Aus dem Reisetagebuch
(mit 60 Fotos von Christa Neuenhofer)
Timba im Südwesten von Burkina.
IM LAND DER BOBO, SENUFO, LOBI UND KASSENA/GURUNSI
IM SÜDEN VON BURKINA FASO
Weite Hirseanbauflächen im trockenen Südosten von Burkina
Bereits 1999/2000 sind wir durch den Norden Burkinas nach Mali gereist; diesmal wollen wir den Süden kennenlernen, zumal der Norden durch die Kämpfe in Mali als gefährliches Reisegebiet eingestuft wird. Nach unserer Landung in Ouagadougou fahren wir zunächst in Richtung Südwesten zur Grenze der Elfenbeinküste, um dann in einem großen Bogen entlang der Grenze zu Ghana wieder von Süden her zu unserem Ausgangspunkt Ouagadougou zurückzukehren.
1. Tag/26. Jan.:
Nachts um 23:55 Uhr Ankunft in der Hauptstadt Ouagadougou (Wagadugu), nach 20 Stunden Anreise u.a. mit Turkish-Airlines, Transfer zum angenehmen Hotel Chez Tess, Ouagadougou.
Gegründet wurde Ouagadougou im 11. Jahrhundert vom Volk der Yonyonsé unter dem Namen Kombemtinga, was so viel heißt wie „Stadt der Krieger“. Ihre Bedeutung erlangte sie jedoch als Hauptstadt des Mossi-Reiches und Sitz des Mogho Naaba, des Herrschers der Mossi, der sich hier 1681 niederließ. Der nannte die Stadt Wogdgo, aus dem sich dann Ouagadougou entwickelte.
"Dougou" ist Moré, die Sprache der Mossi, der größten Ethnie in Burkina Faso. Es bedeutet "Das Land von ...". Das Land der Ouaga war im 15.Jahrhundert ein mächtiges Mossi-Königtum, umgeben von 19 weiteren, meist autonomen Mossi-Reichen, die ihre Macht langsam aber stetig in alle Himmelsrichtungen ausbreiteten und schließlich die frühen Siedler vom Stamme der Lobi und der Bobo in ihr Gebiet eingliederten.
Mais wird im Innenhof getrocknet.
2. Tag/27. Jan.: Ouagadougou – Bobo Dioulasso (385 km)
Unser Fahrer Blaise kommt mit einem Land Rover, einem geräumigen, guten Allradauto. Auf den Straßen sehen wir vorwiegend Mercedes 200 und Kleinlaster mit deutschen Firmenaufschriften. Blaise gehört zum Volk der Bissa. In seinem Gesicht trägt er als Kennzeichen des Stammes viele Gesichtsnarben. „Aber meine Kinder werden nicht mehr so gekennzeichnet“, sagt er. Die Tatauierung findet er nicht schön.
Tatauierungen als Clanzeichnung, links Blaise
In nicht einmal zehn Jahren hat sich die Bevölkerung von Ouagadougou fast verdoppelt, über eine Million Menschen leben dort heute. Ouaga wirkt wie ein Dorf. Die Straßen sind im Gegensatz zu den sonst fehlenden Ordnungsprinzipien nach geometrischen Mustern angelegt, sind meist nicht asphaltiert, staubig und uneben. Die Hauptstraße zeigt allerdings großstädtische Ambitionen. An den Ausfallstraßen verlieren sich die niedrigen Kleinsthäuser in eine ausfransende Hüttenlandschaft, wo die kleinen, einräumigen und meist fensterlosen Häuser kreuz und quer die Straße säumen, ohne eine Front zu bilden und ohne einen Bezug zu den Nachbarhütten. Bei vielen Häuschen fehlen die Türen. Das sei ein Zeichen, dass die Eigentümer als Wanderarbeiten weitergezogen seien, sagt Lateef. Manche der Lehmziegel-Häuschen sind nicht fertig geworden oder verfallen wieder.
Lange Fahrt in den Westen von Burkina Faso nach Bobo Dioulasso, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes. Bobo Dioula-sso bedeutet Heimatstatt der Bobo und Dioula. Mit Dioula werden die im Norden wohnenden Muslime bezeichnet. Dioula bezeichnet also eher die Religionszugehörigkeit und keine Ethnie. Die Stadt ist die zweitgrößte Stadt in Burkina.
Auf dem Weg machen wir Zwischenstopps, um u.a. die Herstellung von Sheabutter zu sehen.
Frauen bei der Verarbeitung der Sheanüsse zu Sheabutter
Der Sheabaum, der auch Karitébaum genannt wird, ist ein Baum von besonderer Bedeutung. Traditionell genutzt werden die Fruchtkerne der Nüsse des 10-15 m hohen Baumes. Sie werden für die Herstellung von Speisefett und vor allem für die Herstellung von Hautpflegeprodukten wie der Sheabutter genutzt. Die Ernte der Nüsse ist Frauensache. Zuerst werden die Nüsse nach der Ernte getrocknet und geschält. Danach werden sie in einem Lehmofen erhitzt und in Mörsern aus Holz zerstampft. Die so entstehende Masse wird mit Wasser verdünnt und eine Stunde lang geschlagen. Dadurch wird die Sheabutter vom Wasser getrennt und kann abgeschöpft werden.
Auf einem typischen Markt findet man fast nur Frauen als Verkäuferinnen.
Ein Heiler zeigt durch Bilder an, gegen welche Krankheiten er helfen kann.
Männer verkaufen als Heiler ihre Wundermittel oder als Metzger frisch geschlachtete Tiere. Die meisten Männer findet man dort, wo Frauen ihr selbst hergestelltes Hirsebier verkaufen.
Die hierarchisch-patriarchalische Ordnung zeigt sich auch in der Anlage der Gehöfte der muslimischen Bobo. Die Frauenhäuser sind wie die Vorratsspeicher rund gebaut, während die größeren Männerhäuser eine rechteckige Form haben.Inzwischen hat sich der Himmel grau gefärbt und die Sonne verbirgt sich hinter Wolken, so dass es nach Regen aussieht, wie wir meinen. Es wird natürlich trocken bleiben, das ist der Wüstenwind Harmattan, der in der Trockenzeit den Himmel mit Staubwolken verdunkelt, erklärt Lateef. So ganz trocken und vertrocknet sehen wir das Land aber nicht. Während unserer Fahrt tauchen zu unserer Überraschung immer wieder Teiche auf, die noch mit Wasser gefüllt sind. Wir hatten nur trockne Savanne erwartet, wie wir sie auf unserer Reise durch den Norden von Burkina erlebt hatten. Die vielen künstlich angelegten Wasserspeicher im Südwesten von Burkina erlauben hier auch in der Trockenzeit noch einen geringen Gartenanbau. Normalerweise ist eine Bearbeitung des Bodens erst ab April möglich. Ab Juli setzt dann nach 8 Monaten Trockenzeit die Regenzeit für 4 Monate ein.
