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13. Die wunderliche Wasserwelt im Inle-See

Auf unserer Tagesrundfahrt über den Inle-See sehen wir auch die berühmten Fischer. Berühmt sind sie, weil sie eine einzigartige Rudertechnik entwickelt haben. Sie stehen mit einem Bein auf einer kleinen flachen Plattform am hinteren Bootsende, wo sonst das Steuerruder oder der Motor hängen. Mit dem zweiten Bein umklammern sie ein schmales Ruder, das sie mit Hüftschwung ins Wasser eintauchen und so das Boot vorwärtstreiben. In den Händen halten sie eine körpergroße Reuse oder eine lange Stange mit Speerspitze, die Widerhaken trägt. Immer wieder drücken sie die Reusen ins flache Seewasser. Dann nehmen sie die Stange und stochern in den Unterwasserpflanzen, um einen Fisch aufzuscheuchen. Häufig bilden mehrere Fischer mit ihren Booten einen Kreis, den sie immer enger ziehen. Immer wieder stoßen sie ihre Reusen aufs Neue ins Wasser. Ich denke an unsere Hühner, die durchs Gras laufen und immer wieder aufs Geradewohl hinein picken, um Würmer zu finden. Einen einzigen kleinen Fisch holt ein Fischer mit seinem Spieß herauf. Das muss wohl eher eine Sportart sein als ein Lebensunterhalt. Mir leuchtet ein, dass ein Fangnetz hier nur Pflanzen einfangen würde. Wieviel bequemer haben es unsere Sportangler, die sich einen Sessel ans Ufer stellen und ihre Schnur mit einem Schwimmer immer wieder ins Wasser werfen. Die Fischer vom Inle-See stehen stundenlang auf einem Bein oder rudern mit dem Arbeitsbein an eine andere Stelle des Sees. In den Seedörfern, die auf hohen Holzstelzen mitten ins Wasser gebaut sind, sehen wir später auch viele Kinder, die mit der Beinrudertechnik ihr Boot vorwärts bewegen.

Hier im Inle-See ist noch vieles anders. Die Gärten schwimmen auf der Wasseroberfläche. Sie werden quer über den See gezogen und an bestimmten Stellen zu Gartenkolonien vereinigt, indem die schwimmenden Gartenstreifen mit Stangen im Seeboden festgesteckt werden. Auf der Grasnarbe wachsen Blumen, Tomaten, Kürbisse, Erbsen und Kohlsorten. Zwischen diesen Gartenstücken bewegen sich die Boote der Gärtner. Wenn nötig kann das Boot auch quer über einen Gartenstreifen fahren wie unser Boot, als der Fahrer die scharfe Kurve nicht schafft. Er gibt Gas, hebt seinen Motor hoch und drückt den Garten unter Wasser.

Das Wasser schränkt die Menschen kaum ein. In ihren Dörfern gibt es Fabriken, in denen Seidenstoffe gewebt oder Zigarren hergestellt werden, aber auch Schmiede, die in einem Holzhaus über dem Wasser die Arbeitsgeräte für Feld und Garten schmieden. Natürlich gibt es auch viele Bootswerften. Wie in jedem birmanischen Dorf gibt es hier auch viele Klöster im See, die auf kleinen Erdinseln liegen. Zum Markt am Seeufer kommen die meisten Menschen allerdings nicht als Beinruderer, sondern als Passagiere eines größeren Motorbootes, mit dem auch wir über den See fahren. Auf dem Markt treffen sich die Seebewohner und die Uferbauern. Die Uferbauern kommen alle mit Ochsengespannen. Sie bringen Holz und Bambus für die Häuser und kaufen Fisch oder andere Produkte der Seebewohner.

Eine besondere Kuriosität des Sees ist der Tempel der goldenen Buddhas. Hier befinden sich vier kleinere Buddhafiguren, die durch die Goldauflagen zu Bällen oder Kegeln degeneriert sind, gesichtslos, nur noch Goldkörper. Einmal im Jahr werden sie in einer einwöchigen Prozession mit einer prächtigen Barke zu den Dörfern im See gefahren, eine Fronleichnam-Prozession auf Buddhistisch.

 

Nach einer längeren Fahrt durch die Seitenkanäle des Sees kommen wir zum Höhepunkt unserer Seereise, einem Ruinenfeld mit Hunderten von Pagoden. Häufig sind die Schirme abgebrochen oder hängen schief. Bei manchen Pagoden sind Sträucher oder Bäume durch das Ziegelgemäuer bis in die eiserne Schirmspitze gewachsen. In den Pagoden sitzen kopflose Buddhagestalten, einige mit Blumen, einige mit Goldblättchen beklebt. Hierher kommen nicht viele Touristen. Wir gehen durch eine verwilderte, romantische Anlage einen Hügel hinauf zum kleinen Kloster.

Während die Sonne ihr warmes Abendlicht über die Reisfelder legt, fahren wir wieder langsam an den Wasserbüffeln vorbei, die überall im Kanal das Wasser genießen und uns nur unwillig Platz machen.