"Philosophie am Morgen" (VHS Bocholt)
Günter Neuenhofer, Homepage
- Philosophie V: Wirklichkeiten, in denen wir leben (I-III)
- Philosophie IV: Ästhetik - Was heißt schön?
- Philosophie III Was ist der Mensch? - Bilder und Gleichnisse des Menschen in philosophischen und literarischen Texten
- Philosophie II Staunen und Fragen als zwei Grundelemente des Philosophierens -
Was heißt gerecht ?
- Philosophie I :Beispiele philosophischen Denkens (s.u.)
- Texte der Vorsokratiker (Heraklit und Parmenides)-
- Platontexte ( Das Höhlengleichnis, Thrasymachos, 4. Buch aus dem Staat, über Gerechtigkeit)
I.
Beispiele philosophischen Denkens
1. Ontologisches Philosophieren als die Suche nach der Wahrheit von etwas.
(Text: Platon: Der Staat, 7. Buch, Das Höhlengleichnis)
2. Die Suche nach Prinzipien des Seins.
Die Anfänge abendländischer Philosophie bei den Griechen.
(Textfragmente von Heraklit und Parmenides)
3. Mentalistisches Philosophieren als die Suche nach Prinzipien menschlicher Erkenntnis mit Hilfe des methodischen Zweifels.
(Text: Descartes, René: Untersuchungen über die Grundlagen der Philosophie, Über das, was in Zweifel gezogen werden kann. )
4. Linguistisches Philosophieren als Suche nach Grenzen der Gedanken im sprachlichen Ausdruck
(Text: Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, Auszüge)
Philosophiegeschichtliche Informationen zum Kursthema:
Vorsokratiker
Als Vorsokratiker werden seit dem späten neunzehnten Jahrhundert diejenigen antiken griechischen Philosophen bezeichnet, deren Leben und Werk überwiegend in die Zeit vor Sokrates (469 399 v. Chr.) fällt. Einige waren Zeitgenossen des Sokrates, folgten aber einer früheren Tradition. Die Vorsokratiker stellen den Beginn der abendländischen Philosophie dar. Von ihren Werken sind fast ausschließlich Fragmente überliefert.
Der Begriff Vorsokratiker gründet auf dem berühmten Satz Ciceros, Sokrates habe die Philosophie vom Himmel auf die Erde geholt (s. Sokratische Wende). Die Einteilung der philosophischen Schulen auf dieser Grundlage ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Der wichtigste Grund besteht darin, dass der Weg von der Ontologie zur praktischen Philosophie, den Cicero umschreibt, nicht zuerst von Sokrates begangen wurde, sondern bereits von den Sophisten.
Die Vorsokratiker beschäftigten sich vor allem mit Naturphilosophie, Theogonie sowie Kosmogonie und formulierten die Grundfragen der Philosophie. Eine zentrale Frage war die nach der ἀρχή (arché), dem Urgrund oder Anfang, aus dem alles entstanden sei.
Einer der prägenden Gegensätze der antiken Philosophie war der zwischen den Lehren der Zeitgenossen Heraklit und Parmenides. Ob sie voneinander wussten, ist unbekannt. Für Heraklit war das Prinzip der Welt (Logos) ein Streit der Gegensätze, eine ständige Veränderung, also nicht nur ein Sein, sondern auch ein Werden. Von ihm stammt der Satz: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“ Parmenides hingegen hielt alles Werden für Schein, die wirkliche Welt selbst (aletheia) war für ihn und für die von ihm begründete eleatische Schule ein unvergängliches und unveränderliches Sein.
Sokrates
Sokrates entwickelte die philosophische Methode eines strukturierten Dialogs, die er Mäeutik („Hebammenkunst“) nannte.
Was ihn von den Sophisten unterschied und zur geistesgeschichtlichen Gründerfigur machte, waren die darüber hinausgehenden Merkmale seines Philosophierens. Bezeichnend war z. B. sein stetiges, bohrendes Bemühen, den Dingen auf den Grund zu gehen und z. B. in der Frage „Was ist Tapferkeit?“, sich nicht mit Vordergründig-Augenscheinlichem zufrieden zu geben, sondern den „besten Logos“ zur Sprache zu bringen, d. h. das von Zeit und Örtlichkeit unabhängige, sich gleichbleibende Wesen der Sache.[4]
„Ich weiß, dass ich nicht weiß“, lautet korrekt übersetzt die bekannte Kurzformel aus Platons Apologie, mit der dieser verdeutlichen wollte, was Sokrates seinen Mitbürgern voraushatte: die Einsicht in sein philosophisches Nichtwissen (Aporie).
