Gewalt im Nordosten Indiens und in Mittelindien

Aktuelle Nachrichten

Link: Autonomie- und Sezessionsbestrebungen in Nordostindien (sehr gute Hintergrundinformationen) http://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/03_jb01_44_mit.pdf

In den letzten 10 Jahren sollen in den 7 nordöstlichen Randstaaten mehr als 10 000 Menschen umgekommen sein.

In 14 der 35 indischen Bundesstaaten und Territorien kämpfen Guerillagruppen für mehr Unabhängigkeit, in Bihar, Jharkand, Westbengalen, Orissa, Chattisgarh, Madhya Pradesh, Maharashtra, Andra Pradesh, Tamil Nadu und Karnataka. Das Magazin Outlook nennt diesen Zustand Indiens versteckte Kriege.

Die Denk- und Argumentationsweise der „fremden“ Völker Indiens finden sich beispielhaft in einem Aufruf des ehemaligen Präsidenten des Naga National Council A.Z.Phizo vom 16.5.1951. Indem er die indische Kultur mit der Naga-Kultur vergleicht, kommt er zu dem Ergebnis, dass Inder und Nagas nichts gemeinsam haben und wegen ihrer Unterschiedlichkeit nur getrennt nebeneinander existieren könnten. Sie gehörten nicht nur unterschiedlichen Rassen an, hätten andere geschichtliche Entwicklungen und andere soziale und religiöse Traditionen, auch ihr Verhältnis zu einem Wertekanon, zur staatlichen Autorität und zum Landbesitz sei unterschiedlich und im Grunde nicht zu vereinen. Die indische Zivilisation sei im Kern intolerant, beruhe auf eine gesellschaftliche Gliederung in Klassen, Kasten, Glauben, Religion und Rasse. Nagas seien keine Hindus, sondern Animisten und Christen, die an einen väterlichen Schöpfergott glauben. Mehrfach wirft er den Indern die Bettler, die Behandlung der Toten, die umherstreunenden Jugendlichen, die Prostitution, die Tötung des weiblichen Nachwuchses, die Verheiratung junger Mädchen durch die Eltern zur Vermeidung eines hohen Brautpreises, die Witwenverbrennung vor. Diese Formen der Missachtung der Frau und der Menschen gäbe es nicht in der Naga-Kultur. (Sicherlich eine idealisierende Sicht, die nicht der gesellschaftlichen Realität von heute entspricht.)

Die Inder seien vorwiegend an den reichen Bodenschätzen des Nagalandes interessiert, das sind Öl, Kohle, Salz, Glimmer, Gas, Kalk, Eisenerze, Nickel u.a.

Nur mit Hilfe von 3 bzw. 5 Millionen Soldaten incl. der Polizeitruppen sei die Unterdrückung des Freiheitswillens der Nagas möglich in der Form einer kannibalistischen Menschlichkeit, wie Aesop sie in der „Fabel vom Tiger und dem Lamm“ schildere.

 

Weitere Informationen zur Gewalt im Reisebericht Nagaland unter ..\nagaland\Nagaland.html

 

- Die deutschsprachige Nachrichtensammlung der Gossner-Mission informiert fortlaufend über wichtige soziale und politische Ereignisse in Indien. Sehr empfehlenswert!

http://www.gossner-mission.de/indiennewsarchiv.html

- Eine fortlaufende Auflistung von terroristischen Ereignissen und Hintergründen in NO-Indien und süd-Asien findet sich unter: http://www.satp.org/default.asp

Aktuelle Nachrichten zur politischen Lage

Nagaland 2008

Neben Gesprächen war das Berichtsjahr hauptsächlich von anhaltender Gewalt zwischen den beiden NSCN-Fraktionen geprägt. NSCN-IM und NSCN-K lieferten sich das ganze Jahr über mehr als 40 kleinere und größere Gefechte, bei denen mindestens 85 Rebellen ums Leben kamen. Mitte Januar lieferten sich beide Fraktionen tagelange Gefechte in Kohima, der Hauptstadt Nagalands. Im Mai verschärften sich die Zusammenstöße an der Grenze Nagalands zu Assam, da der NSCN-K offenbar versuchte, dort in traditionelle Einflussgebiete des NSCN-IM einzudringen.