"Warum ist es so eingerichtet, dass man das Wasser stets hinauf tragen muss statt abwärts?" fragt ein Mädchen. "Damit du stark wirst", antwortet der Vater und zündet sich im Liegestuhl eine neue Pfeife an.
Kurz vor Bobo Dioulasso besichtigen wir Koro, ein wasserloses Bergdorf mit vielen Fetischen, das aus Verteidigungsgründen zwischen Granitfelsen errichtet wurde. Dort leben drei Bevölkerungsgruppen, die animistischen Bobo-Schmiede, die inzwischen das Dorf verlassen haben und nur für Zeremonien in das alte Dorf kommen, die Kaste der Bobo-Griots und die moslemischen Dioula-Händler.
Die Griots sind berufsmäßige Sänger und Geschichtenerzähler, die hier immer für die Familiengeschichte einer bestimmten Familie zuständig sind, sie arrangieren die Ehen, was nicht einfach ist, da die Bevölkerungsgruppen nur innerhalb ihrer kleinen Gruppe heiraten. Bei ihren Vorträgen spielen sie oft als Musikinstrument eine Stegharfe (Kora) oder ein Balafon.
Wels an einem Denkmal in Bobo
3. Tag/28. Jan.: Bobo Dioulasso - Dafra - Bobo Dioulasso (40km)
Morgens fahren wir nach Dafra und wandern durch eine Falaise steil abwärts in eine Schlucht, in der in einem natürlichen Teich riesige Welse leben. Rote Kleidungsteile sind im Opfertal Dafra verboten, das ist die erste Information, die unser Guide am Morgen verkündet. Dort gilt nur das Rot des Blutes. Als wir ankommen, sind schon viele Gläubige anwesend, die weiße Hühner opfern und Schutz und Hilfe von den Welsen erbitten. An diesem Ort kann man auch böse Wünsche aussprechen.
Opfertal für die heiligen Welse bei Dafra
Zunächst müssen wir unsere Schuhe ausziehen, nur so dürfen wir durch Wasserpfützen, über Hühnerfedern, Blut und Aschehaufen in die hintere Ecke des felsigen Quelltales gehen. Dort befindet sich die etwa 1.50 m hohe Opferstelle, ein Turm aus Federn und Blut. An der Felswand neben dem Altar kleben große Mengen von Sheabutter. Seitwärts hängen in einem Strauch die Felle der geopferten Ziegen, Schafe und Kühe. Das Ritual wird von einem lokalen Priester vollzogen. Auch wir haben ein weißes Hühnchen mitgebracht, um es hier zu opfern. Nur unter dem Vorwand der Opferung können wir so nahe an den Altar herankommen. Fotos werden aber nicht erlaubt.
Nachdem wir über dem Opferaltar unsere Wünsche ausgesprochen haben, wird Holzasche und Sheabutter auf den Opferhaufen geworfen. Der Priester nimmt das Hühnchen, schneidet den Hals des Opfertieres durch und verteilt das Blut über der Opferstelle. Anschließend wird etwas Wasser darüber geschüttet. Die Innereien des Opfertieres nimmt unser lokaler Führer und steigt mit uns abwärts zu den Welsen, die sich in kleinen Tümpeln in der engen Schlucht befinden. Dann ruft er die Welse in seinem Dialekt und wirft ihnen Fleischteile des Opfers zu. Durch diese Fütterung wird den Ahnen signalisiert, dass unser Wunsch sehr dringend ist.
Sollten die Wünsche erfüllt werden, dann müssen wir zurückkehren und uns mit dem Opfer einer Ziege oder eines Schafes bedanken.
Spieler einer Stegharfe.
In das quadratische Loch werden Trinkgelder geworfen.
Nachmittags besuchen wir das Museum für traditionelle Musikinstrumente und gehen anschließend über den Markt zur alten, im sudanesischen Stil erbauten Moschee aus dem 18. Jahrhundert.
4. Tag/29. Jan.: Bobo Dioulasso – Banfora – Niansogoni (200 km)
Fahrt über Banfora nach Niansogoni in das Gebiet der Wara (eine Untergruppe der Senufo).
Hinter Banfora kommen wir durch große Zuckerrohrplantagen, die durch fahrbare Berieselungsanlagen ganzjährig bewässert werden, und das in Burkina, das wegen Trockenheit und der daraus resultierenden Hungersnöte immer wieder Schlagzeilen macht! Inzwischen seien 10 000 ha Zuckerrohrplantagen von der Regierung angelegt worden, erklärt unser Guide.
Verkauf von Früchten am Straßenrand.
Im Hintergrund die Zuckerrohrplantagen bei Banfora.
Neben den grünen Plantagen überraschen uns auch die Reisfelder und die grünen Mangowälder. Hier ist genügend Wasser vorhanden.
Unterwegs erleben wir in Douna eine Feier nach einer politischen Wahl. Ein Griot spielt zunächst auf seiner Kora, der Stegharfe, während Frauen neben ihm in einem kleinen Kreis tanzen. Die Männer sitzen dabei unter einem Baum und schauen zu. Später übernimmt eine Gruppe mit zwei Balafonen und mehreren Trommeln die musikalische Begleitung, währenddessen immer mehr Frauen hinzukommen und tanzend einen größeren Kreis bilden.
Das neue Wara-Dorf Niansogoni in der Ebene zeigt, wie sich das traditionelle Leben verändert hat. Die Bewohner leben zwar noch immer in selbst gebauten Lehmhäusern, aber nicht mehr auf dem Plateau unterhalb einer Steilwand, wo sie siedelten, um vor Feinden sicher zu sein. Ab 1982 zogen die Bewohner nach und nach in die Ebene, wo die Lebensbedingungen viel einfacher sind.
