Teil I


Wo Himmel und Erde sich vereinen.
Blick über den Salzsee von Uyuni

Bolivien

La unión es la fuerza
„Die Einheit ist die Stärke“


In der nationalen Schatzkammer "Haus der Freiheit" in Sucre,
der ehemaligen Jesuiten-Universität von 1621,
in dem 1825 die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben wurde.
(links der der Freiheitsheld Bolivar )

Bolivien ist mit 1.084.391 qkm etwa dreimal so groß wie Deutschland und hat 8.724.156 Einwohner (Juli 2004).

Da Bolivien in Kriegen mit Peru und Chile den Zugang zum Meer verloren hat, überlässt Peru in einem Freundschaftsvertrag Bolivien 1992 auf 50 Jahre den Hafen von Ilo als Freihafen und Freihandelszone und 5 km Küstenstreifen incl. 5 km Strand.

Neben Spanisch werden die indianischen Sprachen Quechua, Aymara, Guaraní gesprochen, Englisch höchstens in den wenigen touristischen Anlaufpunkten!

Die Rundreise durch Bolivien und das südliche Peru
26 Tage

Reiseorganisation: http://www.djoser.de/bolivien_peru/3300/#

Frankfurt - Santa Cruz - Sucre - Tarabuco - Sucre - Santa Cruz - Potosí - Uyuni - Salar de Uyuni - La Paz - Puerto Perez - Copacabana - Isla del Sol - Copacabana - Puno - Cuzco - Aguas Calientes - Cuzco - Lima - Frankfurt

Teil I: Bolivien (21 Seiten incl. 27 Fotos)
Teil II: Peru (15 Seiten incl. 22 Fotos)

Unsere Reisezeit im Februar lag in der sommerlichen Regenzeit. Angenehme Temperaturen um 20°-25°. Es regnete oder hagelte meist nur kurze Zeit in der Nacht oder am Nachmittag. Der blaue Himmel zeigte großartige Wolkenformationen, die viel eindruckvoller waren als die Berge. Keine Mücken- oder Fliegenplage. Keine Malariaprophylaxe.

Dieser Reisebericht enthält neben den Reiseerlebnissen meine vielleicht etwas provozierende Meinung zu Entwicklungen und Zuständen in den Ländern und die sicherlich informativen Ergebnisse einer anschließenden, intensiven Beschäftigung mit folgenden Themen, über die, ausgehend vom Reisebericht, zusätzliche Links informieren:

Die Textilien von Tarabuco und Jalq`a.(4 Seiten/ 6 Fotos)
Glaube an einen dreigestaltigen Gott (1/1)
Die Mahlzeit für die Erdmutter Pachamama (3/1)
Der Minenteufel Tio (3/1)
Die Zwangsarbeit bei den Inkas und den Spaniern (5)
Die Tänze bei den karnevalistischen Umzügen (3/3)
Mennoniten und Nazis (3)
Koka und Kokain(2)
Kartoffelzüchtungen der Indios (6/viele Bilder)
Traditionelle Symbole (8/viele Beispiele)
Evo Morales (3)
Che Guevara (2)


Junges Lama

REISENOTIZEN AUS BOLIVIEN UND PERU
Bolivien: 21 Seiten, incl.28 Fotos

Berichte über Bolivien und seinen neu gewählten Präsidenten Evo Morales stehen in allen Zeitungen, als ich zu meiner einer ersten Reise nach Südamerika aufbreche.

Wir werden mit dem Kolonialstaat Schluss machen,
500 Jahre Ungerechtigkeit gegen unser Volk beenden
,

sagt Morales und das Volk sang:

Uka jacha uru jutasjiway
Der Tag ist gekommen.

Damit ist gemeint, dass die Bodenschätze zurückgewonnen werden sollen, dass die Ausbeutung beendet werden soll, dass dem Volk erklärt werden soll, warum die Reichtümer des Bodens, Silber, Zinn, Öl, Gas, das Land nicht aus der Armut befreit haben. Für dieses Programm greift Morales als erster Indio-Präsident der sieben größeren Andenrepubliken seit 134 Jahren zurück auf alte Kulturen der Vorzeit. Von 5 Sonnenpriestern lässt sich Morales, gekleidet in einem "Ethnokostüm" in Tiwanaku einen Stab überreichen und wird so zum Willensvollstrecker von Mutter Erde (Pachamama) und Vater Sonne (Tata Inti) und zum "Häuptling aller Urvölker".

Sein bunter Ringelpulli (Symbol der Pluralität des Landes? und ein Affront gegen die herrschende, Krawatte tragende Klasse), den er normalerweise trägt, wird in La Paz vielfach in Geschäften angeboten. Werden wir Streiks, Demonstrationen und politische Unruhen erleben? Wird die absolute Mehrheit seiner MAS (Movimiento al Socialismo) politische Stabilität bringen nach dem schnellen Wechsel von 4 Präsidenten in 3 Jahren?

Als Freund der "demokratischen Revolutionäre" Fidel Castro und Venezuela-Präsident Chavez und als Gegner der USA werden die Folgen von angekündigten Enteignungen (Ölfirma Repsol, Erdgas) sicherlich für Unruhe sorgen.

Die MAS fordert Förderabgaben in Höhe von 50 % für Öl- und Gaskonzerne, um der verarmten Landbevölkerung eine Teilhabe am Rohstoffreichtum Boliviens zu ermöglichen. Die in Bolivien tätigen internationalen Gasunternehmen British Gas, die französische Total, die spanisch-argentinische Repsol YPF und die brasilianische Petrobrás drohen mit Abwanderung und Schadensersatzklagen.

Dazu kommt, dass die Soja-Bauern und Gasförderer im Tiefland um Santa Cruz nach Unabhängigkeit streben. s. Präsident Morales


Schneller Wechsel zwischen Sonne und dunklen Wolken

Santa Cruz (420 m)

Wir sind vor zwei Stunden in Santa Cruz angekommen. Eine unzumutbare Anreise, die Djoser sich ausgedacht hat. Wegen der Stopps und langen Wartezeiten sind wir 30 Stunden unterwegs gewesen. Zuerst sind wir in Recife gelandet und haben getankt, dann Landung in Rio, dann Sao Paolo und sowohl in Rio als auch in Sao mussten wir mit dem Gepäck auschecken und wieder einchecken, entgegen den Informationen in Frankfurt. Endlos, und die Hitze hat zugenommen.