Platon
(* 428/427 -† 348/347 v. Chr. in Athen) war ein antiker griechischer Philosoph aus Athen. 36 Werke( 34 Dialoge, die Apologie und eine Briefsammlung) sind überliefert.
Platon will in den mittleren Dialogen das Wesen einer Tugend und in einem weiteren Schritt das Wesen aller Objekte bestimmen, ohne sie lediglich als Eigenschaften zu definieren. Ein Mensch mag zwar als gerecht bezeichnet werden, jedoch ist er nicht an und für sich gerecht; ein Gegenstand kann schön genannt werden, aber er ist niemals der Inbegriff des rein Schönen. Allen Dingen, denen aufgrund von Urteilen, die in Sinneserfahrungen gründen, eine bestimmte Eigenschaft (z.B. schön, tapfer, gut) zugeschrieben wird, wohnt zumindest ein Anteil an deren an sich gedachtem Prinzip, eine Idee (z.B. das Schöne an sich) inne.
Platon greift das ursprünglich von Parmenides von Elea entwickelte Konzept eines einzigen Seins hinter den Dingen auf und wendet diesen Gedanken auf zahlreiche philosophische Fragen an. So weist er in der Politeia darauf hin, dass die Mathematiker ihre axiomatischen Voraussetzungen nicht klären, sondern sie als evident betrachten.
Aristoteles
(* 384 v. Chr. in Stageira (Stagira) auf der Halbinsel Chalkidike; † 322 v. Chr. in Chalkis auf der Insel Euboia)
Mit 17 Jahren trat Aristoteles 367 in Platons Akademie in Athen ein. Dort beteiligte er sich an Forschung und Lehre. In Platons Todesjahr 347 verließ er Athen. 343/342 wurde er Lehrer des makedonischen Thronfolgers Alexanders des Großen.
Erkenntnistheorie : Jeder einzelne Sinn vermittle uns allerdings nur bestimmte Eigenschaften der Dinge. Erst der "Allgemeinsinn" vermittle uns ein einheitliches Bild der Wirklichkeit. ["Allgemeinsinn" kann man auch mit "Vernunft" übersetzen. Damit wäre Aristoteles erstaunlich nahe den heutigen naturwissenschaftlichen Auffassungen über den Erkenntnisprozess.]
Die "metaphysischen Schriften" des Aristoteles beschäftigten sich mit den allgemeinen Prinzipien. Dieser Teil der Philosophie wurde von Aristoteles "Erste Philosophie" genannt.
Allgemeine Sätze: Nach Aristoteles verfügen wir mit unserer Vernunft über das Vermögen zur unmittelbaren und irrtumsfreien Erfassung solcher allgemeinen Sätze. Diese seien Vorausetzungen dafür, daß das verstandesmäßige, begriffliche, diskursive Denken über-haupt stattfinden könne, da ihre Richtigkeit aller Beweisführung bereits zu grunde liege. Der oberste allgemeine Satz sei der Satz vom Widerspruch:
1. Etwas, das ist, kann nicht gleichzeitig und in der selben Hinsicht nicht sein. [Durch den Zusatz "in der selben Hinsicht" ist dieser Satz auch für mich als Dialektiker annehmbar.] Beispiel: Der Computermonitor, auf den Sie gerade sehen, ist ein Teil der von Ihnen unmittelbar erlebten empiristischen Welt. Er kann nicht zugleich kein Teil der von Ihnen erlebten Welt sein.
Drei weitere Prinzipien kamen später hinzu:
2. Der Satz der Identität (a = a) Die Dinge sind mit sich selbst identisch.
Sie sind Sie und Ihre Mutter ist Ihre Mutter. Sie sind nicht Ihre Mutter und Ihre Mutter ist nicht Sie.
3. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (Zwischen Sein und Nichtsein eines bestimmten Sachverhaltes gibt es kein Drittes) Entweder gibt es den Weihnachtsmann oder es gibt den Weihnachtsmann nicht. Es kann ihn nicht zugleich geben und nicht geben.
4. Der Satz vom zureichenden Grunde. Alles hat eine Ursache, sonst wäre es nicht. Sie können diesen Text nur lesen, weil ihn vorher jemand geschrieben hat.