Im Dorf erleben wir eine Versammlung zum Geburtstag Mohammeds. In einem großen Kreis sitzen die Männer auf Bänken und Stühlen und wollen gemeinsam essen. Auch wir werden sofort eingeladen. Einige Stühle werden herbeigeschafft und ein Sprecher verkündet unsere Ankunft. Wir lassen über den Sprecher mitteilen, dass wir uns über ihre Bekanntschaft freuen und wir ihnen ein langes Leben wünschen. Darauf wird uns ein Becher Hirsebier gereicht, den wir nach einem Schluck weiterreichen. Das gemeinsame Essen lehnen wir aber aus Zeitmangel ab.
Alte Speicher der Wara-Senufo neben einer Felswand
Am Nachmittag steigen wir mühselig zu den Überresten des alten Dorfes Niansogoni auf. Die Anlage erinnert an die Telem-Speicher in Mali, die wir 2001 besucht haben. Durch den Regen sind die alten Lehmhäuser mit den Grasdächern fast vollständig zerstört worden, aber viele Vorratsspeicher, die durch die überhängende Steilwand geschützt sind, sind noch gut erhalten. Das Leben in diesem hoch gelegenen Festungsdorf muss sehr hart gewesen sein: enge, kleine Lehmhäuser, schmale Durchgänge, fehlendes Wasser und ein weiter Weg zur Quelle und zu den Feldern.
In dem primitiven Hütten-Camp Niansogoni können wir in der Nacht vor Hitze kaum schlafen.
5. Tag/30. Jan.: Niansogoni - Sindou (80km)
Im Senufo-Dorf Lera besuchen wir einen traditionellen Heiler und Wahrsager, der sogar an der Straße für seine Heilkünste wirbt. Er heilt nicht nur alle Krankheiten, er kann auch wahrsagen. Unser Guide befragt ihn nach dem Verbleib seiner verlorenen Kamera. Nach dem Werfen der Kauris und einem Gespräch mit seinem Geist, erzählt er, zwei Leute hätten mit dem Verschwinden zu tun, von denen er einen kennen würde. Näheres könne er ihm aber erst am Freitag (in zwei Tagen) sagen, da der Geist in der Nacht zum Freitag ihn besuche. Als ganz besondere Fetische bietet er Amulette zum Überleben bei Auto- und Flugzeugunfällen an. Sobald man sein Amulett, ein Band, im Falle der Katastrophe um das Handgelenk wickle, stürze man mit dem Flugzeug nicht ab, sondern lande in seinem eigenen Haus. Er hat ebenfalls eine Medizin, die unverwundbar mache, wenn man sie einnehme.
Neben seiner weißen Heilkunst beherrscht er auch die schwarze Magie. Zum Beweis zeigt er uns eine Schlangenhaut, in die er Baumwolle als Träger der Verwünschungen hineinsteckt.
Der Heiler und Wahrsager Quattara Soungari,
der auch in Europa Kunden behandeln möchte.
Als wir ihn nach seiner Berufung und Ausbildung fragen, erzählt er, dass er der einzige Sohn seiner Mutter gewesen sei. Sein Vater sei schon vor seiner Geburt gestorben. Später habe ihn sein "Geist", er sagt "Genius", sieben Jahre unterrichtet. Von ihm werde er auch erfahren, welcher seiner Söhne sein Nachfolger werden solle. Aber bisher sei keiner seiner Söhne alt genug. Bei der Einführung eines Nachfolgers in sein Amt müsse der sich nackt ausziehen und im Fetischhaus auf den Boden legen und dann würden ein roter Hahn, eine Ziege und eine Kuh geopfert. Bis dahin würde er aber noch viele Kinder bekommen. Zur Zeit haben seine vier Frauen schon 36 Kinder geboren. Für seine Zeugungskraft nehme er ein magisches Mittel.
Männer stellen Lehmziegel her.
In der Trockenzeit werden gewöhnlich neue Lehmhäuser gebaut oder alte repariert. Im Dorf Mbogona erleben wir, wie junge Männer Lehm und Gras stampfen und Ziegel formen, die dann in der Sonne trocknen müssen.
Eine Frau nutzt die Trockenzeit, um die Lehmwand ihres Hauses zu reparieren.
Im Griot-Dorf Kawara sind die Männer als Griots mit der Beratung von Familien beschäftigt, vielleicht mit dem Arrangieren einer Hochzeit. Griots überprüfen, ob es zwischen verschiedenen Familien Konflikte gegeben hat, die eine Ehe unmöglich machen. Die Frauen aber sind Handwerkerinnen, die mit der Töpferei den Unterhalt für die Familie bestreiten. Wegen eines Todesfalles ruht aber in diesem Dorf die Arbeit und die meisten Einwohner sind abwesend.
Am Nachmittag wandern wir durch die von Erosion und Wind bizarr geformten Felsen von Sindou.
Die Felslandschaft von Sindou
6. Tag/31. Jan.: Sindou – Banfora
An diesem Morgen fahren wir zum Stausee von Niofila. Hier wohnen aus Mali stammende Bozo. Nachdem sie dem Erdherrn eine Pachtgebühr gezahlt haben, dürfen sie während der Trockenzeit in einigen Häusern hier wohnen, während sie in einem aufgestauten See mit Reusen, Netzen und Booten fischen. In der Regenzeit kehren sie wieder in das nahe gelegene Mali zurück und bestellen dort ihre Felder. Die alteingesessenen animistischen Turka-Bauern wohnen in ihren Gehöften gleich nebenan.
Die Bozo räuchern die Fische, die sie nicht auf dem Markt absetzen können. Unser Fahrer Blaise ist von den geräucherten Welsen so begeistert, dass er gleich einen Plastiksack voll für seine Familie in Ouaga kauft. Im Auto werden seine Einkäufe wegen des strengen Geruchs aber zu einem Problem. Der Verkauf der Fische scheint sehr einträglich zu sein, da die Bozo einen Kühlschrank und einen Fernsehapparat besitzen.
Gehöfte der Turka in Niofila.
Das Gehöft der Turka-Bauern wirkt dagegen noch sehr traditionell. Durch ein Eingangstor betreten wir einen Platz mit acht runden Frauenhütten und einer rechteckigen Männerhütte. An den Lehmhäusern kleben Hühnerfedern und hängen Ziegenschädel von Opferzeremonien für ihre Schutzgeister.
Turka-Hütten mit Schutzfetischen an den Außenwänden
Auf dem Stausee sollten wir ursprünglich in einem Fischerkahn eine Bootstour machen, aber wegen des starken Windes meinten die Fischer, es sei zu gefährlich. Gottseidank denken wir, als wir die Boote sehen. Und schließlich haben wir es versäumt, die absichernden Fetische mitzunehmen.