Hier in Santa Cruz (420 m) haben wir jetzt 30 Grad. Das Zimmer im Hotel ist ein Loch ohne Fenster, eng, heiß, ohne Frischluftzufuhr. Vielleicht bekomme ich heute Abend ein anderes. Hotel Bibosi ist halt ein Billighotel im ersten Stock mit sehr dunklen Gängen.

Die Reisegruppe besteht aus 14 angenehmen Personen aus allen Teilen Deutschlands, die z.T. erst in Santa Cruz sich als Gruppenmitglieder zu erkennen geben. Auch drei Deutschausländer sind dabei, mit denen die Verständigung etwas schwierig ist, weil sie kein Hochdeutsch sprechen. Morgen werden wir wahrscheinlich nicht fliegen können, weil die Piloten der vorgesehenen Airline streiken. Eine Umbuchung sei nicht mehr möglich. Es wird dann eine endlose Fahrt die Passstraßen hoch auf uns zukommen. Heute Abend werden wir gemeinsam essen. Bolivianos habe ich schon mit der EC-Karte an einem der vielen Bankautomaten getauscht. Euros werden hier zu einem schlechten Kurs getauscht.

Bin vom Hotel, das ganz zentral liegt, durch die Straßen der geometrischen Innenstadt zur Kathedrale gegangen, die natürlich am Hauptplatz mit Heldendenkmal liegt, nicht sehenswert, nur von außen interessant. An den Strassenrändern sitzen Bettler und im Park Schuhputzer, durchweg erwachsene Männer, auf Gestellen. Indios verkaufen Schmuck und Obst. Viele Polizisten mit speziellen axtförmigen Stöcken, die auch die Penner von den Bänken vertreiben. Starker Autoverkehr.

Es ist sehr heiß und schwül. Gottseidank habe ich auch eine dünne Sommerhose mitgenommen. Für ein angekündigtes Picknick, das unterwegs nach Sucre stattfinden soll, habe ich Wasser, Käse und Äpfel gekauft.

Hier im Internetcafe ist es durch die Ventilatoren etwas kühler. Inzwischen geht es auf sieben Uhr zu. Neben mir sitzen drei kleine Kinder am PC und probieren herum. Surfen ist sehr billig. 1 Stunde für 30 Ct.


Riesige Baumkakteen

Von Santa Cruz nach Sucre, 420 - 2800 m

Etwas Regen. Vom Hotel fahren wir in Taxis zum Busbahnhof, wo wir Eintrittskarten, Buskarten und Gepäckkarten bekommen. Gegen 8 Uhr fahren wir ab. Eine Indiofamilie fährt mit in die völlig abgelegene Gegend, die wir durchfahren werden. Unterwegs nimmt unser Koka kauender Fahrer in seinem abgeschotteten Führerhaus immer wieder einzelne Indios mit. Während wir auf Video und Musik verzichten, dröhnt aus dem Führerhaus laute Disco-Musik, was meine Nachbarin immer wieder zu Schimpfkanonaden auf diese Machos veranlasst.

Die Strecke geht quer durchs Land, nach 1 Stunde Fahrt idyllische Landschaft, ein kurzes Stück neu asphaltierter Straße, dann durch ausgetrocknete Flussbetten, bergauf, bergab, zwischen 1500 und 2200 Metern. Die Landschaft ist sehr schön und abwechslungsreich, schöner als Weihnachten im indischen Orissa. Urwald, Gärten, Wiesen, Schluchten, Geröll, erodierte Lehmhänge; die Landschaft erinnert an Afrika - Lehmspeicher wie bei den Dogon in Mali - Schlamm auf dem Weg, wenig Fels. Ab 1400 m wird es sehr staubig. Neben der Straße manchmal eine Gasleitung und ein Fluss. Dann Berge ohne Bäume, Gras, Ziegen. Ab 2400 m nehmen die Wolken zu.

Erst gegen 20 Uhr haben wir die Möglichkeit, in der Dunkelheit auf einem Straßenmarkt etwas vom Grill zu kaufen. Leider kennt unser Reiseleiter sich im Land nicht aus. Er ist zum ersten Mal in Bolivien. Sein Gebiet ist Peru.

In Sucre müssen wir in Taxis umsteigen, weil unser Bus zu groß ist für die engen Straßen.


Vor dem Franziskanerkloster Convento de la Recoleta oberhalb von Sucre

Sucre

ca. 150.000 Einwohner, 2.800 m , ist laut Verfassung die Hauptstadt, dort befindet sich jedoch lediglich der oberste Gerichtshof. La Paz ist mit dem Parlaments- und Regierungssitz faktisch das Machtzentrum.

Gegründet von Pedro Anzúrez de Camporedondo (?, Sahagún - ?1543, Perú) 1538 als La Plata (heute: Sucre, einheimischer Name: Choquechaca; andere Namen im Lauf der Geschichte: Charcas, Ciudad Blanca)

Wir sind gestern tatsächlich 16 Stunden mit einem alten VW-Bus gefahren. Gegen 24 Uhr waren wir erst in Sucre, 1 Uhr im Bett.

Im Hotel Independencia haben sie zu wenige Zimmer frei gehalten. Einige müssen in ein anderes Hotel. Aber dieses ist ein schönes Hotel mit Patio. Im Zimmer gibt es allerdings keinen Ventilator, aber einen Gratis-PC fürs Surfen und für Emails. Am Morgen werde ich durch Explosionen und Donnerschläge geweckt. Blitze. Dann gießt es wie aus Eimern. Von der Kirche nebenan läutet um 7 Uhr eine Glocke. 8 Uhr beim Frühstück unter den Kronleuchtern des fürstlichen Zimmers regnet es nicht mehr.


Einheimische auf dem Sonntagsmarkt in Tarabuco

Tarabuco

Heute waren wir auf dem Sonntagsmarkt in Tarabuco (63 km, 1 1/2 Stunden in Richtung Paraguay). Die Landschaft in dieser Richtung ist karg und steinig. Einzelne Gehöfte aus Lehm mit Mais- und Erbsenfeldern. Am Haus ein runder Lehmbackofen. Der Ort wirkt sehr "andalusisch" mit den schmalen geometrischen Gassen, den niedrigen, ziegelgedeckten Häusern. Der zentrale Markt um den Hauptplatz vor der Kirche ist sehr touristisch, nur der Gemüse- und Fleischhof und eine Straße mit westlichen Kleidungsstücken sind den Einheimischen vorbehalten. Viele Straßen werden von Verkaufsständen gesäumt, vorwiegend mit gewebten und gestickten Textilien im traditionellen Indiostil. Lästig sind die alten, bettelnden Frauen, die versuchen Stoffe oder Bänder zu verkaufen.

