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12. Das Birmanische Tanz- und Marionettentheater Es ist verwunderlich, dass sich in Myanmar die Musik, der Tanz und das Schauspiel so gut entwickeln konnten, obwohl der Hinayana-Buddhismus den Gläubigen jegliche Betätigung in den weltlichen Künsten wie der Dichtung, dem Tanz, dem Gesang und der Musik untersagt hatte, da diese fürs Seelenheil abträglich seien. Die Entwicklung des birmanischen Theaters gleicht der Entwicklung des europäischen Theaters. Ein Ausgangspunkt bildet die Darstellung des Lebens des Religionsstifters Buddha im geistlichen Schauspiel durch bewegungslose Szenenbilder und später hinzugefügte lustige Szenen. Der andere Ausgangspunkt bildet die Übernahme des hochentwickelten thailändischen Hofschauspiels. Da das geistliche Schauspiel strengen Regeln unterworfen war, z.B. durfte Buddha selbst nicht dargestellt werden und die Heiligen, die Bodhisattvas und Arhats, nur von Gläubigen, die sich durch Fasten und Enthaltsamkeit vorbereitet hatten, trat das Marionettenspiel an seine Stelle. Als sich im 18. Jahrhundert nach der Eroberung Thailands (1767) das Birmanische Nationaltheater durch die umgesiedelten thailändischen Künstler entwickelte, übernahmen die Tänzer die steifen und eckigen Schritt- und Tanzbewegungen der Marionetten. Die Theaterleidenschaft der Burmesen führte sogar zur Einrichtung eines Ministeriums für das Theater. Das Birmanische Theater geht ursprünglich auf die Pyu in Südbirma
zurück, die sich allmählich mit den Burmesen vermischten. Bereits
im Jahre 802 empfing der chinesische Kaiser eine Gesandtschaft
der Pyu, die als Anerkennung der kaiserlichen Oberherrschaft eine
Theateraufführung präsentierten. In den chinesischen Annalen wird
berichtet, dass eine Truppe von 35 Tänzern und Musikern eine solche
Vorführung vor dem Kaiser gab. Aufgeführt wurden Erzählungen aus
buddhistischen Lehrwerken. In einem chinesischen Gedicht wird
dieses Ereignis festgehalten: "Musik des Pyu-Landes! Alle chinesischen Quellen bestätigen das hohe künstlerische Niveau der Pyu-Vorführung, in der Tanz, Gesang und Musik zu einer untrennbaren harmonischen Einheit verschmolzen waren. Das Orchester verfügte über 22 Musikinstrumente und über ein Repertoire von 12 Stücken. Auf unserer Reise sahen wir in Yangon, in Bagan und in Mandalay Marionettenaufführungen und waren begeistert. Die Musiker sitzen neben der Bühne. Der Trommler befindet sich in einem Kreisgatter von 21 Trommeln. Der Gongschläger in einem Kreis von 19 Gongs verschiedener Größe. Dazu kommt eine Oboe, eine Bambusflöte, mindestens eine große Trommel, Zimbeln und Bambusklappern. Da die birmanischeMusik keine chromatische Tonleiter und keine Akkorde kennt, ist der Klang etwas gewöhnungsbedürftig. Das Spiel beginnt mit einer Einleitungsmusik, dann folgt ein Beschwörungstanz für die Geister, darauf wird in einem Vorspiel die Erschaffung der Welt nachgespielt, in dem viele mythologische Wesen und Tiere auftreten. Das Pferd spielt dabei eine besondere Rolle, da mit dem Erscheinen des Sternbildes des Pferdes Ordnung in das Chaos des Universums kam. Danach treten Vögel, der Elefant, der Tiger und der Affe auf, dann der Riese, der Drachen und der Zauberer, der die Naturgesetze überwindet, indem er durch die Luft fliegt. Sie alle tanzen den Tanz der Daseinsfreude. Allerdings dürfen nur 28 Figuren auftreten, weil nach der buddhistischen Lehre jedes Lebewesen aus 28 physischen Teilen besteht. Die Hauptfiguren sind neben einem König, zwei Prinzen, vier Minister, eine alte Frau, deren Brüste beweglich sind, ein Brahmane, ein Einsiedler, zwei Clowns und zwei himmlischen Wesen, die Liebenden Mintha und Minthami, ein Prinz und eine Prinzessin, um die sich das Geschehen meist dreht. Eine Figur ist bis zu einem Meter groß und wird mit bis zu 20 Fäden lebendig. Insgesamt gibt es 2000 verschiedene Tanzbewegungen, davon sind 12 Kopfbewegungen, 28 Augenbewegungen, 24 Bewegungen mit einer Hand, 21 Bewegungen mit zwei Händen, 38 Beinbewegungen, 8 verschiedene Körperhaltungen und 10 Gehbewegungen. Neben diesen Bewegungsformen erfindet der Marionettenspieler den Text, spricht ihn und singt ihn. l |