Stausee von Niofila
Vom Stausee aus haben Japaner ein Bewässerungssystem gebaut, wodurch aus der früher trockenen Erde eine grüne Gartenlandschaft entstanden ist, in der Palmen, Bananen, Erdnüsse, Cassava und Zwiebeln wachsen.
In der Falaise bei Douna besichtigen wir einen weiteren Zufluchtsort der Turka-Bevölkerung. Die zwischen schroffen Felsen gelegenen Wohnhöhlen waren für die berittenen und mit britischen Waffen ausgerüsteten Krieger des moslemischen Herrschers Almamy Samory Touré ("Bonaparte des Sudan"), die im 19. Jahrhundert wohl regelmäßig während der Trockenzeit die Dörfer überfielen, nicht gut zugänglich. Während der Regenzeit dagegen konnten die Bewohner wieder zurück in die Ebene und ihre Felder bestellen.
Wir klettern hinauf in die Felsenlandschaft und besichtigen die 12 Höhlen, die den Turka während der Überfälle als Zuflucht dienten. Da gibt es eine größere Höhle für die Vollversammlung der Männer, die Höhle des "Generalstabs", die Höhle der durch vergiftete Speere und Pfeile Verletzten, die Höhle des Wahrsagers, die Schatzhöhle, die Geburtshöhle, die Initiations- und Beschneidungshöhle, die Küchenhöhle (jetzt von Termiten und einer Schlange bewohnt) und die Gefangenenhöhle (die Gefangenen wurden meist ins Volk der Turka integriert). Außerdem gibt es noch eine sichere Zufluchtsplattform im hinteren Bereich der Felsen, wohin die Alten, Kranken und Kinder im Kriegsfall gebracht wurden.
Lehmspeicher im Karaboro-Dorf Wolokonto
Als sich herausstellt, dass die zur Übernachtung vorgesehenen Camps sich in trostloser Lage befinden und noch primitiver in der Ausstattung sind als das letzte, beschließen wir das gute Hotel Canne à Sucre in Banfora als Standort zu wählen.
7. Tag/1. Feb.: Banfora – Toumousseni - Banfora
Im Dorf Tengrela hängen an einem Baum riesige Knochenstücke, es sind Schädel von Flusspferden aus dem nahe gelegenen See. Die Flusspferde gelten als heilig, was sich nach Auskunft des Priesters darin zeige, dass sie nie Menschen anfallen würden. Die Schädel stammten von Flusspferden, die sich den anderen Flusspferden gegenüber zu aggressiv gezeigt hätten, darauf hätte ein Fetischmeister und Jäger sie an der Hand hierher gebracht.
Die Voodoogöttin Mama Wata am Haus des Chefs der Jäger
Der ältere Fetischpriester ist leider nicht erreichbar, aber wir können seine Macht als Jäger - seine groben, gefärbten Spezialkleider sind zum Trocknen ausgebreitet - durchaus empfinden, indem wir die Zeichnungen der Tiere sehen, die er besiegt und deren Kraft sich auf ihn übertragen hat: Löwen, Flusspferde, Antilopen und Hasen. Unverwundbar war er durch die aufgenähten Amulette.
Auch der heilige Baobab von Toumousseni ist eine Fluchtburg. In seinem Inneren finden 20 Personen Platz. Hier versteckten sich die Bewohner des Gehöftes im 19. Jahrhundert bei einem Herannahen des gefürchteten Eroberers Almani Samory Touré. Dafür waren die Bewohner dem Geist des Baumes dankbar und opferten ihm. In späterer Zeit, als sie die Opfer vergaßen, schloss sich die Öffnung des Baumes plötzlich und eine Dürre überfiel das Land. Durch erneute Opferungen konnte der Geist besänftigt werden, so dass sich wieder ein kleines Loch öffnete, durch das auch wir ins Innere kriechen können, um den heiligen Fledermäusen, Wespen und Bienen im Inneren unsere Referenz zu erweisen.Inzwischen hat sich der Baum einen Wächter gesucht, der sich um ihn kümmert:
Eines Nachts hat der Geist mich in den Baum gesetzt, so dass ich mich am nächsten Morgen dort plötzlich wiedergefunden habe. Nun sorge ich dafür, dass der Geist in der Nacht nicht umher wandert. Man muss ihn durch regelmäßige Opfer beruhigen.
Während wir uns im Baum aufhalten, läutet der Wächter ununterbrochen eine kleine Glocke und weist auf die heilbringende Flüssigkeit hin, die von oben heruntertropft.
Im Gehöft nebenan wohnt noch ein Geschöpf des Baumes: eine vom Geist des Baumes besessene Karaboro-Heilerin und Wahrsagerin.
Auf dem Boden liegen links ein Lobi-Fetisch, ein Geldschein und die obligatorischen Kauris. In der rechten Hand hält die Wahrsagerin einen doppelten Bambusfächer, der sich magisch bewegt. Der weiß gekälkte Raum ist durch ein weißes Tuch unterteilt.
Die Albinos in Afrika
Nebenan wohnt in einem Gehöft ein Albino, der für uns auf dem Balafon spielt. Nach seinem Spiel setzen seine schwarzen Kinder das Spiel fort. Wir haben in Burkina wie sonst in keinem anderen westafrikanischen Land immer wieder Albinos gesehen, deren Haut durch die Sonne oft aufgerissen war. Der Balafonspieler dagegen hat seine Haut immer in Milch gebadet, so dass sie keine Schädigungen aufweist. Zum Abschied bringt seine schwarze Frau für uns eine Schale mit Reisbier.
Spuck auf den Boden, wenn du so ein unheilbringendes Wesen siehst,
so fordert ein Sprichwort in Mali.
Die Albinos haben in Afrika nicht nur medizinische Probleme - sie werden auch ausgegrenzt, beschimpft und manchmal versteckt. Als Heiratskandidaten kommen sie nicht in Frage. Außerdem gibt es viele Legenden und Mythen über Albinos. Zum Beispiel, Gott wolle die Familie bestrafen, ein Albino mache die Familie unrein und sei Anzeichen dafür, dass die Mutter Inzest oder Sex mit einem Weißen oder einem Kobold gehabt habe. Albinos werden oft als Geister betrachtet, die nicht sterben, sondern einfach verschwinden. Es wird gedacht, dass sie ansteckend wirken und einen Fluch verbreiten. Neuerdings glaubt man, dass Sex mit einer Albinofrau Aids heilen könne.