Interessant sind vor allem die Trachten der Indios, ihre komischen schwarzen Lederhüte (monteras), nachgemachte Helme der Konquistadoren, die von verheirateten Männern und Frauen getragen werden. Die unverheirateten Frauen tragen topfartige, runde Hüte mit bunter Wolle, Glitzeraufnähern und Nackenschutz wie französische Tropenhüte der Fremdenlegion, die juq`ullus. Daneben sieht man am häufigsten steife Filzmelonen (Stetson-Hüte) und Wollmützen.
s.u. Ausführungen zu den Textilien von Tarabuco und Jalq`a.


Unverheiratete und verheiratete Frauen aus Tarabuco in Tracht

Beim Mittagessen tanzt ein Flöte spielender Indio in typischer Karnevals-Tracht mit rasselnden Holzschuhen und großem Helmschmuck, die wir beim Umzug in Potosi wiedersehen.

Große Hitze, ein paar Tropfen Regen, Sonne mit schönen Wolken und Blau dazwischen. Morgen ist die Besichtigung Sucres angesagt, weil heute die Museen geschlossen sind.

Einige Teilnehmer sind von der Reise schon ganz geschlaucht, höhenkrank - dabei sind wir erst auf 2800 m, der Markt liegt auf 3220 m. Mir geht es gut.


Sucre

Auf dem Hauptplatz ein Heldendenkmal von General Sucre. Im Casa de Libertad weitere Befreiungshelden u.a. ein riesiger Holzkopf von Bolivar. Hier werden die nationalen Reliquien aufbewahrt: Schriftstücke, Schwerter, Fahnen, Spazierstöcke der Präsidenten und Porträts von Freiheitshelden.

Die katholischen Kirchen

Wir haben in Sucre noch alle möglichen Kirchen besichtigt. Mit dem Taxi zum Franziskanerkloster Convento de la Recoleta, Führung. Naive Missionskreuze, von den Indios mit farbigen Papierschlangen umwickelt, im geschnitzten Chorgestühl provinzielle Figuren. Drei Innenhöfe. Orangenbäume. 1400 jähriger Wunschbaum.

Die hohen, vergoldeten Altäre und die vielen Heiligendarstellungen wirken sehr kitschig. Der schmerzvolle bzw. ergebene Gesichtsausdruck der Heiligen ist meistens unsäglich und unerträglich, z.B. die Darstellungen des blutenden Jesu, einen Dornenkranz um den Kopf, die rotblutigen Augen sehnsüchtig, leidvoll nach oben gerichtetet. Die rote Halsschnur einer Figur deutet auf die Todesart, ein wieder aufgesetzter Kopf eines geköpften Heiligen. Leichentücher, die einen Körperabdruck von Jesus zeigen. Maria als königliche Göttin und als modische Prinzessin. Ungewöhnlich ist die Krönung Mariens durch drei identische Götter. Viele Heilige tragen Röcke oder Brokatgewänder, auf denen die Kreuzigungs- und Leidenssymbole Christi abgebildet sind. Eine Totenbahre mit Sensenmännern, einem Gerippe entfällt die Sense. Statt der üblichen Taube für die dritte göttliche Person steht manchmal der Kondor. Viele Herzsymbole in allen Größen. Auf einem neueren Bild steht ein unblutiger Jesus, der aus seinem Herzen Sonnenstrahlen entsendet. Jesus als Lichtgestalt. Insgesamt beherrschen aber die düsteren Themen Blut-Herz-Tod die Darstellungen in den Kirchen.


Kitsch-Darstellung: Blut, Qual, Schmerz, Tod und Hingabe
Die heilige Jungfrau mit durchbohrtem Herzen und blutigem Leichnam ihres Sohnes in Gold und Silber.

Die meisten Kirchen gehören zu einem Ordenskloster. Die Ordenspriester kamen mit den Militärs ins Land. Der Reichtum der Orden ist noch heute den weitläufigen Klosteranlagen und der kostbaren Ausstattung der Kirchen anzusehen. Die Bekehrung der "Heiden" zum christlichen Gott war ein wichtiger Deckmantel für die Unterwerfung der Indios unter die spanische Krone. Entsprechend stark ist noch heute (1974) die Präsenz der katholischen Orden in Bolivien (558 Ordenspriester und 1637 Ordensschwestern gegenüber 355 Weltpriestern).

Auf dem Friedhof sind die Kreuze mit lila Glanzpapier umwickelt, eine liturgische Farbe? Blinde mit Umhängekreuz bieten ihre Dienst als Beter an. Über dem Friedhofstor die lateinische Inschrift "Hodie mihi Cras tibi" (Heute holt der Tod mich und morgen dich.)

Inzwischen hat die katholische Kirche durch die nordamerikanischen Sekten der Evangelikalen, die mit viel Geld die Indios in ihre Kirchen locken, eine starke Konkurrenz bekommen.

Seit ungefähr 15 Jahren müssen wir auf dem Altiplano eine wahre Invasion von evangelischen Pastoren und katholischen Katechisten über uns ergehen lassen; das ist eine zweite Konquista; diesmal keine politische, sondern eine ideologische Konquista ... Wir weisen weder Gott noch die Bibel zurück, wohl aber weisen wir die Dollar-Religion und die Vatikan-Religion zurück."(Reaktion eines Indios)

In der Stadt deutschsprachige Schilder: "Deutsche Fleischereiwaren" oder "Schönheitssalon und Ästhetik".

In der Umgebung von Sucre haben sich in eigenen Dörfern auch viele Mennoniten angesiedelt. Selbst ehemalige Nazis nutzten Bolivien als Zufluchtsort.

Am besten hat mir der Besuch im ethnografischen Museum gefallen. Präsentationen traditioneller Webtechniken und der ungewöhnlichen und gegensätzlichen Motive in den Textilien der Indios von Tarabuco und Jalq'a und Einführungen in die Musik, Tanzformen und Kostüme der Indios anhand von Videos und Musikbeispielen. Im Keller Grabungsfunde aus Tiwanako.

Potosi 4070 m

Heute sind wir weiter gefahren auf 4000 m Höhe. Einigen ging es so schlecht, dass der Arzt schon kommen musste. Erkältung und Höhenkrankheit. Gestern morgen hatten wir bis zum Mittag Regen, dann wieder Sonne. Im übrigen ist es hier viel wärmer als gedacht. Bis auf Nackenschmerzen geht es mir gut. Morgen fahren wir zu den Minen und werden bis Mittag dort bleiben, nachmittags geht es zu heißen Quellen.