René Descartes
(* 31. März 1596 in La Haye/Touraine, Frankreich; † 11. Februar 1650 in Stockholm, Schweden
Descartes gilt als der Begründer des modernen frühneuzeitlichen Rationalismus. Sein rationalistisches Denken wird auch Cartesianismus genannt. Er ist außerdem für das berühmte Dictum „cogito ergo sum“ („ich denke, also bin ich“) bekannt, das die Grundlage seiner Metaphysik bildet, aber auch das Selbstbewusstsein als genuin philosophisches Thema eingeführt hat.
Die gängige Annahme, dass wissenschaftliche Erkenntnis aus sinnlicher Wahrnehmung und Denken entspringt, muss hinterfragt werden. Keiner der beiden Quellen darf man ungeprüft vertrauen. Unsere Sinne täuschen uns oft, da wir nicht einfach wahrnehmen, sondern frühere Wahrnehmungen, die unseren Körper konstituieren, unsere aktuellen Wahrnehmungen bedingen - wir projizieren. Aber auch dem Denken darf man nicht ungeprüft vertrauen, denn ein böser Dämon könnte so auf einen einwirken, dass man zu falschen Schlüssen kommt und sich täuscht. Deshalb ist zunächst einmal an allem zu zweifeln.
Ludwig Wittgenstein
(* 26. April 1889 in Wien; † 29. April 1951 in Cambridge) war ein österreichisch-britischer Philosoph des 20. Jahrhunderts. Er lieferte bedeutende Beiträge zur Philosophie der Logik, der Sprache und des Bewusstseins. Seine beiden Hauptwerke Logisch-philosophische Abhandlung (Tractatus logico-philosophicus 1921) und Philosophische Untersuchungen (1953, postum) wurden zur Grundlage zweier philosophischer Schulen, des Logischen Positivismus und der analytischen Sprachphilosophie.
Thema der Abhandlung Tractatus logico-philosophicus ist, „dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr - nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken“ (Vorwort). Wittgensteins Hauptanliegen ist es, die Philosophie von Unsinn und Verwirrung zu bereinigen, denn "Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen." (4.003)
Wittgenstein unterscheidet drei Arten von Sätzen: sinnvolle, sinnlose und unsinnige. Ein sinnvoller Satz ist ein Satz, der einen Sachverhalt abbildet; sein Sinn ist der Sachverhalt selbst: „Man kann geradezu sagen: statt, dieser Satz hat diesen und diesen Sinn; dieser Satz stellt diese und diese Sachlage dar.“ (vgl. 4.031) Ein sinnloser Satz ist entweder tautologisch (etwa: "Es regnet oder es regnet nicht.") oder - umgekehrt - kontradiktorisch ("Olaf ist ein verheirateter Junggeselle" oder "Sie zeichnet ein fünseitiges Viereck"); er ist kein Bild einer Sachlage, hat also keinen Sinn, „die Tautologie lässt der Wirklichkeit den ganzen - unendlichen - logischen Raum; die Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt.“ (4.463)
Die Welt ist nach Wittgenstein keine Liste sie ausmachender Dinge oder Gegenstände, sondern erscheint in deren Verbindung (Anordnung): dieselben Dinge können in verschiedenster Weise verbunden sein und bilden so verschiedene Sachverhalte. Etwa kann eine Halskette im Schaufenster liegen, den Nacken einer Frau zieren oder Gegenstand einer Versteigerung sein. In jedem der drei Beispielfälle ist die Halskette in unterschiedlicher Weise mit den Dingen um sie verbunden und dadurch Bestandteil eines anderen Sachverhaltes. Nicht alle diese Sachverhalte können gleichzeitig bestehen, sondern immer nur einer auf Kosten der anderen, und eben dies ist die Wirklichkeit: der eine tatsächlich bestehende und die deswegen nichtbestehenden Sachverhalte. Alle überhaupt möglichen Sachverhalte aber, in die ein Ding oder Gegenstand eintreten kann, sind dessen Form.
Die Leiteranalogie, relativ am Ende des Buches, entlehnt Wittgenstein Arthur Schopenhauer eine Analogie und vergleicht das Buch mit einer Leiter, welche weggeworfen werden muss, nachdem man auf ihr hinaufgestiegen ist (vgl. 6.54). Man müsse also durch die Sätze des Tractatus die Unsinnigkeit seiner Sätze feststellen, um ein tieferes Verständnis für den Tractatus erlangen zu können. Trotz der Unzulänglichkeit der Sätze sind sie also notwendige Voraussetzung, um auf eine höhere Erkenntnisebene zu kommen.
„Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen“ heißt es in den Philosophischen Untersuchungen, dem Hauptwerk seiner Spätphilosophie.
Beispiel: Die Ähnlichkeit der Sätze „Ich habe einen Stuhl“, „Ich habe einen Eindruck“, „Ich habe Zahnschmerzen“ verführt zur Auffassung, man „habe“ Eindrücke oder Empfindungen in gleicher Weise wie „Stühle“ (raumeinnehmende Gegenstände, deren Besitz man durch Verkauf oder Einäscherung verlieren kann) wodurch sich das Bild aufdrängt, Wörter wie „Eindruck“, „Empfindung“ oder auch „Gedanke“, „Zahl“ müssten wie „Stuhl“ für irgendwie Raumeinnehmendes wenn nicht Sichtbares, dann Unsichtbares stehen: etwa für „Ideen“ oder das, was man durch „Nachschauen“ in seinem „Innersten erblicken“ könne. Wittgenstein zielt darauf ab, solche unwillkürlichen Bilder (die hier etwa einen „inneren Raum“ mit „unsichtbaren Gegenständen“ suggerieren) zu überwinden, indem er z.B. ihre Entstehung ins Bewusstsein hebt. Sein Philosophieren hat, wie er sagt, mit der „Entdeckung“ (und dadurch Entschärfung) „schlichten Unsinns“ zu tun, infolge dessen sich der Verstand „Beulen“ „beim Anrennen an die Grenzen der Sprache“ geholt habe.
Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Sprache.“ (PU, § 109). Gegenstand der Philosophie ist die Alltagssprache. „Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen auf ihre alltägliche Verwendung zurück.“ (PU, § 84). Der Zweck der Philosophie ist eine Therapie. „Der Philosoph behandelt eine Frage, wie eine Krankheit.“ (PU, § 255) Der in einer Sprachverwirrung gefangene Mensch soll wieder befreit werden. „Was ist dein Ziel in der Philosophie? Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.“ (PU, § 309). Die Spätphilosophie ersetzt den Begriff „Logik“ durch „Grammatik“. Der Unterschied besteht darin, dass im Gegensatz zur Logik die „Grammatik“ als Ensemble von Gepflogenheiten einer Lebensform Veränderungen unterworfen ist; die Gemeinsamkeit besteht darin, dass weder Logik noch „Grammatik“ erklärbar sind, sondern beide sich in dem, was die ausmachen, lediglich zeigen.
Schließlich identifizieren die „Metaphysiker“ in Wittgensteins Früh- wie Spätwerk eine gegencartesianische Ablehnung des Dualismus von privater „Innenwelt“ und öffentlicher „Aussenwelt“ sowie des subjektzentrierten Denkens überhaupt, nicht zuletzt durch das Auslassen jeglicher Erkenntnistheorie oder Transzendentalphilosophie.
Die drei Stadien als Entwicklungsgesetz aller Wissenschaften
(„kindliche“ Religion, „jungenhafte“ Metaphysik, schließlich „männliche“ positive Wissenschaft) nach Isidore Marie Auguste François Xavier Comte (* 19. Januar 1798 in Montpellier; † 5. September 1857 in Paris)
I. Das theologische oder fiktive Stadium
Die Neugier des Menschen treibt ihn dazu an, Fragen über seine Umwelt zu stellen. Er sucht nach den Ursachen und der Erzeugungsweise der Phänomene, die ihn beeindrucken. Also nach der absoluten Erkenntnis. Diese Bedürfnisse werden durch die anfängliche Neigung des Menschen, alle Phänomene den selbst produzierten anzugleichen, befriedigt. Das theologische Stadium gliedert sich in drei Hauptformen.
Der Fetischismus
Hierbei wird allen äußeren Körpern ein dem unseren ähnliches Leben zugeschrieben. Diese Körper haben aber eine mächtigere Wirkung. Die Verehrung der Himmelskörper ist kennzeichnend für diese Phase, sie unterscheidet sich kaum vom Geisteszustand der Tiere.
Der Polytheismus
Während bis hierhin Instinkt und Phantasie in den menschlichen Theorien vorherrschend waren, tritt nun die Einbildungskraft in den Vordergrund. Den materiellen Objekten wird das Leben entzogen und fiktiven, meist unsichtbaren Wesen übertragen. Ihr aktives Eingreifen ist jetzt Ursache aller auftretenden Phänomene.