So werden Albinos einerseits als Monster dargestellt, die entfernt werden müssen und andererseits wird gedacht, dass Albinos Halbgötter seien und besondere Kräfte besäßen; Albinohaare im Fischernetz sollen demnach einen guten Fang ergeben, Körperteile von Albinos in der Nähe von Bergwerken einen guten Fund, ein Getränk aus verschiedenen Albinokörperteilen zu Reichtum führen. s. Weißer als Weiß
Während des Nachmittags fahren wir zum dritten Mal zu einer Felsenlandschaft (Dômes de Fabédougou) und wandern entlang zweier Wasser-Pipelines zu einem in einem Quelltal gelegenen heiligen Schrein, wo für eine Reinigungszeremonie viele weiße Hühnchen geopfert werden.
Das heilige Quelltal, das wir nicht mit Schuhen betreten dürfen, und zwei Frauen, die im Quellwasser gebadet haben.
8. Tag/2. Feb.: Banfora – Serefedougou – Banfora
Heute fahren wir zu verschiedenen Gouin-Dörfern. Zu diesem Volk gehört auch unser Guide. Zunächst sind wir in Bérégadougou bei einer Frauenkooperative, die Cashewnüsse und getrocknete Mangos für den Verkauf verarbeitet. (Zur Zeit werden aber weder Cashewnüsse noch Mangos geerntet und somit auch nicht verarbeitet.)
Weiter geht es nach Serefedougou, wo wir einen Imker treffen, der uns hoch in den Bäumen seine Bienenkörbe zeigt und erklärt, wie unkompliziert er Bienen hält, wie er neue Bienenvölker anlockt und wie er ohne Schutzkleidung den Honig erntet.
s. Bienen im westafrikanischen Land "Burkina Faso"
Im Schmiededorf Turfila beobachten wir, wie die Schmiede gleichzeitig in fünf Unterständen neben ihren Wohnhütten landwirtschaftliche Geräte schmieden. Auf einem Platz in der Mitte zeigen sie uns einen eisernen Pfahl. Das sei ihr Fetisch, dem sie einmal im Jahr einen Hund opferten. Bei Beginn einer neuen Schmiedeaktion legen sie ihr Rohmaterial auf diesen Pfahl und opfern dann ein Hühnchen und etwas Hirsebier oder Palmwein.
Ein Gouin-Schmied bei der Arbeit.
Der Heiler Kone Hamadou im Dorf Nafona.
Nach der üblichen langwierigen Begrüßungszeremonie beim Betreten des Gehöftes führt uns der Heiler zu seinem "Schrein", eine kleine Lehmhütte. Vor der fensterlosen Hütte steht ein blutverschmierter Topf mit Federresten von Hühnchenopferungen. Davor liegen in einer Scherbe blutige, mit Kauris besetzte, wurstförmige Fetische, wie wir sie auch bei der Karaboro-Wahrsagerin in Toumousseni gesehen haben.
Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen haben, dürfen wir uns im Innern auf ein Bänkchen setzen. Zunächst nimmt der Heiler einige Kauris in beide Hände, hält sie vor seinen Mund, spricht einige Sätze und wirft sie dann hoch. Das wiederholt er zweimal. Darauf gibt er sie Christa, die 500 CFA hinzufügt und die Kauris mit dem Geld auf den Boden legt. Wir sind willkommen, erklärt er.
Dann stellt er einen Spiegel auf, in den er während der Zeremonie immer wieder hineinblickt. Nachdem Christa ihm erzählt hat, dass sie Probleme mit einem Bein habe, wirft er die 50 Kauris mehrfach auf den Boden, zeigt mit dem Finger auf sie und deutet aus der Lage der Kauris seine Antworten. Sie habe sich die Verletzung des Beines während einer Reise zugezogen und erst zuhause bemerkt. Jemand habe einen magischen Gegenstand auf den Boden gelegt und sie sei darauf getreten.
Zur Gesundung des Beines müsse sie sieben "traurige" Kolanüsse kaufen, dazu ein verletztes Huhn und einen 2 m langen, weißen Stoffstreifen. Diese Dinge solle sie in einer Art zeremonieller Waschung an ihrem Körper entlang bewegen und danach alles einem Bettler geben. Diese Informationen kommen stockend, weil er sich immer wieder an den Kauris auf dem Boden orientiert.
Dann nimmt er die Kauris auf, wirft sie erneut und erklärt, dass alle ihre Probleme verschwinden würden, wenn sie sich Schwarzpulver besorge, alle Sorgen in das Pulver hineinspreche und es anzünde. So würden die Probleme in der Flamme verpuffen, schließlich würde sie zu viel denken.
Auf dem Markt von Banfora lernen wir dann die "glücklichen" und "traurigen" Kolanüsse kennen. Die "glücklichen" Nüsse zeigen durch ihre breite Narbe einen leicht geöffneten Mund mit Zähnen, während die "traurigen" Nüsse einen verschlossenen Mund zeigen.
In Kribina sitzen Frauen in Erdlöchern
und flechten Matten und Körbe.
9. Tag/3. Feb.: Banfora – Kribina – Sitiena - Banfora
Kribina ist das Heimatdorf unseres Guides Lateef. Seine Mutter sei eine Karaboro und sein Vater ein Gouin. Bei seinem Dorf zeigt er uns ein Stück Land, auf dem er ein großes Freilichtmuseum mit den verschiedenen Haustypen der Völker Burkinas errichten will. Ebenfalls will er dort seine Sammlung von 150 landwirtschaftlichen Geräten ausstellen. Für unsere Ohren klingt das alles sehr unrealistisch. Wir verstehen nicht, warum er Dinge, die im Alltag der Völker noch voll im Gebrauch sind, separat ausstellen will. Wer wird sich dieses künstliche Dorf ansehen? Zunächst aber sehen wir nur ein Feld mit einigen Lehmziegeln. Lateef träumt jedoch von einer Siedlung mit Übernachtungsmöglichkeit, einer Schule und sportlichen Events wie einem Marathonlauf.
Das Gehöft seines Großvaters ist durch das Anwachsen der Familie um weitere Hausgruppen erheblich erweitert worden. Aber das Zentrum bilden das von Blumen umgebene Grab des Großvaters und der Hauptspeicher.