Die Hochebene ist eine öde, leicht hügelige Landschaft mit Schafen und einigen Lehmgehöften. Wir sehen kleine Felder mit Mais, Dicke Bohnen, Erbsen und Gerste. Wir überqueren den breiten Potomayo. Eine aufwändige Hängebrücke mit großen Türmen erinnert an den Silberweg von Potosi zur Küste. Später ein Schienenstrang. Eisenbahnwagen.


Ein Kartoffelfeld

Die Stadt Potosi wirkt aus der Ferne wie eine Blechhüttenstadt, aber im Innern ist sie atmosphärischer als Sucre. 162.500 Einwohner leben in dieser Stadt, die von zahlreichen prunkvollen Kolonialbauten durchzogen ist. Doch nicht darin liegt die Hauptattraktion von Potosi. Hinter den Häusern liegt ein orangefarbener, mit vielfarbigen anderen Gesteinsformationen durchzogener Bergkegel, der Cerro Rico (4829 m) . "Reicher Berg" lautet die Übersetzung aus dem Spanischen wegen des Mineralienreichtums. Vor allem Silber wurde hier in großen Mengen gefördert. Sumaj Orcko, heiliger Berg, nennen ihn die Quechua und verehren ihn als einen Berggott.

Man kann Frauen beobachten, die mit dem Hammer Gesteinsbrocken zertrümmern, um an die Zinnkörner zu gelangen. Viele Kinder laufen umher und bieten kleine Mineralien zum Verkauf an. Viele ihrer Lehmziegelhütten sind direkt am Hang des Berges angesiedelt. Dieser Cerro Rico ist zum Weltkulturerbe erklärt worden, ein Denkmal für die Nachfahren der 8 Millionen Indios, die durch die Zwa ihren Tod gefunden haben.

Besichtigung der Münzpräge, der Casa Real de la Moneda, die als eines der wichtigsten Museen Boliviens beschrieben wird. Es enttäuscht mich, hier werden in den festungsartigen Gebäuden vorwiegend riesige Münzprägemaschinen, Prägesstempel, Münzen und ein Sammelsurium aus Gemälden, Möbeln, Kultgeräten und Schriftstücken gezeigt.

Der Silberberg von Potosi

Heute war ich unter Tage. Wir bekommen gelbe Overalls, Stiefel und Karbidlampen. Auf dem Minenarbeitermarkt kaufen wir mit unserer Führerin vorher Geschenke für die Arbeiter und Tio. Große Säcke mit Kokablättern stehen vor vielen Verkaufsbuden. Das Kauen von Kokablättern ist hier allgemein üblich. Seit alten Zeiten dienen die Blätter zur Ausschaltung des Hungergefühls und zur Verstärkung der Arbeitsenergie. Wir nehmen zwei Plastikbeutel mit, dazu Kalk und Gewürzstückchen und eine Flasche 96 %igen Alkohol.


Hier kauft unsere Führerin Dynamitstangen und Zündschnüre

In einem anderen Shop kaufen wir als Gastgeschenke einige Stangen Dynamit und Explosionsverstärker. Hier kann jeder Terrorist und Feuerteufel sich zwanglos mit Sprengstoff eindecken. Bevor wir in einen Minenschacht gehen, führen uns unsere Begleiter an einer abgelegenen Stelle zwei Sprengungen vor. Danach stiefeln wir zwischen uralten Schienen mit unseren Kopflampen durch den schlammigen Schacht Morena. Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir nicht zwischen Loren und Felswand geraten. Die gefüllten Loren werden meist von drei Arbeitern geschoben. Ab und zu springen sie von den desolaten Schienen herunter und müssen mit viel Mühe wieder auf die Schienen gehebelt werden. Allein würden wir uns in dem Labyrinth von Gängen verirren.

Nach einigen hundert Metern erreichen wir eine Höhle im Fels, die Platz für ein Dutzend Leute bietet. Sogar Sitze sind aus dem Fels heraus geschlagen worden. Dort steht in der Mitte der niedrigen Höhle eine unheimliche Gestalt, der gehörnte Minenteufel TIO. Ihn und auch die Pachamama müssen wir erst günstig stimmen, damit uns kein Unglück passiert. Unsere Führerin und auch wir streuen Kokablätter auf seinen Schoß und auf den Boden für die Erdmutter. Dem Tio wird eine brennende Zigarette in den Mund gesteckt. Raucht er sie und verlöscht sie nicht, dann ist das ein gutes Zeichen. Danach wird ihm Alkohol über die Augen und über die Beine gestrichen, damit er den Bergleuten gutes Licht und heile Glieder verleiht, auch für die Erdmutter gibt es einen Guß auf die Erde, damit sie das Wühlen im Gestein wohlgefällig hinnimmt. Anschließend nehmen wir einen winzigen Schluck Alkohol und stecken einige Blätter Koka in die Backentasche.

So vorbereitet stapfen wir hinter unserer Führerin her zu einer Stelle, wo gerade mit einer Schubkarre schlammiges Steinmaterial aus einem Seitenstollen herangeschafft wird, um hier auf eine Lore geschaufelt zu werden. An anderen Stellen arbeiten in bis zu 40 m tiefen, brunnenartigen Löchern Kinder, die 50 kg Stein-Portionen fertig machen, die dann mit einer Seilwinde nach oben gezogen werden.

Die Arbeitsbedingungen hier drinnen unter verrotteten Baumstützen sind erschreckend. Wir frieren. Es ist gar nicht warm, wie unser Guide uns vorher gesagt hatte.


Arbeiter mit Kokabeutel vor der Mine

Neben Tio, dem alte Indiogott, ist auf dem Berg auch der christliche Gott in der überdimensionalen Christusfigur, welche schützend die Arme ausbreitet, präsent und auch die christliche Gottesmutter als göttliche Jungfrau der Minenarbeiter.

In den Jahren der gewaltsamen Missionierung der Indios durch die Spanier, kam unter den Minenarbeitern eine Sage auf, in der eine Person (der "Chiru-chiru") die Reichen beraubte um den Armen zu helfen. Dieser wurde eines Tages tot in einem Stollen (Socavon), vor dem Bild der Jungfrau von Candelaria, aufgefunden. Die Virgen de la Candelaria wurde zur Jungfrau der Minenarbeiter, weil sie und das Jesuskind eine Wachskerze tragen, als ob sie eine dunkle Mine betreten. Dieser Kult stammt von der Insel Teneriffa, wo er einen Bezug zum vulkanischen Feuer des Teide hat. In Potosi wurde er 1616 übernommen.