Der Monotheismus
Die Vorstellung, dass alle natürlichen Phänomene an unveränderliche Gesetze gebunden seien, löst die Einbildungskraft immer mehr ab.
II. Das metaphysische oder abstrakte Stadium
Comte nennt das metaphysische Stadium eine chronische Krankheit, die aber notwendig und unumgänglich sei. Auch in diesem Stadium sind die grundlegenden Fragen die gleichen geblieben: Der Mensch sucht immer noch nach der absoluten Erkenntnis, nur der Lösungsversuch ist ein anderer. Es werden nicht mehr fiktive, sondern abstrakte Wesenheiten, z. B. die Natur, zur Erklärung herangezogen. Die Einbildungskraft verliert an Bedeutung und die echte Beobachtung, der Verstand, gewinnt an Boden. Comte bezeichnet das metaphysische Stadium als inkonsequent, denn es werden die Prinzipien des theologischen Systems beibehalten. Die Metaphysik steht nun vor der Alternative, das theologische Stadium zu restaurieren oder die Herrschaft der Theologie aufzulösen.
III. Das positive oder wissenschaftliche Stadium
Die schrittweise frei gewordene Intelligenz ist nun über die notwendigen Vorstufen zum positiven Stadium gelangt, das den Endpunkt und somit den Optimalzustand darstellt. Grundlage dieses Stadiums ist, dass es unmöglich ist, absolute Erkenntnis zu erlangen. Es entwickelt sich das Gebiet der echten Beobachtungen, die die einzig mögliche Grundlage der Erkenntnisse sein können (Positivismus). Comte führt die Grundregel an, dass eine Behauptung nur sinnvoll sein kann, wenn sie sich auf eine schon einmal da gewesene Tatsache bezieht und somit nachvollziehbar ist.
Ludwig Wittgenstein
(* 26. April 1889 in Wien; † 29. April 1951 in Cambridge) war ein österreichisch-britischer Philosoph des 20. Jahrhunderts. Er lieferte bedeutende Beiträge zur Philosophie der Logik, der Sprache und des Bewusstseins. Seine beiden Hauptwerke Logisch-philosophische Abhandlung (Tractatus logico-philosophicus 1921) und Philosophische Untersuchungen (1953, postum) wurden zur Grundlage zweier philosophischer Schulen, des Logischen Positivismus und der analytischen Sprachphilosophie.
Thema der Abhandlung Tractatus logico-philosophicus ist, „dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr - nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken“ (Vorwort). Wittgensteins Hauptanliegen ist es, die Philosophie von Unsinn und Verwirrung zu bereinigen, denn "Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen." (4.003)
Wittgenstein unterscheidet drei Arten von Sätzen: sinnvolle, sinnlose und unsinnige. Ein sinnvoller Satz ist ein Satz, der einen Sachverhalt abbildet; sein Sinn ist der Sachverhalt selbst: „Man kann geradezu sagen: statt, dieser Satz hat diesen und diesen Sinn; dieser Satz stellt diese und diese Sachlage dar.“ (vgl. 4.031) Ein sinnloser Satz ist entweder tautologisch (etwa: "Es regnet oder es regnet nicht.") oder - umgekehrt - kontradiktorisch ("Olaf ist ein verheirateter Junggeselle" oder "Sie zeichnet ein fünseitiges Viereck"); er ist kein Bild einer Sachlage, hat also keinen Sinn, „die Tautologie lässt der Wirklichkeit den ganzen - unendlichen - logischen Raum; die Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt.“ (4.463)
Die Welt ist nach Wittgenstein keine Liste sie ausmachender Dinge oder Gegenstände, sondern erscheint in deren Verbindung (Anordnung): dieselben Dinge können in verschiedenster Weise verbunden sein und bilden so verschiedene Sachverhalte. Etwa kann eine Halskette im Schaufenster liegen, den Nacken einer Frau zieren oder Gegenstand einer Versteigerung sein. In jedem der drei Beispielfälle ist die Halskette in unterschiedlicher Weise mit den Dingen um sie verbunden und dadurch Bestandteil eines anderen Sachverhaltes. Nicht alle diese Sachverhalte können gleichzeitig bestehen, sondern immer nur einer auf Kosten der anderen, und eben dies ist die Wirklichkeit: der eine tatsächlich bestehende und die deswegen nichtbestehenden Sachverhalte. Alle überhaupt möglichen Sachverhalte aber, in die ein Ding oder Gegenstand eintreten kann, sind dessen Form.