Am 8. Oktober beschossen sich in der Bezirkshauptstadt Phek auf offener Straße 30 Kämpfer des NSCN-IM und 50 Kämpfer des NSCN-K. Ende September bezogen starke Truppenteile beider NSCN-Fraktionen Stellung in Nagalands Hauptstadt Kohima, Behörden sprachen von einer kriegsähnlichen Situation und forderten die Rebellen auf, die Stadt zu verlassen. Im Oktober und November nahmen die Gefechte zwischen NSCN-IM und NSCN-K rund um Kohima trotzdem zu. Mindestens 15 Zivilisten verloren im Berichtsjahr im Zusammenhang mit den Naga-Konflikt ihr Leben, teils durch gezielte Tötung durch die Rebellen, teils bei Gefechten zwischen den NSCN-Fraktionen.

Gewalt gegen Zivilisten stand dabei meistens im Zusammenhang mit den "Steuererhebungen" der Rebellen. Der NSCN-IM ging im Berichtsjahr mit besonderer Härte gegen Dorfbewohner vor, die die Zahlung von Schutzgeld verweigerten: Anfang Juli griff eine Gruppe von über 100 bewaffneten Nagas, angeführt von Kämpfern des NSCN-IM, drei Dörfer an der Grenze Nagalands zu Assam an und zündeten Häuser und Teeplantagen an. Am 28. August zündeten NSCN-IM-Kämpfer 19 Häuser und elf Hütten in der Nähe von Dimapur an. Mitte Oktober zerstörte der NSCN-IM ein komplettes Dorf mit 500 Hütten, Kornspeicher und Kirche in der Nähe von Kohima.

Nach offiziell unbestätigten Meldungen hat die myanmarische Armee bei umfassenden Militäraktionen gegen den NSCN-K und die ULFA im Grenzgebiet zu Indien etwa 100 Rebellen getötet. Eine Neuentwicklung des Berichtsjahrs ist, dass sich beide NSCN-Fraktionen erstmals seit Jahren wieder Gefechte mit indischen Sicherheitskräften geliefert haben.

Bei fünf Gefechten im Nagaland, Manipur und Arunachal Pradesh starben etwa zehn Nagarebellen und mehrere Polizisten. Am 25. Oktober töteten NSCN-IM-Kämpfer bei einem Überfall in Arunachal Pradesh drei indische Soldaten und einen Zivilisten, weitere Soldaten wurden verletzt. Eine Untersuchungskommission des Innenministeriums untersuchte im März die anhaltende Gewalt im Nagaland, mehrfach forderte die indische Regierung die NSCN-Fraktionen auf, in ihre durch die Waffenstillstände festgelegten Camps zurückzukehren. (nach: http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege/225bk_indien_nagas.htm)

Januar 2007: Mehr als 40 Tote in Assam

Bei den blutigsten Rebellenangriffen seit Jahren im nordostindischen Bundesstaat Assam sind in der Nacht zum Samstag mehr als 40 Menschen getötet worden. (06.01.2007, 15:13 Uhr)

Neu Delhi - In der gesamten Region herrsche höchste Alarmbereitschaft, teilten die Behörden mit. Bei den Opfern handelt es sich den Angaben zufolge hauptsächlich um Wanderarbeiter aus anderen Teilen Indiens. Nach Polizeiangaben will die Separatistenorganisation ULFA Angst verbreiten und Menschen aus anderen Regionen aus Assam vertreiben.

In einem abgelegenen Gebiet im Bezirk Tinsukia eröffneten ULFA- Rebellen das Feuer auf eine Gruppe schlafender Arbeiter, wie die Nachrichtenagentur IANS berichtete. Mindestens 16 Menschen starben. Bei zwei weiteren Angriffen in Tinsukia und dem benachbarten Bezirk Dibrugarh erschossen ULFA-Kämpfer mindestens zehn Menschen. Sechs anderen, offensichtlich koordinierten Attacken fielen nach Polizeiangaben 17 Menschen zum Opfer, mehr als 25 wurden verletzt. Nur um Haaresbreite entkamen die Insassen eines Zuges aus Neu Delhi einer Katastrophe: Bei Diphu etwa 270 Kilometer östlich der Assam- Hauptstadt Guwahati detonierte am Morgen ein Sprengsatz auf den Gleisen, wenige Minuten nachdem der Zug die Stelle passiert hatte.