Der Silberberg von Potosi wurde 1544 entdeckt. Da der Berg in einer unwirtlichen, kalten Gegend liegt, konnten weder Sklaven aus Guinea noch Indios aus dem Tiefland als Arbeiter eingesetzt werden. Die Indios arbeiteten in den Schächten nur beim Schein einer Wachskerze. Sie schlugen das Gestein ab und übergaben es den Trägern, die in der Dunkelheit über Holz und Lederleitern die Lasten auf dem Rücken zum Ausgang der Mine bringen sollten. Zwei Arbeiter mussten sich dabei eine Kerze teilen. Verfehlte ein Arbeiter eine Sprosse der Leiter und stürzte ab, dann riss er alle hinter ihm Gehenden mit hinunter. Nach den Bergregeln sollten immer drei Täger hintereinander gehen. In Arbeitsschichten ging die Arbeit während des Tages und auch während der Nacht. Eine noch größere Gefahr drohte durch herabstürzendes Gestein oder durch einen Wassereinbruch.

Aussagen heute lebender Indios

Ich bin stolz darauf, die Frau eines Minenarbeiters zu sein. Wie wünschte ich, dass alle Leute des Volkes stolz auf das wären, was sie sind, was sie haben, auf ihre Kultur, ihre Art zu sein; dass sie sich wehrten, dass sie immer mehr überfremdet werden; dass sie aufhörten, andere Leute nachzuahmen, die letzten Endes unserer Gesellschaft wenig Gutes gebracht haben. (Domitila)

Siehst du so dunkel aus wie ich, dann behandeln sie dich nicht wie ihresgleichen. Wir werden bevormundet von einer Minorität. Sicher sie sind Bolivianer, aber wir werden gezwungen, ihre Sprache zu sprechen und ihrer Kultur zu folgen.
Sie (die Mestizen, die nicht nach unten sehen, sondern nach oben ) Sie nennen mich Bruder, aber ich bemerke selbst bei ihnen Rassismus.
(Genaro Flores, Führer der Landarbeiter)

s. Die Arbeitsverpflichtungen der Indios. Die Arbeit im Silberbergwerk von Potosi im 16.Jh..Über die Ausbeutung der Indios in zeitgenössischen Berichten der vergangenen Jahrhunderte. Der Arbeitslohn


Trostlos romantischer Blick auf den Lokomotivfriedhof von Uyuni

Ausflug zu den Schwefelquellen (50 Min.)

Am Nachmittag sind wir durch eine rote Lehmlandschaft mit weißen und grünen Erdbändern zu den heißen Quellen von Tarapaya/Laguna gefahren. Das lockere Gestein ist durch Erosion stark zerfurcht. Wenige Terrassen, einige Oasen. Die Laguna soll zu einem touristischen Ziel ausgebaut werden. Einige Häuschen stehen schon da. Unsere Reiseagentur hat ein Picknick mit Grill und Lamafleisch vorbereitet. Zwei Männer der Gruppe wagen sich ins Wasser. Zweimal unterbricht ein kurzer Nieselregen die Idylle. In der Nähe von Schwefelquellen liegt eine Hütte eines Heilers. Leider bekommen wir ihn nicht zu Gesicht. Er schläft. Unterwegs halten wir in einer Schlucht bei einer "Teufelshöhle". Am Eingang hängt eine geopferte schwarze Katze. Eine auf die Felswand gepinselte Inschrift "el diablo es un cornudo" verrät, dass hier ein Teufel wohnt. Früher sollen hier Menschen geopfert worden sein.

Abendregen. Auch am Morgen regnet es noch bis zum Mittag.

Von Potosi nach Uyuni, 215 km, 7 Std

Die siebenstündige Fahrt nach Uyuni geht durch landschaftlich wunderbare Gebiete in 4000 m Höhe. Roter Fels, vielfarbige Formationen, Felsen wachsen wie Knochen aus dem Boden, dann wieder graue, glatte Hügel. Wir sehen die ersten Lamas. Begeisterung und Fotojagd. Später sehen wir Hunderte von Lamas und Alpakas. Baumkakteen erinnern an Mexiko. Eine weite Ebene, kaum besiedelt. Flüsse. Erste Lehmhütten mit grasgedeckten Dächern. Darüber ein großartiger blauer Himmel mit scharf umrissenen Wolkenbildern. Durchquerung von Flussbetten.


Trostlos armselige Hütten in Tica

Krankheitserreger in Lehmhäusern und Grasdächern
Gemäß dem Boletin Chileno de Parasitologia sind 50% der Menschen in den betreffenden Gegenden durch die Chagas-Krankheit gefährdet, die sich durch Wanzen in den Strohdächern der Adobehäuser verbreitet. In solchen Gebäuden findet die Wanze, durch die der Erreger nachts übertragen wird, ideale Lebensbedingungen. (1989)

Uyuni, Regenwasser steht noch auf der Straße. Besichtigung des berühmten Lokomotivfriedhofs. Erinnerungen an Bahnhöfe des Ruhrgebiets. Ein eher uninteressanter Schrottplatz in trostlos weiter Landschaft.

Wegen des hohen Wasserstandes können wir nicht wie vorgesehen zur Isla Pescado mit 20 m hohen Kakteen fahren. Sogar der Ausflug zum Salzhotel wäre beinahe ins Wasser gefallen, weil die Stadt durch einen Streik gegen den Alkalden für einen Tag geschlossen wurde. Nur mit Mühe gelangen wir auf Schleichwegen zu den Jeeps und durch die Abriegelungen. Am Abend müssen wir 30 Minuten warten, bis sich eine Gelegenheit ergibt, die Streikposten zu umgehen. Auch die Restaurants sind geschlossen. Durch eine Hintertür werden wir eingelassen und müssen dort ohne Licht essen.

Bevor man zum See kommt, durchquert man das Salzdorf Colchani. Ein trostloseres Dorf kann man sich kaum vorstellen. Eine menschenleere Ansammlung von halb verfallenen Häusern. Einige vermummte Menschen sehen wir später im knietiefen Salzwasser, die mit Äxten Salzblöcke (panes de sal) aus dem Boden schlagen, die in einer Salzmühle weiterverarbeitet werden. Verloren und unwirklich wirken sie in der riesigen Fläche, in der sie wie auf einem Spiegel stehen, umgeben von den Spiegelungen des hellblauen Himmels mit vielen grau-weißen Wolken. Hier verwandeln sich alle Dinge, selbst die Grenze zwischen Himmel und Erde verliert sich. Nur mit Mühe können die vom grellen Licht geblendeten Augen diese verzauberte Welt wahrnehmen. Die Hauptgefahr auf dem Salar bilden die sog. Ojos (Augen), blubbernde Salzquellen unterirdischer Wasserläufe, welche die Salzkruste durchbrechen.