Im Umfeld des Dorfes ragen viele Leitern aus kreisrunden Bodenlöchern. Manche Öffnungen sind auch mit Palmzweigen abgedeckt. Vorsicht Fallgruben? Es sind Eingänge zu künstlichen, unterirdischen Höhlen, in denen Frauen Körbe und Matten flechten. Auf Grund der feuchten Luft lassen sich die Palmblätter dort besser biegen.
In Sitiana sind die meisten Frauen damit beschäftigt, Tontöpfe verschiedener Art herzustellen: Kochtöpfe, Wasserkrüge und Hühnertränken. Lehmwulst wird auf Lehmwulst gelegt, mit den Fingern glatt gestrichen und dann mit einem Stein poliert. Danach wird der helle, grobe Lehm mit rötlicher Erde gefärbt. Abschließend rollen einige Frauen noch mit einem entkernten Maiskolben ein Muster in die Außenwand.
Die Kinder in den Dörfern sind intensiv mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt. Die Mädchen zerstoßen Hirse und worfeln, die Jungen zerschlagen Rippen von Palmwedeln, um Reinigungs- und Waschschwämme herzustellen.
Da wir immer wieder nach Imkern fragen, finden wir in Djongolo einen Imker, der uns zu seinen Beuten in den Wald führt.
In Tiébélé klettert ein Palmweinzapfer in eine Palme und lässt uns den frisch vergorenen Saft des Baumes kosten.
10. Tag/4. Feb.: Banfora – Loropéni – Obiré – Gaoua (230 km)
Ab heute haben wir einen neuen englisch sprechenden Guide, der noch großartigere Pläne hat als Lateef. Er will Präsident von Burkina werden. Die Strategie und den Zeitplan hat er schon voll durchdacht. Er fühlt sich auch in außenpolitischer Hinsicht kompetent. Die starke Position unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber Frankreich findet er bewundernswert. Zu Hitler meint er entschuldigend, dass er dem deutschen Volk halt von Gott geschickt worden sei und es interessiert ihn, ob Hitler Nachkommen habe und ob es in Deutschland wieder einen neuen Hitler geben würde.
Ein erstes Ziel sind die mysteriösen 1000 Jahre alten Ruinen von Loropéni. Wir sehen sehr hohe Steinmauern aus behauenen Eisenkonglomeraten, Reste eines Systems von Befestigungsanlagen, wahrscheinlich zum Schutz des Goldhandels, vom Volk der Loron errichtet. Bis 2002 wurden die Ruinen als Steinbruch genutzt. Bei Grabungen stieß man auf Keramikreste, Pfeile, Eselsdung. Die Ruinen der ehemals 100 Gebäude sind kaum erforscht, gehören aber zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Im Ort Loropéni 4 erleben wir, wie Hirsebier hergestellt wird. In jedem Gehöft steht ein qualmender Lehmofen mit drei großen Kesseln, die mit Baumstämmen beheizt werden. Da die ausgekochte Hirse als Schweinefutter genutzt wird, befinden sich bei den Gehöften auch Schweineställe. (s. Bericht über Hirsebier)
Weiter geht es nach Obiré zum Heiligtum der Gan, den Schreinen für 19 Gan Könige. Das Königtum der Gan oder Kaan steht im Gegensatz zu den Lobi, die nur eine Organisation in Clan-Einheiten kennen. Auch die Lehmhütten der Gan unterscheiden sich durch ein vorgezogenes Dach und eine Terrasse von den Häusern der Lobi.
Figuren eines Königs und einer Königin in einem Grabhaus der Gan
Nach einem kurzen Gang durch das Dorf Obiré fahren wir weiter nach Gaoua, Hauptort des Lobi-Volkes, wo wir das Poni Museum besuchen, das verschiedene Aspekte der Lobi-Kultur ausstellt (Poni = südlicher Bezirk von Burkina, in dem vorrangig die Ethnie der Lobi lebt).
Fetische vor dem Haus vom Fetischpriester Sib Tadjalté
11. Tag/5. Feb.: Gaoua – Kampti - Gaoua (100 km)
Tagesausflug. Zunächst sehen wir, wie Bauern ihre Baumwolle für den Transport vorbereiten. (s. Bericht über Baumwolle) Dann geht es nach Kerkera im Kampti Distrikt zu einem bekannten Wahrsager und Heiler, Fetischpriester Sib Tadjalté, der sogar schon zweimal in Deutschland war. (s. Video-Dokumentation Le voyage de Sib on Vimeo)
Dieudonné befragt ihn, ob er Präsident von Burkina werden kann. Sib sagt ihm, er könne seine Chancen steigern, wenn er ein weißes Perlhuhn kaufe und in der Nacht, kurz vor Morgengrauen, dem Huhn einige Federn ausrupfe und zusammen mit 500 CFA in die Luft werfe. Danach solle er das Huhn und das Geld einem Bettler übergeben.
Der Fetischpriester Sib Tadjalté
Im Kampti Distrikt besuchen wir zwei weitere Dörfer. In einem flechten Frauen Korbwaren, in dem anderen stellen Männer Holzschnitzarbeiten her. Mittagspause nach dem Gang über den Markt von Kampti.
Lehmhäuser (Soukala) der Lobi bei Bozo an der Grenze zu Ghana
Am Nachmittag fahren wir zu einem festungsartigen Gehöft (Soukala) der Lobi, wo wir die ungewöhnliche Architektur dieses Volksstammes kennenlernen. Die Lobi leben in einem höhlenartigen Großraumhaus, das im Innern in viele Räume aufgeteilt ist.
Der Plan eines Lobi-Lehmhauses
1: Das Eingangszimmer, 2: Hühnerstall. 3: Zimmer der vierten Frau, 4: Zimmer einer Witwe 5: Zimmer der ersten Frau, 6: Fetischraum, 7: Zimmer der dritten Frau, 8: Zimmer einer Stieftochter, 9: Zimmer einer Stieftochter, 10: Zimmer der sechsten Frau, 11: Zimmer einer Tochter
(nach Images d'Afrique et Sciences sociales, Les pays Lobi, birifor et dagara, 1993)
Wir kriechen durch ein Haus mit fünf Frauenbereichen. Jede Frau hat in ihrem dunklen Raum eine eigene Kochstelle mit kleiner Öffnung im Dach. Im Innern führt eine Baumtreppe aufs Dach, wo der Mann in einem aufgesetzten Raum wohnt und wo er nachts jeweils eine Frau empfängt. Auch auf dem Dach stehen mehrere Fetische. Das Dach ist ebenfalls durch eine Baumleiter neben dem einzigen Eingang zu erklettern.