Die Rebellen der "Vereinten Befreiungsfront Assam" (ULFA), der größten der in Nordostindien operierenden Separatistengruppen, kämpfen seit 1979 für ein unabhängiges Assam. Zum Hintergrund des jüngsten Massakers hieß es, vor wenigen Tagen seien fünf führende ULFA-Männer von Spezialeinheiten getötet worden, zwei weitere wurden festgenommen. Zudem sei kürzlich eine Umfrage veröffentlicht worden, wonach viele Menschen die ULFA-Forderung nach einem unabhängigen Assam nicht unterstützen. (tso/dpa)

November 2006: 17 Tote bei Bombenanschlägen in Assam

Durch eine Serie von drei Bombenanschlägen sind im nordostindischen Bundesstaat Assam 17 Menschen getötet und 45 verletzt worden. Der folgenschwerste Anschlag ereignete sich auf einem belebten Marktplatz in der Hauptstadt Guwahati. Bisher hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt. Die Polizei vermutet, dass separatistische Rebellen der United Liberation Front of Assam (ULFA) für die Anschläge verantwortlich sind. Vor zwei Monaten waren Friedensverhandlungen zwischen der indischen Bundesregierung und den ULFA-Rebellen abgebrochen worden.

(BBC, 06.11.2006)

Januar 2006: Orissa

12 Adivasi werden von der Polizei erschossen

Bei einem Zusammenstoß zwischen 500 protestierenden Adivasi und der Polizei bei Kalinga Nagar kommt es zu einem Ausbruch von Gewalt. Die Einheimischen werfen Steine, die Polizei setzt Tränengas und Gummigeschosse ein, worauf ein Polizist grausam getötet wird und die Polizei das Feuer eröffnet. Im ersten Bericht wird von zwei getöteten Polizisten gesprochen und zwölf getöteten Adivasi, von acht durch Pfeil und Bogen verletzten Polizisten und zwölf durch Schüsse verletzten Einheimischen.

In den folgenden Tagen sind die Zeitungen voller Berichte über die Folgen und Ursachen dieses Ereignisses. Es wird berichtet von dem Tod eines Schülers, der gerade mit Schulmaterialien vom Markt gekommen sei, vom Tod eines Arbeiters, der eine Familie von fünf Personen ernährt habe, vom Tod einer Frau, die Mann und kleine Kinder hinterlässt. Die vorgeblich getöteten Polizisten werden in keinem Bericht mehr erwähnt. Sollte ihre Erwähnung ein entschuldigender Vorwand für das brutale Vorgehen der Polizei sein? Als sechs Leichen von der Polizei zurückgegeben werden und ihre Hände fehlen, weil sie zwecks Identifikation von den Ärzten abgetrennt worden waren, ist der Teufel los.

Die Oppositionsparteien und die beiden Adivasi-Nachbarstaaten Jharkhand und Chhattisgarh stellen sich auf die Seite der Adivasi, verurteilen die Polizeiaktion und verlangen von der Regierung eine Entschädigung für die Familien der Toten und eine Erfüllung der Forderungen der Demonstranten, d.h. eine bessere Entschädigung für das abgegebene Land bzw. eine Umsiedlung. Schließlich habe die Regierung einen weit höheren Preis von der Tata-Stahl-Industrie bekommen, als sie an die Eigentümer gezahlt habe und somit einen enormen Gewinn erzielt. Man wirft der Regierung vor, nach der Flöte von Wirtschaft und Industrie zu tanzen. Die Auseinandersetzung eskaliert. Die Volksführer schwören bei der Asche ihrer Ahnen, solange zu kämpfen, bis ihr Land wieder frei sei.

Das bebaubare Ackerland und die Waldflächen sind die einzigen Quellen der Selbsterhaltung für die Adivasi. Wenn dieses Land ihnen unter Zwang weggenommen wird, so werden sie zu Waisen und heimatlos. (Stan Swamy, Menschrechtler)

Dann wird von den oppositionellen Parteien und von den Gewerkschaften als Protest gegen die Tötung der Adivasi bei Kalinga Nagar ein ganztägiger Generalstreik ausgerufen. Alle Läden, Behörden, Museen, Tempel und Schulen werden geschlossen und die Straßen gesperrt..

STOP The Ongoing
Displacement,
Dispossession And Killing
Of Poor Tribals in Orissa.