Die Jahresproduktion von Salz liegt bei etwa 20.000 Tonnen. Der größte materielle Reichtum des Salars liegt noch ungenutzt - Lithium. Auf 9 Millionen Tonnen werden die Vorkommen des silberweißen Alkalimetalls geschätzt (75% des derzeit bekannten Weltvorkommens). Dieses wird vor allem als Legierungszusatz für Batterien und in der Kerntechnik benötigt.


Trostlos wüste Siedlung von Colchani am Salzsee

Von Uyuni zurück nach Potosi, 7-14 Uhr

Am Morgen gibt es kein Frühstück und kein Wasser. Die weitere Fahrtroute wird ebenfalls geändert. Wir fahren wegen des schlechten Weges nicht nach Oruro, sondern zurück nach Potosi. Sieben Stunden müssen wir wieder zurück über die Hochebene, immer wieder durch Flussläufe. Ein Trost soll uns sein, dass wir in Potosi noch einen Teil der karnevalistischen Umzüge erleben werden. Unser Guide meint, in Oruro sei nichts zu sehen. Dabei ist Oruro die Hauptstadt der Karnevalsumzüge. Aber er ist zum ersten Mal in Bolivien und kann uns immer nur vage Informationen aus zweiter Hand weitergeben. Unterwegs zwei Reifenpannen, die uns zwei lange Spaziergänge bescheren.

Karneval

In Potosi erleben wir noch den letzten Teil des karnevalistischen Umzugs der Minenarbeiter anlässlich der Virgen de la Candelaria, der lichtbringenden Jungfrau. Dabei fängt es an zu hageln und zu regnen. Wir sitzen unter einem Zeltdach an Tischen und bekommen ein Essen serviert, während sich die Karnevalsgruppen vor uns aufstellen. Einige der leichtgeschürzten Mädchen ziehen Plastikbahnen als Regenschutz über. Die Männer torkeln z.T. schon betrunken über die Straße. Ohren betäubend schmettern die Blaskapellen ihre Tanzmusiken. Jede Gruppe hat eine eigene Musikkapelle mit vielen Bässen. Die Pachamama, die Virgen oder der Krach vertreibt schließlich für einige Zeit den Regen und lockt die Sonne hervor. Dann aber sorgen die Jungen mit Wasserbomben und Wassergewehren dafür, dass möglichst viele der Tänzer und Zuschauer nass werden. Eine weitere Unsitte des Karnevals ist das Sprayen mit stinkendem Schaum. Dabei sind besonders die Mädchen die Opfer. Es scheint allen Spaß zu machen, nur uns Touristen nicht.


Freude an Tanz und Sex bei den Karnevalsumzügen

Die Tänze von Potosi

Wie alle bolivianischen Tänze haben auch diejenigen aus Potosí ihre ganz spezielle, unverwechselbare Tracht:

Die Kleidung der Frauen besteht aus der Almilla, einem langen, schwarzen und am Saum reich bestickten Kleid, einem Tragetuch, in dem von Lebensmitteln bis zu Kindern alles transportiert wird, und einem ebenfalls bunt mit floralen Motiven bestickten Schultertuch.

Ihre langen Zöpfe sind mit den Tullmas, einem Haarschmuck, der regional sehr stark variiert, zusammengebunden (damit die Haare nicht beim Arbeiten stören.). Die noch ledigen Tänzerinnen haben ihre weißen Filzhüte aus Lamawolle mit bunten Federn, Schmuckbändern und Spiegeln geschmückt.

Sie tragen kleine handgewebte Taschen, Chuspitas, die zum Aufbewahren von Coca-Blättern dienen oder auch als Geldbörse, und Chumpis, bunte Schals, als Gürtel.

Chullos, die auch in Deutschland in letzter Zeit sehr beliebt gewordenen "Zipfelmützen", werden in Bolivien nur von Männern getragen. Sie sind nicht nur Gegenstand des täglichen Gebrauchs, sondern symbolisieren auch das Ansehen innerhalb der Dorfgemeinde. Anhand des Chullos kann auch die Zugehörigkeit zu einer Dorfgemeinschaft abgelesen werden.

Die Tänzer sind in schwarze oder weiße Hosen und meist bunte, stark bestickte und verzierte Jacken gekleidet. Früher waren die Sandalen aus gegerbtem Kuhleder, heute werden sie oft auch aus einem alten Autoreifen hergestellt.

Der Morenada

Der Tanz erinnert an die Zeit, als keine Indios mehr in genügender Anzahl für die Minen aufgetrieben werden konnten und zunächst Sklaven aus Angola, Guinea und aus dem Kongogebiet als Arbeitskräfte in die spanische Kolonie verschleppt wurden. Dort trieb man sie, aneinandergekettet in Gruppen zu zehn Mann, zu den Silberminen Potosís, wo sie die indianischen Zwangsarbeiter ersetzen sollten. Die Schwarzen konnten sich jedoch nicht an das Klima der Hochebene gewöhnen und endeten schließlich als Plantagenarbeiter in den Tälern der Yungas, wo sie vor allem auf den Coca-Feldern arbeiteten.

Die Indios schufen aus den Überlieferungen ihrer Vorfahren einen Tanz den sie Morenada nannten. Das reich bestickte Kostüm der Morenos, der Schwarzen, die im Mittelpunkt der Morenada stehen, wird unterschiedlich interpretiert: es könnte einerseits den Reichtum des Herrn, andererseits aber auch den hohen Preis, den dieser für seinen Sklaven bezahlt hat, symbolisieren.

Gleichzeitig erinnert das klassische Rasseln der Matracas, einer Art Ratsche, an die langen Märsche, die die Schwarzen zurücklegen mussten, begleitet vom Rasseln ihrer Ketten und dem Quietschen der Kutschen.

Über weitere Tänze: Diablada, Morenada, Tänze der Tinkus, Tobas, Kallawas, Caporales, Negritos

Wie viele in unserer Gruppe habe ich mich inzwischen auch erkältet und Antibiotika genommen.

Die Hälfte der Speicherkarte meiner Kamera ist schon voll. Ich merke, dass ich kaum Personen fotografiere. Da die Gruppe kaum ethnografisches Interesse zeigt, werden Dörfer und Häuser nicht besichtigt. Von unseren Indientouren bin ich ganz schön verwöhnt. Morgen haben wir wieder eine lange Tour von 14 Stunden nach La Paz vor uns.