Die Leiteranalogie, relativ am Ende des Buches, entlehnt Wittgenstein Arthur Schopenhauer eine Analogie und vergleicht das Buch mit einer Leiter, welche weggeworfen werden muss, nachdem man auf ihr hinaufgestiegen ist (vgl. 6.54). Man müsse also durch die Sätze des Tractatus die Unsinnigkeit seiner Sätze feststellen, um ein tieferes Verständnis für den Tractatus erlangen zu können. Trotz der Unzulänglichkeit der Sätze sind sie also notwendige Voraussetzung, um auf eine höhere Erkenntnisebene zu kommen.
„Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen“ heißt es in den Philosophischen Untersuchungen, dem Hauptwerk seiner Spätphilosophie.
Beispiel: Die Ähnlichkeit der Sätze „Ich habe einen Stuhl“, „Ich habe einen Eindruck“, „Ich habe Zahnschmerzen“ verführt zur Auffassung, man „habe“ Eindrücke oder Empfindungen in gleicher Weise wie „Stühle“ (raumeinnehmende Gegenstände, deren Besitz man durch Verkauf oder Einäscherung verlieren kann) wodurch sich das Bild aufdrängt, Wörter wie „Eindruck“, „Empfindung“ oder auch „Gedanke“, „Zahl“ müssten wie „Stuhl“ für irgendwie Raumeinnehmendes wenn nicht Sichtbares, dann Unsichtbares stehen: etwa für „Ideen“ oder das, was man durch „Nachschauen“ in seinem „Innersten erblicken“ könne. Wittgenstein zielt darauf ab, solche unwillkürlichen Bilder (die hier etwa einen „inneren Raum“ mit „unsichtbaren Gegenständen“ suggerieren) zu überwinden, indem er z.B. ihre Entstehung ins Bewusstsein hebt. Sein Philosophieren hat, wie er sagt, mit der „Entdeckung“ (und dadurch Entschärfung) „schlichten Unsinns“ zu tun, infolge dessen sich der Verstand „Beulen“ „beim Anrennen an die Grenzen der Sprache“ geholt habe.
Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Sprache.“ (PU, § 109). Gegenstand der Philosophie ist die Alltagssprache. „Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen auf ihre alltägliche Verwendung zurück.“ (PU, § 84). Der Zweck der Philosophie ist eine Therapie. „Der Philosoph behandelt eine Frage, wie eine Krankheit.“ (PU, § 255) Der in einer Sprachverwirrung gefangene Mensch soll wieder befreit werden. „Was ist dein Ziel in der Philosophie? Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.“ (PU, § 309). Die Spätphilosophie ersetzt den Begriff „Logik“ durch „Grammatik“. Der Unterschied besteht darin, dass im Gegensatz zur Logik die „Grammatik“ als Ensemble von Gepflogenheiten einer Lebensform Veränderungen unterworfen ist; die Gemeinsamkeit besteht darin, dass weder Logik noch „Grammatik“ erklärbar sind, sondern beide sich in dem, was die ausmachen, lediglich zeigen.
Schließlich identifizieren die „Metaphysiker“ in Wittgensteins Früh- wie Spätwerk eine gegencartesianische Ablehnung des Dualismus von privater „Innenwelt“ und öffentlicher „Aussenwelt“ sowie des subjektzentrierten Denkens überhaupt, nicht zuletzt durch das Auslassen jeglicher Erkenntnistheorie oder Transzendentalphilosophie.
Eine vergleichbare Grenze besteht bei allen Sätzen, die Handlungsanweisungen geben sollen. Der Satz „Du sollst nicht töten!“ formuliert eine weitverbreitete Anweisung menschlichen Zusammenlebens. Bei einer Begründung, warum man nicht töten soll, muss man das Projekt einer Abbildung von Realität jedoch in jedem Fall verlassen. „Weil menschliches Zusammenleben sonst schwierig wird“, „Weil Gott einen andernfalls straft“. Begründungen wie diese verschieben das Problem von der einen in andere Handlungsanweisungen. Man muss am Ende sagen: „wenn ich dies will, muss ich dies tun“, kommt jedoch nicht über den Punkt hinaus, dass man dies will.