. Sie stehen wohl für die Kräfte, die den Menschen Gutes und Schlechtes bringen können. Die fortwährende Verehrung dieser Mächte gibt den Menschen das Gefühl, einen Pakt mit ihnen geschlossen zu haben. Diesen Mächten hier haben sie versprochen, alle 15 Jahre sieben Ziegen zu opfern. Wenn trotzdem Naturkatastrophen über die Menschen hereinbrechen, werden sie den Pakt neu aushandeln und ihre Geschenke in der Hoffnung verstärken, die größeren Mächte doch noch auf ihre Seite ziehen zu können.


Im Botanischen Garten von Bangalore

Tausend Tempel haben wir durchwandert.
Tausend Segnungen, tausend Punkte in weiß, rot und gelb.
Das Feuer hat uns umlodert, aufgeladen mit Energie.
Jede Nacht reitet Ayyanar durch unsre Träume,
Mariamman und Schlangen drängen in unseren Schlaf.
Lingam und Nandi verfolgen uns ständig.
Bald werden Eis, Schnee und Sturm
die Flammen dieser indischen Welten löschen.

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Südindisches Kaleidoskop

Zum Verständnis des südindischen Hinduismus
Inhalt:
Die Muttergottheit und die Dorfgottheiten. Das weibliche Element im kosmischen Denken.Gebet zur Göttin Kali als Erscheinung des Absoluten. Die Feiern zu Ehren der göttlichen Mutter. Die christliche Gottesmutter. Die revolutionären Formen des Hinduismus. Der Dorfwächter Ayyanar. Die Planeten, die Navagrahas. Die Bedeutung des Feuers. Die Schlangen. Die heilige Zahl 108. Mantren im Hinduismus, dem Christentum und dem Islam. Zur indischen Zeitrechnung. Der Hinduismus als Philosophie. Dharma als Weltgesetz allen Seins im Fluss der Zeit

Tamil Nadu II, 2011

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