Straßenszene im Dorf Tica

Von Potosi nach La Paz

Schon nach 11 Stunden Fahrt sind wir in La Paz angekommen. Heute morgen hatten wir beim ersten Teil der Fahrt Sonne mit Wolken, auch die Landschaft war sehr schön. Tausende Lamas grasten immer wieder seitwärts der Strasse, auch Schafe, manchmal rötliche Schweine. Die letzten 5 Stunden waren ganz schön anstrengend, zumal die Gegend nicht sehr reizvoll war und es vom Himmel schüttete und hagelte, dass alles wie zugeschneit aussah.

Kalter Wind in 4000 m Höhe bei immer wieder auftretenden Regenschauern. Da können einem die Tiere trotz der dichten Wolle und die auf dem Boden hockenden Hirten-Frauen trotz der dicken Röcke leid tun, vor allem auch die Kinder-Hirten. In der öden weiten Landschaft ohne Bäume liegen vereinzelte kleine grasgedeckte Lehmhäuser der Indios. Ihre Armseligkeit ist erschreckend, und das Leben unter solch harten Bedingungen kaum vorstellbar. Unbegreiflich ist, dass sich die Lebensbedingungen für die Indios seit der Unabhängigkeit nicht verändert haben. Wo bleibt das ganze Geld aus den Bergwerken und den Gasvorkommen?

Der Gamonal (Großgrundbesitzer)
Protestlied eines armen Bauern aus der republikanischen Epoche, Literatura Inca, Paris 1938

Wie arm ist das Lama
Und wie bescheiden!
Niemand gibt ihm Nahrung,
doch muss es ständig Lasten tragen.

Vorm Puma aber zittert man,
dem hochmüt`gen Räuber!
Wo er Lust hat, frisst er,
und niemand hindert ihn.

Als der Herr kam,
nichts, nichts brachte er mit
und hat sich für immer
festgesetzt auf unserm Land.


Trostlos karges Hochland unter einem gewaltigen Himmel

Kurz vor La Paz wird das Land fruchtbarer, man sieht Kühe und Bäuerinnen, die am Straßenrand Käse anbieten. In der Ferne tauchen zum ersten Mal schneebedeckte Berge auf, die weißen Kordilleren. Dann an der schnurgeraden Straße auch hässliche Fabriken und Ziegelsteinhäuser, eine Autobahn und jede Menge Autos, in der Stadt Staus.

Der erste abendliche Eindruck von der Stadt ist eher negativ, hässliche Bauten. Der Blick auf die Stadt in einer Senke wirkt wie ein rötlicher Haufen nichtssagender Ziegelbauten. Im Innern stehen viele Hochhäuser, dazwischen wenige Reste alter Bauten.

Morgen bei Tageslicht wird alles positiver aussehen.

Das Gehör macht mir Probleme, weil oft der Druck nicht weicht, wenn wir immer wieder auf 4000 m hinauf und auf 3600 m herunter fahren. Gottseidank habe ich noch keine Magenprobleme wie viele andere. Die Höhe wird vor allem nachts beim Atmen spürbar.

Das Hotel hier ist, wie auch das letzte in Potosi, sehr gut.


Vor der Kathedrale in LaPaz

La Paz, 1.000.000 Einwohner, 3.500 - 4.000 m

Die Stadt wirkt im Innern modern, ist voller Leben. Viele junge Menschen, aber auch viele Indios in Trachten. Leider bekommen wir von unserem Guide falsche Informationen zur vom Hotel angebotenen Rundfahrt. Die beiden, die diese preiswerte Fahrt des Bus Turistico (mit deutschem Audioguide) mitmachen, sind restlos begeistert.

Wir sehen uns das Koka-Museum (enttäuschend, da es vorwiegend ein Lesemuseum ist), verschiedene Kirchen, das Einkaufsviertel am Hexenmarkt und einige Stadtviertel an. In der fast normalen Hexenstraße kaufe ich einige Geschenke aus Alpakawolle und eine vielköpfige Pachamama aus Stein.


Getrocknete Lamaföten als Fruchtbarkeitsopfer, Frösche als Regenbringer, Schlangenhäute u.a. in der Hexenstraße von La Paz

Die vielen getrockneten Föten, Frösche, Opferteller und Zaubermittel sind wohl in erster Linie für die Einheimischen bestimmt.

Bei La Paz lebt ein entfernter Verwandter von mir, den ich gerne besucht hätte.

Pfarrer Josef M. Neuenhofer gründet in La Paz im Auftrag der katholischen Kirche die Fundación Arco Iris (Regenbogen). Webpräsenz: http://www.arco-iris.de.
Aus einer Zeitung:
"Besser scheint es da einem anderen deutschen Priester in La Paz zu gehen. Josef Neuenhofer, hier als Padre José bekannt, will nicht so hoch hinaus wie Obermeier. Vielleicht hat er sich deshalb nicht in El Alto, sondern in Alto Obrajes, etwa 600 Meter tiefer im Kessel von La Paz, niedergelassen. "Obrajes" heißt "Werkstätten", und entsprechend irdisch ist die Arbeit des Pfarrers. Sein Projekt mit dem schönen Namen "Arco Iris" (Regenbogen) kämpft nicht um Seelen, sondern für ganz reale Dinge. In La Paz und El Alto leben rund 4.000 Kinder auf der Straße. Für sie setzt sich Neuenhofer mit seiner 1994 gegründeten Stiftung und einer Reihe von Projekten ein."

Von La Paz nach Puerto Perez am Titicaca-See, 120 km

Unser Bus muss für einen Tag in die Reparaturwerkstatt. Mit einem wesentlich schlechteren Bus ohne genügende Beinfreiheit starten wir heute in Richtung Titicaca-See. Die Landschaft ist hier fruchtbarer, die Ebene weiträumiger, die Besiedlung enger. Großartige Landschaftsbilder fehlen. Der Blick durchs Busfenster wird langweiliger. Statt der Lamas weiden hier viele Kühe.

Während sich die Sonne sommerlich heiß zeigt, fahren wir zunächst zum ärchäologische Museum Tiwanaku. Die Reste der Ruinen und die Riesenfiguren hinterlassen einen großen Eindruck von dieser unerforschten Vorinka-Kultur aus den Jahren 100 v. Chr. bis 1200 n.Chr..