Auf dem Dach gibt es eine abgedeckte Öffnung für den Speicher, der durch Krugfetische und Stockfetische geschützt wird. Links hinten befindet sich noch eine runde Öffnung für eine Baumleiter.
Das dunkle, innere Wohnlabyrinth eines Lobi-Hauses wird nur durch Kunstlicht sichtbar.
Vor dem Haus stehen zwei Fruchtbarkeits-Lehm-Fetische in der Form von Brüsten und der Haupt-Fetisch in Form von vier Riesen-Penissen. Etwas abseits stehen noch ein Männerfetisch und das Grab des Gehöft-Gründers. Auch über dem Eingang sitzt die Gestalt des Gründers. Neben diesem bewohnten Lehmhauskomplex steht noch ein Zementhaus, das vom Geld eines Sohnes, der an der Elfenbeinküste arbeitet, erbaut wurde. Aber die Menschen scheuen sich noch, in das seelenlose Haus ohne Fetischschutz umzuziehen. Um das Haus für die guten Mächte interessant zu machen, ist es durch weiße Farbtupfer gekennzeichnet, was darauf hinweist, dass hier Bier gebraut wurde.
(s.a. The Dagara and their Neighbors )
12. Tag/6. Feb.: Gaoua - Diébougou – Pô (450 km)
Die Fahrt nach Pô geht über Bozo und Babayaro, wo wir die unterschiedlichen Gehöfte der Dagara und der Gurunsi sehen.
Speicher im Innern von Lobi-Häusern
13. Tag/7. Feb.: Pô – Tiébélé - Pô (80km)
Kassena/Gurunsi-Dorf Tiébélé
Heute geht es zu dem Kassena/Gurunsi-Dorf Tiébélé, wo wir das Wohndorf des örtlichen Königs besichtigen, in dem Hunderte seiner Verwandten leben. Der König ist vor einem Jahr verstorben, nachdem er einen neuen Fetisch geholt hat, weil der alte auf mysteriöse Weise verschwunden war. Der neue Fetisch war den Ahnen offensichtlich nicht genehm und kurz darauf verstarb der König. Solange der Fetisch nicht wieder auftaucht, kann auch kein neuer König inthronisiert werden. Vor dem "königlichen Freizeitmuseum" sitzen die Minister unter einem Baum, wo sie den ganzen Tag auf Besucher warten, um sie zu begrüßen. Vor dem Dorf befinden sich ebenfalls das Grab des ersten Königs, der Gerichtssaal, Sitzplätze der Prinzen und der lokalen Chiefs, der Kriegsfetisch hinter einem Baum und der Hügel mit den vergrabenen Nachgeburten. Wir dürfen erst ein Foto machen, nachdem wir den Eingangsfetisch passiert haben und uns hinter einer schützenden Mauer befinden. (s. im Bericht "Afrika, Wohn- und Lebensraum")
Dann stehen wir vor den mit geometrischen Mustern bemalten Häusern. Es sind drei Haustypen mit Flachdächern zu unterscheiden: die Rundhütten für unverheiratete Jungen (die Mädchen bleiben bei den Eltern), die Rechteckform für verheiratete Paare und die Achtform, ein Großraumhaus, für Ältere mit Enkeln. Ein Großraumhaus hat nur einen niedrigen Eingang wie bei den Lobi-Häusern, wobei mehrere Zimmer (Arbeitsraum und Küche) durch schmale Löcher miteinander verbunden sind. Die Türöffnungen sind nicht nur äußerst niedrig, sie sind auch dahinter nochmals mit einem Mäuerchen gesichert.
Diese Lehmhäuser werden von Frauen mit den Farben rot, schwarz, weiß bemalt, mit Steinen geglättet und mit dem Saft der Sambala-Schote gefirnisst. Jedes Jahr zu Beginn der Trockenzeit erneuern sie die Malereien. Die schwarze Farbe wird aus Graphitpulver gewonnen und das Weiß aus Speckstein. Mit Pinseln aus Perlhuhnfedern werden sie auf eine Grundierung aus roter Erde, Wasser und gekochten Nere-Schoten aufgetragen und verleihen den Häusern ihre faszinierende Ausstrahlung. Jedes der Muster birgt eine Symbolik, das beliebteste Symbol ist die Kalebasse. Die Kalebasse ist das wichtigste Objekt im Leben der Kassena-Frauen und behält seine Bedeutung über den Tod hinaus. Am vierten Tag nach dem Tod einer Frau wird traditionell eine Kalebasse zerbrochen. Weitere Symbole sind Hühnerbeine, Fledermausflügel, Adlerflügel, Fischernetze, Netze zum Transport von Kalebassen, Webmuster u.a.
von links: ein Lendentuch als letztes Kleidungsstück,
eine Schlange, eine Schildkröte, ein Chamäleon, eine Trommel
Daneben gibt auch noch weitere Reliefs: Krückstöcke als "drittes Bein" im Alter, Rauchpfeife, Musikpfeife, Köpfe von Löwen und Leoparden, Schafe, ein kniender Farmer mit Hacke u.a.
Auf den Hausecken sitzen oft menschliche Figuren, die angeblich als Vogelscheuchen dienen für das auf dem Dach zum Trocknen ausgelegte Getreide. Die Dächer dienen auch als Schlafplätze.
In Kassola, einige Kilometer hinter Tiébélé, befindet sich ein großes Gebiet, wo Menschen mit einfachen Mitteln versuchen, im Tagebau Gold zu schürfen. (s. meinen Bericht über Kinderarbeit und Goldrausch)
Auf der Rückfahrt nach Pô halten wir in Kampala, wo uns ein Imker über seine Methode der Bienenhaltung informiert. Am Nachmittag besuchen wir in Torène, einem Dorf in der Nähe von Pô, einen weiteren Imker.
14. Tag/8. Feb.: Pô – Ouagadougou (180 km)
Rückfahrt nach Ouagadougou. Unterwegs halten wir bei einem Gehöft der Mossi und sehen, wie sich der Baustil dieser Ethnie von anderen Volksstämmen unterscheidet.
In Pamwatore treffen wir erneut einen Imker, der auf traditionelle Weise Bienen hält und Honig erntet.
Moschee bei Kombissiri
Einen weiteren Stopp machen wir in Kombissiri, um dort die 300 Jahre alte, im sudanesischen Stil erbaute Moschee zu besichtigen.