(NGO-Plakat bei einer Demonstration in New Delhi)

s. GfbV Probleme der Adivasi

April 2005: Assam

Aus der Zeitung entnehmen wir, dass gestern an drei Stellen in Assam die ULFA, die Unabhängigkeitsbewegung, wieder aktiv war. Vor einem Hotel im Marktcenter von Guwahati explodierte eine Granate, sechs Verletzte. In der Stadt Dibrugarh, aus der wir gerade kamen, wurden ebenfalls vier Polizisten durch eine Granate verletzt. Seit dem Januar meldet die Polizei 30 solcher Vorfälle. Wegen der Wiederkehr des Tages der Erhebung am 7.4. erwartet die Polizei eine Zunahme der Attacken. In Arunachal waren wir außerhalb solcher Gefahren. s. 3. Reise durch Assam/Arunachal

 

Oktober und August 2004

2./3.Okt. : 53 Tote, 150 Verletzte

Assam: Bombenanschlag bei Guwahati auf den Santipur-Markt (Kokrajhar), Schießereien auf Märkten in Makri Jhora (20 km westlich von Guwahati)

Nagaland:  Dimapur, Bombenanschläge auf dem Marktplatz und am Bahnhof

August 2004

Nach Mitteilung unserer indischen Reiseorganisation waren wir die letzten, die noch ins Tirap einreisen konnten. Nach uns sind die Grenzen für Reisende wieder geschlossen worden. Bei unserer Rundreise konnten wir allerdings keine Anzeichen von Unruhen feststellen. Im nördlicheren Changlang-Bezirk fanden wir dagegen viele Hinweise auf Guerillaaktivitäten in Form von Schildern und Warnungen. An dieser Grenze waren wir nach Jahren die ersten Touristen und die Grenzbeamten mussten erst wieder ein neues Kontrollbuch anlegen.

Bei unserer Planung für einen Besuch des Bundesstaates Manipur bekamen wir die Auskunft, dass es dort z.Zt. zu gefährlich sei, man müsse mit allem rechnen. Vor einigen Tagen hat sich der Studentenführer Pebam Chitaranjan in der Hauptstadt Manipurs aus Protest gegen die indische „Kolonialherrschaft“ verbrannt. Mitte Juli entkleideten sich 40 Frauen und protestierten vor der Militärstation mit der Aufforderung, sie zu vergewaltigen. Anlass war die Vergewaltigung und Ermordung einer 32 jährigen Frau durch Sicherheitskräfte der paramilitärischen Milizen, den „Assam Rifles“. Gegen sie und  für eine Loslösung von Indien kämpfen 7 rivalisierende Rebellengruppen.(FAZ s.u.)

Im Nagaland hat die Führung des nationalen sozialistischen Rates von Nagaland, NSCN, eine Waffenruhe ausgehandelt, in Mizoram regiert die Mizo National Front, MNF, die vorher 20 Jahre lang im Untergrund gekämpft hat. In Tripura sind Übergriffe und Entführungen durch die nationale Verteidigungsfront, NLFT, und durch die All Tripura Tiger Front, ATTF, an der Tagesordnung. In Meghalaya rivalisieren ebenfalls 2 Widerstandsgruppen. Allein in Arunachal Pradesh herrscht Frieden.

Die FAZ berichtete am 18.8.2004 unter der Schlagzeile „Der Kontrolle Delhis entglitten“ ausführlich über die Unruheherde im Nordosten Indiens und schreibt

Massaker, Vergewaltigungen und Anschläge gehören in Bundesstaaten wie Manipur seit langem zum Alltag. Die indische Öffentlichkeit interessiert sich aber mehr für den Kaschmir-Konflikt und hat die Unruhen in anderen Landesteilen fast vergessen.

Dabei weist der Autor J.Buchsteiner darauf hin, dass auch in den anderen kleinen Bundesstaaten des Nordostens der Tod zum Alltag gehört. In Assam explodierte zum indischen Unabhängigkeitstag eine Bombe und tötete 15 Menschen. 40 Rebellengruppen sollen hier aktiv sein. Die stärkste Widerstandsgruppe, die ULFA, regierte sogar Ende der 80er Jahre den Bundesstaat aus dem Untergrund. (s. Reisebericht Arunachal)