Riesenhafte Gottes-Statue in Tiwanaku

„Der Stabgott“ stellt ein frontal ausgerichtetes tierisch-menschliches Mischwesen mit Stäben oder Maisstängeln in den Händen dar. Dieses Motiv, das es schon in der Chavin-Kultur 900 v. Chr. gab, später in der Tiwanaku-Kultur 100 v. Chr. bis 1200 n.Chr., lebt bis in die Inkazeit fort, wie die Bildwerke aus dem Herrschergrab von Sipan noch zeigen, die man im Goldmuseum in Lima sehen kann.


Figuren aus der Tiwanaku-Kultur

Der Titicaca-See (13 mal größer als der Bodensee, bis 304 m tief und 3800 m hoch). Zu Bolivien gehört nur 30 % der Fläche.

Unser abendliches Ziel ist Puerto Perez am See, wo wir zunächst durch das luxuriöse Hotel "Las Balsas" am See überrascht werden. In der Halle brennt ein Herdfeuer und in den Zimmern stehen warme, elektrische Heizkörper. Beim abendlichen Spaziergang am Ufer des Titicaca-Sees und über den angrenzenden Höhenrücken sehen wir, wie ausgesprochen fruchtbar die Seeufer sind. Da der See als Wärmespeicher wirkt, gedeihen hier Mais, Gerste, Erbsen, Zwiebeln und Quinoa (meist als Körner- oder Mehleinlage in Suppen). Die Kartoffeln werden schon geerntet. Hier sollen sie zuerst gezüchtet worden sein (etwa 240 Sorten). Die "Dicke Bohnen" sind fast reif. Für die angepflockten Kühe wird Schilf geschnitten. Später auf den Schilfinseln werde ich auch die süßlichen Markstängel probieren. Junge Schafe werden an langen Leinen gehütet. Von einem Boot aus legt eine Mutter mit ihren Jungen ein langes Netz zum Fischen aus. Abends werden wir den bekanntesten Fisch des Sees essen, den wohlschmeckenden Pejerrey, ein zugesetzter, argentinischer Raubfisch, durch den viele Fischsorten vom Aussterben bedroht sind.


Ufer des Titicaca-Sees bei Puerto Perez

Von Puerto Perez zur Isla del Sol, 50 km

Unser schweres Gepäck hinterlegen wir in Copacabana und starten dann etwas später zur Insel. In einer Wettfahrt zwischen drei Motorbooten legen wir zuerst bei der Anlegestelle am Palast des Inka an (Pilkokaina) und wandern mühsam mit unserem Gepäck den Berg hoch zum Ort San Antonio. Dort finden sich im Gegensatz zu den Djosermitteilungen viele gute Übernachtungsmöglichkeiten.

Die 9,6 km lange Sonneninsel hieß bei den Aymara Titicaca (Pumafelsen) und gehörte zum Bereich der Hauptstadt Tiwanaku (100 v.Chr.). Im 13. Jh. erhoben die Inka die Insel zu einem heiligen Ort, da hier der Schöpfergott Con Tiki Wiracocha seine Kinder, die Urahnen der Inkas, aussetzte und sie in die Welt schickte, damit sie die Völker regieren sollten. Der Schöpfergott wurde später zu Vater Sonne und die Kinder zu Sonnenkindern. Deshalb durften nur Angehörige der Adelskaste diese Insel betreten.

Um diese kulturgeschichtlich interessante Insel kennenzulernen, muss man allerdings mindestens 2 Tage hier bleiben und nicht wie wir als Nachmittagsausflügler, denen ein eventueller Sonnenuntergang versprochen wird. Ich mache allein eine mehrstündige Rundwanderung. So schön dieses Naturerlebnis auch ist, so bin ich doch frustriert, dass, wie schon im Umkreis von Uyuni, weder hier noch später im Bereich der nördlichen Inseln aus zeitlichen Gründen ein intensiveres Kennenlernen der Gegend möglich ist. Die Fundstücke aus der Tiwanaku-Zeit im nördlichen Teil der Insel, den heiligen Fels und die Ruinen aus der Inka-Zeit, die über einen wunderschönen Höhenweg zu erreichen sind, sehen wir leider nicht.


Pilkokaina, ein ehemaliger Palast des Inka auf der heiligen Sonneninsel

Am nächsten Morgen klettern wir die nahe gelegene Inkatreppe hinunter zur Quelle und zum nahen Anlegeplatz für die Boote, während allenthalben die Eingeborenen ihre bepackten Esel vor sich hertreiben. Auf der Rückfahrt nach Copacabana erinnert uns der Blick über das Wasser und die vielen Inseln wieder an eine vertraute italienische Seenlandschaft und an die kroatische Küste.

Copacabana, die letzte Station vor der peruanischen Grenze, Kota Kahuana (Seeblick), dann Copacahuana.

Von einem Inka als Ausgangspunkt des Pilgerwegs zur Nordseite der Sonneninsel gegründet, machte der Augustinerorden den Pilgerort zu einem christlichen Pilgerort zu Ehren der Virgen de la Candelaria. Auch Autos werden vor der Kirche gesegnet. Die berühmte wundertätige schwarze Jungfrau können wir allerdings wegen Restaurierungsarbeiten nicht sehen.


Die Taufe eines Autos in Copacabana

Die hier ansässigen katholischen Aymaras haben vor einigen Jahren ein eigenes Glaubensbekenntnis
formuliert:

„Ich glaube, dass Gott die Erde geschaffen hat, die Berge und die Seen... Ich glaube an die Einigkeit unserer Gemeinschaften ... an den Kampf gegen den Hunger... an die Gesundung der Kranken ... Ich glaube an die Aufopferung Jesu Christi für alle und an die Messe mit den Erzeugnissen der Erde... Ich glaube an Maria, welche die Mutter aller Menschen ist, was auch für die Pachamama gilt... Ich glaube daran, dass sich Gott in verschiedenen Weisen und in jedem Volk offenbart, dass jedes Gebet sich an Gott wendet, damit für alle Völker mit ihm das ewige Leben komme... Ich glaube, dass der Hl. Geist zu uns gekommen ist, um die Menschheit von der Macht des Teufels zu befreien.“

Vor den Farben der Nationalflagge zeigen sich Tochter, Mutter und Vater mit Büchern.

Sich bilden bedeutet bessere Lebenschancen !?

Ein gangbarer Weg Boliviens in eine bessere Zukunft?

Die umfangreichsten und vielfältigsten Informationen habe ich auf den Internetseiten von Marg. und Aloys Payer gefunden: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien02.htm

Fortsetzung der Reise durch Peru 15 Seiten