15. Tag/9. Feb.: Ouagadougou - Manega – Laongo - Ouagadougou (100 km)
Tagesausflug. Zunächst fahren wir nach Manega, um dort das ethnologische Museum zu besuchen. Es trägt den seltsamen Titel Bendrologie-Museum. Dort werden unter anderem Begräbnisriten, Musikinstrumente, Kleidungsstücke und Masken der Ethnien Burkina Fasos gezeigt. Um die Ausstellungspavillons herum sind im traditionellen Stil errichtete Wohnstätten der Mossi, Bobo und Gurunsi zu besichtigen.
Am eigenartigsten sind der Pavillon des Todes mit lebensgroßen Darstellungen von Begräbnisriten und ein unterirdischer Raum mit Grabsteinen von über 70-Jährigen.
Vor dem Betreten des Pavillons des Todes muss man folgende Worte beachten, nach denen man Schuhe, Kopfbedeckung und Zigarette am Eingang zurück lassen muss und nur rückwärts mit dem Gesicht zur Welt der Lebenden hineingehen darf. Natürlich darf man in den magischen Räumen nicht fotografieren.
"Sons of my fathers
Sons of my mothers
You, whose track
crosses a track
Whatever be your philosophical
or religious convictions
Please!
Remove your hat
Remove your shoes
Stop smoking
Walk backwards
Here
Begins death.
Here
The dead command."
Folgende Szenen kann man durch dicke Gittern sehen: Neben einem in eine Matte eingewickelten Leichnam stehen zwei Personen mit ausgestreckten Armen, der Herr der Erde mit seinem Stellvertreter, der den Toten dreimal ruft. Die Füße des Toten liegen auf einem Stein. Sie sind jetzt seine Augen. Die Sandalen liegen auf seinem Bauch und sind für den ersten Sohn bestimmt. Der Fetisch des Priesters, eine Stange mit einer keulenartigen Umwicklung an einem Ende, liegt neben dem Leichnam. Zu Füßen des Toten liegen zwei geopferte Hühner, deren Lage auf dem Rücken anzeigt, dass der Tod ohne Zauber und Unfall, erfolgt ist.
Die zweite Szene zeigt ein Begräbnis. Ein Skelett liegt in einem Grab mit dem Gesicht nach Osten (Frauen liegen mit dem Gesicht nach Westen). Über dem Grab steht ein hölzernes Abbild des Toten. Der Tote ist umgeben von Ganzkörper- und Gesichtsmasken, die bei der Beerdigung von Tänzern getragen werden. Die Masken stellen verschiedene Tiere dar. Eine Maske ist so gefährlich, dass man einen Hund (früher einen Menschen) opfern muss, wenn man sie zu Gesicht bekommt. Zwischen den Masken steht ein Mädchen, das den Tänzern Hirsebier reicht.
Gefährliche Fetische aus dem Museum in Manerba
In weiteren Szenen werden Wahrsager in Kaurigewändern dargestellt, die zu ihrer Initiation eine Woche im Dschungel gelebt haben, Beerdigungskrüge aus dem Niger, gefährliche Figuren aus Guinea und anderen Ländern, durch Amulette geschützte Jägerkleider, 50 Grabsteine (Ya-kouga) aus Granit, die das Grab verschließen,
Auf dem Weg nach Laongo sehen wir wiederum eine wilde Goldmine, aus der, obwohl inzwischen geschlossen, Steine gebrochen und für den Hausbau zerkleinert werden.
Häuser für Lehrer und der abgesteckte Platz für die Bühne
In Laongo staunen wir über das von dem Film- und Theaterregisseur Schlingensief konzipierte Operndorf Afrika, das aber wohl noch einige Jahre bis zu seiner Vollendung braucht. Die Arena bzw. die Bühne, die von der Stadt Oberhausen finanziert wird, ist bereits durch Stöcke gekennzeichnet. Eine Grundschule wurde bereits eingeweiht, sechs Häuser für künstlerische Aktivitäten und ein Tonstudio sind fertig. Der Bau der Krankenstation ist fast beendet. Im Gespräch mit einem deutschen Architekten erfahren wir von der Abhängigkeit des Baus von Spenden.
In unmittelbarer Nähe befindet sich der Skulpturenpark von Laongo, wo im Jahr 2010 Künstler aus verschiedenen Ländern Granit-Kunstwerke schufen.
16. Tag/10. Feb.: Ouagadougou – Bazoulé – Ouagadougou (90km)
Fahrt zu den heiligen Krokodilen von Bazoulé. Für die Mossi von Bazoulé sind die Krokodile heilig, und sie gelten als die Beschützer dieses Volkes. Die heiligen Krokodile haben einst dem Dorfgründer das Leben gerettet, indem sie ihn, als er sich im Wald verirrt hatte, zu einer Wasserstelle führten.
Eines der "heiligen Krokodile", die täglich mit Hühnchen gefüttert werden.
Nicht weit von Bazoulé finden wir in Songpèlsé Claire Rouamba, Leiterin einer Frauenkooperative und Imkerin, die uns ihre Bienen und ihre moderne Ausrüstung zeigt.
Der Versuch den Palast des Mossi Königs von Kokologho zu besichtigen, scheitert, da der König verstorben und noch kein neuer ernannt worden ist.
Abschließend besuchen wir in Ouagadougou das Nationalmuseum, in dem gerade eine neue Ausstellung mit verschiedenen Maskentypen aufgebaut worden ist.
17. Tag/11. Feb.: Ouagadougou (30km)
Ein Tag in Ouagadougou. Besuch des Großen Marktes (Grand Marché), eines Antiquitätenhändlers und des Kunsthandwerkermarktes. Abends Transfer zum Flughafen für den Rückflug nach Deutschland.
18. Tag/12. Feb.: (00:55) Flug Ouagadougou - Düsseldorf
Wieder im kalten Deutschland
Schnee am 24. Febr. in Bocholt, Niederrhein
Forts.: Burkina Faso II (Zusatzinformationen zur Reise)
Themen: Bevölkerung, Klima und Natur, Nutzpflanzen, Bedeutung der Baumwolle, Essen und Trinken, Burkina im Goldrausch, Kinderarbeit, Hexenverfolgungen, Rivalitäten zwischen Burkina und Elfenbeinküste
Bienen im westafrikanischen Land "Burkina Faso"
Fotogalerien zu Burkina von Christa Neuenhofer: